16.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220562
Verwaltungsgericht Köln: Beschluss vom 06.10.2020 – 33 K 1757/20.PVB
1. Eine Maßnahmen außerhalb des eigentlichen Wahlverfahrens, die bloß mittelbar erschwerende Auswirkungen hat, ist nur dann eine Behinderung im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls bei objektiver Betrachtung auf eine Erschwerung der Wahl gerichtet ist.
2. Zur Durchführung einer Personalratswahl während der Corona-Pandemie.
Verwaltungsgericht Köln
33 K 1757/20.PVB
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
1
Gründe
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I.
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Die Antragsteller fechten die Wahl zum Personalrat bei der Zentrale der X. X. X. (XXXX) an.
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Die Antragsteller sind wahlberechtigte Beschäftigte bei der genannten Dienststelle. Mit Wahlausschreiben vom 27. Januar 2020 bestimmte der Wahlvorstand Donnerstag, den 19. März 2020, als Tag der Stimmabgabe. Für alle Wahlberechtigten, die nicht in der in C. gelegenen Dienststelle ihren Dienstort haben, ordnete der Wahlvorstand Briefwahl an. Mit E-Mail an die Beschäftigten vom 18. Februar 2020 wies der Wahlvorstand erneut auf die bevorstehende Wahl sowie auf die Möglichkeit hin, Briefwahl zu beantragen. Am 2. März 2020 versandte der Wahlvorstand Briefwahlunterlagen an die etwa 470 Wahlberechtigten, die ihren Dienstort nicht in der Dienststelle haben. Am Montag, 16. März 2020, sowie am Mittwoch, 18. März 2020, wies der Wahlvorstand vor dem Hintergrund des zunehmenden Corona-Infektionsgeschehens per E-Mail an die Beschäftigten erneut auf die Möglichkeit der Briefwahl hin und führte ergänzend aus, Briefwahlunterlagen könnten persönlich beim Wahlvorstand abgeholt und dort unmittelbar nach Stimmabgabe wieder abgegeben werden. In beiden E-Mails informierte der Wahlvorstand ferner darüber, dass auch eine persönliche Stimmabgabe am Tag der Wahl ‒ unter Einhaltung der Hygienevorschriften ‒ möglich sei. In der Woche der Wahl war in der IT-Sparte der Dienststelle bei Beschäftigen, die auf der Grundlage einer entsprechenden Bewilligung an Telearbeit teilnahmen, deren Umfang auf 100 Prozent erhöht worden, sodass die Betroffenen ausschließlich von Zuhause arbeiten durften. Beschäftigte aus anderen Bereichen, die über ein dienstliches Notebook verfügten, war bewilligt worden, ebenfalls von zu Hause aus zu arbeiten. Einigen Wahlberechtigten war für einen Zeitraum von mehreren Tagen, in den auch der Tag der Stimmabgabe fiel, der Zutritt zur Dienststelle von Vorgesetzten untersagt worden, nachdem sie während der Arbeitszeit Kontakt mit einer Kollegin hatten, die infolge eines Urlaubs in einem Corona-Risikogebiet als Risikofall eingestuft worden war.
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Bereits am 17. März 2020 hatten bei zwei der insgesamt neun Direktionen der XXXX die örtlichen Wahlvorstände die Stimmabgaben am 19. März 2020 abgesagt. Da dem Hauptwahlvorstand angesichts dessen eine rechtssichere Wahl des Hauptpersonalrats am 19. März 2020 nicht möglich erschien, sagte er diese Wahl am 18. März 2020 ab. In einer E-Mail an die Beschäftigten vom gleichen Tag wies der Hauptwahlvorstand darauf hin, dass die Wahlen der örtlichen Personalräte wie geplant tags darauf stattfänden.
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Für die Wahl des Personalrats der Zentrale der XXXX fand die Stimmabgabe am 19. März 2020 in der Zeit von 9 bis 15.30 Uhr statt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am selben Tag bekannt. Wegen der Einzelheiten des Wahlergebnisses wird Bezug genommen auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie der Bekanntmachung (Bl. 8). Die Wahlbeteiligung lag in der Gruppe der Beamten bei 61 Prozent, in der Gruppe der Arbeitnehmer bei 45 Prozent. Bei der Personalratswahl im Jahr 2016 lag die Wahlbeteiligung in den genannten Gruppen bei 76,5 bzw. 64 Prozent, im Jahr 2012 lag sie bei 78 bzw. 66 Prozent.
