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  • 05.12.2019 · IWW-Abrufnummer 212623

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 15.11.2018 – 7 K 7196/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Berlin-Brandenburg

    Urteil vom 15.11.2018

    Az.: 7 K 7196/15

    In dem Rechtsstreit
    der A... GmbH,
    Klägerin,
    bevollmächtigt:
    gegen
    das Finanzamt,
    Beklagter,

    wegen Umsatzsteuer 2009 bis 2011, Gewährung weiterer Steuerbefreiungen für innergemeinschaftliche Lieferungen aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) bei der Umsatzsteuer 2010 und 2011

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. November 2018 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
    die Richterin am Finanzgericht ... und
    den Richter am Finanzgericht ...
    sowie die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herr ...

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Abweichend von den Umsatzsteuerbescheiden für 2009 vom 24.02.2014 und für 2010 vom 19.03.2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2015 wird die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuer in Höhe von ... € in 2009 und in Höhe von ... € in 2010 festgesetzt.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden zu 53 % der Klägerin und zu 47 % dem Beklagten auferlegt.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darum, ob und ggf. in welchem Umfang der Klägerin ein weiterer Vorsteuerabzug (ggf. aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Abgabenordnung -AO-) zu gewähren ist und ob weitere Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a Abs. 4 Umsatzsteuergesetz -UStG- von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

    Die Klägerin, eine GmbH, wurde ... gegründet und hatte in den Streitjahren den Gegenstand des Groß- und Einzelhandels im In- und Ausland mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken, sowie mit Gaststättenbedarfsartikeln aller Art. Der J... und frühere Geschäftsführer ist nach wie vor Mitgesellschafter der Klägerin (Bl. 624 Gerichtsakte -GA- IV).

    Sie wurde in den Streitjahren gesetzlich zunächst durch B... vertreten, ab Mitte 2009 durch den gegenwärtigen Geschäftsführer. Die Zeugin C... wurde im I. Quartal 2011 zur Prokuristin bestellt.

    Folgende Komplexe sind zwischen den Beteiligten streitig:

    D... GmbH/M... B.V.

    Die D... GmbH wurde am 03.04.2006 als Vorratsgesellschaft unter anderer Firma gegründet. Aufgrund eines Beschlusses ihrer Gesellschafterversammlung vom 26.04.2006 änderte sie ihren Gegenstand in Handel mit Produkten aller Art, der gesetzlich zulässig ist, insbesondere mit schwerem Gerät, Maschinen, Ersatzteilen, elektronischer Ausrüstung, landwirtschaftlichen Produkten und Metallabfällen. Aufgrund Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 08.05.2006 nahm sie ihre gegenwärtige Firma an. Am 15.01.2009 wurden im Handelsregister eine Anschrift in E... und als Geschäftsführer der in F... ansässige G... eingetragen, der auch nach einer im Januar 2009 im elektronischen Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste als Alleingesellschafter ausgewiesen war. Am 25.03.2009 wurde die Anschrift H...-straße in E... eingetragen. Am 23.08.2010 beschloss die Gesellschafterversammlung die Verlegung des Sitzes nach F.... Am 17.07.2012 eröffnete das Amtsgericht I... das Insolvenzverfahren über das Vermögen der D... GmbH.

    Die Klägerin bezog von Ende August 2009 bis Anfang September 2010 Waren von der D... GmbH (vgl. die Kreditorenlisten Bl. 32, 34 f. Betriebsprüfungs-Sonderakte -Bp-SonderA- II; nach Angaben der Klägerin im Volumen von ca. ... €, Bl. 512 GA III).

    Mit Telefax der D... GmbH vom 24.08.2009, mit dem Herr J... unter Bezugnahme auf ein Telefonat zwischen ihm und dem Key account manager der D... GmbH angesprochen wurde, bot die D... GmbH der Klägerin die Lieferung von Red Bull und Coca Cola an (Bl. 303 GA II). Ebenfalls am 24.08.2009 bestellte die Klägerin durch einen K... bei der D... GmbH jeweils 4 LKW-Ladungen mit Dosen von Coca-Cola und Red Bull, die die D... GmbH am Folgetag durch ihren Geschäftsführer G... bestätigte. Der vorliegende Ausdruck enthält handschriftliche Vermerke, in denen auf Herrn L... verwiesen wird (u.a. "16,90 lt. L... kümmert sich, L... -> VK an M... ... €", Bl. 65 f. Bp-SonderA II). Herr L... war vom 03.08.1999 bis 11.06.2001 als Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister eingetragen. Die Vermerke sollen von der Zeugin stammen (Bl. 568 GA III).

    Für die Durchführung der Geschäfte existiert ein Ablaufplan (Bl. 54 Bp-SonderA II).

    Ebenfalls am 24.08.2009 bestellte die M... B.V. mit einem an "Herr J... A..." gerichtetenTelefax je 4 LKW-Ladungen mit Dosen von Coca-Cola und Red Bull (Bl. 64 Bp-SonderAII).

    Nach den von der Klägerin zusammengestellten Dokumenten, die sich in einem von mehreren als Anlage zu den Klagebegründungen vom 16.09.2015 eingereichten Leitz-Ordnern -LOK- befinden, liegen folgenden Dokumente zu den insoweit streitigen Vorgängen vor:

    Datum Vorg-Nr. Bl. LOK Vorst Bemerkung
    26.08.2009 220809 1014 ... € Cola, Rechnung
    26.08.2009 200809 1015  Lieferschein, weiteres Datum 25.8.09, Weiterverladevermerk 26.8.09, Unterschrift
    27.08.2009 4797 1016  Wareneingangsbogen
    28.09.2009 62922 1017  Rg an M... B.V.
    28.09.2009 200809 1018  Frachtbrief, Faxdatum
    26.08.2009 200809 1020  Versandbescheinigung
    26.08.2009 230809 1021 ... € Cola, Rechnung
    28.08.2009 210809 1022  Lieferschein, Unterschrift mit diesem Datum und Weiterverlademerk 28.9.2009
    28.08.2009 63285 1024  Rg an M... B.V.
    31.08.2009 220809 1025  Frachtbrief, Faxdatum
    29.08.2009 220809 1027  Versandbescheinigung
    26.08.2009 240809 1028 ... € Cola, Rechnung
    28.08.2009 220809 1029  Lieferschein, Unterschrift mit diesem Datum und Weiterverlademerk 28.9.2009
    31.08.2009 63294 1031  Rg an M... B.V.
    31.08.2009 190809 1032  Frachtbrief, Faxdatum
    29.08.2009 190809 1034  Versandbescheinigung
    26.08.2009 250809 1035 ... € Cola, Rechnung
    27.08.2009 230809 1035  Lieferschein, Unterschrift mit Weiterladevermerk
    31.08.2009 63293 1038  Rg an M... B.V.
    31.08.2009 210809 1039  Frachtbrief, Faxdatum
    29.08.2009 210809 1041  Versandbescheinigung
    26.08.2009 160809 1042 ... € Red Bull, Rechnung
    27.08.2009 160809 1043  Lieferschein, Unterschrift mit diesem Datum und Weiterverladevermerk vom 28.8.2008
    28.08.2009 62917 1045  Rg an M... B.V.
    28.08.2009 170809 1046  Frachtbrief, Faxdatum
    28.08.2009 170809 1048  Versandbescheinigung
    26.08.2009 170809 1049 ... € Red Bull, Rechnung
    27.08.2009 170809 1050  Lieferschein, Unterschrift mit Weiterladevermerk
    28.08.2009 62921 1052  Rg an M... B.V.
    28.08.2009 230809 1053  Frachtbrief, Faxdatum
    27.08.2009 230809 1055  Versandbescheinigung
    26.08.2009 180809 1056 ... € Red Bull, Rechnung
    27.08.2009 180809 1057  Lieferschein, Unterschrift mit diesem Datum und Weiterverladevermerk vom 28.8.2008
    29.08.2009 63281 1059  Rg an M... B.V.
    31.08.2009 180809 1060  Frachtbrief, Faxdatum
    28.08.2009 180809 1062  Versandbescheinigung
    26.08.2009 190809 1063 ... € Red Bull, Rechnung
    28.08.2009 190809 1064  Lieferschein, Unterschrift mit diesem Datum und Weiterverladevermerk vom 29.8.2009
    31.08.2009 64084 1066  Rg an M... B.V.
    ohne 190809 (?) 1067  Frachtbrief
    28.08.2009 160809 1069  Versandbescheinigung
    30.08.2009 260809 1073 ... € Red Bull, Rechnung
    30.10.2009 260809 1071 ... € Gutschrift
       ... € Saldo
    04.09.2009 67272 1075  Rg an M... B.V.
    04.09.2009 67274 1079  Rg an M... B:V.
    04.09.2009  1078  Frachtbrief D-JR 1242
    04.09.2009  1081  Frachtbrief 173 ALF
    04.09.2009  1077  Versandbescheinigung
    04.09.2009  1082  Versandbescheinigung
       ... € Summe Vorsteuerbeträge

    Bei den in Rechnung gestellten Waren sollte es sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen ausschließlich um sog. Exportware handeln (Coca Cola, polnische Ware, oder Red Bull, englische Ware, jeweils pfandfrei, Bl. 1014 ff. LOK).

    Am Samstag, dem 29.08.2009, teilte N... der Zeugin (seinerzeit noch mit dem Familiennamen O...) per Email mit, dass er eine geänderte Vereinbarung beifüge. Weiter heißt es wörtlich: "Habe wohl bei der erhöhten Palettenanzahl die Mietpauschale ... € angepasst. Ist sonst nicht glaubwürdig! Werde die Vereinbarung am Montag per Post versenden. Sobald die Schilder hängen, mache ich ein Foto und lasse Ihnen dies zukommen. ... Den Stempel für das Lager lassen Sie mir bitte per Post an die unten aufgeführte Adresse zukommen." (Bl. 60 Bp-SonderA II). Am 01.09.2009 erteilte die P... GmbH der Klägerin eine Rechnung unter Bezugnahme auf eine Vereinbarung vom 26.08.2009.

    Am 31.08.2009 teilte N... u.a. der D... GmbH (jedoch nicht der Klägerin) die Lagerdaten für die Klägerin in der Q...-straße in R... mit (Bl. 542 GA III) und sandte der Zeugin C... eine Email, in der er die Übersendung einer Vereinbarung und einer Dauerrechnung per Post am selben Tag ankündigte und nach der Versicherung der Waren fragte. Eine Kopie der Rechnung (vom 01./03.09.2009) befindet sich unter Bl. 57 Bp-SonderA II.

