05.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225064
Finanzgericht des Saarlandes: Beschluss vom 16.08.2021 – 1 V 1139/21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland
- Antragstellerin -
gegen
...,
- Antragsgegner -
Der Antrag wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
I.
Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2011 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (UG), deren Unternehmensgegenstand der Handel mit Elektro- und Kommunikationsgeräten, Hard- und Software, EDV-Bedarf u.a. ist. Das Stammkapital in Höhe von zwei Euro wurde zunächst von G gehalten, der auch zum Geschäftsführer bestellt war. Mit notarieller Urkunde vom 31. Juli 2012 übertrug G die Anteile unentgeltlich auf B, der zugleich unter Abberufung von G zum Geschäftsführer bestellt wurde. Die Antragstellerin versteuert ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten.
Die Antragstellerin reichte zunächst nur für das Jahr 2011 eine Umsatzsteuererklärung ein. Für die Jahre 2012 bis 2018 erließen das vormals zuständige Finanzamt ... bzw. der Antragsgegner Bescheide über Umsatzsteuer, in denen die Besteuerungsgrundlagen geschätzt sind. Die Schätzbescheide über Umsatzsteuer der Jahre 2014 und 2017 sind Gegenstand des unter dem Geschäftszeichen ... anhängigen Verfahrens. Zum Bescheid für 2018 ist beim Antragsgegner ein Einspruchsverfahren anhängig. Die sich aus den Festsetzungen ergebenden Nachzahlungsbeträge hat die Antragstellerin nur für das Jahr 2012 entrichtet. Am 1. März 2020 übermittelte die Antragstellerin die Umsatzsteuererklärung für 2012, am 21. Februar 2021 die für 2013 und am 28. März 2021 die für 2014.
Am 22. März 2013 leitete die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt ... (Steufa) ein Steuerstrafverfahren gegen B ein, (...) zunächst wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer und Einkommensteuer für 2006 bis 2011. Am 25. Februar 2016 durchsuchte die Steufa u.a. die Wohnräume unter der Meldeadresse des B sowie die "Geschäftsräume" der Antragstellerin. Dabei wurden Laptops sowie diverse Unterlagen sichergestellt und später beschlagnahmt. Im Laufe des Verfahrens wurden die Ermittlungen u.a. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch B zugunsten der Antragstellerin und auf die Streitjahre ausgedehnt.
Unter dem 19. September 2019 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Bescheinigung über die Erfassung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) im Sinne von § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG und teilte hierbei mit, dass sie beabsichtige, auf den elektronischen Marktplätzen (§ 25e Abs. 5 UStG) von (...) und (...) tätig zu werden. Die entsprechende Bescheinigung wurde am 10. Oktober 2019 vom Antragsgegner mit einer Gültigkeit bis längstens 31. Dezember 2021 erteilt.
Am 26. Februar 2020 kündigte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Mitteilung nach § 25e Abs. 4 UStG an die Betreiber der elektronischen Märktplätze (Betreiber) an, bei der die Antragstellerin registriert war. Hiergegen legte die Antragstellerin am 30. März 2020 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Am 24. April 2020 erließ der Antragsgegner entsprechende gleichlautende Mitteilungen nach § 25e Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG, in denen er die ... und die ... darüber informierte, dass die Antragstellerin ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nicht oder nicht im wesentlichen Umfang nachkomme und andere Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Pflichten keinen Erfolg versprächen. Zudem wies der Antragsgegner die Betreiber auf die Möglichkeit hin, diese durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, soweit das dem Umsatz zugrundeliegende Rechtsgeschäft nach dem Zugang dieser Mitteilung abgeschlossen worden sei. Unter dem 30. April 2020 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin hierüber. Auch hiergegen legte die Antragstellerin mit E-Mail vom 11. Mai 2020 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. [Der Betreiber] ... teilte dem Antragsgegner am 22. Mai 2020 mit, dass das Konto der Antragstellerin gesperrt worden sei.
Am 12. Februar 2021 rügte die Antragstellerin die Untätigkeit des Antragsgegners im Einspruchsverfahren und beantragte zudem, die Vollziehung der Mitteilung aufzuheben. Am 17. Februar 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Einspruch an die Rechtsbehelfsstelle weitergeleitet worden sei.
Am 26. April 2021 hat sich die Antragstellerin an das Gericht gewandt. Sie beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der Mitteilungen nach § 25e Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG an die ebay GmbH und Amazon Services Europe S.à.r.l., jeweils vom 24. April 2020, bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Antrag sei zulässig. Sie trägt vor, der zuvor beim Antragsgegner gestellte Aussetzungsantrag sei am 17. Februar 2021 konkludent abgelehnt worden. Der Antrag sei jedenfalls nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO zulässig, da seit Antragstellung mittlerweile 10 Wochen vergangen seien. Zudem habe der Antragsgegner bereits mit der Vollstreckung begonnen.
Der Antrag sei auch begründet. § 25e UStG sei nicht mit Unionsrecht vereinbar. Die Antragstellerin regt an, diese Frage dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Unterabs. 2 AEUV vorzulegen. Nach der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) bestehe erst seit dem 1. Januar 2021 eine Rechtsgrundlage zur Umsetzung einer Regelung zur Haftung von Online-Marktplatzbetreibern. Der deutsche Gesetzgeber habe mit § 25 e UStG aber bereits seit 1. Oktober 2019 eine Vorschrift geschaffen, wonach ein Betreiber gesamtschuldnerisch für die Mehrwertsteuer auf Waren haften soll, die von europäischen Unternehmern über die elektronische Plattform verkauft würden, wenn sie von Deutschland aus verbracht oder dorthin geliefert würden. Die Europäische Kommission habe deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet und diese aufgefordert, § 25e UStG zu widerrufen. Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Regelung stelle eine nicht hinnehmbare Benachteiligung deutscher Händler - wie der Antragstellerin - gegenüber ihren im Ausland sitzenden Konkurrenten dar, da andere Mitgliedstaaten - mangels Rechtsgrundlage - keine derartigen Mitteilungen verschicken würden.
§ 25e UStG sei zudem mit dem Grundgesetz unvereinbar. Wegen der Einzelheiten verweist die Antragstellerin auf ein Gutachten von Prof. Dr. Hufeld, welches dieser im Auftrag des Bundesverbands für E-Commerce und Versandhandel im August 2018 zum Gesetzesentwurf zu §§ 22f und 25e UStG erstellt hat (s. auch DStZ 2018, 755).
Überdies werde durch die Regelung das Steuergeheimnis ausgehebelt, was völlig unverhältnismäßig sei. Es könne nicht außer Acht bleiben, dass Betreiber - wie z.B. Amazon - ihnen mitgeteilte Daten regelmäßig ausnutzen, um eigene Warenverkäufe voran zu treiben. Dies sei kartell- und wettbewerbsrechtlich höchst bedenklich. Nach § 25e UStG bleibe auch unklar, an welche Betreiber die Mitteilung erfolgen solle. Der Antragstellerin sei - trotz ihres Antrags - nicht mitgeteilt worden, an welche Betreiber die Mitteilung erfolgt sei.
Zudem beruhe die Androhung der Mitteilung auf unwahren Tatsachenbehauptungen. Entgegen der dortigen Darstellung habe die Antragstellerin zwischenzeitlich die Steuererklärungen für 2013 und 2014 eingereicht.