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Am 6. April 2020 haben die Antragsteller das vorliegende Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Wahl sei zum einen für ungültig zu erklären, weil sie entgegen den rechtlichen Vorgaben nicht gleichzeitig mit der Wahl des Hauptpersonalrats stattgefunden habe. Der Hauptwahlvorstand habe die Corona-Pandemie sachgerecht zum Anlass genommen, die für den 19. März 2020 anberaumte Wahl auszusetzen. Der örtliche Personalrat habe hingegen ohne triftigen Grund an seinem Wahltermin festgehalten. Zum anderen lägen Verstöße gegen das Verbot der Wahlrechtsbeschränkung vor. Aufgrund der Einschränkungen des Dienstbetriebs infolge der Corona-Pandemie seien zahlreiche Wahlberechtigte unter der Dienstanschrift für Mitteilungen des Wahlvorstands nicht mehr erreichbar gewesen, weil sie sich in Quarantäne oder in Heim- und Telearbeit befunden hätten. Auch seien bei verschiedenen Wahlberechtigten die vom Wahlvorstand verschickten Briefwahlunterlagen nicht mehr rechtzeitig angekommen. Dadurch sei die Wahlbeteiligung massiv eingebrochen. Zudem stelle das gegenüber mehreren Beschäftigten ausgesprochene Verbot, die Dienststelle u.a. am Wahltag zu betreten, eine Wahlbehinderung dar. Da schon vor der Wahlwoche und erst recht in dieser absehbar gewesen sei, dass die Stimmabgabe für viele Wahlberechtigte nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten möglich sein würde, sei der Wahlvorstand verpflichtet gewesen, den Zeitpunkt der Stimmabgabe auf einen späteren Termin zu verschieben.
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Die Antragsteller beantragen,
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die Neuwahl zum Personalrat bei der Zentrale der X. X. X. am 19. März 2020 für ungültig zu erklären.
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Der Beteiligte zu 1 hat keinen Antrag gestellt und sich einer Äußerung zu dem Verfahren enthalten.
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Die Beteiligte zu 2 beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung tritt sie dem Vorbringen der Antragsteller im Einzelnen entgegen und macht, teils ergänzend, im Wesentlichen geltend, eine Wahlrechtsbeschränkung liege nicht vor. Den Beschäftigten sei es möglich gewesen, auch kurzfristig ihre Stimme per Briefwahl abzugeben. Darauf sei vom Wahlvorstand mehrfach hingewiesen und von dieser Möglichkeit sei auch vielfach Gebrauch gemacht worden. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass die Wahlberechtigten die entsprechenden Informationen des Wahlvorstands nicht erreicht hätten. Ferner sei es den Wahlberechtigten grundsätzlich möglich gewesen, ihre Stimme am Wahltag persönlich abzugeben. Namentlich der Umstand, dass jemand in Heim- oder Telearbeit seinen Dienst verrichtet habe, bedeute nicht, dass ihm das Betreten der Dienststelle und des Wahllokals nicht erlaubt oder nicht möglich gewesen wäre. Soweit einzelnen Beschäftigten das Betreten der Dienststelle untersagt worden sei, liege auch darin keine Wahlbeschränkung. Ein solches Verbot hätte auch bei einer anderen hoch ansteckenden Krankheit erfolgen müssen und sei als Maßnahme des Infektionsschutzes nicht als Wahlbehinderung zu werten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
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Nach § 25 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) können mindestens drei Wahlberechtigte binnen einer Frist von zwölf Arbeitstagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Als wesentlich in diesem Sinne sind alle Vorschriften anzusehen, die zwingender Natur sind, nicht hingegen die Ordnungsvorschriften und in der Regel auch nicht die Soll-Vorschriften.
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Vgl. Bundesverwaltunggericht (BVerwG), Beschluss vom 24. Februar 2015 ‒ 5 P 7.14 ‒ , juris, Rn. 18; Baden, in: Altvater u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 25 BPersVG, Rn. 5.
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Danach hat der fristgerecht erhobene Antrag keinen Erfolg, weil ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren weder dargetan noch sonst ersichtlich ist.
