Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.01.2025 · IWW-Abrufnummer 245706

    Landgericht Nürnberg-Fürth: Urteil vom 12.03.2024 – 12 KLs 505 Js 503/22

    Wird eine nach der Zahl der Tagessätze hohe Geldstrafe verhängt, so ist bei einem vermögenslosen alleinstehenden Angeklagten, der Bürgergeld beanspruchen kann, die Tagessatzhöhe im Ausgangspunkt bei 5 € anzusetzen (Anschluss an BayObLG, Beschluss vom 06.11.2023 - 204 StRR 470/23).


    Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 12.03.2024, Az. 12 KLs 505 Js 503/22

    IM NAMEN DES VOLKES

    Urteil
    des Landgerichts - 12. Strafkammer - Nürnberg-Fürth

    In dem Strafverfahren gegen


    wegen Steuerhinterziehung

    aufgrund der Hauptverhandlung vom 12.02.2024, 19.02.2024, 26.02.2024, 04.03.2024 und 12.03.2024, an der teilgenommen haben:



    I.    Der Angeklagte ist schuldig der Steuerhinterziehung in 15 Fällen. 
    II.    Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 5 € verurteilt. 
    Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. 
    Dem Angeklagten wird nachgelassen, die erkannte Gesamtgeldstrafe in monatlichen Raten von 100 €, beginnend am 15. des zweiten auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats, zu begleichen.
    III.    Es wird die Einziehung von Wertersatz angeordnet und zwar
    i.H.v. 254.355 € gegen den Angeklagten und
    i.H.v. 478.570 € gegen die F UG.
    IV.    Der Angeklagte hat die Kosten des Strafverfahrens zu tragen. 


    Angewandte Vorschriften:

    §§ 369, 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 AO, §§ 1, 2, 15, 20 EstG, §§ 1, 2, 3, 4 SolZG, §§ 1, 2, 6, 7, 10 GewStG, §§ 1, 7, 8, 23 KStG, §§ 1, 2, 15 UStG, §§ 53, 73, 73b, 73c StGB.

    Gründe:


    A. Zur Person des Angeklagten



    B. Die Taten des Angeklagten

    I. Betriebliche und steuerliche Verhältnisse

    Der Angeklagte war seit 23.04.2012 Inhaber eines Einzelunternehmens mit dem Geschäftsgegenstand Versand- und Internethandel. Dieses Einzelunternehmen meldete er zum 11.05.2017 ab und stellte seine Tätigkeit als Einzelgewerbetreibender ein. Mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 07.07.2017 gründete er die F UG (haftungsbeschränkt) (im Folgenden: UG) mit Sitz in …, eingetragen in das Handelsregister des Amtsgerichts … unter HRB …. Seit Gründung ist er einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Alleingesellschafter der UG. Zweck der UG ist die Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten in den Bereichen Logistik, Lager und Import sowie der eigenständige Vertrieb von Textilien im Online- und Offline-Handel. Zur Abwicklung seiner Geschäfte nutzte der Angeklagte sowohl als Einzelunternehmer als auch später für die UG mehrere Online-Handelsplattformen. Außerdem veräußerte er seine Waren über von ihm selbst errichtete Online-Shops. Der Angeklagte wurde beim Finanzamt … für den Tatzeitraum unter der Steuernummer … veranlagt. Die UG ist beim Finanzamt … unter der Steuernummer … erfasst. Der Angeklagte als Einzelgewerbetreibender ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung; die UG bilanzierte.

    II. Tatentschluss und -ausführung

    Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem Jahr 2014 fasste der Angeklagte den Entschluss, die fortlaufenden Einnahmen und Umsätze aus dem Geschäftsbetrieb seiner Unternehmen weitgehend der Besteuerung zu entziehen, indem er die Einnahmen durch die Nutzung nicht auf ihn registrierter, teils ausländischer, Bank-, PayPal- und Onlinekonten verschleierte und sie nicht in seiner Gewinnermittlung erfasste. Hierbei setzte er unter anderem seinen in Thailand lebenden Bekannten B ein, der Zahlungen über ein auf dessen Namen laufendes Paypal-Konto für den Angeklagten abwickelte. Der Angeklagte erklärte in zwölf von ihm abgegebenen Steuererklärungen für den Zeitraum der Jahre 2016 bis 2019 nur einen Bruchteil der tatsächlich erzielten Einkünfte und gab in drei weiteren Fällen innerhalb der Erklärungsfristen bzw. bis zum allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten keine Steuererklärungen ab.