Darüber hinaus habe der Antragsgegner mit der Ausstellung der Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Antragstellerin habe jedenfalls im Vertrauen darauf, einen Online-Handel aufbauen zu können, größere Investitionen in den Aufbau eines Online-Shops vorgenommen und Waren zu einem fünfstelligen Betrag eingekauft.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unzulässig zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für einen Aussetzungsantrag. Die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG habe für den liefernden Unternehmer keine unmittelbaren Folgen, da sie lediglich zum Wiederaufleben der Haftung des Betreibers führe. Entgegen der anderslautenden Auffassung im Schrifttum folge dies schon daraus, dass nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung die Mitteilung dem liefernden Unternehmer nicht bekannt gegeben werden müsse. Den für den Antragsgegner bindenden Verwaltungsanweisungen sei nicht zu entnehmen, dass die Möglichkeit eines Rechtsmittels bestehe.
Selbst wenn man ein Rechtsschutzbedürfnis annehmen wollte, fehle es an der Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO. Der Antragsgegner habe den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Zeitpunkt der gerichtlichen Antragstellung noch nicht beschieden.
Ungeachtet dessen sei der Antrag jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Mitteilung nach § 25e UStG hätten vorgelegen. Im Zeitpunkt der Mitteilung habe die Antragstellerin bereits für sechs aufeinander folgende Veranlagungszeiträume (2013 bis 2018) keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben und damit Steuerfestsetzungen im Wege der Schätzung verursacht. Die Nachzahlungsbeträge habe die Antragstellerin bis heute nicht entrichtet. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach dem Versand der Mitteilungen die Umsatzsteuererklärungen für 2013 und 2014 noch eingereicht habe, könne vor diesem Hintergrund keinen Widerruf der Mitteilung rechtfertigen.
Nichts anderes folge aus den Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndungsstelle (Steufa). Der Einwand der Antragstellerin, die Steuererklärungen hätten wegen der Beschlagnahme der Geschäftsunterlagen nicht angefertigt werden können, sei als Schutzbehauptung zurückzuweisen. Daher habe auch keine Notwendigkeit bestanden, vor Erstellung der Mitteilung nach § 25e UStG den Ausgang des Rechtsstreits .... abzuwarten.
Bei der Mitteilung nach § 25e UStG handele es sich nicht um ein Zwangsmittel i.S.v. § 328 AO, welches aufgrund der Regelung in § 393 Abs. 1 Satz 2 AO unzulässig sei.
Eine auf eine Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 25e UStG hindeutende Rechtsprechung liege nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Bei der Mitteilung nach § 25e UStG handelt es sich um einen Verwaltungsakt (Liegmann in Wäger, UStG, § 25e, Rz. 59; Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG § 25e Rz. 51; Zugmaier/Oldiges in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25e Rz. 43), und die Antragstellerin ist befugt, diesen anzufechten, obwohl die Mitteilung nach § 25e UStG an den Betreiber gerichtet ist. Die Antragstellerin ist bei summarischer Prüfung Drittbetroffene i.S.v. § 122 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AO. Zwar führt die Mitteilung nach § 25e UStG zunächst nur zu einem Wiederaufleben der Haftung des Betreibers und der Online-Händler ist erst dann betroffen, wenn der Betreiber ihm den Zugang zum Marktplatz sperrt. Dennoch ist die Antragstellerin durch die Mitteilung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich, d.h. in eigenen Rechten und Pflichten, betroffen. Dies ist jedenfalls daraus zu folgern, dass das Gesetz den Ausschluss des Onlinehändlers ausdrücklich vorsieht. Denn der Betreiber kann das Wiederaufleben seiner Haftung dadurch verhindern, dass er der Finanzbehörde einen Nachweis über den Ausschluss des Onlinehändlers vom Marktplatz erbringt. Hierfür ist dem Betreiber bereits in der Mitteilung eine Frist zu setzen (§ 25e Abs. 4 Satz 3 UStG; Zugmaier/Oldiges in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25, Rz. 42 ff.; Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25e, Rz. 52; im Ergebnis zustimmend: Liegmann in Wäger, UStG, § 25e Rz. 59; Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 25e, Rz. 100; Gehm in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 25e Rz. 100). Zudem handelt es sich bei der Mitteilung um einen aussetzungsfähigen Verwaltungsakt (Zugmaier/Oldiges in DStR 2019, 15; Liegmann in Wäger, UStG, § 25e Rz. 60).
Der Antrag ist auch nach Maßgabe des § 69 Abs. 4 FGO zulässig. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ergibt sich die Zulässigkeit allerdings weder aus § 69 Abs. 4 Satz 1 noch aus Satz 2 Nr. 2 FGO. Denn mit der Mitteilung über die Weiterleitung des Untätigkeitseinspruchs an die Rechtsbehelfsstelle vom 17. Februar 2021 wurde nicht, auch nicht konkludent, über die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Vollziehung entschieden. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Der Ausnahmefall einer drohenden Vollstreckung dürfte ebenfalls nicht vorliegen. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO sind nicht bereits dann erfüllt, wenn der Verwaltungsakt vollzogen ist. § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO erfasst nur das Drohen von Vollstreckungsmaßnahmen i.S.d. Sechsten Teils der AO (§§ 249 ff. AO; FG Münster vom 19. Oktober 1999 13 V 4519/99 Kg, EFG 2000, 91 m.w.N.). Ob vorliegend Vollstreckungsmaßnahmen in diesem Sinn drohen, kann letztlich dahinstehen.
Denn der Antrag ist jedenfalls nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO zulässig. Soweit ersichtlich, hat der Antragsgegner auf den behördlichen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung vom 12. Februar 2021 bis zum Eingang des Antrages bei Gericht, der für die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen maßgebend ist, noch in keiner Weise reagiert. Der Senat sieht die zehn Wochen zwischen dem behördlichen und dem gerichtlichen Antrag der Antragstellerin als unangemessen lange Frist im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO an. Wegen des konkreten Streitgegenstandes ist eine besondere Eilbedürftigkeit geboten, welche über die gewöhnliche Eilbedürftigkeit eines behördlichen Antrages auf Aussetzung der Vollziehung hinausgeht. Dies ergibt sich vorliegend schon daraus, dass die Antragstellerin zumindest von einem Handel über den Marktplatz ... ausgeschlossen ist, denn ... hat die Antragstellerin aufgrund des angefochtenen Verwaltungsakts des Antragsgegners gesperrt. Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung selbst erst rund 10 Monate nach Versand der Mitteilung gestellt hat, folgt nichts anderes.
Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG aufgrund der in der Praxis zu erwartenden Sperrung des Händler-Accounts durch den Betreiber faktisch einer (Teil-) Gewerbeuntersagung gleichkäme, so dass Einspruch und Klage in entsprechender Anwendung von § 361 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AO sowie § 69 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 FGO aufschiebende Wirkung zukommen könnten (Liegmann in Wäger, UStG, § 25e Rz. 60, Härtwig in UR 2018, 777; Zugmaier/Oldiges in DStR 2019, 15). In einem solchen Fall würde dem Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. BFH vom 15. Dezember 1992 VII B 131/92, BFH/NV 1993, 460). Vorliegend gehen aber offensichtlich weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner von einer solchen faktischen Wirkung aus, so dass der Antragstellerin im konkreten Fall ein Rechtsschutzinteresse nicht versagt werden kann.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Mitteilungen, noch hätte deren Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
2.1 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, wenn sich bei summarischer Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Bedenken brauchen nicht zu überwiegen, das heißt, ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl III 1967, 533; BFH vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl II 1975, 239).