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Der gerügte Verstoß gegen die ‒ zwingenden ‒ Regelungen über die Freiheit der Wahl in § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 BPersVG liegt nicht vor. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BPersVG darf niemand die Wahl des Personalrats behindern oder in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beeinflussen. Insbesondere darf, wie es in § 24 Abs. 1 Satz 2 BPersVG heißt, kein Wahlberechtigter in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. Eine Behinderung liegt nicht nur in der Verhinderung, sondern grundsätzlich auch in der Erschwerung oder Verzögerung der Wahl durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 14. April 2004 ‒ 1 A 4408/02.PVB ‒, juris, Rn. 54; Noll, in: Altvater u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 24 BPersVG, Rn. 2.
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Es genügt jedoch nicht jegliche Erschwerung der Wahl. Dies ergibt sich schon aus dem vom Gesetz verwandten Begriff der Behinderung, der ein Mindestmaß an Schwere verlangt. Da zudem eine Vielzahl von Umständen denkbar ist, die mittelbar zu Erschwerungen führen können, würde der Tatbestand der Wahlbehinderung konturenlos und nicht mehr handhabbar, wenn von ihm jegliche auf die Wahl erschwerend einwirkende Maßnahme erfasst würde. Eine Maßnahme außerhalb des eigentlichen Wahlverfahrens, die bloß mittelbar erschwerende Auswirkungen hat, ist daher nur dann eine Behinderung im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls bei objektiver Betrachtung auf eine Erschwerung der Wahl gerichtet ist. Dies ist der Fall, wenn erkennbar wird, dass sie getroffen worden ist, um die Stimmabgabe insgesamt oder einzelner Wahlberechtigter zu verhindern oder zu erschweren.
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Vgl. Widmaier, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 13. Aufl. 2014, § 24 BPersVG, Rn. 3, der eine Wahlbehinderung definiert als jedes Handeln oder Unterlassen, „das darauf abzielt, die Wahl zu erschweren“. In diese Richtung auch Dörner, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungrecht, 5. Aufl. 2020, § 24 BPersVG, Rn. 7 und 10, wonach zwar „jede“ Behinderung verboten ist, etwa eine Abordnung aber (nur) dann gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 BPersVG verstößt, wenn sie „zu dem Zweck [erfolgt], den Beschäftigten von der Wahl auszuschließen“. Siehe ferner aus der Rechtsprechung zum Verbot der Wahlbehinderung in § 20 Betriebsverfassungsgesetz Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 1977 ‒ 2 AZR 387/76 ‒, juris, Rn. 38, wonach eine Kündigung vom Verbot der Wahlbehinderung nur erfasst ist, wenn sie „gerade deswegen ausgesprochen wird, um die Wahl dieses Arbeitnehmers zu verhindern oder um den Arbeitnehmer wegen seines Einsatzes bei der Betriebsratswahl zu maßregeln“.
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Ausgehend von diesen Anforderungen hat niemand die angefochtene Wahl behindert. Die geltend gemachte Beschränkung Wahlberechtigter in der Ausübung des aktiven Wahlrechts lässt sich nicht feststellen. Die Rügen der Antragsteller greifen nicht durch.
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Dies gilt zunächst für ihren Hinweis darauf, in der Woche der Wahl sei für die Mitarbeiter der IT-Sparte Telearbeit im Umfang von 100 Prozent und für weitere Beschäftigte mit einem dienstlichen Notebook Heimarbeit angeordnet worden. Diese Maßnahmen sind eine Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitsgebers bzw. Dienstherrn. Sie haben nicht zu einer Erschwerung der Wahl geführt, sondern zu einer Erleichterung der Dienstausübung bzw. der Arbeitstätigkeit, weil diese von zu Hause aus erledigt werden durfte. Namentlich haben die Maßnahmen nicht dazu geführt, dass Wahlberechtigten die persönliche Stimmabgabe oder die Abstimmung per Briefwahl untersagt oder faktisch unmöglich gemacht worden wäre. Den Betroffenen war der Zugang zur Dienststelle und zum Wahllokal während der Zeit der Stimmabgabe durch die Maßnahmen nicht verwehrt. Soweit die Antragsteller darauf hinweisen, dass sich die Maßnahmen bei weit von der Dienststelle entfernt wohnenden Wahlberechtigten als Wahlrechtsbeschänkung ausgewirkt hätten, weil diese teils mehrstündige Wege allein zum Zwecke der Stimmabgabe hätten auf sich nehmen müssen, greift auch das nicht durch. Den Betroffenen blieb es unbenommen, ihre Stimme abzugeben. Dass sie dafür ggf. lange Wegstrecken auf sich nehmen mussten, beruht auf ihrer privaten Entscheidung zum Ort der Wohnsitznahme, nicht hingegen auf den streitigen Maßnahmen.