    1. Besteuerungsgrundlagen

    Der Angeklagte erzielte Umsätze aus dem Verkauf folgender Waren (in der Tabelle jeweils angegeben Stück der Ware / Jahr), die er in den jeweiligen Steuererklärungen nicht angab bzw. dort nicht zugrunde legte:

    Warengruppe:    2016    2017    2018    2019
    …    …    …    …    …

    Bezogen auf die einzelnen Jahre ergab sich folgender kalkulierter Gesamtumsatz, den der Angeklagte nicht in den Steuererklärungen angab bzw. dort nicht zugrunde legte (wobei hinsichtlich der Warengruppe Jacken wegen der unterschiedlichen Verkaufspreise an Großhändler und an Endkunden insoweit eine Differenzierung vorzunehmen war):

    a) Für das Jahr 2016:

    Warengruppenart    Verkaufte Menge    durchschnittlicher Verkaufspreis pro Stück    Kalkulierter Gesamtumsatz
    …    …    …    …
    Gesamt            473.882,13 €

    b) Für das Jahr 2017:

    Warengruppenart    Verkaufte Menge    durchschnittlicher Verkaufspreis pro Stück    Kalkulierter Gesamtumsatz
    …    …    …    …
    Gesamt            394.863,26 €
    Auf Einzelunternehmen entfallend    73.681,48 €
    Auf UG entfallend    321.181,78 €

    c) Für das Jahr 2018:

    Warengruppenart    Verkaufte Menge    durchschnittlicher Verkaufspreis pro Stück    Kalkulierter Gesamtumsatz
    …    …    …    …
    Gesamt            683.501,67 €

    d) Für das Jahr 2019:

    Warengruppenart    Verkaufte Menge    durchschnittlicher Verkaufspreis pro Stück    Kalkulierter Gesamtumsatz
    …    …    …    …
    Gesamt            415.168,00 €

    Die jeweiligen Waren erwarb der Angeklagte in den einzelnen Jahren zu folgenden Preisen: 

    Lieferant    2016    2017    2018    2019
    …    …    …    …    …
    Gesamt    164.542 €    192.187 €    339.569 €    150.544 €

    Für das Jahr 2017 verteilt sich der Wareneinkauf im Verhältnis 81,34 % auf die UG (= 156.324,90 €) und 18,66 % auf das Einzelunternehmen (= 35.862,09 €).

    e) Weiter ließ sich der der Angeklagte von der UG ein Geschäftsführergehalt in folgender nicht erklärter Höhe auszahlen: 

    2017    2018    2019
    2.200 €    18.000 €    10.232 €

    f) Er entnahm aus dem Gesellschaftsvermögen der UG folgende nicht erklärte Geldbeträge, die er für sich behielt:

    2017    2018    2019
    18.255 €    47.500 €    30.640 €

    2. Falscherklärungen

    Der Angeklagte gab für die Veranlagungszeiträume 2016, 2017 und 2019 beim zuständigen Finanzamt Einkommensteuererklärungen ab (Fälle 1, 2, 3). Für die Veranlagungszeiträume 2017 bis 2019 gab er jeweils für die UG Körperschaftssteuererklärungen ab (Fälle 8, 9, 10). Für die Veranlagungszeiträume 2016 bis 2019 gab der Angeklagte Gewerbesteuererklärungen ab, für das Jahr 2016 für sein Einzelgewerbe (Fall 4) und für die Jahre 2017-2019 für die UG (Fälle 5, 6, 7). Schließlich gab er für die Anmeldezeiträume 2018 und 2019 Umsatzsteuerjahreserklärungen für die UG (Fälle 11, 12) ab. Die jeweiligen Abgabedaten ergeben sich aus nachfolgenden Tabellen.

    Er war ‒ wie er wusste ‒ verpflichtet, in diesen Erklärungen die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und richtig offenzulegen. Dieser Verpflichtung kam er bewusst nicht nach. Er gab vielmehr in den Steuererklärungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen sowie Umsätze in nachfolgend genannter Höhe zu niedrig an, indem er, seiner vorgefassten Absicht entsprechend die seinen Unternehmen zuzurechnenden Betriebseinnahmen nicht vollständig in der Gewinnermittlung erfasste und damit der Besteuerung entzog. 

    Infolge der unrichtigen Angaben wurde sodann die Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2016, 2017 und 2019, die Gewerbesteuer für die Veranlagungszeiträume 2016 bis 2019, die Körperschaftssteuer für die Veranlagungszeiträume 2017 bis 2019 sowie die Umsatzsteuer für die Anmeldezeiträume 2018 und 2019 in Höhe von insgesamt 589.867 € zu niedrig festgesetzt. Die jeweiligen Steuerschäden ergeben sich aus nachfolgenden Tabellen.

    Der Steuerschaden durch die Falscherklärungen berechnet sich im Einzelnen wie folgt: 

    a) Fall 1-3: Verkürzung der ESt

    Fall Nr.     1    2    3
    Einkommensteuer    2016    2017    2019
    …    …    …    …
    Verkürzte Einkommensteuer gesamt    94.209 €    11.583 €    10.443 €

    b) Fall 4-7: Verkürzung der GewSt

    Fall Nr.     4    5    6    7
    Steuerschuldner    Angekl.    UG    UG     UG
    Gewerbesteuer    2016    2017    2018    2019
    …    …    …    …    …
    verkürzte Gewerbesteuer    48.406 €    19.914 €    59.626 €    46.957 €

    c) Fall 8-10: Verkürzung der KSt

    Fall Nr.     8    9    10
    Steuerschuldner    UG    UG    UG
    Körperschaftsteuer    2017    2018    2019
    …    …    …    …
    verkürzte Körperschaftsteuer gesamt    20.133 €    57.720 €    45.459 €

    d) Fall 11-12: Verkürzung der USt

    Fall Nr.    11    12
    Steuerschuldner    UG    UG
    Umsatzsteuer    2018    2019
    …    …    …
    verkürzte Umsatzsteuer    109.130 €    66.287 €