Der Prozessstoff ist im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung wegen dessen Eilbedürftigkeit auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen beschränkt, insbesondere auf die Akten der Finanzbehörde und auf präsente Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzgericht sind nicht erforderlich (st. Rspr., z.B. BFH vom 14. Februar 1989 IV B 33/88, BStBl II 1989, 516; vom 3. Juni 2009 IV B 48/09, BFH/NV 2009, 1641 m.w.N.). Der Antragsteller hat im Verfahren hinsichtlich einer Vollziehungsaussetzung die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Mittel der Glaubhaftmachung sind neben präsenten Beweismitteln auch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers und Dritter gem. § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO (BFH vom 12. November 1999 VI B 318/98, juris).
2.1.1 Nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG in der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.), ist das für den liefernden Unternehmer zuständige Finanzamt berechtigt, einem Betreiber i.S.v. § 25e Abs. 6 UStG die steuerliche Unzuverlässigkeit des liefernden Unternehmers mitzuteilen, wenn der liefernde Unternehmer seinen steuerlichen Pflichten nicht oder nicht im wesentlichen Umfang nachkommt und andere Maßnahmen keinen unmittelbaren Erfolg versprechen.
Die Voraussetzungen des § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG liegen bei summarischer Prüfung vor. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners hatte die Antragstellerin im Zeitpunkt der Mitteilung bereits für sechs aufeinanderfolgende Jahre keine Steuererklärungen abgegeben. Die festgesetzten Nachzahlungsbeträge sind - soweit ersichtlich - bis heute nicht bezahlt. Die im Antragsverfahren eingereichten Zahlungsnachweise betreffen offensichtlich nicht das Steuerkonto der Antragstellerin. Die auf dem Überweisungsträger angegebene Steuernummer stimmt jedenfalls nicht mit der der Antragstellerin überein. Dass die Antragstellerin mittlerweile die Steuererklärungen bis 2014 eingereicht hat, führt zu keiner anderen Betrachtung; im Übrigen sind zwischenzeitlich auch die Steuererklärungsfristen für 2018 und 2019 abgelaufen, ohne dass die Antragstellerin Erklärungen für diese Jahre eingereicht hätte.
Zudem haben bisher weder die Schätzungen, noch die Festsetzung von Verspätungszuschlägen die Antragstellerin dazu veranlasst, ihren steuerlichen Verpflichtungen (vollständig) nachzukommen. Dass andere Maßnahmen erfolgversprechender gewesen wären, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
2.1.2 Dass sich die Rechtslage zum 1. Juli 2021 geändert hat und insbesondere § 3 Abs. 3a UStG in Kraft getreten ist, führt bei summarischer Prüfung nicht dazu, dass die Mitteilungen rechtswidrig geworden wären. Die Haftung nach § 25e Abs. 1 und 4 Satz 2 UStG läuft damit nicht ins Leere (vgl. auch § 25a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. UStG in der ab 1. Juli 2021 geltenden Fassung). Zwar fingiert § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG eine Lieferung an und von dem Unternehmer, der die dort näher bezeichneten Lieferungen durch seine elektronische Schnittstelle unterstützt. Der Betreiber wird daher für solche Umsätze bereits zum originären Steuerschuldner, so dass es keiner Haftung mehr bedarf. Die Lieferkettenfiktion in § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG gilt jedoch nur für solche Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG, die von einem nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmen ausgeführt werden, und § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG bezieht den Unternehmer, der eine Lieferung durch seine elektronische Schnittstelle unterstützt, nur für solche Fernverkäufe in die Lieferkette ein, bei denen Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt werden. Die Haftung der Unternehmer, die Lieferungen von Gegenständen mittels einer elektronischen Schnittstelle unterstützen, gilt damit nach § 25e Abs. 1 und 4 Satz 2 UStG nach wie vor für die Lieferung solcher Gegenstände, die ein im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ausführt, ohne dass die Gegenstände hierbei aus dem Drittlandsgebiet in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt werden. Bei summarischer Prüfung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin auch, wenn nicht sogar vornehmlich, solche Umsätze ausführt.
2.1.3 Die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG war auch nicht deshalb von der Vollziehung auszusetzen, weil § 25e Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG nicht unionsrechtskonform wären.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht der Umstand, dass Art. 14a MwStSystRL erst zum 1. Juli 2021 in Kraft getreten ist, der Einführung einer Haftungsnorm wie § 25e Abs. 4 UStG bei summarischer Prüfung nicht entgegen. Art. 14a MwStSystRL ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Steuerpflichtige die die dort näher bezeichneten Lieferungen durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, unterstützen, so zu behandeln, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Art. 14a MwStSystRL, der mit Wirkung zum 1. Juli 2021 durch § 3 Abs. 3a UStG ins deutsche Recht umgesetzt wurde, fingiert jedoch eine Lieferung zwischen dem Unternehmer, der die dort näher bezeichneten Lieferungen mittels einer elektronischen Schnittstelle unterstützt, und zwar dem Online Händler einerseits sowie dem Erwerber des Gegenstandes andererseits. Ob hierdurch überhaupt eine Rechtsgrundlage für die Normierung einer Haftungsnorm eingeführt wurde, konnte im Ergebnis dahinstehen. Denn bei summarischer Prüfung ist nichts dafür ersichtlich, dass der Bundesrepublik Deutschland die Einführung einer Haftungsnorm im Vorgriff auf diese Regelung versagt gewesen wäre. Nach Art. 205 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten in den in den Artikeln 193 bis 200 sowie 202, 203 und 204 genannten Fällen eine Regelung treffen, nach der eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat, und der EuGH hat zu Art. 21 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388, der Art. 205 MwStystRL weitgehend entsprach, entschieden, dass dieser als Ermächtigungsgrundlage für eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht kommt (EuGH vom 11. Mai 2006 C-384/04 Federation of Technological Industries, Slg 2006, I-4191). Es ist daher nicht ernstlich zweifelhaft, dass hierdurch auch die Möglichkeit eröffnet wird, eine andere Person als den Steuerpflichtigen in Anspruch zu nehmen, wenn diese durch die Bereitstellung einer elektronischen Plattform an dem Umsatz beteiligt ist (Nacke in UStB 2019, 74). Zudem enthält auch Art. 273 MwStSystRL eine allgemeine Ermächtigungsgrundlage, wonach die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen können, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden (Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25e UStG, Rz 3; Heidner in Bunjes, UStG, 19. Aufl. 2020, § 25e Rz. 3).
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die konkrete Ausgestaltung des § 25e Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG nicht EU-rechtskonform wäre. Zwar hat die Kommission der EU am 10. Oktober 2019 im Hinblick auf die seit 1. Oktober 2019 nach deutschem Recht bestehende Haftung des Betreibers ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/inf_19_5950). Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass Zweifel an der EU-Rechtskonformität des § 25e UStG insgesamt, insbesondere an dessen Abs. 4 Satz 1 und 2, bestehen. Denn die Kommission hat den EU-Rechtsverstoß wie folgt begründet: "Seit dem 1. Oktober 2019 haftet gemäß dem deutschen Recht ein Marktplatz gesamtschuldnerisch für die Mehrwertsteuer auf Waren, die von europäischen Unternehmen über die Plattform verkauft werden, wenn sie von Deutschland aus verbracht oder dorthin geliefert werden. Der Marktplatz kann die Haftung nur dann vermeiden, wenn er eine Bescheinigung auf Papier vorlegen kann, die dem auf seiner Plattform tätigen Verkäufer von der deutschen Steuerbehörde ausgestellt wurde. Diese Verpflichtung ist nach Auffassung der Kommission ineffizient und unverhältnismäßig und behindert außerdem den Zugang europäischer Unternehmen zum deutschen Markt, was einen Verstoß gegen das EU-Recht darstellt. Darüber hinaus haben sich die EU-Mitgliedstaaten bereits auf gemeinsame und effizientere Maßnahmen zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug geeinigt, die am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Die den Betreibern zur Vermeidung der gesamtschuldnerischen Haftung auferlegte Verpflichtung geht über das in den EU-Vorschriften vorgesehene Maß hinaus und steht im Widerspruch zu den Zielen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt." Aus dieser Begründung geht hervor, dass die EU-Kommission im Besonderen die den Betreibern in § 25e Abs. 2 UStG auferlegte Verpflichtung für EU-rechtswidrig hält, die diese zur Vermeidung der gesamtschuldnerischen Haftung erfüllen müssen. Bei summarischer Prüfung ergeben sich aber keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Haltung der EU-Kommission zur Haftungsvorschrift des § 25e Abs. 4 Satz 2 UStG.