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Der im Zusammenhang mit der Tele- bzw. Heimarbeit monierte Umstand, zahlreiche Wahlberechtigte seien für Mitteilungen des Wahlvorstands nicht mehr erreichbar gewesen, führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Antrags. Das gilt schon deswegen, weil bereits in dem ‒ ordnungsgemäß bekanntgemachten ‒ Wahlausschreiben zutreffend darauf hingewiesen worden war, dass eine Stimmabgabe per Briefwahl oder persönlich möglich ist. Weitere Informationspflichten trafen den Wahlvorstand insofern grundsätzlich nicht. Ungeachtet dessen hat der Wahlvorstand mehrfach auch noch kurz vor der Wahl per E-Mail darüber informiert, dass eine Stimmabgabe sowohl per Briefwahl als auch persönlich am Tag der Wahl möglich sei. Diese Information hat auch jedenfalls jene Wahlberechtigten erreicht, die weiter in der Dienststelle tätig oder in Telearbeit waren. Ob die E-Mails, wie die Antragsteller behaupten, einigen Wahlberechtigte nicht zugegangen sind, kann offen bleiben, weil, wie dargelegt, mit dem Wahlausschreiben bereits eine hinreichende Information stattgefunden hatte.
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Keine Wahlbehinderung liegt in dem von Vorgesetzten gegenüber bestimmten Beschäftigten ausgesprochenen Verbot, die Dienststelle in einem Zeitraum von mehreren Tagen, in den auch der Tag der Stimmabgabe fiel, zu betreten. Es handelt sich um eine außerhalb des eigentlichen Wahlverfahrens liegende Maßnahme mit bloß mittelbar erschwerenden Auswirkungen auf die Wahl. Sie verstößt nicht gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, weil sie offenkundig nicht auf eine Erschwerung der Wahl gerichtet war. Sie erfolgte nicht, um die Stimmabgabe der Betroffenen zu verhindern oder zu erschweren, sondern diente unstreitig dem Infektionsschutz. Von dem Verbot waren all jene Beschäftigten erfasst, die ihren Arbeitsplatz an einem Flur hatten, an dem auch eine Kollegin Dienst tat, die nach der Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet in Österreich als Risikofall eingestuft worden war.
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Keine Behinderung der Wahl liegt ferner in dem Umstand, dass der Wahlvorstand die für den 19. März 2019 vorgesehene Stimmabgabe nicht, wie von den Antragstellern gefordert, ausgesetzt bzw. verschoben hat. Denn den Wahlvorstand traf keine entsprechende Verpflichtung.
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Für die Frage, ob für den Wahlvorstand eine solche Verpflichtung bestand, ist in tatsächlicher Hinsicht abzustellen auf die für den Wahlvorstand bis zum Abschluss der Stimmabgabe erkennbaren Umstände und die auf ihrer Grundlage mögliche Prognose des zu erwartenden Geschehensablaufs. Auch in rechtlicher Hinsicht ist abzustellen auf die Situation bis zum Abschluss der Stimmabgabe. Änderungen der Rechtslage, die erst später, und sei es rückwirkend, in Kraft getreten sind, sind nicht maßgeblich, weil der Wahlvorstand sie seinerzeit nicht berücksichtigen konnte. Damit kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht auf § 19a der Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVWO) an, der es einem Wahlvorstand ‒ vereinfacht gesagt ‒ ermöglicht, einen neuen Zeitpunkt für die Stimmabgabe zu bestimmten, ohne dass dies Einfluss auf die Gültigkeit bereits getroffener Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl und eingereichter Wahlvorschläge hätte. Denn diese eigens im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie geschaffene Vorschrift ist erst mit der Fünften Verordnung zur Änderung der Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz vom 24. April 2020 ‒ rückwirkend zum 1. März 2020 ‒ in die Wahlordnung eingefügt worden. Auch § 26a BPersVG, gemäß dem ein Personalrat zunächst geschäftsführend im Amt bleibt, wenn am Tage des Ablaufs seiner regelmäßigen Amtszeit ein neuer Personalrat noch nicht gewählt oder konstituiert ist, muss außer Betracht bleiben. Denn § 26a BPersVG ist erst durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften aus Anlass der Covid-19-Pandemie vom 25. Mai 2020 ‒ rückwirkend zum 1. März 2020 ‒ in das Gesetz eingefügt worden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sich der Erlass der genannten Normen bis zum Abschluss der Stimmabgabe am 19. März 2020 bereits so konkret abgezeichnet hätte, dass der Wahlvorstand die zu erwartende rückwirkende Änderung der Rechtslage in seine Entscheidungsfindung hätte einbeziehen können und müssen. Die Änderungen sind vom Bundeskabinett überhaupt erst in seiner Sitzung vom 8. April 2020 beschlossen worden.