    3. Nichterklärungen

    Der Angeklagte war, wie die UG, steuerlich beraten und ‒ wie er wusste ‒ verpflichtet, bis zum 31.12. des auf den jeweiligen Veranlagungs- bzw. Anmeldezeitraum folgenden Jahres oder bis zum Ablauf der ihm jeweils individuell gewährten Frist beim zuständigen Finanzamt die Einkommensteuererklärung und Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben. Dieser Verpflichtung kam er ‒ wie er ebenso wusste ‒ nicht nach.

    Vielmehr gab er für den Veranlagungszeitraum 2018 keine Einkommensteuererklärung (Fall 13) sowie für die Anmeldezeiträume 2016 und 2017 keine Umsatzsteuerjahreserklärungen ‒ für 2016 für sich selbst (Fall 14) und für 2017 für die UG (Fall 15) ‒ innerhalb der für ihn geltenden Fristen ab. Wäre er seiner Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe der Einkommensteuererklärung 2018 nachgekommen, wäre er spätestens zum 31.07.2020 veranlagt worden.

    Durch die Nichtabgabe der genannten Steuererklärungen erklärte der Angeklagte Einkünfte sowie Umsätze in nachfolgend genannter Höhe nicht.

    Infolge der unterbliebenen Erklärungen wurden Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag 2018 und Umsatzsteuer 2016 und 2017 in Höhe von insgesamt 149.250 € nicht rechtzeitig festgesetzt. Unter Berücksichtigung der verspätet eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärungen ergibt sich ein steuerlicher Schaden in Höhe von insgesamt 143.058 €. 

    Im Einzelnen handelt es sich um folgende Taten:

    a) Fall Nr. 13: Verkürzung der ESt

    Einkommensteuer    2018
    …    …

    Insgesamt verkürzte Einkommensteuer    14.053 €

    b) Fall 14, 15: Verkürzung der USt

    Tat Nr.     14    15
    Steuerschuldner    Angekl.    UG
    Umsatzsteuer    2016    2017
    …    …    …

    Umsatzsteuerschaden    75.661 €      53.344 €

    4. Gesamtverkürzung

    Insgesamt verkürzte der Angeklagte durch unrichtige Angaben in seinen Steuerklärungen bzw. durch deren Nichtabgabe Steuern in Höhe von insgesamt 739.117 €. Hieraus entstand ein steuerlicher Schaden in Höhe von 732.925 €. Die Differenz beider Beträge erklärt sich aus den beiden verspätet eingereichten Erklärungen in den Fällen 14 und 15, in denen der Angeklagte unzutreffende, weil viel zu geringe Umsatzsteuerlasten deklariert hatte.

    C. Beweiswürdigung



    D. Rechtliche Beurteilung

    Der Angeklagte hat sich somit aufgrund des festgestellten Sachverhalts ‒ wie tenoriert ‒ der Steuerhinterziehung in 15 Fällen strafbar gemacht. Bei den Fällen 11 und 12 lag jeweils vollendete Hinterziehung vor, weil sich aus den Anmeldungen der Umsatzsteuer Zahllasten der UG ergaben (§ 168 Satz 1 AO).

    E. Strafzumessung

    I. Strafrahmen

    1. Für die Fälle 1, 6, 9, 11, 12, 14 und 15 entnahm die Kammer den jeweiligen Strafrahmen dem § 370 Abs. 3 Satz 1 AO. Der Angeklagte verkürzte hier jeweils Steuern von über 50.000 €, sodass jeweils das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfüllt war (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2008 - 1 StR 416/08; Urteil vom 27.10.2015 - 1 StR 373/15). Ist ein Regelbeispiel erfüllt, stellt dies aber nur ein Indiz für das Vorliegen eines besonders schweren Falles dar, dessen Indizwirkung allerdings innerhalb der stets vorzunehmenden Gesamtwürdigung der strafzumessungsrelevanten Umstände entkräftet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21.05.2019 - 1 StR 159/19). Die Kammer sah bei diesen Taten im Ergebnis jedoch keinen Anlass, ausnahmsweise auf den Normalstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zurückzugreifen. Die Gesamtabwägung sämtlicher Umstände, die für die Wertung der Taten und Person des Angeklagten in Betracht kamen, insbesondere seiner Persönlichkeit, seines Gesamtverhaltens, des Tatbildes und der die Tat begleitenden Umstände ergab, dass die Taten nicht vom durchschnittlichen Fall des Regelbeispiels abwichen. 