Der Senat kann bei summarischer Prüfung zudem dahinstehen lassen, inwieweit den europarechtlichen Bedenken, die in der Literatur an § 25e UStG geäußert wurden, zu folgen ist. Denn auch diese beziehen sich in erster Linie auf § 25e Abs. 1 UStG und dessen Ausgestaltung als Gefährdungshaftung. Nach § 25e Abs. 1 UStG haftet der Betreiber unabhängig davon, ob er Kenntnis von der Umsatzsteuerhinterziehung hatte oder hätte haben müssen, was insbesondere unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten für problematisch erachtet wird (Ismer auf https://www.bitkom.org/sites/default/files/file/import/20180924-Reform-Umsatzsteuer-Ismer-Studie.pdf; Zugmaier/Oldiges in DStR 2019, 15; Kemper in UR 2020, 56; a.A. Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25e Rz. 7). In Fällen der Haftung nach § 25e Abs. 4 Satz 2 UStG entsteht die Haftung jedoch erst, wenn dem Betreiber eine Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG zugegangen ist, so dass den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit insoweit genügt sein dürfte, deren Beachtung der EuGH als Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme eines Dritten auf der Grundlage von Art. 205 MwStSystRL angesehen hat (EuGH vom 11. Mai 2006 C-384/04 Federation of Technological Industries, Slg 2006, I-4191).
Soweit die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt einer "Inländerdiskriminierung" eine nicht weiter spezifizierte Verletzung von Unionsrecht rügt, erschließt sich schon nicht, woraus in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung eine Schlechterstellung der Antragstellerin im Verhältnis zu anderen Unionsbürgern resultieren könnte. Die Antragstellerin verkennt, dass auch nicht in Deutschland ansässige Steuerpflichtige, die über einen elektronischen Marktplatz in Deutschland steuerpflichtige Umsätze ausführen, von einer Mitteilung nach § 25e UStG betroffen sein können. Entscheidend ist nicht der Sitz der Gesellschaft, sondern der Umstand, wo die Umsätze zu besteuern sind.
2.1.4 Auch verfängt der Einwand der Antragstellerin nicht, dass § 25e UStG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Antragstellerin nimmt hierzu pauschal auf Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. Hufeld Bezug, ohne auch nur im Ansatz zu substantiieren, inwieweit sie sich auf den dort erkannten Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) der Betreiber durch deren Indienstnahme zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben berufen kann. Ungeachtet dessen betrifft die im Gutachten im Ergebnis angenommene Grundrechtsverletzung bei summarischer Prüfung nur die Haftungsinanspruchnahme nach § 25e Abs. 1 UStG. Zu der Haftung nach dem hier streitgegenständlichen § 25e Abs. 4 UStG wird festgestellt, dass diese auf einem anerkannten Muster der Mitwirkung Privater an der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben beruht, da der Sanktion des Betreibers eine quasi "behördliche Anordnung" in Form einer "Mitteilung" vorausgeht.
Es ist bei summarischer Prüfung auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG einen Online-Händler in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) nicht unverhältnismäßig einschränkt. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG regelmäßig dazu führen dürfte, dass der Betreiber den Account des Händlers sperrt und § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG daher einer (Teil-) Gewerbeuntersagung gleichkommen könnte. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 35 GewO ist hinreichend geklärt, dass eine Gewerbeuntersagung bei Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden, die auch bei Verletzung steuerlicher Pflichten anzunehmen sein kann, mit Art. 12 GG in Einklang steht (vgl. z.B. BVerwG vom 12. Januar 1993 1 B 1/93, juris m.w.N.; vom 9. April 1997 1 B 81/97, juris m.w.N.). Für den Ausschluss eines Händlers von einer bestimmten Vertriebsform kann daher - dem Grunde nach und unter Beachtung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall, die durch den in § 25e Abs. 4 Satz 1 normierten Subsidiaritätsgrundsatz gewährleistet sein dürfte - nichts anderes gelten.
2.1.5 Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht das Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 1 AO) einer Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG nicht entgegen. Bei § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG handelt es sich um eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO (vgl. BT-Drucks. 19/4455, 62). Aus dem Gesamtzusammenhang des § 25e UStG ergibt sich zudem, dass die Mitteilung nach Abs. 4 nur an diejenigen Betreiber erfolgen kann, bei denen der Online-Händler nach Kenntnis der Finanzbehörde auch tatsächlich registriert ist.
2.1.6 Es ist bei summarischer Prüfung auch nichts dafür ersichtlich, dass die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG gegen das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO verstoßen könnte, auch wenn gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin - u.a. in seiner Eigenschaft als solcher - ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde. Zwar mag die Vorschrift den Unternehmer zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten anhalten. Nach der Gesetzesbegründung zu § 25e UStG dient die Vorschrift jedoch in erster Linie "der Sicherstellung von Umsatzsteuereinnahmen, insbesondere beim Handel mit Waren aus dem Drittland, dem Schutz vor weiteren Umsatzsteuerausfällen sowie dem Schutz zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit von steuerehrlichen Unternehmen" (vgl. BT 19/4455, 27). In seiner Wirkung ist § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG daher eher mit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO denn mit einem Zwangsmittel i.S.v. § 328 AO vergleichbar. Da eine Gewerbeuntersagung dem Schutz eines überwiegenden Gemeinwohlinteresses dient, wäre es geradezu absurd, wenn der Gesetzgeber eine Maßnahme nach § 25e UStG in den Fällen ausschließen würde, in denen das Verhalten des Gewerbetreibenden sogar zur Einleitung eines Strafverfahrens geführt hat.
2.1.7 Anhaltspunkte dafür, dass die Mitteilungen nach § 25e Abs. 4 UStG im konkreten Fall unverhältnismäßig wären, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
2.2 Eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kommt auch nicht wegen unbilliger Härte in Betracht. Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nur vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die sofortige Vollziehung Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre. Gründe hierfür sind indessen weder vorgetragen noch ersichtlich. Ungeachtet dessen kommt eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nach der Rechtsprechung des BFH nur dann in Betracht, wenn zugleich auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Sind dagegen Zweifel fast ausgeschlossen, ist eine Aussetzung der Vollziehung selbst dann nicht zulässig, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (BFH vom 19. April 1968 IV B 3/66, BStBl II 1968, 538; vom 31. Januar 1967 VI 5 9/66, BStBl III 1967, 255). So verhält es sich vorliegend.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Beschwerde war nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen, da die hier streitentscheidenden Fragen betreffend die Verfassungsmäßigkeit und die Europarechtskonformität grundsätzliche Bedeutung haben und zur Fortbildung des Rechts einer höchstrichterlichen Entscheidung bedürfen.