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Die Zeit der Stimmabgabe bestimmt der Wahlvorstand gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 11 BPersVWO im Wahlausschreiben. Ein Wahlausschreiben hat bindende Wirkung hinsichtlich der in ihm angegebenen Daten. § 6 Abs. 4 BPersVWO erlaubt lediglich eine Berichtigung des Wahlausschreibens wegen offenbarer Unrichtigkeiten. Vorgaben für eine Änderung des Wahlausschreibens, die über eine bloße Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten hinaus geht, bestehen ‒ abgesehen von dem hier nicht in den Blick zu nehmenden § 19a BPersVWO ‒ nicht. Nach verbreiteter Auffassung ist eine solche Änderung nur in seltenen Ausnahmefällen und nur im Wege eines Beschlusses des Wahlvorstands zulässig, das Wahlausschreiben zurückzunehmen und eine neues zu erlassen.
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Vgl. (für eine dem § 6 Abs. 4 BPersVWO entsprechende landesrechtliche Vorschrift) Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 7. Juni 1983 ‒ Bs PH 1/83 ‒, PersV 1984, 105 ff.; Ilbertz, in: Ilbertz u.a., BPersVG, 13. Aufl. 2014, § 6 WO, Rn. 15; Schlatmann in: Lorenzen/Etzel/Gerhold u.a., BPersVG (Stand: September 2020), § 6 WO, Rn. 29; weniger restriktiv, für den vorliegenden Fall jedoch mit demselben Ergebnis Noll, in: Altvater u.a., BPersvG, 10. Aufl. 2019, § 6 WO, Rn. 28a, der eine Änderung des Wahlausschreibens auch ohne Rücknahme und Erlass eines neuen für ausnahmsweise zulässig hält, diese Ausnahme allerdings explizit nicht auf eine Änderung des Tages der Stimmabgabe erstreckt.
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Ob bei einem solchen Vorgehen bereits eingereichte Wahlvorschläge stets zurückzugeben und neue innerhalb einer neu in Lauf gesetzten Frist nach § 7 Abs. 2 BPersVWO einzureichen sind, lässt sich der Literatur nicht eindeutig entnehmen.
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So wohl Ilbertz, in: Ilbertz u.a., BPersVG, 13. Aufl. 2014, § 6 WO, Rn. 15, sowie Noll, in: Altvater u.a., BPersvG, 10. Aufl. 2019, § 6 WO, Rn. 29, jeweils unter Berufung auf Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 6. September 1989 ‒ 17 P 89.01549 ‒, PersR 1990, 115; differenzierend Schlatmann in: Lorenzen u.a., BPersVG (Stand: September 2020), § 6 WO, Rn. 29.
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Dies zugrunde gelegt, führten die Umstände des vorliegenden Falls weder für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtschau zu einer Pflicht des Wahlvorstands, die Zeit der Stimmabgabe ausnahmsweise zu verlegen oder die Stimmabgabe, wie von den Antragstellern gefordert, auszusetzen. Eine solche Änderung wäre nach der seinerzeit maßgeblichen Rechtslage allenfalls im Wege einer Rücknahme des bisherigen und des Erlasses eines neuen Wahlausschreibens in Betracht gekommen. Ein solches Vorgehen wäre jedoch schon angesichts der grundsätzlichen Verbindlichkeit eines Wahlausschreibens mit dem Risiko einer Wahlanfechtung verbunden gewesen. Überdies wäre es, wie dargelegt, mit dem Risiko behaftet gewesen wäre, dass die bereits eingereichten Wahlvorschläge ihre Gültigkeit verlieren und neue hätten eingereicht werden müssen. Hinzu kommt, dass nach der seinerzeitigen Rechtslage die Amtszeit des vorherigen Personalrats gemäß § 26 Satz 3 BPersVG spätestens am 31. Mai 2020 geendet hätte. Eine Verschiebung der Stimmabgabe mit der Maßgabe, eine Zeit ohne Personalrat zu vermeinden, wäre demgemäß nur um wenige Wochen möglich gewesen. Zugleich war die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens und seiner Folgen seinerzeit völlig offen. Auch durfte der Wahlvorstand davon ausgehen, dass die Wahlberechtigten am Tag der Stimmabgabe trotz der Corona-Pandemie ihre Stimme würden persönlich abgeben können. Dass zahlreiche Wahlberechtigte von diesem Recht angesichts des Infektionsgeschehens möglicherweise keinen Gebrauch machen würden, musste