    Nicht ausreichend für das Abweichen von der Regelwirkung war nach Wertung der Kammer das eingehende Geständnis des Angeklagten, das letztlich die Grundlage der hiesigen Verurteilung geworden ist und auch nicht die teilweise Schadenswiedergutmachung, die darin lag, dass die Steuerfahndung den Lamborghini der UG des Angeklagten zur Verwertung und damit zum teilweisen Ausgleich der Steuerschuld beschlagnahmt hat. Das Fahrzeug hatte einen Wert von 256.302,52 € netto. Das ergab sich aus dem vom Verteidiger übergebenen und in der Hauptverhandlung verlesenen Ankaufvertrag vom 24.05.2023. Danach verkaufte die UG den dort näher bezeichneten Lamborghini Urus mit einer Gesamtfahrleistung von 2.550 km für 256.302,52 € netto (brutto 305.000 €) an die … GmbH in ... Nachdem es sich bei der … GmbH um einen der größten und marktmächtigsten Autohändler in … handelt, hat die Kammer keinen Zweifel, dass der vereinbarte Kaufpreis den Fahrzeugwert realistisch abbildete. Auch wenn man diese Punkte zugunsten des Angeklagten in die Bewertung einstellte, blieb auf der anderen Seite die erhebliche kriminelle Energie und der erhebliche Steuerschaden zu berücksichtigen. Alles in allem sah die Kammer im Ergebnis die Annahme der erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO vorliegend als gerechtfertigt an.

    2. Bei den übrigen Fällen 2 bis 5, 7, 8, 10 und 13 legte die Kammer den Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO an. Benannte Regelbeispiele aus dem Katalog des § 370 Abs. 3 Satz 2 AO waren insoweit nicht einschlägig. Die Gesamtabwägung sämtlicher Umstände führte im Ergebnis nicht dazu, dass diese übrigen Taten ‒ auch soweit sie der Grenze der 50.000 € recht nahe kamen (Fälle 4, 7, 10) ‒ jeweils als unbenannte besonders schwere Fälle (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) anzusehen wären.

    Ein Fall ist dann besonders schwer, wenn er sich bei einer im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorgenommenen Abwägung aller Zumessungstatsachen nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (vgl. Klein/Jäger, AO, 17. Aufl., § 370 Rn. 276), was insbesondere der Fall sein könnte, wenn der kriminelle Wille des Täters auf die Verwirklichung eines Regelbeispiels gerichtet war (Klein/Jäger, aaO, Rn. 277).

    Letzteres war bei den hier in Rede stehenden Fällen nicht gegeben. Einen überschießenden Willen des Angeklagten, noch mehr Steuern zu hinterziehen als tatsächlich geschehen und damit in den Bereich des großen Ausmaßes vorzustoßen, konnte die Kammer nicht feststellen. Die vorgenommene Gesamtabwägung hat nach Wertung der Kammer nicht ausgereicht, besonders schwere Fälle zu bejahen. So hat die Kammer einerseits strafschärfend insbesondere die beachtliche kriminelle Energie des Angeklagten gesehen, der seine „Schwarzumsätze“ über mehrere Jahre weitgehend über für deutsche Behörden kaum greifbare thailändische Konten und mithilfe von Mittelsmännern im Ausland, wie seines thailändischen Bekannten B, abwickelte. Auch war bei den einzelnen Fällen ‒ namentlich in den Fällen 4, 7 und 10 ‒ der jeweilige Verkürzungsbetrag und die insgesamt hinterzogene Steuer erheblich. Die Hinterziehungsbeträge waren in den Fällen der abgegebenen Erklärungen auch hoch im Verhältnis zur jeweils erklärten Steuer (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2008 - 1 StR 416/08, juris Rn. 45), sodass sich der Angeklagte im Wesentlichen nicht steuerehrlich verhalten hat.

    Andererseits hat die Kammer gesehen und zugunsten des nicht vorbestraften Angeklagten deutlich gewertet, dass er im Umfang der Verurteilung umfassend geständig war und durch seine sehr kleinteiligen und für die Kammer ‒ und ausweislich ihres Plädoyers und Antrags auch für die Staatsanwaltschaft ‒ jeweils nachvollziehbaren Stellungnahmen den wahren Sachverhalt „herausgeschält“ hat. Die Anklage hatte mit 2.048.144 € einen weitaus höheren Steuerschaden geschätzt, wobei die Schätzung in Teilen dem Umstand geschuldet war, dass es teilweise keine hinreichend belastbaren Ermittlungsergebnisse gab, insbesondere weil die im Ausland unternommenen (oder teilweise von vornherein unterlassenen) Ermittlungen keine relevanten Ergebnisse brachten. Damit soll nicht die Arbeit der Ermittlungsbehörden kritisiert, sondern lediglich der Befund konstatiert werden, dass mithilfe des Angeklagten aus einem angreifbaren und dem Rechtsfrieden tendenziell nicht dienlichen Schätzfall, bei dem wegen der Zulässigkeit und einer möglichen Reichweite der Schätzung Zweifel bestanden (zu den Anforderungen vgl. Joecks/Jäger/Randt/Grötsch, Steuerstrafrecht, 9. Aufl., § 370 Rn. 101 ff.), ein solide und zur vollen Überzeugung der Kammer berechneter Steuerfall werden konnte. Damit konnte die Kammer ihrer Aufgabe, den materiell wahren Sachverhalt festzustellen, weitaus besser gerecht werden.