Beschluss vom 16.08.2021
1 V 1139/21
In dem Verfahren
...,- Antragstellerin -
gegen
...,
- Antragsgegner -
wegen Aussetzung der Vollziehung bezüglich Mitteilung nach § 25e UStG
hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Andre Hardenbicker als Vorsitzenden sowie die Richterinnen am Finanzgericht Tina Jacoby und Nicole Mychajluk
am 16. August 2021 beschlossen:Tenor:
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Gründe
Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2011 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (UG), deren Unternehmensgegenstand der Handel mit Elektro- und Kommunikationsgeräten, Hard- und Software, EDV-Bedarf u.a. ist. Das Stammkapital in Höhe von zwei Euro wurde zunächst von G gehalten, der auch zum Geschäftsführer bestellt war. Mit notarieller Urkunde vom 31. Juli 2012 übertrug G die Anteile unentgeltlich auf B, der zugleich unter Abberufung von G zum Geschäftsführer bestellt wurde. Die Antragstellerin versteuert ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten.
Die Antragstellerin reichte zunächst nur für das Jahr 2011 eine Umsatzsteuererklärung ein. Für die Jahre 2012 bis 2018 erließen das vormals zuständige Finanzamt ... bzw. der Antragsgegner Bescheide über Umsatzsteuer, in denen die Besteuerungsgrundlagen geschätzt sind. Die Schätzbescheide über Umsatzsteuer der Jahre 2014 und 2017 sind Gegenstand des unter dem Geschäftszeichen ... anhängigen Verfahrens. Zum Bescheid für 2018 ist beim Antragsgegner ein Einspruchsverfahren anhängig. Die sich aus den Festsetzungen ergebenden Nachzahlungsbeträge hat die Antragstellerin nur für das Jahr 2012 entrichtet. Am 1. März 2020 übermittelte die Antragstellerin die Umsatzsteuererklärung für 2012, am 21. Februar 2021 die für 2013 und am 28. März 2021 die für 2014.
Am 22. März 2013 leitete die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt ... (Steufa) ein Steuerstrafverfahren gegen B ein, (...) zunächst wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer und Einkommensteuer für 2006 bis 2011. Am 25. Februar 2016 durchsuchte die Steufa u.a. die Wohnräume unter der Meldeadresse des B sowie die "Geschäftsräume" der Antragstellerin. Dabei wurden Laptops sowie diverse Unterlagen sichergestellt und später beschlagnahmt. Im Laufe des Verfahrens wurden die Ermittlungen u.a. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch B zugunsten der Antragstellerin und auf die Streitjahre ausgedehnt.
Unter dem 19. September 2019 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Bescheinigung über die Erfassung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) im Sinne von § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG und teilte hierbei mit, dass sie beabsichtige, auf den elektronischen Marktplätzen (§ 25e Abs. 5 UStG) von (...) und (...) tätig zu werden. Die entsprechende Bescheinigung wurde am 10. Oktober 2019 vom Antragsgegner mit einer Gültigkeit bis längstens 31. Dezember 2021 erteilt.
Am 26. Februar 2020 kündigte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Mitteilung nach § 25e Abs. 4 UStG an die Betreiber der elektronischen Märktplätze (Betreiber) an, bei der die Antragstellerin registriert war. Hiergegen legte die Antragstellerin am 30. März 2020 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Am 24. April 2020 erließ der Antragsgegner entsprechende gleichlautende Mitteilungen nach § 25e Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG, in denen er die ... und die ... darüber informierte, dass die Antragstellerin ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nicht oder nicht im wesentlichen Umfang nachkomme und andere Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Pflichten keinen Erfolg versprächen. Zudem wies der Antragsgegner die Betreiber auf die Möglichkeit hin, diese durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, soweit das dem Umsatz zugrundeliegende Rechtsgeschäft nach dem Zugang dieser Mitteilung abgeschlossen worden sei. Unter dem 30. April 2020 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin hierüber. Auch hiergegen legte die Antragstellerin mit E-Mail vom 11. Mai 2020 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. [Der Betreiber] ... teilte dem Antragsgegner am 22. Mai 2020 mit, dass das Konto der Antragstellerin gesperrt worden sei.
Am 12. Februar 2021 rügte die Antragstellerin die Untätigkeit des Antragsgegners im Einspruchsverfahren und beantragte zudem, die Vollziehung der Mitteilung aufzuheben. Am 17. Februar 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Einspruch an die Rechtsbehelfsstelle weitergeleitet worden sei.
Am 26. April 2021 hat sich die Antragstellerin an das Gericht gewandt. Sie beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der Mitteilungen nach § 25e Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG an die ebay GmbH und Amazon Services Europe S.à.r.l., jeweils vom 24. April 2020, bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Antrag sei zulässig. Sie trägt vor, der zuvor beim Antragsgegner gestellte Aussetzungsantrag sei am 17. Februar 2021 konkludent abgelehnt worden. Der Antrag sei jedenfalls nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO zulässig, da seit Antragstellung mittlerweile 10 Wochen vergangen seien. Zudem habe der Antragsgegner bereits mit der Vollstreckung begonnen.
Der Antrag sei auch begründet. § 25e UStG sei nicht mit Unionsrecht vereinbar. Die Antragstellerin regt an, diese Frage dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Unterabs. 2 AEUV vorzulegen. Nach der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) bestehe erst seit dem 1. Januar 2021 eine Rechtsgrundlage zur Umsetzung einer Regelung zur Haftung von Online-Marktplatzbetreibern. Der deutsche Gesetzgeber habe mit § 25 e UStG aber bereits seit 1. Oktober 2019 eine Vorschrift geschaffen, wonach ein Betreiber gesamtschuldnerisch für die Mehrwertsteuer auf Waren haften soll, die von europäischen Unternehmern über die elektronische Plattform verkauft würden, wenn sie von Deutschland aus verbracht oder dorthin geliefert würden. Die Europäische Kommission habe deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet und diese aufgefordert, § 25e UStG zu widerrufen. Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Regelung stelle eine nicht hinnehmbare Benachteiligung deutscher Händler - wie der Antragstellerin - gegenüber ihren im Ausland sitzenden Konkurrenten dar, da andere Mitgliedstaaten - mangels Rechtsgrundlage - keine derartigen Mitteilungen verschicken würden.
§ 25e UStG sei zudem mit dem Grundgesetz unvereinbar. Wegen der Einzelheiten verweist die Antragstellerin auf ein Gutachten von Prof. Dr. Hufeld, welches dieser im Auftrag des Bundesverbands für E-Commerce und Versandhandel im August 2018 zum Gesetzesentwurf zu §§ 22f und 25e UStG erstellt hat (s. auch DStZ 2018, 755).
Überdies werde durch die Regelung das Steuergeheimnis ausgehebelt, was völlig unverhältnismäßig sei. Es könne nicht außer Acht bleiben, dass Betreiber - wie z.B. Amazon - ihnen mitgeteilte Daten regelmäßig ausnutzen, um eigene Warenverkäufe voran zu treiben. Dies sei kartell- und wettbewerbsrechtlich höchst bedenklich. Nach § 25e UStG bleibe auch unklar, an welche Betreiber die Mitteilung erfolgen solle. Der Antragstellerin sei - trotz ihres Antrags - nicht mitgeteilt worden, an welche Betreiber die Mitteilung erfolgt sei.
Zudem beruhe die Androhung der Mitteilung auf unwahren Tatsachenbehauptungen. Entgegen der dortigen Darstellung habe die Antragstellerin zwischenzeitlich die Steuererklärungen für 2013 und 2014 eingereicht.