    Am 01.09.2009 schrieb die P... GmbH der Klägerin (wohl per einfachem Brief), dass sie die Abläufe offen legen wolle und dass sie für die D... GmbH ein Lager in R... betreibe. In dieses Lager erfolgten die Anlieferungen der D... GmbH und aus diesem Lager erfolge die Belieferung des Lagers der Klägerin in der Schmiedestraße (300 m Luftlinie). Die Auslieferung ab dem Lager der Klägerin erfolge durch die Spedition S... GmbH in T....

    Jedenfalls seit Juni 2009 überwachte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung U... -Steufa U...- den Telefonanschluss des Hauptorganisators V.... Am 09.06.2009 führte V... ein Telefongespräch mit Herrn L..., in dem V... die Einbindung der Klägerin in Geschäftsabwicklungen diskutierte. Dabei fiel u.a. der Satz: "Nee, ich wollt gerade die Mehrwertsteuerfinanzierung wollt ich grad von unseren Schultern runter nehmen auf die von Schultern von J..., ja." (S. 538 f. des Ermittlungsberichts der EK Flügel vom 04.12.2012, Bl. 40 f. Bp-SonderA II). Da von diesem Anschluss ein Gespräch mit der Klägerin geführt wurde, informierte die Steufa U... die Klägerin darüber mit Schreiben vom 18.09.2009.

    Am 18.09.2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten eine verbindliche Auskunft gemäß § 89 AO und begehrte eine Bestätigung ihrer Auffassung, dass sie die von der D... GmbH gelieferten Waren im Rahmen inländischer steuerpflichtiger Lieferungen erhalten habe bzw. erhalte und dass die Weiterlieferung an die M... B.V. als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfolgt sei bzw. erfolge. Auf den Hinweis des Beklagten, dass es sich um einen bereits verwirklichten Sachverhalt handele, nahm die Klägerin ihren Antrag zurück und bat ergänzend den Beklagten mit Schriftsatz vom 02.10.2009 unter Vorlage ergänzender Unterlagen (Rechnungen, Lieferscheine usw.) um Prüfung und Würdigung des Sachverhalts, da sie ein großes Interesse daran habe, dass die Geschäftsvorfälle den gesetzlichen Vorschriften entsprächen. (Bl. 7 ff. Bp-SonderA II). Aus einem Aktenvermerk vom 15.10.2009 geht hervor, dass der Beklagte seinerzeit Kenntnis von strafrechtlichen Ermittlungen gegen Verantwortliche der D... GmbH und der M... B.V. wegen des Verdachts auf Umsatzsteuerhinterziehung (sog. Karussellbetrug) hatte (Bl. 3 Bp-SonderA II). Der Klägerin teilte der Beklagte am 21.10.2009 mit, dass der Umfang des Sachverhalts und die Beteiligung von mehreren Firmen in zwei EU-Mitgliedstaaten und mehreren Bundesländern eine zeitnahe Beantwortung nicht zulasse (Bl. 6 Bp-SonderA II).

    Die Klägerin bezog über den September 2009 hinaus (bis Juli 2010) weitere Waren von der D... GmbH, wobei diese Geschäftsvorfälle nicht streitbefangen sind. Die vorliegenden Unterlagen (Bl. 32 - 35, 44 f. Bp-SonderA II) sprechen dafür, dass es sich insoweit jedenfalls teilweise um Kaffeelieferungen handelte. In 2010 betrug das Volumen ca. ... € (Bl. 34 f. Bp-SonderA II).

    Vom 16.04.2012 bis 15.11.2013 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 2007-2010 durch, die unter anderem die Umsatzsteuer umfasste. Am 30.05.2012 teilte die Steufa U... dem Beklagten mit, dass die Klägerin in Umsatzsteuerkarussellketten eingebunden gewesen sei. Die von der D... GmbH papiermäßig erworbene und an die M... B.V. papiermäßig weiter gelieferte Ware sei körperlich nicht vorhanden gewesen. Einer der Hauptorganisatoren, V..., habe hierfür den Begriff "Red Bull Air" geprägt. Es seien, wenn überhaupt, leere LKWs gefahren. In seiner Vernehmung am 03.11.2011 habe er zu den o.a. Transaktionen Folgendes ausgeführt: "Auch hier war keine Ware da, J... wusste nach meinem Kenntnisstand aber davon nichts. Zumindest habe ich mit ihm nicht darüber gesprochen, ich hatte auch keinen Draht zu ihm." (Auszug des Vernehmungsprotokolls der Steufa U... vom 03.11.2011, Bl. 26 ff. Bp-SonderA II). Dass tatsächlich keine Ware vorhanden gewesen sei und dass Frachtbelege offensichtlich nachträglich gefertigt worden seien, werde durch die Email von N... vom 31.08.2009 bestätigt, mit der N... der D... GmbH die Lageranschriften mitgeteilt hätten. Die angeblichen Fahrten vom Lager der Klägerin zur M... B.V. sollten jedoch bereits ab dem 28.08.2009 durchgeführt worden sein (Bl. 1361 f., 1366 Betriebsprüfungsakte -BpA- VI, Bl. 21 ff. Bp-SonderA II).

    Die Prüferin gelangte ausgehend vom Schreiben der Steufa U... vom 30.05.2012 zu der Auffassung, dass Vorsteuer u.a. aus den Rechnungen der D... GmbH i.H.v. ... € in 2009 nicht abzugsfähig sei, da die Rechnungsausstellerin keine Waren geliefert habe (vergleiche Tz 19 des Prüfungsberichts vom 25.11.2013 nebst nachrichtlicher Aufstellung, Bl. 130, 131, 187 Betriebsprüfungsakte Veranlagung -BpV-). Dem folgend erließ der Beklagte am 24.02.2014 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2009, mit dem er die Umsatzsteuer auf ... € festsetzte (Bl. 1085 LOK), wogegen die Klägerin am 26.02.2014 Einspruch einlegte (Bl. 1 Einspruchsvorgang = Vorheftung im Leitz-Ordner "Einsprüche" -EV-).

    Es liegen folgende Protokolle über Vernehmungen des V... der Steufa U... vor:

    Vom 03.11.2011: V... gab an, dass die LKWs bei angeblichen Lieferungen an die Klägerin leer gefahren seien, worüber er mit der Klägerin nicht gesprochen habe (Bl. 28 f. Bp-SonderA II).

    Vom 05.11.2012: Auf den Vorhalt, dass N... die Weiterbeladung von Getränken aus angeblichen Lieferungen an die Klägerin bestätigt habe, gab V... an, dass die LKWs immer mit der gleichen Ware (Red Bull ohne Pfand) zum Lager in BF... gefahren seien und dass sie selbst abgeladen hätten. Dann hätten sie N... gesagt, er solle die Ware auf andere LKWs von ihnen aufladen. Die LKWs seien dann sofort zu M... B.V. gefahren. Die gleiche Ware sei dann kurze Zeit später wieder in das Lager BF... gefahren und abgeladen worden. Dies sei ein paar Mal so gegangen. N... habe entweder nicht gewusst, dass es sich immer wieder um die gleiche Ware gehandelt habe oder er habe es geahnt und den Mund gehalten (Bl. 357 ff [370] GA II).

    V... ist unbekannten Aufenthalts (Bl. 490 GA III).

    Mit Schriftsatz vom 28.04.2014 (Bl. 18 EV) begehrte die Klägerin die Berücksichtigung von Vertrauensschutz, da sie keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bei der D... GmbH habe haben können (ähnlich, nämlich unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- vom 13.02.2014 C-18/13 - Maks Pen Mehrwertsteuerrecht - MwStR - 2014, 197, im alle Streitjahre betreffenden Schriftsatz vom 11.06.2014). Darauf teilte der Beklagte mit Schreiben vom 21.08.2014 (Bl. 78 EV, ohne Rechtsbehelfsbelehrung) mit, dass er weiterhin der Auffassung sei, dass der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug aus den Rechnung der D... GmbH nicht zustehe. Dem widersprach die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.09.2014, der dem Beklagten am 01.10.2014 zuging (Bl. 80 EV). Darin vertrat die Klägerin erneut die Auffassung, dass sie Vertrauensschutz beanspruchen könne (Bl. 87 EV).

    Die Klägerin legte betreffend die D... GmbH Wirtschaftsauskünfte vor. Die BE... Bank E... gab am 01.10.2009 an, dass die Gesellschaft den Handel und den Export mit Getränken betreibe, und eine Auskunft der Schufa, nach der eine Geschäftsverbindung zulässig sei, dass der Bonitätsindex 2,7 betrage und die Zahlungserfahrung "innerhalb vereinbarter Ziele" laute (Bl. 1097 ff. LOK).

    Mit Erlass vom 19.12.2014 wies das Ministerium der Finanzen den Beklagten an, hinsichtlich des Vorsteuerabzugs weiterhin die bisherige Auffassung zu vertreten (Bl. 319 im Hauptteil des Leitz-Ordners "Einsprüche" -RbA-).

    Mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2015 betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 24.02.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, die D... GmbH schulde die der Klägerin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nur aus § 14c Abs. 2 UStG, da den Rechnungen keine Lieferungen zugrunde gelegen hätten, wie sich aus den Ermittlungen der Steufa U... ergeben habe. Die Klägerin sei in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen. Der Klägerin sei kein Gutglaubensschutz zu gewähren, da eine Vielzahl von Auffälligkeiten Anlass zu eingehenden Prüfungen durch die Klägerin und zur Erkenntnis, dass sie in betrügerische Aktivitäten eingebunden gewesen sei, hätten geben müssen. U.a. sei auffällig, dass die Daten der Rechnungen der D... GmbH teilweise vor den Lieferdaten lägen, dass die Lieferscheine für den Wareneingang sowie die Wareneingangsaufzeichnungen aus dem Lager R... für die September-Abrechnungen fehlten, dass in den CMR-Bescheinigungen der Auslieferungs- und Übernahmeort (Felder 3 und 4) vertauscht sei oder vollständig fehle, ebenso fehle insoweit das Warenübernahmedatum (Feld 4), dass am 28.08.2009 und 29.08.2009 der LKW 173 ALF jeweils zweimal die Strecke R... - W... gefahren sein solle, was bei einer Entfernung von ca. 185 km und einer reinen Fahrzeit von ca. 2,5 Stunden/Strecke, mithin insgesamt 10 Stunden, unglaubhaft sei, dass am 29.08.2009 noch kein Lager zur Verfügung gestanden habe, dass die Klägerin erstmals Lieferbeziehungen über ein Fremdlager abgewickelt habe und dass für den Transport über ca. 300 m vom Lager der D... GmbH in der X...-straße in R... zum Lager der Klägerin in der Q...-straße in R... eigens eine Spedition eingeschaltet worden sei, anstatt die Lieferung in die Niederlande gleich vom Lager der D... GmbH vorzunehmen. Schließlich habe die Klägerin die Kontrolle der Liefervorgänge vollständig einem fremden Dritten überlassen, zu dem kein besonderes Vertrauensverhältnis erkennbar gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und das Schreiben des Beklagten vom 28.03.2014, jeweils mit Anlagen, (Bl. 1089 - 1093, 1143 - 1147 LOK) verwiesen.