    Im Ergebnis der Abwägung aller zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechenden Umstände meinte die Kammer daher, dass es für die Fälle 2 bis 5, 7, 8, 10 und 13 beim Normalstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO verbleiben konnte.

    II. Strafzumessung im engeren Sinne

    Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat sich die Kammer im Wesentlichen von folgenden, teils schon unter I genannten Umständen, auf die hier nochmals verwiesen wird, leiten lassen: 

    1. Für den Angeklagten sprach sein vollumfängliches Geständnis, das er zu Beginn der Hauptverhandlung abgelegt hat und im Laufe der Hauptverhandlung näher ausgeführt hat, indem er sein Geschäft und die einzelnen verheimlichten Transaktionen näher darlegte. Er hat das Tatgeschehen ausführlich dargelegt und sämtliche Fragen der Verfahrensbeteiligten eingehend und erschöpfend beantwortet. Der Angeklagte hat die sukzessive Aufarbeitung des Sachverhalts bereits aus der Untersuchungshaft heraus betrieben und in den Schriftsätzen seines Verteidigers, deren tatsächliche Grundlagen er ‒ der Angeklagte ‒ beigesteuert hat, eigene Erklärungen und Ausführungen zum Sachverhalt präsentiert, die die Staatsanwaltschaft durchweg als plausibel, nachvollziehbar oder jedenfalls als nicht zu widerlegen hingenommen und der Anklage zugrunde gelegt hat.

    Die Kammer hat dem Angeklagten abgenommen, dass er seine Taten bereut und sich dafür schämt. Diese Reue trat deutlich auch in dem gerade genannten Bemühen zutage, seine Geschäfte im Einzelnen aufzudecken und zu erklären. Die in dieser Sache vollzogene Untersuchungshaft und insbesondere die damit verbundene Trennung von seiner Verlobten hat, so ist die Kammer überzeugt, dem Angeklagten nachhaltig beeindruckt und ihm vor Augen geführt, dass sein Versuch, die Steuerbehörden durch Verschleierungsmaßnahmen, wie etwa thailändische Paypal-Konten, auszutricksen, ein zu hohes Risiko begründet und dass er für sich entschieden hat, dieses Risiko künftig zu vermeiden.

    Zugunsten des Angeklagten sprach weiterhin, dass er nicht vorbestraft ist.

    Der Angeklagte bemüht sich zudem um Schadenswiedergutmachung. So versuchte er über seinen Verteidiger einen Käufer für den durch das Finanzamt sichergestellten und gepfändeten Lamborghini, der der UG gehörte, zu finden. Auf Veranlassung des Angeklagten bzw. dessen Verteidigers hin stand hier ein Verkauf des Lamborghini zu einem Kaufpreis von 256.302,52 € netto im Raum. Dieser Verkauf kam allein deshalb nicht zustande, weil das Finanzamt ‒ wie der Zeuge E bestätigte ‒ mit der Privatinsolvenz des Angeklagten und der Insolvenz der UG rechnete, die nach Angabe des Verteidigers auch alsbald beantragt werden. Damit bestünde die Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung im Fall eines Verkaufs des Fahrzeugs und der daraus resultierenden Vereinnahmung des Kaufpreises durch das Finanzamt (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 131 Abs. 1, § 132 Abs. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 InsO). Das möchte das Finanzamt vermeiden, indem es, so der Zeuge E, eine öffentliche Versteigerung des Wagens betreiben will. Dies alles liegt aber nicht im Einflussbereich des Angeklagten; es kann jedenfalls nicht zu seinen Lasten gehen, dass sich die Verwertung eines gepfändeten Gegenstandes umständlicher oder schwieriger gestaltet als angenommen. Der UG wurde ‒ und darauf hebt die Kammer maßgeblich ab ‒ ein Vermögensgegenstand im aktuellen Verkehrswert von 256.302,52 € netto entzogen, aus dem der geschädigte Fiskus sich schadlos halten will.

    2. Zulasten des Angeklagten sprach der hohe Gesamtschaden von über 700.000 € und bei den einzelnen Hinterziehungen die teils erheblichen Verkürzungsbeträge. Durch die von ihm über einige Jahre praktizierte Vorgehensweise mit dem Verkauf von Waren über diverse Online-Plattformen, deren Erlöse auf verschiedene ausländische Konten floss, hat der Angeklagte eine erhebliche kriminelle Energie eingesetzt, um seine tatsächlichen Umsätze zu verschleiern und sich der Zahlung von inländischen Steuern zu entziehen. Hierzu hat er sich ein internationales Netzwerk aufgebaut, indem er sich die Kaufpreise seiner Kunden auf Konten im Ausland zahlen und Personen in Thailand für sich arbeiten ließ.