Darüber hinaus habe der Antragsgegner mit der Ausstellung der Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Antragstellerin habe jedenfalls im Vertrauen darauf, einen Online-Handel aufbauen zu können, größere Investitionen in den Aufbau eines Online-Shops vorgenommen und Waren zu einem fünfstelligen Betrag eingekauft.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unzulässig zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für einen Aussetzungsantrag. Die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG habe für den liefernden Unternehmer keine unmittelbaren Folgen, da sie lediglich zum Wiederaufleben der Haftung des Betreibers führe. Entgegen der anderslautenden Auffassung im Schrifttum folge dies schon daraus, dass nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung die Mitteilung dem liefernden Unternehmer nicht bekannt gegeben werden müsse. Den für den Antragsgegner bindenden Verwaltungsanweisungen sei nicht zu entnehmen, dass die Möglichkeit eines Rechtsmittels bestehe.
Selbst wenn man ein Rechtsschutzbedürfnis annehmen wollte, fehle es an der Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO. Der Antragsgegner habe den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Zeitpunkt der gerichtlichen Antragstellung noch nicht beschieden.
Ungeachtet dessen sei der Antrag jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Mitteilung nach § 25e UStG hätten vorgelegen. Im Zeitpunkt der Mitteilung habe die Antragstellerin bereits für sechs aufeinander folgende Veranlagungszeiträume (2013 bis 2018) keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben und damit Steuerfestsetzungen im Wege der Schätzung verursacht. Die Nachzahlungsbeträge habe die Antragstellerin bis heute nicht entrichtet. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach dem Versand der Mitteilungen die Umsatzsteuererklärungen für 2013 und 2014 noch eingereicht habe, könne vor diesem Hintergrund keinen Widerruf der Mitteilung rechtfertigen.
Nichts anderes folge aus den Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndungsstelle (Steufa). Der Einwand der Antragstellerin, die Steuererklärungen hätten wegen der Beschlagnahme der Geschäftsunterlagen nicht angefertigt werden können, sei als Schutzbehauptung zurückzuweisen. Daher habe auch keine Notwendigkeit bestanden, vor Erstellung der Mitteilung nach § 25e UStG den Ausgang des Rechtsstreits .... abzuwarten.
Bei der Mitteilung nach § 25e UStG handele es sich nicht um ein Zwangsmittel i.S.v. § 328 AO, welches aufgrund der Regelung in § 393 Abs. 1 Satz 2 AO unzulässig sei.
Eine auf eine Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 25e UStG hindeutende Rechtsprechung liege nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Bei der Mitteilung nach § 25e UStG handelt es sich um einen Verwaltungsakt (Liegmann in Wäger, UStG, § 25e, Rz. 59; Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG § 25e Rz. 51; Zugmaier/Oldiges in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25e Rz. 43), und die Antragstellerin ist befugt, diesen anzufechten, obwohl die Mitteilung nach § 25e UStG an den Betreiber gerichtet ist. Die Antragstellerin ist bei summarischer Prüfung Drittbetroffene i.S.v. § 122 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AO. Zwar führt die Mitteilung nach § 25e UStG zunächst nur zu einem Wiederaufleben der Haftung des Betreibers und der Online-Händler ist erst dann betroffen, wenn der Betreiber ihm den Zugang zum Marktplatz sperrt. Dennoch ist die Antragstellerin durch die Mitteilung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich, d.h. in eigenen Rechten und Pflichten, betroffen. Dies ist jedenfalls daraus zu folgern, dass das Gesetz den Ausschluss des Onlinehändlers ausdrücklich vorsieht. Denn der Betreiber kann das Wiederaufleben seiner Haftung dadurch verhindern, dass er der Finanzbehörde einen Nachweis über den Ausschluss des Onlinehändlers vom Marktplatz erbringt. Hierfür ist dem Betreiber bereits in der Mitteilung eine Frist zu setzen (§ 25e Abs. 4 Satz 3 UStG; Zugmaier/Oldiges in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25, Rz. 42 ff.; Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25e, Rz. 52; im Ergebnis zustimmend: Liegmann in Wäger, UStG, § 25e Rz. 59; Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 25e, Rz. 100; Gehm in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 25e Rz. 100). Zudem handelt es sich bei der Mitteilung um einen aussetzungsfähigen Verwaltungsakt (Zugmaier/Oldiges in DStR 2019, 15; Liegmann in Wäger, UStG, § 25e Rz. 60).
Der Antrag ist auch nach Maßgabe des § 69 Abs. 4 FGO zulässig. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ergibt sich die Zulässigkeit allerdings weder aus § 69 Abs. 4 Satz 1 noch aus Satz 2 Nr. 2 FGO. Denn mit der Mitteilung über die Weiterleitung des Untätigkeitseinspruchs an die Rechtsbehelfsstelle vom 17. Februar 2021 wurde nicht, auch nicht konkludent, über die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Vollziehung entschieden. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Der Ausnahmefall einer drohenden Vollstreckung dürfte ebenfalls nicht vorliegen. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO sind nicht bereits dann erfüllt, wenn der Verwaltungsakt vollzogen ist. § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO erfasst nur das Drohen von Vollstreckungsmaßnahmen i.S.d. Sechsten Teils der AO (§§ 249 ff. AO; FG Münster vom 19. Oktober 1999 13 V 4519/99 Kg, EFG 2000, 91 m.w.N.). Ob vorliegend Vollstreckungsmaßnahmen in diesem Sinn drohen, kann letztlich dahinstehen.
Denn der Antrag ist jedenfalls nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO zulässig. Soweit ersichtlich, hat der Antragsgegner auf den behördlichen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung vom 12. Februar 2021 bis zum Eingang des Antrages bei Gericht, der für die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen maßgebend ist, noch in keiner Weise reagiert. Der Senat sieht die zehn Wochen zwischen dem behördlichen und dem gerichtlichen Antrag der Antragstellerin als unangemessen lange Frist im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO an. Wegen des konkreten Streitgegenstandes ist eine besondere Eilbedürftigkeit geboten, welche über die gewöhnliche Eilbedürftigkeit eines behördlichen Antrages auf Aussetzung der Vollziehung hinausgeht. Dies ergibt sich vorliegend schon daraus, dass die Antragstellerin zumindest von einem Handel über den Marktplatz ... ausgeschlossen ist, denn ... hat die Antragstellerin aufgrund des angefochtenen Verwaltungsakts des Antragsgegners gesperrt. Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung selbst erst rund 10 Monate nach Versand der Mitteilung gestellt hat, folgt nichts anderes.
Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG aufgrund der in der Praxis zu erwartenden Sperrung des Händler-Accounts durch den Betreiber faktisch einer (Teil-) Gewerbeuntersagung gleichkäme, so dass Einspruch und Klage in entsprechender Anwendung von § 361 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AO sowie § 69 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 FGO aufschiebende Wirkung zukommen könnten (Liegmann in Wäger, UStG, § 25e Rz. 60, Härtwig in UR 2018, 777; Zugmaier/Oldiges in DStR 2019, 15). In einem solchen Fall würde dem Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. BFH vom 15. Dezember 1992 VII B 131/92, BFH/NV 1993, 460). Vorliegend gehen aber offensichtlich weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner von einer solchen faktischen Wirkung aus, so dass der Antragstellerin im konkreten Fall ein Rechtsschutzinteresse nicht versagt werden kann.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Mitteilungen, noch hätte deren Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
2.1 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, wenn sich bei summarischer Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Bedenken brauchen nicht zu überwiegen, das heißt, ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl III 1967, 533; BFH vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl II 1975, 239).