    Die Klägerin trägt vor, bei den streitigen Vorgängen habe es sich um ein sog. Streckengeschäft gehandelt, das für sie deshalb attraktiv gewesen sei, weil sie große Volumina bei einem feststehenden Abnehmer und kurzen Lagerzeiten habe abwickeln können. Andererseits sei aber eine zeitgleiche Weiterlieferung an die M... B.V. nicht in allen Fällen gesichert gewesen, so dass die Klägerin wegen ihrer Abnahmeverpflichtung gegenüber der D... GmbH Anlass zur Anmietung eines Lagers gehabt habe. Wegen der Nähe zum Kunden habe sie zur Durchführung Lagerräume in R... angemietet, statt die Ware in ihr Lager in Y... liefern zu lassen. Letztlich habe sich aber herausgestellt, dass nur Umschlagstätigkeiten benötigt worden seien, so dass der Mietvertrag nicht unterzeichnet worden sei. Die Geschäftskontakte zur D... GmbH bzw. M... B.V. habe Herr L... hergestellt, der als Vermittler aufgetreten sei. Dieser sei von V..., der für die D... GmbH tätig war, gebeten worden, einen Kontakt zur Klägerin herzustellen. Zwischen beiden habe ein Kontakt bestanden, weil Herr L... Leiter für Einkauf und Verkauf einer Firma gewesen sei, die Geschäftsbeziehungen zu einer anderen Firma gehabt habe, deren Geschäftsführer V... gewesen sei. Die Klägerin gehe davon aus, dass Herr L... von der M... B.V. eine Provision für den Kontakt zur Klägerin erhalten habe. Von der Klägerin habe Herr L... keine Provision erhalten. Herr L... sei von Juni 1999 bis Juni 2001 als Geschäftsführer für die Klägerin tätig gewesen. Danach habe zwischen der Klägerin und Herrn L... ein unter fremden Kaufleuten übliches Verhältnis bestanden mit gelegentlichen Kontaktaufnahmen mit dem Ziel des Warenhandels. Von Seiten der Klägerin habe die Zeugin C... die Geschäfte angebahnt und durchgeführt (Bl. 298 GA II). Der auf einigen Belegen auftauchende K... habe als Mitarbeiter der Einkaufsabteilung der Klägerin auf Weisung die technische Abwicklung der Bestellungen vorgenommen. Die Zeugin habe auch den in der Verfügung vom 04.05.2018 erwähnten Ablaufplan wegen ihrer bevorstehenden urlaubsbedingten Abwesenheit erstellt. Entsprechend diesem Ablaufplan seien aufgrund einer Entscheidung des damaligen Geschäftsführers der Klägerin, B..., die Rechnungen der D... GmbH von der Klägerin erst bezahlt worden, nachdem die M... B.V. die Rechnungen der Klägerin bezahlt habe. Vor Ende August 2009 habe es keine Lieferungen der D... GmbH gegeben. Soweit auf deren Kreditorenkonto frühere Lieferungen verbucht worden seien, habe es sich um einen Tippfehler der Buchhalterin bei der Bezeichnung des Monats gehandelt (26.07.2009 statt 26.08.2009; Bl. 568 GA III). Die Klägerin habe am 24.08.2009 bei der D... GmbH jeweils 4 LKW mit für den Export bestimmter Ware (Red Bull und Coca Cola) bestellt, die am 27. und 28.08.2009 zum Lager der Klägerin in der Q...-straße in R... geliefert worden sei. Dieses Lager habe die von ihr beauftragte P... GmbH angemietet. Zur Beauftragung der P... GmbH sei es wie üblich nach Einholung und Prüfung vorliegender Angebote gekommen. Diesen Vortrag hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.07.2018 dahin gehend ergänzt, dass die Geschäftsanbahnung im Rahmen der Geschäftsanbahnung zur D... GmbH und der von V... erlangten Kenntnis über die Existenz der P... GmbH als ein der D... GmbH bekanntes Logistikunternehmen im Tätigkeitsgebiet erfolgt sei. Die Klägerin habe die Konditionen der P... GmbH anhand der vorliegenden Informationen über die Marktgegebenheiten geprüft und sich für die P... GmbH entschieden, weil deren Beauftragung aus logistischer und wirtschaftlicher Sicht am Sinnvollsten erschienen sei. Die erforderlichen (zunächst mündlichen) Vereinbarungen hätten die Zeugin C... und N... getroffen. Am 28.08.2009 habe die Klägerin bei der D... GmbH weitere für den Export bestimmte Ware im gleichen Umfang bestellt. Der Wareneingang sei von der P... GmbH bearbeitet worden, die die Ware vom Lieferanten angenommen und die Lieferscheine der Klägerin zur Kontrolle und Erfassung übersandt habe. Ebenfalls am 24.08.2009 habe die M... B.V. jeweils 4 LKW von Red Bull und Coca Cola bestellt. Die Abwicklung dieser Bestellungen habe wiederum N... übernommen, der die jeweiligen Speditionen zur Auslieferung beauftragt und die Ware an den Frachtführer übergeben habe. Nach Eingang der Ware bei der M... B.V. seien die entsprechenden Nachweise (Lieferscheine, CMR) an die Klägerin zur Kontrolle und Erfassung übersandt und entsprechende Rechnungen an die M... B.V. übersandt worden. Dies stelle sich als eine branchenübliche Abwicklung dar, die keinen Anlass zu weitergehenden Prüfungen gegeben habe.

    Branchenüblich sei auch, dass Rechnungen mit einem Datum kurz vor demjenigen der tatsächlichen Lieferung erteilt würden (Hinweis auf die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin an den Beklagten vom 28.04.2014, Bl. 1105 ff. LOK). Auch der Umstand, dass Datumsangaben in den verschiedenen Nachweisen ggf. um einen Tag zwischen Umlagerung und Weiterlieferung auseinanderlagen, stelle keine Auffälligkeit dar, die eine Einbindung in betrügerische Handlungen vermuten ließe (vgl. im Einzelnen den Schriftsatz der Klägerin vom 29.09.2014 = Anlage 9 zum Schriftsatz vom 10.09.2015, Bl. 1135 ff. LOK). Zudem habe sie mehrere Wirtschaftsauskünfte über die D... GmbH eingeholt, die keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hätten (Hinweis auf die Anlage 5 zum Schriftsatz vom 10.09.2015, Bl. 1094 ff. LOK). Zudem habe die D... GmbH seinerzeit bereits 3 Jahre bestanden. Schließlich habe die Klägerin für die M... B.V. einen aktuellen Handelsregisterauszug eingeholt und sich die Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bestätigen lassen. Kleinere Fehler, wie z.B. unvollständig ausgefüllte Vordrucke, seien im täglichen Massengeschäft nicht zuverlässig zu erkennen und wegen der mehrfach vorhandenen Nachweise auch unerheblich. Es lägen jedenfalls die Nachweise für innergemeinschaftliche Lieferungen vor.

    Es bestünden auch keine Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der Geschäfte. So sei durchaus glaubhaft, dass ein LKW mehrere Fahrten pro Tag übernommen habe. Es sei der Klägerin nicht zuzumuten, die Fahrtdauer der Fahrzeuge nachzurechnen, im Übrigen könne ein Fahrerwechsel stattgefunden haben. Aus einer Mautquittung (Bl. 1083 LOK) ergebe sich, dass der LKW 173 ALF am 04.09.2009 bereits um 03:50 Uhr für Lieferungen vom Startpunkt T... in Richtung Bundesgrenze eingesetzt worden sei. Anlass zu Argwohn gebe auch nicht der Umstand, dass bei einem CMR-Frachtbrief (Bl. 1067 LOK) zwei unterschiedliche Frachtführer angegeben worden seien, da die Z... s.r.o. als Subunternehmer für die S... GmbH tätig geworden sei. Ferner folge nichts zu Lasten der Klägerin daraus, dass ihr die Miete für das Lager in R... erst ab September 2009 berechnet worden sei. Denn bei den Ende August durchgeführten Transaktionen sei der zeitliche Abstand zwischen Anlieferung und Weiterlieferung so kurz gewesen, dass es keiner Einlagerung bedurft hätte. Ihr seien daher nur die Umschlagstätigkeiten der P... GmbH in Rechnung gestellt worden. Im Übrigen seien vorab - also vor Aufnahme der ersten Lieferungen - mündliche Absprachen erfolgt, aufgrund derer ihr die Lagerräume zur Verfügung gestanden hätten und deren Anschrift bekannt gewesen sei (Bl. 222 GA I). Ihr könne auch nicht entgegengehalten werden, dass das Lager der D... GmbH nur 300 m Luftlinie von ihrem eigenen Lager in R... entfernt gewesen sei. Nachdem sie diese Information mit Schreiben vom 01.09.2009 erhalten habe, habe sie keine weiteren Lieferungen von der D... GmbH in das Lager in R... vornehmen lassen. Diesen Vortrag hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.07.2018 dahin gehend ergänzt, dass ursprünglich mehr Getränkelieferungen, als sie letztendlich tatsächlich durchgeführt wurde, vorgesehen gewesen seien und dass der Abbruch der Geschäftsbeziehungen zur M... B.V. vom damaligen Geschäftsführer B... veranlasst worden sei, nachdem die M... B.V. für zwei von der Klägerin getätigte Lieferungen die erteilten Rechnungen nicht bezahlt habe und zeitgleich aufgrund des Schreibens vom 01.09.2009 bekannt geworden sei, dass sich das Lager der D... GmbH in 300 m Luftlinie vom Lager der Klägerin befunden habe. Das Schreiben vom 01.09.2009 sei wohl von der Zeugin C... erbeten worden, die sich die Abläufe habe bestätigen lassen (Bl. 568 GA III). Ihr stehe daher der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D... GmbH, ggf. im Wege des Vertrauensschutzes, zu. Zu berücksichtigen sei, dass die Strafverfolgungsbehörden keinen Anlass gesehen hätten, im Zusammenhang mit den streitigen Vorgängen Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Klägerin einzuleiten.