    3. Unter Berücksichtigung und Abwägung dieser Gesichtspunkte und mit differenzierendem Blick auf die Höhe der jeweils verkürzten Steuer hielt die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:

    Fall Nr. 1    1 Jahr
    Fall Nr. 2    60 Tagessätze
    Fall Nr. 3    30 Tagessätze
    Fall Nr. 4    150 Tagessätze
    Fall Nr. 5    90 Tagessätze
    Fall Nr. 6    9 Monate
    Fall Nr. 7    150 Tagessätze
    Fall Nr. 8    90 Tagessätze
    Fall Nr. 9    9 Monate
    Fall Nr. 10    150 Tagessätze
    Fall Nr. 11    1 Jahr 3 Monate
    Fall Nr. 12    10 Monate
    Fall Nr. 13    60 Tagessätze
    Fall Nr. 14    10 Monate
    Fall Nr. 15    9 Monate

    Bei den verhängten Geldstrafen hat die Kammer die Tagessatzhöhe gemessen an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten auf 5 € festgesetzt. Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe ist das Nettoeinkommen, das der Angeklagte zur Zeit der Verurteilung erzielte oder erzielen könnte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB). Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Verurteilung ohne Vermögen und ohne geregeltes Einkommen; er saß da seit elf Monaten in Untersuchungshaft, sein Onlinehandel lag brach und das Finanzamt hat seine Vermögensgegenstände gepfändet. Zwar hat er gegenüber der Kammer geäußert, er wolle ‒ nunmehr steuerlich korrekt ‒ sein Glück in einem erneuten Anlauf im Onlinehandel versuchen. Ob oder inwieweit das gelingen wird, ist für die Kammer derzeit nicht absehbar. Jedenfalls ist die Kammer überzeugt, dass ein Wiedereinstieg in den Onlinehandel nach einer elfmonatigen Unterbrechung nicht „aus dem Stand“ wirtschaftlich Früchte tragen dürfte, vielmehr bedarf es dazu nach aller Erfahrung eines gewissen Anlaufs und auch Durchhaltevermögens, bis der Angeklagte erneut relevantes Einkommen wird generieren können. Hier kommt dazu, dass dem Angeklagten, selbst wenn er sich wieder als Händler oder in einem sonstigen Erwerb versuchen sollte, auf absehbare Zeit am Ende nicht mehr als der Pfändungsfreibetrag verbleiben dürfte. Das ergibt sich daraus, dass die Kammer die Einziehung von 254.355 € gegen ihn angeordnet hat. Prognostisch wird nach dem üblichen Lauf der Dinge auch der Fiskus die Forderung gegen die UG in Höhe von hier eingezogenen 478.570 € gegen den Angeklagten persönlich im Wege des Haftungsbescheides (§ 71 AO) geltend machen und so seine (insolvenzfesten, vgl. § 850f Abs. 2 ZPO, § 302 Nr. 1 InsO) Schulden vergrößern.

    Das, was sich im Zeitpunkt des Urteils belastbar über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten sagen lässt, ist, dass er sich jedenfalls zunächst und auf absehbare Zeit auf dem Niveau des Bürgergeldes bewegen dürfte, denn die Kammer vermag nicht erkennen, dass ein wegen Steuerhinterziehung frisch Verurteilter und nach elf Monaten aus der Untersuchungshaft entlassener Mann ohne abgeschlossene Berufsausbildung, der, von Aushilfsjobs abgesehen, immer nur auf eigene Rechnung Handel getrieben hatte, auf dem Arbeitsmarkt gute Aussichten hätte. Insbesondere bei den Beziehern kleinerer Einkommen, bei denen die Abschöpfung des Einkommens durch die Geldstrafe nicht durch den Einsatz von Vermögen zu kompensieren ist, besteht aber die Gefahr einer erheblichen entsozialisierenden Wirkung der Geldstrafe, weil wegen deren Höhe als Produkt aus Tagessatzzahl und Tagessatzhöhe bei der Bestimmung des Nettoeinkommens nicht berücksichtigungsfähige laufende Belastungen nicht mehr bedient werden könnten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 06.11.2023 - 204 StRR 470/23, juris Rn. 11). Bei ‒ wie hier ‒ hoher Tagessatzanzahl und bei besonders einkommensschwachen Personen ist daher in besonderer Weise zu prüfen und sicherzustellen, dass die sich aus der rechnerischen Bestimmung ergebende absolute Belastung nicht unverhältnismäßig ist. 

    Nach der Rechtsprechung des BayObLG und einiger Oberlandesgerichte, der sich die Kammer anschließt, ist die Tagessatzhöhe in der hier gegebenen Fallkonstellation in der Weise zu berechnen, dass dem Angeklagten der zur Sicherung seines Lebensbedarfs unerlässliche Betrag in Höhe von 75 % des Regelsatzes der Sozialhilfe (heute des Bürgergeldes) nach Abzug des auf die Geldstrafe zu zahlenden monatlichen Teilbetrages noch verbleibt (BayObLG, Beschluss vom 06.11.2023 - 204 StRR 470/23, juris Rn. 19 m.w.N.). Der aktuelle (seit dem 01.01.2024 geltende) Regelbedarf des Bürgergeldes für Alleinstehende liegt bei 563 €. Davon müssen dem Angeklagten 75 % = 422 € verbleiben, oder anders gewendet können 141 € monatlich für die Zahlung der Geldstrafe angesetzt werden, was einem Tagessatz von gerundet 5 € entspricht. Die Kammer hat die zugleich auszusprechende Zahlungserleichterung (§ 42 StGB, vgl. BayObLG, aaO, Rn. 15) dahin formuliert, dass der Angeklagte monatlich (nur) 100 € zahlen muss, also weniger als die Summe der Tagessätze von 30 x 5 €. Dies soll es dem Angeklagten erleichtern, gewisse höhere monatliche Bedarfe abzufedern, ohne gleich an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit zu geraten.