Der Prozessstoff ist im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung wegen dessen Eilbedürftigkeit auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen beschränkt, insbesondere auf die Akten der Finanzbehörde und auf präsente Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzgericht sind nicht erforderlich (st. Rspr., z.B. BFH vom 14. Februar 1989 IV B 33/88, BStBl II 1989, 516; vom 3. Juni 2009 IV B 48/09, BFH/NV 2009, 1641 m.w.N.). Der Antragsteller hat im Verfahren hinsichtlich einer Vollziehungsaussetzung die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Mittel der Glaubhaftmachung sind neben präsenten Beweismitteln auch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers und Dritter gem. § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO (BFH vom 12. November 1999 VI B 318/98, juris).
2.1.1 Nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG in der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.), ist das für den liefernden Unternehmer zuständige Finanzamt berechtigt, einem Betreiber i.S.v. § 25e Abs. 6 UStG die steuerliche Unzuverlässigkeit des liefernden Unternehmers mitzuteilen, wenn der liefernde Unternehmer seinen steuerlichen Pflichten nicht oder nicht im wesentlichen Umfang nachkommt und andere Maßnahmen keinen unmittelbaren Erfolg versprechen.
Die Voraussetzungen des § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG liegen bei summarischer Prüfung vor. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners hatte die Antragstellerin im Zeitpunkt der Mitteilung bereits für sechs aufeinanderfolgende Jahre keine Steuererklärungen abgegeben. Die festgesetzten Nachzahlungsbeträge sind - soweit ersichtlich - bis heute nicht bezahlt. Die im Antragsverfahren eingereichten Zahlungsnachweise betreffen offensichtlich nicht das Steuerkonto der Antragstellerin. Die auf dem Überweisungsträger angegebene Steuernummer stimmt jedenfalls nicht mit der der Antragstellerin überein. Dass die Antragstellerin mittlerweile die Steuererklärungen bis 2014 eingereicht hat, führt zu keiner anderen Betrachtung; im Übrigen sind zwischenzeitlich auch die Steuererklärungsfristen für 2018 und 2019 abgelaufen, ohne dass die Antragstellerin Erklärungen für diese Jahre eingereicht hätte.
Zudem haben bisher weder die Schätzungen, noch die Festsetzung von Verspätungszuschlägen die Antragstellerin dazu veranlasst, ihren steuerlichen Verpflichtungen (vollständig) nachzukommen. Dass andere Maßnahmen erfolgversprechender gewesen wären, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
2.1.2 Dass sich die Rechtslage zum 1. Juli 2021 geändert hat und insbesondere § 3 Abs. 3a UStG in Kraft getreten ist, führt bei summarischer Prüfung nicht dazu, dass die Mitteilungen rechtswidrig geworden wären. Die Haftung nach § 25e Abs. 1 und 4 Satz 2 UStG läuft damit nicht ins Leere (vgl. auch § 25a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. UStG in der ab 1. Juli 2021 geltenden Fassung). Zwar fingiert § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG eine Lieferung an und von dem Unternehmer, der die dort näher bezeichneten Lieferungen durch seine elektronische Schnittstelle unterstützt. Der Betreiber wird daher für solche Umsätze bereits zum originären Steuerschuldner, so dass es keiner Haftung mehr bedarf. Die Lieferkettenfiktion in § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG gilt jedoch nur für solche Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG, die von einem nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmen ausgeführt werden, und § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG bezieht den Unternehmer, der eine Lieferung durch seine elektronische Schnittstelle unterstützt, nur für solche Fernverkäufe in die Lieferkette ein, bei denen Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt werden. Die Haftung der Unternehmer, die Lieferungen von Gegenständen mittels einer elektronischen Schnittstelle unterstützen, gilt damit nach § 25e Abs. 1 und 4 Satz 2 UStG nach wie vor für die Lieferung solcher Gegenstände, die ein im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ausführt, ohne dass die Gegenstände hierbei aus dem Drittlandsgebiet in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt werden. Bei summarischer Prüfung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin auch, wenn nicht sogar vornehmlich, solche Umsätze ausführt.
2.1.3 Die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG war auch nicht deshalb von der Vollziehung auszusetzen, weil § 25e Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG nicht unionsrechtskonform wären.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht der Umstand, dass Art. 14a MwStSystRL erst zum 1. Juli 2021 in Kraft getreten ist, der Einführung einer Haftungsnorm wie § 25e Abs. 4 UStG bei summarischer Prüfung nicht entgegen. Art. 14a MwStSystRL ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Steuerpflichtige die die dort näher bezeichneten Lieferungen durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, unterstützen, so zu behandeln, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Art. 14a MwStSystRL, der mit Wirkung zum 1. Juli 2021 durch § 3 Abs. 3a UStG ins deutsche Recht umgesetzt wurde, fingiert jedoch eine Lieferung zwischen dem Unternehmer, der die dort näher bezeichneten Lieferungen mittels einer elektronischen Schnittstelle unterstützt, und zwar dem Online Händler einerseits sowie dem Erwerber des Gegenstandes andererseits. Ob hierdurch überhaupt eine Rechtsgrundlage für die Normierung einer Haftungsnorm eingeführt wurde, konnte im Ergebnis dahinstehen. Denn bei summarischer Prüfung ist nichts dafür ersichtlich, dass der Bundesrepublik Deutschland die Einführung einer Haftungsnorm im Vorgriff auf diese Regelung versagt gewesen wäre. Nach Art. 205 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten in den in den Artikeln 193 bis 200 sowie 202, 203 und 204 genannten Fällen eine Regelung treffen, nach der eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat, und der EuGH hat zu Art. 21 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388, der Art. 205 MwStystRL weitgehend entsprach, entschieden, dass dieser als Ermächtigungsgrundlage für eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht kommt (EuGH vom 11. Mai 2006 C-384/04 Federation of Technological Industries, Slg 2006, I-4191). Es ist daher nicht ernstlich zweifelhaft, dass hierdurch auch die Möglichkeit eröffnet wird, eine andere Person als den Steuerpflichtigen in Anspruch zu nehmen, wenn diese durch die Bereitstellung einer elektronischen Plattform an dem Umsatz beteiligt ist (Nacke in UStB 2019, 74). Zudem enthält auch Art. 273 MwStSystRL eine allgemeine Ermächtigungsgrundlage, wonach die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen können, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden (Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25e UStG, Rz 3; Heidner in Bunjes, UStG, 19. Aufl. 2020, § 25e Rz. 3).
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die konkrete Ausgestaltung des § 25e Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG nicht EU-rechtskonform wäre. Zwar hat die Kommission der EU am 10. Oktober 2019 im Hinblick auf die seit 1. Oktober 2019 nach deutschem Recht bestehende Haftung des Betreibers ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/inf_19_5950). Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass Zweifel an der EU-Rechtskonformität des § 25e UStG insgesamt, insbesondere an dessen Abs. 4 Satz 1 und 2, bestehen. Denn die Kommission hat den EU-Rechtsverstoß wie folgt begründet: "Seit dem 1. Oktober 2019 haftet gemäß dem deutschen Recht ein Marktplatz gesamtschuldnerisch für die Mehrwertsteuer auf Waren, die von europäischen Unternehmen über die Plattform verkauft werden, wenn sie von Deutschland aus verbracht oder dorthin geliefert werden. Der Marktplatz kann die Haftung nur dann vermeiden, wenn er eine Bescheinigung auf Papier vorlegen kann, die dem auf seiner Plattform tätigen Verkäufer von der deutschen Steuerbehörde ausgestellt wurde. Diese Verpflichtung ist nach Auffassung der Kommission ineffizient und unverhältnismäßig und behindert außerdem den Zugang europäischer Unternehmen zum deutschen Markt, was einen Verstoß gegen das EU-Recht darstellt. Darüber hinaus haben sich die EU-Mitgliedstaaten bereits auf gemeinsame und effizientere Maßnahmen zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug geeinigt, die am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Die den Betreibern zur Vermeidung der gesamtschuldnerischen Haftung auferlegte Verpflichtung geht über das in den EU-Vorschriften vorgesehene Maß hinaus und steht im Widerspruch zu den Zielen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt." Aus dieser Begründung geht hervor, dass die EU-Kommission im Besonderen die den Betreibern in § 25e Abs. 2 UStG auferlegte Verpflichtung für EU-rechtswidrig hält, die diese zur Vermeidung der gesamtschuldnerischen Haftung erfüllen müssen. Bei summarischer Prüfung ergeben sich aber keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Haltung der EU-Kommission zur Haftungsvorschrift des § 25e Abs. 4 Satz 2 UStG.