    Der Beklagte bezieht sich auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und sieht es als auffällig an, dass sowohl die D... GmbH als auch die M... B.V. sich in den die jeweilige Geschäftsbeziehung einleitenden Schreiben vom 24.08.2009 jeweils an Herrn J... gewendet hätten, der bereits seit Mai 2008 nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei. Die Geschäftsbeziehung zur D... GmbH sei eingestellt worden, nachdem die Klägerin am 17.09.2009 über die Telekommunikationsüberwachung informiert worden sei und die Entdeckung von Straftaten gedroht habe. Aufgrund der Abläufe sei die Anmietung des Lagers in R... ohne wirtschaftlichen Sinn gewesen, vielmehr hätten die Lieferungen auch im Rahmen eines direkten Reihengeschäfts (vom Lager der D... GmbH an die M... B.V.) erfolgen können. Lieferungen an Großkunden in anderen Regionen hätten lediglich einen geringen Teil des Tagesgeschäfts der Klägerin dargestellt. Auf die Frage, in welcher Weise durch die Geschäfte mit der D... GmbH bzw. M... B.V. bei tatsächlicher Durchführung ein Steuerschaden entstanden wäre, sei darauf hinzuweisen, dass zwar grundsätzlich bei tatsächlicher Durchführung und steuerehrlichen Unternehmen die Neutralität der Umsatzsteuer gewahrt gewesen wäre, dass jedoch typischerweise bei Umsatzsteuerkarussellen eine Vielzahl von Unternehmen eingebunden würden, um die Entdeckung des Unternehmens in der Kette, das die Umsatzsteuer nicht abführe, durch die Steuerverwaltung zu erschweren. Die am Steuerbetrug beteiligten Unternehmen würden in der Regel nach ihrer Entdeckung liquidiert oder gingen ins Insolvenzverfahren. So sei im Streitfall am 25.05.2011 für die D... GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und am 17.07.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Auch über das Vermögen der M... B.V. sei am 03.08.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Klägerin habe aufgrund der Gesamtumstände wissen müssen und erkennen können, dass sie in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden gewesen sei. Jedenfalls sei im Streitfall ein Steuerbetrug in der Weise erfolgt, dass die D... GmbH der Klägerin Rechnungen ausgestellt habe, für die die D... GmbH die ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 UStG schulde.

    Darauf hat die Klägerin erwidert, in den Jahren 2008 bis 2010 habe sie mit ca. ... € rund 37,4 % ihres Umsatzes mit Kunden gemacht, die nicht in AI.../AJ... ansässig gewesen seien. Daher sei das mit der D... GmbH und der M... B.V. abgewickelte Geschäft nicht ungewöhnlich gewesen. Die Anmietung von Lagern bei Speditionen sei im Getränkehandel branchenüblich. Die Insolvenzen der D... GmbH und der M... B.V. hätten in keinem zeitlichen Zusammenhang mit den streitigen, im August 2009 durchgeführten Geschäften gestanden. Wenn es sich bei den streitigen Geschäften um Karussellgeschäfte gehandelt hätte, wäre ein Eintritt der Insolvenz nach Beendigung der Geschäfte naheliegend gewesen. Zudem habe die Klägerin im Rahmen ihrer weiteren bis September 2010 durchgeführten Geschäfte mit einem Volumen von ... € keine Auffälligkeiten feststellen können.

    Die Steufa U... hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass Herr L... und N... als Beschuldigte vernommen worden seien, jedoch zu hier betroffenen Lieferketten keine Aussage gemacht hätten. Gegen Herrn L... sei das Strafverfahren eingeleitet worden, da der Verdacht bestanden habe, dass dieser sich einer Umsatzsteuerverkürzung zugunsten der Fa. AA... schuldig gemacht habe. Über den Ausgang des Verfahrens sei nichts bekannt. Das zunächst gegen N... eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell sei nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung -StPO- eingestellt worden (Bl. 354 GA II). Ergänzend hat die Steufa U... am 29.01.2018 gegenüber dem FA AB... (dem inzwischen für die Prüfung von Großbetrieben im Bezirk des Beklagten zuständigen FA) angegeben, dass die Bande über vier Lager in R... und BF... verfügt habe (vgl. Bl. 541 R GA III), darunter das "offizielle" Lager der Klägerin. Wenn V... in seiner Vernehmung von Entladungen im Lager BF... spreche, sei davon auszugehen, dass dies zutreffend sei, da V... im Rahmen der umfangreichen Vernehmungen ein außerordentlich gutes Gedächtnis gezeigt habe.

    Im Anschluss daran hat der Beklagte ausgeführt, dass sich die Aussage des V... vom 05.11.2012 auf ein Lager in BF... beziehe, was zweifelhaft erscheinen lasse, dass diese auch für die Lieferungen über das Lager in R... gelte. Jedenfalls würde es sich auch dann, wenn "Anschauungsware" existiert hätte, nicht um die Ware handeln, über die abgerechnet worden sei. Dem hält die Klägerin entgegen, sowohl V... als auch N... hätten in ihren Aussagen bestätigt, dass die an sie gelieferte Ware tatsächlich vorhanden gewesen sei. Aus den vorliegenden Abrechnungsunterlagen ergebe sich, dass es sich bei der von der Klägerin an die M... B.V. gelieferte Ware um ausländisches Red Bull ohne Pfand gehandelt habe, wie es V... in seiner Zeugenaussage vorausgesetzt habe. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 08.09.2011 V R 43/10, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2014, 203 ergebe sich, dass der Umstand, dass es sich um "Anschauungsware" gehandelt habe, dem Vorsteuerabzug des gutgläubigen Abnehmers nicht entgegenstehe.

    AC... GmbH

    Die AC... GmbH wurde mit Mitteln und auf Initiative des AD... (zunächst noch unter anderer Firma) am 02.12.2009 gegründet und mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2010 (eingetragen am Folgetag) in AC... GmbH umbenannt. Zum Geschäftsführer wurde der formelle Gesellschafter AE... bestellt.

    AD... beherrschte zu diesem Zeitpunkt auch die in 2008 gegründete AF... GmbH, die nach außen durch AG... als Gesellschafter-Geschäftsführer vertreten wurde. Das Geschäftsmodell der AF... GmbH bestand ab Ende 2008 darin, von Dritten (im Folgenden: Hintermännern) unversteuerte Getränke in großen Mengen (von Ende 2008 bis September 2010 wohl für ca. ... €) zu beziehen, dafür von weiteren Dritten Scheinrechnungen über entsprechende Lieferungen zu beziehen und die Getränke an wiederum weitere Dritte, u.a. auch die Klägerin, zu veräußern, wobei die Hintermänner der AF... GmbH Vorgaben für die Preisgestaltung machten. Danach waren die Preise für die Kunden der AF... GmbH gegenüber dem Preis für ordnungsgemäß versteuerte Ware günstig, aber nicht marktunüblich. Gegenüber den Kunden der AF... GmbH trat für diese insbesondere deren Angestellter AH... auf (Bl. 17 f. des Urteils des Landgerichts -LG- AI... vom 24.03.2015 (519) 245 Js 1259/11 KLs (08/14), Bl. 393 f. GA III).

    Die AC... GmbH bezog ihre Ware in 2010 in einem wesentlichen Umfang von der AF... GmbH zur Weiterveräußerung an Dritte im sog. Reihengeschäft, was nach Auffassung des LG AI... der Verschleierung betrügerischer Umsatzsteuerkettengeschäfte dienen sollte. AH... war auch für die AC... GmbH tätig, ohne insoweit in einem Angestelltenverhältnis zu stehen, und kümmerte sich in 2010 um das Warenwirtschaftssystem und die Warenlieferungen der AF... GmbH an die AC... GmbH (Bl. 18 f. des Urteils des LG AI... vom 27.04.2017 (519) 245 Js 71/12 KLs (2/16), Bl. 335 f. GA II).

    Das LG AI... hat mit rechtskräftigem Urteil vom 24.03.2015 (519) 245 Js 1259/11 KLs (08/14) u.a. die Angeklagten AD... und AH... u.a. wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer 2009 und 2010 zugunsten der AF... GmbH zu Freiheitsstrafen von 5 Jahren und 3 Monaten (AD...) und 2 Jahren und 9 Monaten (AH...) verurteilt, den formellen Geschäftsführer AG... nur wegen leichtfertiger Steuerverkürzung zu einer Geldbuße. Dabei beruht der Strafausspruch auf der unberechtigten Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen, die der Verschleierung der tatsächlichen Leistungsbeziehungen und der dabei vorgenommenen Umsatzsteuerverkürzungen dienen sollten, nicht darauf, dass Umsätze gegenüber der Klägerin oder der AC... GmbH nicht der Besteuerung unterworfen wurden (Bl. 377 - 485 GA III).

    Ferner hat das LG AI... mit dem gegenüber dem Angeklagten AD... rechtskräftigen Urteil vom 27.04.2017 (519) 245 Js 71/12 KLs (2/16) die Angeklagten AE... und AD... wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer 2012 und 2013 zugunsten der AC... GmbH verurteilt. Für 2010 und 2011 wurde das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt (Bl. 323 - 348 GA II). Das wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der AC... GmbH u.a. gegen den AH... geführte Strafverfahren wird von der Staatsanwaltschaft AI... unter dem Gz. 245 Js 474/15 geführt und hatte im Februar 2018 noch nicht zur Erhebung der Anklage geführt (Bl. 537 GA III).