    III. Gesamtstrafenbildung

    Bei der gemäß § 53 Abs. 1, 2, § 54 Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB unter angemessener Erhöhung der höchsten Einsatzfreiheitsstrafe zu bildenden Gesamtstrafe waren die oben genannten Umstände in die erforderliche umfassende Gesamtabwägung einzubringen. Die Einsatzstrafen sind hier 1 Jahr 3 Monate für die Gesamtfreiheitsstrafe und 150 Tagessätze für die Gesamtgeldstrafe. Unter zusammenfassender Würdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere auch des motivatorischen Zusammenhangs hält die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von 

    2 Jahren,

    die aus den verhängten Einzelfreiheitsstrafen gebildet wurde sowie eine Gesamtgeldstrafe von

    360 Tagessätzen zu je 5 €,

    die aus den verhängten Einzelgeldstrafen gebildet wurde für tat- und schuldangemessen. 

    Die Kammer hat somit von der Möglichkeit des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB, eine Gesamtgeld- neben einer Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, Gebrauch gemacht. Zwar ist in der Regel eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, wenn ‒ wie hier ‒ Einzelfreiheitsstrafen mit Einzelgeldstrafen zusammentreffen (BGH, Beschluss vom 03.12.2007 - 5 StR 504/07; SSW-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 53 Rn. 13). § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB räumt der Kammer jedoch ein Ermessen dahingehend ein, dass sie aus den Einzelfreiheitstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe und daneben aus den Einzelgeldstrafen eine gesonderte Gesamtgeldstrafe bilden kann. Dieses Ermessen ist nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben (BGH, Beschluss vom 11.06.2002 - 1 StR 142/02; LK-StGB/Rissing-van Saan/Scholze, 13. Aufl., § 53 Rn. 15). Nach Lage der Dinge hätte sich eine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe hier als das schwerere Übel erwiesen, weil nach der Wertung der Kammer erst die Einbeziehung der Geldstrafen zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe geführt hätte, deren Höhe keine Strafaussetzung mehr zuließ (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2007 - 5 StR 504/07; Urteil vom 02.08.2000 - 2 StR 172/00). Die Kammer hielt die Verhängung einer zu vollstreckenden Gesamtfreiheitsstrafe im Hinblick auf das Erreichen der Strafzwecke beim Angeklagten allerdings für untunlich.

    Die Strafe dient einerseits einem angemessenen Schuldausgleich. Dieser war durch die von der Kammer gewählte Lösung angesichts der Höhe der hinterzogenen Steuern und der kriminellen Energie des Angeklagten einerseits und des prospektiven teilweisen Schadensausgleichs andererseits zur Überzeugung der Kammer gewahrt. Die Strafe dient weiter generalpräventiven Zwecken. Diese werden durch das vorgelegte Urteil nicht konterkariert. Denn auch wenn nach den üblichen Maßstäben der Strafzumessung in Steuerstrafsachen, wie sie beim Landgericht Nürnberg-Fürth gehandhabt werden, die verhängte Strafe mild erscheinen mag, so war dies insbesondere dem ‒ in der Praxis eher selten anzutreffenden ‒ Umstand geschuldet, dass der Angeklagte seine Taten aufrichtig bereut und aktiv und engagiert an ihrer Aufklärung und Aufarbeitung, insbesondere hinsichtlich seiner Vorgehensweise sowie der Ermittlung der tatsächlichen Menge an „schwarz“ verkaufter Ware, mitgewirkt hat. Die insoweit von den Ermittlungsbehörden unternommenen Versuche, die im Ausland, namentlich in Thailand gelagerten Sachverhalte aufzudecken, waren fruchtlos, wie der Zeuge E erklärte. Die Strafe dient schließlich spezialpräventiven Zwecken. Auch diese werden nach Auffassung der Kammer durch die gewählte Sanktionsform erreicht. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und die erstmalig erlebte Freiheitsentziehung durch den Vollzug der Untersuchungshaft (zum Zeitpunkt der Urteilsverhandlung befand sich der Angeklagte bereits knappe elf Monate in Untersuchungshaft) hat, wie der Angeklagte glaubhaft versicherte, auf diesen einen nachhaltigen Eindruck gemacht. Die Kammer meint nicht, dass es einer weitergehenden Freiheitsentziehung bedurfte, um beim Angeklagten die Einsicht zu wecken, dass die erneute Begehung von Straftaten für ihn harte Konsequenzen haben würde.