Der Senat kann bei summarischer Prüfung zudem dahinstehen lassen, inwieweit den europarechtlichen Bedenken, die in der Literatur an § 25e UStG geäußert wurden, zu folgen ist. Denn auch diese beziehen sich in erster Linie auf § 25e Abs. 1 UStG und dessen Ausgestaltung als Gefährdungshaftung. Nach § 25e Abs. 1 UStG haftet der Betreiber unabhängig davon, ob er Kenntnis von der Umsatzsteuerhinterziehung hatte oder hätte haben müssen, was insbesondere unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten für problematisch erachtet wird (Ismer auf https://www.bitkom.org/sites/default/files/file/import/20180924-Reform-Umsatzsteuer-Ismer-Studie.pdf; Zugmaier/Oldiges in DStR 2019, 15; Kemper in UR 2020, 56; a.A. Marchal in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25e Rz. 7). In Fällen der Haftung nach § 25e Abs. 4 Satz 2 UStG entsteht die Haftung jedoch erst, wenn dem Betreiber eine Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG zugegangen ist, so dass den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit insoweit genügt sein dürfte, deren Beachtung der EuGH als Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme eines Dritten auf der Grundlage von Art. 205 MwStSystRL angesehen hat (EuGH vom 11. Mai 2006 C-384/04 Federation of Technological Industries, Slg 2006, I-4191).
Soweit die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt einer "Inländerdiskriminierung" eine nicht weiter spezifizierte Verletzung von Unionsrecht rügt, erschließt sich schon nicht, woraus in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung eine Schlechterstellung der Antragstellerin im Verhältnis zu anderen Unionsbürgern resultieren könnte. Die Antragstellerin verkennt, dass auch nicht in Deutschland ansässige Steuerpflichtige, die über einen elektronischen Marktplatz in Deutschland steuerpflichtige Umsätze ausführen, von einer Mitteilung nach § 25e UStG betroffen sein können. Entscheidend ist nicht der Sitz der Gesellschaft, sondern der Umstand, wo die Umsätze zu besteuern sind.
2.1.4 Auch verfängt der Einwand der Antragstellerin nicht, dass § 25e UStG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Antragstellerin nimmt hierzu pauschal auf Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. Hufeld Bezug, ohne auch nur im Ansatz zu substantiieren, inwieweit sie sich auf den dort erkannten Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) der Betreiber durch deren Indienstnahme zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben berufen kann. Ungeachtet dessen betrifft die im Gutachten im Ergebnis angenommene Grundrechtsverletzung bei summarischer Prüfung nur die Haftungsinanspruchnahme nach § 25e Abs. 1 UStG. Zu der Haftung nach dem hier streitgegenständlichen § 25e Abs. 4 UStG wird festgestellt, dass diese auf einem anerkannten Muster der Mitwirkung Privater an der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben beruht, da der Sanktion des Betreibers eine quasi "behördliche Anordnung" in Form einer "Mitteilung" vorausgeht.
Es ist bei summarischer Prüfung auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG einen Online-Händler in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) nicht unverhältnismäßig einschränkt. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG regelmäßig dazu führen dürfte, dass der Betreiber den Account des Händlers sperrt und § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG daher einer (Teil-) Gewerbeuntersagung gleichkommen könnte. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 35 GewO ist hinreichend geklärt, dass eine Gewerbeuntersagung bei Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden, die auch bei Verletzung steuerlicher Pflichten anzunehmen sein kann, mit Art. 12 GG in Einklang steht (vgl. z.B. BVerwG vom 12. Januar 1993 1 B 1/93, juris m.w.N.; vom 9. April 1997 1 B 81/97, juris m.w.N.). Für den Ausschluss eines Händlers von einer bestimmten Vertriebsform kann daher - dem Grunde nach und unter Beachtung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall, die durch den in § 25e Abs. 4 Satz 1 normierten Subsidiaritätsgrundsatz gewährleistet sein dürfte - nichts anderes gelten.
2.1.5 Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht das Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 1 AO) einer Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG nicht entgegen. Bei § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG handelt es sich um eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO (vgl. BT-Drucks. 19/4455, 62). Aus dem Gesamtzusammenhang des § 25e UStG ergibt sich zudem, dass die Mitteilung nach Abs. 4 nur an diejenigen Betreiber erfolgen kann, bei denen der Online-Händler nach Kenntnis der Finanzbehörde auch tatsächlich registriert ist.
2.1.6 Es ist bei summarischer Prüfung auch nichts dafür ersichtlich, dass die Mitteilung nach § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG gegen das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO verstoßen könnte, auch wenn gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin - u.a. in seiner Eigenschaft als solcher - ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde. Zwar mag die Vorschrift den Unternehmer zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten anhalten. Nach der Gesetzesbegründung zu § 25e UStG dient die Vorschrift jedoch in erster Linie "der Sicherstellung von Umsatzsteuereinnahmen, insbesondere beim Handel mit Waren aus dem Drittland, dem Schutz vor weiteren Umsatzsteuerausfällen sowie dem Schutz zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit von steuerehrlichen Unternehmen" (vgl. BT 19/4455, 27). In seiner Wirkung ist § 25e Abs. 4 Satz 1 UStG daher eher mit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO denn mit einem Zwangsmittel i.S.v. § 328 AO vergleichbar. Da eine Gewerbeuntersagung dem Schutz eines überwiegenden Gemeinwohlinteresses dient, wäre es geradezu absurd, wenn der Gesetzgeber eine Maßnahme nach § 25e UStG in den Fällen ausschließen würde, in denen das Verhalten des Gewerbetreibenden sogar zur Einleitung eines Strafverfahrens geführt hat.
2.1.7 Anhaltspunkte dafür, dass die Mitteilungen nach § 25e Abs. 4 UStG im konkreten Fall unverhältnismäßig wären, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
2.2 Eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kommt auch nicht wegen unbilliger Härte in Betracht. Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nur vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die sofortige Vollziehung Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre. Gründe hierfür sind indessen weder vorgetragen noch ersichtlich. Ungeachtet dessen kommt eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nach der Rechtsprechung des BFH nur dann in Betracht, wenn zugleich auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Sind dagegen Zweifel fast ausgeschlossen, ist eine Aussetzung der Vollziehung selbst dann nicht zulässig, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (BFH vom 19. April 1968 IV B 3/66, BStBl II 1968, 538; vom 31. Januar 1967 VI 5 9/66, BStBl III 1967, 255). So verhält es sich vorliegend.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Beschwerde war nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen, da die hier streitentscheidenden Fragen betreffend die Verfassungsmäßigkeit und die Europarechtskonformität grundsätzliche Bedeutung haben und zur Fortbildung des Rechts einer höchstrichterlichen Entscheidung bedürfen.