    Im Buchführungswerk der Klägerin befinden sich folgende Dokumente:

    Rechnung der AC... GmbH vom 01.06.2010 Nr. 05352/10 über ... für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (Bl. 948 LOK), dazu Lieferankündigung per Email von AE... (Geschäftsführer der AC... GmbH) an die Zeugin (unter ihrem damaligen Familiennamen O...; Bl. 225 GA I), Speditions-Übergabeschein der Fa. AK... vom 31.05.2010, der als Absender die AF... GmbH und als angeliefert 24 Euro-Paletten mit Getränken angibt (Bl. 949 LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 01.06.2010, der die AC... GmbH und ... für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 948 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 03.06.2010 Nr. 05630/10-3 über diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 951 LOK), dazu Lieferankündigung per Email von AE... an die Zeugin (unter ihrem damaligen Familiennamen O...; Bl. 133 f. GA I), Lieferschein der AC... GmbH vom 03.06.2010 (Bl. 952 LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 03.06.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 953 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 10.06.2010 Nr. 06774/10-5 über diverse Spirituosen (darunter 1.344 Flaschen ...) für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 954 LOK), dazu Lieferschein der AC... GmbH vom 10.06.2010 (u.a. über 1.536 Flaschen ..., Bl. 955 LOK), Unterlagen über eine Retoure von (1.536 - 1.344 =) 192 Flaschen ..., die die AC... GmbH ausweisen (Bl. 956 f. LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 10.06.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 958 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 16.06.2010 Nr. 07973/10-3 über diverse Spirituosen (darunter 456 Flaschen ...) für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 959 LOK), dazu Lieferschein der AC... GmbH vom 10.06.2010 (u.a. mit dem Vermerk, dass 672 Flaschen ... zu viel geliefert worden seien, Bl. 960 LOK), Unterlagen über eine Retoure von 672 Flaschen ..., die die AC... GmbH ausweisen (Bl. 961, 964 LOK), ein Frachtbrief vom 16.06.2010, der die AF... GmbH als Absender ausweist, ein Beleg "Wareneingang" vom 10.06.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 963 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 24.06.2010 Nr. 09295/10 über diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 965 LOK), dazu Lieferschein der AC... GmbH vom 24.06.2010 (Bl. 966 LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 24.06.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 967 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 30.06.2010 Nr. 10420/10 über diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 968 LOK), dazu Lieferschein der AC... GmbH vom 30.06.2010 (Bl. 969 LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 30.06.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 970 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 07.07.2010 Nr. 11814/10 über diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 971 LOK), dazu Lieferschein der AC... GmbH vom 07.07.2010 (Bl. 972 LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 08.07.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 973 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 07.07.2010 Nr. 11815/10-2 über diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 974 LOK), dazu Lieferschein der AC... GmbH vom 07.07.2010 (Bl. 975 LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 08.07.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 976 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Rechnung der AC... GmbH vom 14.07.2010 Nr. 13088/10-2 über diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer (auch mit Faxkennung der AC... GmbH, Bl. 977 LOK), dazu Lieferschein der AC... GmbH vom 14.07.2010 (Bl. 978 LOK), ein Beleg "Wareneingang" vom 14.07.2010, der die AC... GmbH und diverse Spirituosen für ... € netto zuzüglich ... € Vorsteuer anführt (Bl. 979 LOK, vermutlich von der Klägerin erstellt).

    Ferner hat die Klägerin einen Auszug ihres Email-Verkehrs mit der AF... GmbH vorgelegt (bearbeitete Ausdrucke von Angeboten aus dem Zeitraum vom 25.05.2010 bis 05.07.2010 (Bl. 305 - 313 GA II)), wobei die Klägerin nach ihrem Vortrag die Ausdrucke für Bestellungen bei der AF... GmbH verwendet hat (Bl. 300 GA II).

    Die in der Rechnung vom 03.06.2010 der AC... GmbH abgerechneten Waren sind mit gleichen oder sehr ähnlichen Preisen im (wesentlich umfassenderen) Angebot der AF... GmbH vom 28.05.2010 enthalten (Bl. 306 GA II), wobei die Mengen schwer vergleichbar sind, da die im Angebot dafür angesetzten einstelligen Zahlen sich vermutlich auf Paletten beziehen, während in den Rechnungen und Lieferscheinen der AC... GmbH Flaschen angegeben sind. Gleiches gilt im Verhältnis der (ebenfalls wesentlich umfassenderen) Angebote vom 07.06.2010 (Bl. 307 GA II), 14.06.2010 (Bl. 309 GA II), 22.06.2010 (Bl. 310 GA II), 29.06.2010 (Bl. 311 GA II) und 05.07.2010 (Bl. 313 GA II) zu den Rechnungen vom 10.06.2010, 16.06.2010, 24.06.2010, 30.06.2010, 07.07.2010 (jeweils auf den Cent genau gleiche Preise). Die Klägerin räumt ein, dass die AF... GmbH im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Klägerin nicht die gleichen wie in den Rechnungen der AC... GmbH vom 10.06.2010, 16.06.2010, 24.06.2010, 30.06.2010 und 07.07.2010 berechneten Waren zu identischen Preisen geliefert hat (Bl. 569 GA III).

    In einer Email vom 11.06.2010 schrieb die Zeugin Herrn AH... in einer Angelegenheitder AC... GmbH an (Bl. 308 GA II).

    Am 02.11.2011 richtete eine Umsatzsteuersonderprüferin des Finanzamtes AL... ein Auskunftsersuchen/eine Kontrollmitteilung an den Beklagten und bat festzustellen, von wem die Klägerin in der Zeit vom 01.06.2010 bis 14.07.2010 von der AC... GmbH laut Rechnungen und Lieferscheinen gelieferte Getränke tatsächlich erworben habe. Sie bat ferner festzustellen, ob die Klägerin die Waren tatsächlich bei der AC... GmbH bestellt oder gegebenenfalls Gespräche mit der AF... GmbH (Herren AH..., AG... oder AD...) geführt habe. Die AC... GmbH habe die Waren von der AF... GmbH erworben. Diese unterhalte über übliche Geschäftsbeziehungen hinausgehende Verbindungen zur AF... GmbH. Die AF... GmbH verfüge über Scheinrechnungen einer dritten Gesellschaft und begehre hieraus den Vorsteuerabzug. Insoweit seien bereits Strafverfahren eingeleitet und bekannt gegeben worden. Bei der AC... GmbH sei der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der AF... GmbH versagt worden, da sie als Buffer II und aufgrund der Einzelfeststellungen Kenntnis von dem Umsatzsteuerbetrug gehabt haben müsse (Blatt 48 BpV).

    Dies nahm der Beklagte zum Anlass, am 09.11.2011 eine Umsatzsteuer-Nachschau bei der Klägerin anzuordnen. Unter Auflistung von 9 näher bezeichneten Rechnungen aus dem oben genannten Zeitraum bat der Prüfer mitzuteilen, wie die Bestellung erfolgte, wer der Ansprechpartner war, ob die Ware geliefert oder selbst abgeholt wurde, wer die Ware geliefert habe und wo die Ware selbst abgeholt wurde. Mit Email vom 17.11.2011 übersandte die Mitarbeiterin der Klägerin AM... dem Prüfer die angeforderten Rechnungen und, wenn vorhanden, die zugehörigen Lieferscheine. Auf die Fragen antwortete sie: Die Bestellung sei per Mail oder Telefon an die Firma AF... GmbH erfolgt. Ansprechpartner sei hauptsächlich Herr AH... gewesen. Die Ware sei durch die Firma AF... GmbH oder von AF... GmbH beauftragte Speditionen geliefert worden (Bl. 67 BpV). Auf weitere Nachfrage erklärte Frau AM... per Email vom 29.11.2011, dass die Abwicklung über eine Bestellung bei der AF... GmbH und eine Rechnung der AC... GmbH eine organisatorische Vorgabe vom Lieferanten gewesen sei (Bl. 101 BpV).

    In ihrem Bericht vom 16.01.2012 versagte die Umsatzsteuersonderprüferin des Finanzamts AL... der AC... GmbH den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der AF... GmbH, da die AC... GmbH als sogenannter Buffer II in einen Umsatzsteuerbetrug eingeschaltet gewesen sei und keine Verfügungsmacht an den der Klägerin gelieferten Waren gehabt habe. Die AF... GmbH habe den Wareneinkauf jeweils von einem Missing Trader bezogen. Die Prüferin erwähnte, dass sie im Unternehmen der AC... GmbH stets einen Mitarbeiter der AF... GmbH, Herrn "AH...", angetroffen habe. Dieser sei mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der AC... GmbH vertraut gewesen und müsse als mögliches Bindeglied Kenntnis über Geschäftsabläufe in beiden Unternehmen gehabt haben. Die der Klägerin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer schulde die AC... GmbH nach § 14c Abs. 2 UStG (Bl. 109 ff., 117 ff., 121 R BpV).

    Im Rahmen der vom 16.04.2012 bis 15.11.2013 bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 2007-2010 verfasste die Prüferin am 16.11.2012 einen Prüfvermerk Nr. 8, in dem sie die Auffassung niederlegte, u.a. die D... GmbH und die AC... GmbH hätten der Klägerin Vorsteuer in Rechnung gestellt, obwohl die Waren nicht körperlich vorhanden gewesen seien bzw. die Rechnungsausstellerin nicht die Verfügungsmacht über die abgerechneten Waren gehabt habe (Bl. 1352 BpA VI). Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, dass u.a. Vorsteuer aus den Rechnungen der AC... GmbH i.H.v. ... € in 2010 nicht abzugsfähig sei, da die Rechnungsausstellerin entweder keine Waren geliefert oder darüber keine Verfügungsmacht gehabt habe (vgl. Tz 19 des Prüfungsberichts vom 25.11.2013 nebst nachrichtlicher Aufstellung Bl. 130, 131, 187 BpV).

    Dem und einem Bericht über eine Lohnsteueraußenprüfung folgend erließ der Beklagte am 19.03.2014 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2010, mit dem die Umsatzsteuer auf ... € (Nachzahlung: ... €) festgesetzt wurde (Bl. 788 LOK). Insoweit war wegen des Streitkomplexes "AN... S.A.R.L." bereits ein Einspruchsverfahren anhängig.

    Während des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin ein Schreiben eines für die AC... GmbH auftretenden Rechtsanwalts vor, nach dem die AC... GmbH die gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge ordnungsgemäß der Besteuerung unterworfen habe (Bl. 194 f. RbA), ferner eine Aufstellung über die Verwendung der von der AC... GmbH bezogenen Waren nebst Ausgangsrechnungen (Anlage A zur Anlage 23 zur Klagebegründung, Bl. 943 - 947 LOK; Anlagen C 1 - C 9 zur Klagebegründung, Bl. 980 - 1001 LOK). Mit dem alle Streitjahre betreffenden Schriftsatz vom 11.06.2014 trug die Klägerin unter Berufung auf das EuGH-Urteil vom 13.02.2014 C-18/13 - Maks Pen (MwStR 2014, 197) vor, ihr stehe der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der AC... GmbH zu (Bl. 196 RbA). Darauf teilte der Beklagte mit Schreiben vom 21.08.2014 (Bl. 199 RbA, ohne Rechtsbehelfsbelehrung) mit, dass er weiterhin der Auffassung sei, dass der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der AC... GmbH nicht zustehe. Dem widersprach die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.09.2014 (dort Bl. 9 ff., Bl. 213 ff. RbA), der dem Beklagten am 01.10.2014 zuging.

    Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 13.07.2015 (Bl. 802 R f. LOK) hielt der Beklagte an seiner Auffassung fest, da die AC... GmbH nicht der leistende Unternehmer gewesen sei. Denn die AC... GmbH habe zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsmacht über die Waren erworben, die Voraussetzung für eine Lieferung an die Klägerin gewesen wäre. Die AC... GmbH sei nur zur Verschleierung der Lieferkette ohne einen wirtschaftlichen Aspekt zwischengeschaltet worden, obwohl die Ware direkt von der AF... GmbH an die Klägerin geliefert worden sei. Es liege auch keine Vollmacht der AF... GmbH für die AC... GmbH vor, über die Waren verfügen zu können, auch keine Kaufverträge oder Lieferscheine, aus denen sich ergebe, dass die Lieferungen im Namen oder im Auftrag der AF... GmbH erfolgt seien. Im Gegenteil sei auf den vorgelegten Lieferscheinen der Speditionsfirmen die AF... GmbH als Absender der Waren ausgewiesen gewesen. Da diese die Lieferungen vorgenommen habe, fehle es auf den vorgelegten Rechnungen (die die AC... GmbH als Rechnungsausstellerin und Lieferantin bezeichneten) am Namen und der Anschrift des leistenden Unternehmers. Der Klägerin stehe auch kein Gutglaubensschutz zu, da ihr bekannt gewesen sei, dass sie die Ware nicht bei der AC... GmbH sondern bei der AF... GmbH bestellt habe. Warum sie gleichwohl die Rechnungen der AC... GmbH akzeptiert und bezahlt habe, sei nicht evident. Die Tatsachen ließen die Annahme zu, dass die Klägerin gewusst habe, dass die Zwischenschaltung der AC... GmbH der Verschleierung der Umsatzkette dienen solle, die ausschließlich für die Durchführung eines Betrugsmodells zur Hinterziehung von Mehrwertsteuer konstruiert war. Jedenfalls hätte die Klägerin den Grund der Zwischenschaltung einer weiteren Firma hinterfragen und die Schuldbefreiung gegenüber der AF... GmbH klären müssen.

    Die Klägerin macht geltend, sie habe sich bei Aufnahme des Geschäftskontakts eine Vielzahl von Nachweisen über die Identität der AC... GmbH und ihres Geschäftsführers vorlegen lassen. Die mit den streitbefangenen Rechnungen zusammenhängenden Geschäftsvorfälle habe sie eingehend dargelegt. Sie habe die Bestellungen bei der AC... GmbH vorgenommen, was überwiegend telefonisch und oftmals ohne schriftliche Bestätigung erfolgt sei. Die gegenteiligen Auskünfte von Frau AM... seien derartig kurz und stichwortartig, dass sie nicht verwertbar erschienen. Im Übrigen sei es wahrscheinlich, dass die AF... GmbH die Klägerin mangels Liefermöglichkeit an ihre Kooperationspartnerin, die AC... GmbH, verwiesen habe. Zu berücksichtigen sei ferner, dass Frau AM... nicht für die Bestellung von Waren zuständig sei, was vielmehr die Sache der Zeugin C... gewesen sei. Letztere sei bei Erscheinen des Prüfers am 09.11.2011 nicht anwesend gewesen. Frau AM... habe bei Frau C... Erkundigungen eingezogen, die Frau AM... in wesentlichen Punkten missverstanden habe. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15.12.2016 (Seiten 2 bis 4, Bl. 259 - 261 GA II) Bezug. Die zu den streitbefangenen Vorgängen vorliegenden Rechnungen und Lieferscheine wiesen deutlich die AC... GmbH als Leistende aus. Insoweit sei zwischen der AF... GmbH und der Klägerin kein Leistungsaustausch realisiert worden. Daran ändere das Vorhandensein von Transportbelegen, die auf einen Beförderungsbeginn bei der AF... GmbH hinwiesen, nichts. Der Beklagte bleibe für seinen abweichenden Vortrag die erforderlichen Belege schuldig. Der Klägerin könne auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden. Dass in den Transportdokumenten die von der AC... GmbH abweichende Anschrift der AF... GmbH auftauche, könne vielfältige Gründe haben, z.B. das Vorhandensein eines eigenen Lagers der AC... GmbH, eines Fremdlagers oder eines Konsignationslagers unter dieser Anschrift, ebenso ein Streckengeschäft. Nach dem Urteil des BFH vom 08.09.2011 V R 43/10 (BStBl II 2014, 203) komme es nicht darauf an, ob die AC... GmbH die Verfügungsmacht an den gelieferten Waren innegehabt habe. Ferner komme es nach der EuGH-Rechtsprechung grundsätzlich nicht darauf an, ob der tatsächliche Leistende mit dem, der aus der Rechnung ersichtlich sei, identisch sei. Anhaltspunkte für ein branchenunübliches Verhalten hätten sich nicht ergeben. Es habe keine anlasslose Pflicht bestanden, die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der AC... GmbH zu überprüfen. Zudem habe ein von der AC... GmbH beauftragter Rechtsanwalt bestätigt, dass diese die Umsatzsteuer aus den streitbefangenen Vorgängen ordnungsgemäß abgeführt habe. Sie habe den sowohl für die AF... GmbH als auch für die AC... GmbH auftretenden Ansprechpartner Herrn AH... (für sie Verkaufsleiter der AF... GmbH) aufgrund vielfältiger Geschäftskontakte gekannt und nie Anlass gehabt, Unregelmäßigkeiten bei den von ihm vertretenen Firmen zu vermuten. Von März 2009 bis Mai 2010 habe sie von der AF... GmbH Waren für über ... € brutto und von Februar bis Mai 2010 von der AC... GmbH Waren im Wert von ca. ... € brutto bezogen. Da auch zur AF... GmbH Lieferbeziehungen bestanden, habe kein Anlass bestanden, die AC... GmbH als bloße Scheinlieferantin einzustufen, vielmehr müsse Hintergrund der unterschiedlichen Lieferanten gewesen sein, dass die AF... GmbH über die Ware nicht verfügt habe. Aus den vorliegenden Urteilen des LG AI... ergebe sich, dass die Herren AD... und AH... mit Professionalität und Geschick die unlauteren Geschäfte der AF... GmbH und AC... GmbH so gut getarnt hätten, dass selbst Mitarbeiter dieser Firmen von den kriminellen Geschäften nichts gemerkt hätten. Auch seien nach den Feststellungen des LG die Preise der AF... GmbH nicht so niedrig gewesen, dass die Klägerin dies zum Anlass hätte nehmen müssen, an der legalen Herkunft der verkauften Ware zu zweifeln. Zudem habe AD... ausgesagt, dass das erste Jahr der Geschäftstätigkeit der AC... GmbH (also 2010) sauber gelaufen sei und dass es reale Lieferungen der AF... GmbH an die AC... GmbH gegeben habe. Auch aus diesen Gründen habe kein Anhaltspunkt für die Klägerin bestanden, dass die AC... GmbH in kriminelle Vorgänge verwickelt gewesen sei.

    Der Beklagte verweist auf das Ergebnis der Umsatzsteuer-Nachschau und trägt vor, dass zu vermuten sei, dass zu allen streitbefangenen Lieferungen Transportdokumente vorgelegen hätten, in denen die AF... GmbH als Auftraggeber genannt wurde. Abweichendes ergebe sich nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Emails der AC... GmbH, weil diese lediglich Lieferungen ankündigten, aber nicht erkennen ließen, bei wem und auf welche Weise die Waren bestellt worden seien. Es sei daher davon auszugehen, dass die Einschaltung der AC... GmbH eine Vorgabe der AF... GmbH gewesen sei, um die AC... GmbH als sog. Buffer II einzuschalten. Dies werde durch die Feststellungen des LG AI... bestätigt. Das Urteil habe auch bestätigt, dass die Kunden Bestellungen an die AF... GmbH richteten, die sodann per Spedition ausgeliefert habe. Es werde deutlich, dass die Ware nicht von der AC... GmbH an die Klägerin habe geliefert werden können, weil die AF... GmbH oder die sog. Hintermänner weiterhin die Verfügungsmacht innegehabt und die gesamten Vorgänge von den faktischen Geschäftsführern der AF... GmbH gesteuert worden seien. Im Übrigen habe die Klägerin gegen ihre Aufbewahrungspflichten nach § 147 AO verstoßen, indem sie die Emails, mit denen sie die Ware bestellt habe, gelöscht und die weiteren Transportdokumente nicht vorgelegt habe. Die nach ca. 5 Jahren erstmals vorgetragene Darstellung, die Mitarbeiterinnen der Klägerin hätten sich missverstanden, sei zweifelhaft. Aus den im Klageverfahren übersandten bearbeiteten Email-Angeboten der AF... GmbH seien nur teilweise Produkte anhand der Einzelpreise mit den vorliegenden Rechnungen abgleichbar. Es müsse weitere Absprachen zwischen der Zeugin C... und dem in der Email vom 11.06.2010 erwähnten Herrn AO... gegeben haben, die die Klägerin nicht dargelegt habe. Es habe auch keine konkludente Übertragung des Vertragsverhältnisses von der AF... GmbH auf die AC... GmbH gegeben. Denn Leistender sei regelmäßig der zivilrechtlich zur Leistung Verpflichtete, der die Leistung auch tatsächlich erbracht habe. Dies habe nicht die AC... GmbH sein können, da diese keine Verfügungsmacht über die an die Klägerin gelieferte Ware gehabt habe. Die davon abweichenden Rechnungen seien insoweit unmaßgeblich, weil diese bloße Beweisanzeichen seien. Jedenfalls hätte die Klägerin nach den Gesamtumständen (Bestellung bei einer anderen als der rechnungsausstellenden Firma, abweichender Absender der Ware laut Lieferschein, Bezahlung an den Rechnungsaussteller ohne sichere schuldbefreiende Wirkung gegenüber der die Bestellung annehmenden Firma) erkennen können, dass sie mit den streitbefangenen Lieferungen an Umsätzen beteiligt gewesen sei, die ggf. in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen seien.

    Dem hält die Klägerin ergänzend entgegen, da die vorgelegten Angebote der AF... GmbH, die zur Grundlage von Bestellungen der Klägerin bei der AF... GmbH geworden seien, nur teilweise mit den Rechnungen der AC... GmbH korrespondierten, sei deutlich geworden, dass den Rechnungen der AC... GmbH auch Bestellungen dieser gegenüber zugrunde gelegen hätten. Der in der Email vom 11.06.2010 erwähnte Herr AO... sei der mit den streitgegenständlichen Vorgängen nicht befasste Leiter der Verkaufsabteilung der Klägerin gewesen, und die Email betreffe von der Klägerin der AC... GmbH angebotene Handelsware. Diese Email sei Herrn AH... unter seiner Email-Adresse bei der AF... GmbH übersandt worden, weil er für beide Firmen tätig gewesen sei.

    AN... S.A.R.L.