    Die Verhängung einer längeren Vollzugsstrafe ‒ die bei rund drei Jahren läge, wenn man hier Gesamtfreiheits- und Gesamtgeldstrafe zusammensieht ‒ wäre demgegenüber nach Auffassung der Kammer für das weitere Leben und Fortkommen des Angeklagten kontraproduktiv. Sie würde sich bei dem jungen und erkennbar energischen und initiativen Angeklagten, der sich ‒ zu Recht ‒ hohen Steuernachforderungen gegenübersieht und der daher in den kommenden Jahren wirtschaftlich einen schweren Stand haben wird, deutlich demotivierend auswirken und es ihm erschweren, seinem künftigen Lebensweg eine rechtstreue Richtung zu geben.

    Nach alldem erschien der Kammer die Kombination einer Gesamtgeldstrafe mit einer Gesamtfreiheitsstrafe im bewährungsfähigen Bereich vorliegend ausreichend und angemessen, um die Taten des Angeklagten zu ahnden aber auch dem Angeklagten für sein künftiges Leben einen hinreichend deutlichen Wink aber auch eine Chance zu geben. 

    IV. Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung

    Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe konnte gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach der Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten lag eine positiven Sozialprognose vor. Denn der Angeklagte ist mit Ausnahme der abgeurteilten Taten bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten, hat sich reuig und geständig gezeigt und bemüht sich um Begleichung der Steuerschuld. Die Kammer geht davon aus, dass sich der Angeklagte die Strafe als Warnung dienen lässt und sein künftiges Leben straffrei führen wird. Er gab in der Hauptverhandlung glaubhaft an, dass die erlittene Untersuchungshaft ihn stark beeindruckt habe. Er bereue sein Verhalten zutiefst und schäme sich dafür. Er habe sich mit seinem Verhalten intensiv auseinandergesetzt und erkenne, dass er sich falsch verhalten habe. Er hoffe insoweit auf eine zweite Chance. Die Kammer hielt seine Ausführungen für glaubhaft und ging aufgrund des persönlichen Eindrucks von dem Angeklagten in der Hauptverhandlung davon aus, dass dieser seine zweite Chance nutzen wird, sein Leben künftig straffrei zu führen und seine zukünftigen Einkünfte ‒ woher auch immer sie dann stammen mögen ‒ ordnungsgemäß zu erklären. Besondere Umstände, die hier eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ermöglichen, sieht die Kammer in dem vollumfänglichen frühen Geständnis und der Mitwirkung an der Aufklärung der Tat sowie den Bemühungen zur Begleichung der Steuerschuld. Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebot vorliegend nach Überzeugung der Kammer keine Vollstreckung der Freiheitsstrafe (§ 56 Abs. 3 StGB).

    F. Einziehung

    Gemäß §§ 73 Abs.1, 73c Satz 1 StGB war die Einziehung von Wertersatz gegen den Angeklagten in Höhe von 254.355 € und gegen die UG in Höhe von 478.570 € anzuordnen. In dieser Höhe haben sich der Angeklagte und die UG jeweils die Zahlung von Steuern erspart ‒ wie unter B.II.2 und 3 näher ausgeführt ‒, was sich in ihrem jeweiligen Vermögen wirtschaftlich niedergeschlagen hat. Nicht gezahlte, hinterzogene Steuern können als ersparte Aufwendungen Gegenstand der Einziehung sein (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 73 Rn. 18 m.w.N.). 

    Diese erlangten Vermögensvorteile sind beim Angeklagten und bei der UG nicht mehr gegenständlich vorhanden, sodass sich die Einziehung auf den Wertersatz (§ 73c StGB) bezieht. Da die UG zudem selbst nicht Täter oder Teilnehmer der Steuerhinterziehungen war, erfolgte die Einziehung über die Brücke des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, weil der Angeklagte als deren Geschäftsführer tätig geworden ist.

    Die Einziehung war nicht gem. § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB i.H.v. 256.302,52 € ausgeschlossen. Die Kammer hat diesen Betrag zwar im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten angesetzt, weil der von der Steuerfahndung beschlagnahmte Lamborghini der UG im Zeitpunkt der Beschlagnahme mit diesem Marktwert zu taxieren war und die Pfändung dem Finanzamt die Möglichkeit eröffnet hat, sich aus der Verwertung des Fahrzeugs zu befriedigen. Allerdings hat der Fiskus damit noch keine Befriedigung erlangt, die zum Erlöschen des Steueranspruchs geführt hätte (vgl. § 47 AO), sondern lediglich eine Sicherung dieses Anspruchs. Ob der Einziehungsausschluss bei der UG wegen Entreicherung gem. § 73e Abs. 2 StGB gerechtfertigt gewesen wäre, brauchte die Kammer nicht zu vertiefen, denn dies scheiterte jedenfalls an der Bösgläubigkeit des Angeklagten (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 73e Rn. 3).

    G. Kosten

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.

    RechtsgebieteAO, EstG, SolZG, GewStG, KStG, UStG, StGBVorschriften§§ 369, 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 AO, §§ 1, 2, 15, 20 EstG, §§ 1, 2, 3, 4 SolZG, §§ 1, 2, 6, 7, 10 GewStG, §§ 1, 7, 8, 23 KStG, §§ 1, 2, 15 UStG, §§ 53, 73, 73b, 73c StGB