der Wahlvorstand nicht zum Anlass dafür nehmen, von dem Wahltermin Abstand zu nehmen. Er hatte lediglich die Möglichkeit der Stimmabgabe sicherzustellen. Im Übrigen lässt sich die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang zur Antragsbegründung angeführte niedrige Wahlbeteiligung im Vergleich zu vorhergehenden Personalratswahlen nicht nur mit Pandemie-bedingten Widrigkeiten bei der Stimmabgabe erklären, sondern auch damit, dass die Wahlberechtigten der Stimmabgabe angesichts des Infektionsgeschehens keine Priorität (mehr) eingeräumt haben. Dass mehreren Wahlberechtigten am Tag der Stimmabgabe der Zutritt zur Dienststelle untersagt war, führt selbst dann nicht zu der geltend gemachten Pflicht, wenn der Wahlvorstand von diesem Umstand wusste oder jedenfalls hätte wissen müssen. Es handelte sich, wie dargelegt, um ein Ereignis außerhalb des Wahlverfahrens, dem auch nicht der Charakter einer Wahlbehinderung zukommt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Wahlberechtigte grundsätzlich auch die Möglichkeit hatten, ihre Stimme per Briefwahl abzugeben. Angesichts dessen durfte der Wahlvorstand davon ausgehen, dass grundsätzlicher jeder Wahlberechtigte in der Lage sein würde, seine Stimme abzugeben.
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Schließlich verhilft auch der Hinweis der Antragsteller auf die Entscheidung des Hauptwahlvorstands, die ebenfalls für den 19. März 2020 angesetzte Stimmabgabe zur Wahl des Hauptpersonalrats abzubrechen, dem Antrag nicht zum Erfolg. Zwar soll nach § 36 BPersVG die Wahl des Bezirkspersonalrats möglichst gleichzeitig mit der Wahl der Personalräte in demselben Bezirk stattfinden und die Vorschrift ist nach § 42 BPersVWO auf die Wahl des Hauptpersonalrats entsprechend anwendbar. Hier lagen jedoch Gründe vor, von dieser Soll-Vorschrift ausnahmsweise abzuweichen. Der Hauptwahlvorstand hatte die Stimmabgabe zur Wahl des Hauptpersonalrats sehr kurzfristig aufgrund der Geschehnisse in den XXXX-Direktionen D. und R. abgebrochen und zugleich darauf hingewiesen, dass dies keinen Einfluss auf die Wahlen für die örtlichen Personalräte habe. Dies rechtfertigt das Festhalten des Wahlvorstands an dem seit Langem bestimmten Zeitpunkt der Stimmabgabe für die Wahl des örtlichen Personalrats auch angesichts der Folge, dass diese nicht gleichzeitig mit der Wahl des Hauptpersonalrats stattfinden würde. Im Übrigen hätte der Antrag selbst bei einem ‒ hier bloß unterstellten ‒ Verstoß gegen § 36 BPersVWO keinen Erfolg. Als bloße Soll-Vorschrift ist § 36 BPersVWO keine wesentliche Vorschrift im Sinne des § 25 BPersVG. Ein Verstoß gegen § 36 BPersVWO rechtfertigt daher keine Wahlanfechtung.
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Vgl. Ilbertz, in: Ilbertz u.a., BPersVG, 13. Aufl. 2014, § 36 WO, Rn. 2; Noll, in: Altvater u.a., BPersvG, 10. Aufl. 2019, § 36 WO, Rn. 2.
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Für eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren kein Raum.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (Fachsenat) statt.
40
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichung einer Beschwerdeschrift schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster einzulegen. Sie muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt wird.
41
Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung ‒ VwGO ‒ und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung ‒ ERVV) erfolgen.
42
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV zu begründen.
43
Die Beschwerdebegründung muss angeben, auf welche im Einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird.
44
Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt oder einer nach § 11 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes zur Vertretung befugten Person unterzeichnet sein.
RechtsgebieteBPersVG, BPersVWOVorschriften§ 24 BPersVG, § 25 BPersVG; § 19a BPersVWO; § 36 BPersVWO