    Am 14.06.2010 bat ein AP... unter der Mailadresse ... die Klägerin, ihm eine Preisliste zukommen zu lassen, um später eine geschäftliche Basis aufbauen zu können. Sie seien eine Import-Exportfirma aus Luxemburg und interessierten sich für die Produkte der Klägerin. Darauf übersandte die Zeugin (seinerzeit mit dem Familiennamen O...) dem AP...Produktübersichten und Preislisten. Als Firmendaten gab er "AN... S.A.R.L., Inhaber: T..., AQ...-straße, AR..., USt-Idnr. ..." an, die die Zeugin am 16.06.2010 intern zur Überprüfung weiterleitete. Darauf wurde eine Anfrage beim Bundeszentralamt für Steuern -BZSt- ausgelöst, auf die das Bundesamt am 16.06.2010 mitteilte, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. gültig sei (Bl. 211 Steuerfahndungsakte des Beklagten zur AB-Nr. 204/10 -Steufa- I, Bl. 809 LOK). Am 06.07.2010 übersandte AN... S.A.R.L. per Email (Word Dokument als Anhang, Bl. 209 Steufa I, Bl. 825 LOK) seine erste Bestellung ("2 Lkw 64 Paletten" - tatsächlich wohl 66 Paletten, vgl. die Rechnungen, Bl. 426, 430 LOK; ... Bier in Kisten sowohl 0,33 l als auch 0,5 l). Auf dem entsprechenden Briefbogen sind neben der deutschen noch eine luxemburgische Email-Adresse, eine deutsche Telefonnummer (...), die oben genannte luxemburgische Anschrift, luxemburgische Steuer- und Umsatzsteuer-Identifikationsnummern sowie eine luxemburgische Bankverbindung angegeben. Darauf übersandte die Zeugin am 06.07.2010 per Email eine Proforma-Rechnung, wohl mit Datum vom gleichen Tag im Anhang, der nicht vorliegt, bat um Mitteilung der Spedition sowie des LKW-Kennzeichens (Bl. 210 Steufa I, Bl. 827 LOK), und die Klägerin stellte die bestellte Ware am 08.07.2010 zur Abholung bereit (Beispiele für Proforma-Rechnungen: 26.08.2010, Bl. 345, 12.10.2010, Bl. 249, 08.04.2011, Bl. 483, 11.04.2011, Bl. 479 LOK). Für die Lieferungen wurden zwei Rechnungen (jeweils vom 08.07.2010) und Begleitdokumente erstellt (offenbar für jeden LKW ein Vorgang). Auf der Rückseite des Vereinfachten Begleitdokuments innergemeinschaftliche Beförderung von Waren des steuerrechtlichen freien Verkehrs -VBD- zur Rechnung Nr. 49755 bestätigte die AN... S.A.R.L., dass die von ihr angegebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gültig sei und dass sie die Ware zur o.g. Anschrift ausführe. Ferner bestätigte sie, dass die Ware bei ihr am 08.07.2010 eingegangen sei. Dem war die Ortsbezeichnung "AR..." beigefügt, ferner zwei verschiedene Firmenstempel, einmal mit der o.g. Anschrift in AR..., einmal mit der Anschrift AS...-straße, AT..., Tel ..., Fax ..., mobil ... und einer luxemburgischen Email-Adresse (Bl. 23 Steufa I, Bl. 431 LOK). Auf dem zur Rechnung Nr. 49757 erteilten VBD, das ansonsten die gleichen Angaben enthält, ist nur der Firmenstempel mit der Anschrift AQ...-straße (zweifach) abgedruckt (Bl. 427 LOK). Die Rechnungen (wie auch alle weiteren) wurden in bar durch AU... bezahlt, deren Personalausweis die Klägerin kopierte und zu ihren Unterlagen nahm (Bl. 198 Steufa I). Eine schriftliche Legitimation der AN... S.A.R.L. o.ä. legte Frau AU... nicht vor. Nach diesem Schema wurden auch die übrigen Lieferungen abgewickelt (weitere Bestellungen Bl. 12, 123, 150, 164, 220, 255, 261, 268, 741 LOK), wobei auf den VBDs jeweils nur der Firmenstempel mit der Anschrift AQ...-straße (zweifach) abgedruckt wurde. Die Pro-Forma-Rechnungen übermittelte die Klägerin der AN... S.A.R.L. offenbar über die Spedition, zusammen mit den von der AN... S.A.R.L. auszufüllenden VBD-Formularen (vgl. Bl. 6 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 29.09.2014, Bl. 210 ff. RbA), die endgültigen Rechnungen per Post (Bl. 570 GA III).

    Wegen der gegenüber der AN... S.A.R.L. abgerechneten Lieferungen und der dazu vorliegenden Dokumente nimmt das Gericht Bezug auf die Auflistung der Steufa-Prüferin (Bl. 216 ff. Steufa I = Anlage zur Einspruchsentscheidung, Bl. 804 f. LOK) sowie die Dokumentkopien (Anlage 8 zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.09.2015, Bl. 1 - 771 LOK). Die Klägerin räumt ein, dass für die nach dem 05.04.2011 ausgeführten Lieferungen an die AN... S.A.R.L. keine Verbringungs-/Versandbestätigungen vorliegen (Bl. 569 GA III).

    Geliefert wurde fast ausschließlich Bier, darunter auch ... Pilsener (u.a. Rechnungen vom 20.07.2010, Bl. 421 LOK, vom 28.07.2010, Bl. 402 LOK, vom 12.08.2010,Bl. 383 LOK, vom 18.08.2010, Bl. 371 LOK, vom 25.08.2010, Bl. 352 LOK, vom 15.09.2010,Bl. 313 LOK, vom 06.10.2010, Bl. 280 LOK, vom 08.10.2010, Bl. 257 LOK, vom 18.10.2010,Bl. 228 LOK, vom 22.10.2010, Bl. 188 LOK, vom 18.11.2010, Bl. 131 LOK, vom 26.11.2010,Bl. 87 LOK, vom 06.12.2010, Bl. 73 LOK), ... Pils (u.a. Rechnungen vom 20.07.2010 Bl. 421 LOK, vom 28.07.2010, Bl. 402 LOK, vom 06.08.2010,Bl. 396 LOK, vom 12.08.2010, Bl. 383 LOK, vom 19.08.2010, Bl. 366 LOK, 27.08.2010,Bl. 340 LOK, vom 03.09.2010, Bl. 324 LOK, vom 17.09.2010, Bl. 295 LOK, vom 30.09.2010,Bl. 285 LOK, vom 05.11.2010, Bl. 141 LOK, vom 19.11.2010, Bl. 105 LOK, vom 26.11.2010,Bl. 82 LOK, vom 06.12.2010, Bl. 78 LOK), ... Pilsener (u.a. Rechnungen vom 18.08.2010, Bl. 371 LOK, vom 25.08.2010, Bl. 352 LOK, vom 15.09.2010,Bl. 313 LOK, vom 16.09.2010, Bl. 306 LOK), gelegentlich Soft-Drinks wie Club Mate,Bionade (z.B. Rechnung vom 26.11.2010, Bl. 92 LOK)

    Nach Sichtung der vorgelegten Unterlagen wurde die Ware gelegentlich am selben Tagoder an aufeinanderfolgenden Tagen vom selben Fahrer und mit demselben LKW abgeholt(z.B. 25.08.2010 + 26.08.2010: ... + BG...; 06.10.2010, 07.10.2010 + 08.10.2010 ...+ BH...; 21.10.2010 + 22.10.2010: ... + BI...; 28.10.2010 + 29.10.2010: ... + BJ...;jeweils 18.11.2010: ... + BI..., Bl. 124, 135 LOK).

    Am 01.09.2010 richtete die Klägerin ein Schreiben an den Beklagten und bat um die Prüfung der umsatzsteuerlichen Beurteilung der Geschäfte mit der AN... S.A.R.L.. Sie erläuterte die tatsächliche Durchführung und sah die materiellen und formellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen als nachgewiesen an. Allerdings sei der wirtschaftliche Hintergrund der Bestellungen und die Abholung durch ein Unternehmen in Luxemburg nicht nachvollziehbar. Sie bitte vorsorglich um Prüfung der steuerlichen Beurteilung anhand beigefügter Unterlagen (Bl. 14 ff. Steufa I). Darauf leitete die Steuerfahndungsstelle des Beklagten -Steufa- am 12.10.2010 ein Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ein (Bl. 11 Steufa I). Die Prüferin hatte bereits am 06.10.2010 festgestellt, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. seit dem 24.06.2010 nicht mehr gültig war (Bl. 4 Steufa I, Bl. 774 ff. LOK). Sie richtete am 03.11.2010 ein Auskunftsersuchen an die luxemburgischen Behörden, die darauf am 17.02.2011 mitteilten (an den Beklagten vom BZSt am 24.02.2011 weitergeleitet), dass die AN... S.A.R.L. unter der Anschrift in AR... nicht aufzufinden gewesen sei und daher aus der Liste der Mehrwertsteuerpflichtigen zum 24.06.2010 gelöscht worden sei. Auch eine erneute Kontrolle habe keine Hinweise auf die AN... S.A.R.L. erbracht, ebenso wenig seien solche Hinweise unter der Anschrift in AT... ermittelbar gewesen (Bl. 171 ff. Steufa I). In der Zwischenzeit hatte die Klägerin sukzessive weitere Unterlagen über die von ihr mit der AN... S.A.R.L. durchgeführten Geschäfte beim Beklagten eingereicht. Am 11.04.2011 teilte die Steufa der Klägerin mit, dass Bedenken gegen die Steuerfreiheit der gegenüber der AN... S.A.R.L. ausgeführten Lieferungen bestünden (Bl. 177 Steufa I, Bl. 811 LOK). Bereits am 01.04.2011 hatte das BZSt der Klägerin auf ihre zusammenfassenden Meldung für das IV. Quartal 2010 mitgeteilt, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. seit dem 24.06.2010 ungültig sei (Bl. 214 Steufa I, Bl. 778 f. LOK). Am 13.04.2011 wiederholte die Klägerin ihre Bestätigungsanfrage beim BZSt, worauf ihr mitgeteilt wurde, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. vom 15.04.2009 bis zum 24.06.2010 gültig war (Bl. 212 Steufa I).

    Die Steufa-Prüferin vertrat mit Vermerk vom 14.10.2011 die Auffassung, die an die AN... S.A.R.L. ausgeführten Leistungen seien mangels gültiger Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Ein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG scheide aus. U.a. wandte die Prüferin ein, bei 40 Lieferungen sei der Empfang der Ware vor der Lieferung bestätigt worden (Bl. 228 Steufa I).

    Am 15.06.2012 leitete der Beklagte das Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin ein (Bl. 246 Steufa II). Die vorstehenden Sachverhalte waren - jedenfalls am Rande - Gegenstand eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen AV... u.a. wegen Kaffeesteuerhinterziehung bei der Staatsanwaltschaft I... (Gz. 203 Js 660/11), in dessen Rahmen das Zollfahndungsamt AW... am 07.11.2012 Durchsuchungen u.a. bei der Firma AX... in AY... durchführte, die in den Umschlag der von der Klägerin an die AN... S.A.R.L. verkauften Waren einbezogen war. Das Zollfahndungsamt wies darauf hin, dass die Klägerin nach einer Mitteilung des Hauptzollamts Y... keine Biersteuerentlastung beim Verbringen aus dem deutschen Verbrauchsteuergebiet beantragt habe (Schreiben vom 19.11.2012 an die Steufa-Prüferin des Beklagten, Bl. 249 Steufa II). Nach Sichtung der vom Zollfahndungsamt beschlagnahmten Unterlagen gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die der AN... S.A.R.L. gelieferten Waren von einer Spedition in Y... bei der Klägerin abgeholt worden seien. Diese habe die Waren in ein Lager der AZ... nach BA... oder AI... gebracht und gegenüber der AZ... abgerechnet. Aus dem Lager der AZ... sei die Ware durch eine andere Spedition abgeholt und an in AI... ansässige Firmen ausgeliefert worden. Auch insoweit habe die Spedition mit der AZ... abgerechnet (Bl. 256 Steufa II). Am 09.04.2013 vernahm der Beklagte durch seine Straf- und Bußgeldsachenstelle Frau AU..., die angab, die Gelder auf Veranlassung des AP... übergeben zu haben, der ein Bekannter ihres Mannes gewesen sei. Sie habe das Geld von einem BB... erhalten (Bl. 289 ff. Steufa II). Am 24.05.2013 vernahm der Beklagte die Inhaberin der AZ... (nunmehr) BC... und ihren Ehemann. Diese erklärten als Nachfolger bzw. Mieter von AV... Hallen in BA... und AI... angemietet zu haben, in denen von der Klägerin an AP... gelieferte Waren eingelagert worden seien. Diese seien von dort nach AI... verbracht worden (vgl. den Vermerk - keine Vernehmungsniederschrift - vom 27.05.2013, Bl. 296 ff. Steufa II). Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, dass keine Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis des Geschäftsführers der Klägerin von der Verwendung der gelieferten Waren in Deutschland bestünden, allerdings sei eine gewisse Nachlässigkeit erkennbar (Bl. 312 Steufa II). Dem folgend stellte der Beklagte durch seine Straf- und Bußgeldsachenstelle das Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein (Bl. 325 Steufa II).

    Die Klägerin gab ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen in 2010 monatlich und in 2011 vierteljährlich ab. U.a. die Anmeldungen für die Monate Juli und September 2010 sowie für das I. und II. Quartal 2011 wiesen Umsatzsteuervergütungen aus, denen der Beklagte jeweils zustimmte. Die Anmeldungen für die übrigen Monate des 2. Halbjahres 2010 wirkten unverändert als Festsetzungen (Bl. 10/7 f., 11/7 Umsatzsteuerakte -UA-).

    Die von der Klägerin jeweils im Folgejahr eingereichten Umsatzsteuererklärungen wirkten jeweils als Festsetzung.

    Die Fahndungsprüferin erstellte unter dem 07.06.2013 einen Abschlussvermerk über die steuerlichen Feststellungen betreffend die Lieferungen an die AN... S.A.R.L.. Sie gelangte zu der Auffassung, dass die Lieferungen nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei seien und dass die Klägerin auch keinen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG genieße. Daher seien die Umsätze um die aus den Bruttobeträgen herausgerechneten Nettobeträge in Höhe von ... € (= Umsatzsteuer in Höhe von ... €) in 2010 und in Höhe von ... € (= Umsatzsteuer in Höhe von ... €) in 2011 zu erhöhen (Bl. 315 ff. Steufa II, Bl. 781 ff. LOK). Ferner hielt sie (im hiesigen Verfahren nicht mehr streitige) Vorsteuer in Höhe von ... € in 2011 nicht für abzugsfähig.

    Den Feststellungen der Steufa folgend erließ der Beklagte am 26.06.2013 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011, mit denen er die Umsatzsteuer auf ... € in 2010 (Nachzahlung: ... €) und auf ... € in 2011 (Nachzahlung: ... €) festsetzte (Bl. 786, 791 LOK, 4 ff. RbA).

    Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 01.07.2013 Einspruch ein (Bl. 1 RbA). Zur Auswertung eines Berichts über eine Lohnsteueraußenprüfung und betreffend 2010 zur Auswertung des im Komplex AC... GmbH erwähnten Betriebsprüfungsberichts ergingen am 19.03.2014 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 (Bl. 788, 793 LOK). Am 15.10.2013 wandte die Klägerin u.a. ein, im Hinblick darauf, dass der Beklagte unverständlicherweise seine am 06.10.2010 erlangte Kenntnis über die Ungültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. nicht unverzüglich an sie weitergegeben habe, sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren (Bl. 73 f. RbA). Dem hielt der Beklagte am 03.01.2014 (unter Versagung einer Abhilfe und ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung) u.a. entgegen, dass die Finanzbehörde nach eigenem Ermessen Art und Umfang der Ermittlungen bestimmen könne (Bl. 94 R RbA). Am 13.02.2014 hielt die Klägerin daran fest, dass die streitigen Leistungen steuerfrei seien und beanstandete die Ausführungen des Beklagten zur fehlenden Mitteilung seiner Erkenntnisse als unzureichend (Bl. 96 f. RbA).

    Während des Einspruchsverfahrens trug die Steufa-Prüferin vor, bei 5 VBDs im Zeitraum vom 24.08.2010 bis 06.09.2010 (z.B. AU1010059 vom 27.08.2010) sei die Empfangsbestätigung mit BC... unterschrieben und als Ort BA... vermerkt worden (Stellungnahme vom 05.11.2013, Bl. 90 RbA, dagegen der Vortrag der Klin vom 11.02.2014, Bl. 97, 100 ff. RbA und vom 30.04.2014, Bl. 183 RbA). Die Klägerin wendete ein, dass die Unterschrift eines Beauftragten des Abnehmers (BC...) auf einem Duplikat des VBD keinen Anlass zu Zweifeln an der Ankunft der Waren in Luxemburg habe geben müssen, nachdem sie das Original des VBD mit der Unterschrift des Abnehmers erhalten habe. Nach § 17a Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung -UStDV- wäre in Abholfällen eine Bestätigung durch den Beauftragten des Abnehmers ohnehin als ausreichend anzusehen.

    Ferner trug die Steufa-Prüferin vor, dass in 39 Fällen die Empfangsbestätigungen von AP... erteilt worden seien, bevor die Beförderung der Ware begonnen habe. Dies habe sich aus Unterlagen ergeben, die bereits wieder der Klägerin zurückgesandt wurden, so dass diese nicht vorgelegt werden könnten (Stellungnahme vom 08.05.2014, Bl. 188 RbA, der Klin vorgehalten mit Schriftsatz vom 21.08.2014, Bl. 199 ff. RbA). Dem hielt die Klägerin entgegen, in den beanstandeten 39 Fällen habe AP... mit dem Datum der Proforma-Rechnung unterschrieben, das auch gleichzeitig jeweils das Datum der Zahlung gewesen sei. Es sei branchenüblich, dass die Kunden die Ware nach Bezahlung als ihr Eigentum ansähen und daher den Zahlungszeitpunkt als den Zeitpunkt des Übergangs der Verfügungsmacht ansähen. Zudem habe die Klägerin die VBDs mit der Unterschrift von AP... jeweils erst nach einigen Tagen nach der Abholung zurückerhalten, so dass sie keinen Anhaltspunkt für Unregelmäßigkeiten gehabt habe (Schriftsatz vom 29.09.2014, Bl. 205 ff. RbA).

    In der Einspruchsentscheidung sah der Beklagte den Einspruch hinsichtlich des hiesigen Streitpunkts als unbegründet an, weil die Klägerin mit den streitbefangenen Lieferungen mangels Transports der veräußerten Waren nach Luxemburg keine innergemeinschaftlichen Lieferungen bewirkt habe und auch keinen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG beanspruchen könne. Denn die Klägerin habe ihre Sorgfaltspflichten dadurch verletzt, dass sie eine Bestätigung über die Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. bereits am 16.06.2010 und nicht unmittelbar vor Ausführung der ersten Lieferung am 08.07.2010 eingeholt habe. Hätte sie die Bestätigung erst nach Eingang der ersten Bestellung vom 06.07.2010 eingeholt, wäre ihr bekannt geworden, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bereits am 24.06.2010 ungültig geworden war. Mangels der Aufzeichnung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer habe die Klägerin ihre Nachweispflichten verletzt, deren Erfüllung die Voraussetzung für die Gewährung des Gutglaubensschutzes sei. Zudem habe die Klägerin Anlass gehabt, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer wiederholt zu überprüfen. Denn mit den streitbefangenen Lieferungen seien ungewöhnliche Umstände einhergegangen (Barzahlung durch eine dritte unbekannte Person, Angabe zweier unterschiedlicher Adressen der Abnehmerin auf der ersten Rechnung usw.). Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass das Finanzamt seine Ermittlungsergebnisse nicht zeitnah an sie weitergegeben habe. Denn die Klägerin könne ihre eigene Sorgfaltspflicht nicht auf das Finanzamt verlagern. Ein Sonderfall, in dem das finanzbehördliche Fehlverhalten ein solch erhebliches Ausmaß annehme, dass demgegenüber das Verschulden des Steuerpflichtigen nicht entscheidend ins Gewicht falle, liege im Streitfall nicht vor, da das Finanzamt die Antwort der luxemburgischen Behörden vom 24.02.2011 zeitnah am 13.04.2011 der Klägerin mitgeteilt habe.

    Die Klägerin trägt vor, mit ihrem Auskunftsersuchen an den Beklagten habe sie sicherstellen wollen, dass die von ihr an die AN... S.A.R.L. gelieferte Ware ordnungsgemäß der Besteuerung als innergemeinschaftliche Erwerbe unterworfen worden seien. Geeignete Unterlagen vom Zoll seien insoweit nicht zu erlangen gewesen, weil die Ware nicht dem Verbrauchsteuerverfahren unterlegen habe. Keinesfalls seien Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten zutage getreten. Obwohl der Beklagte am 06.10.2010 Kenntnis davon erlangt habe, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. zwischenzeitlich ungültig geworden sei, habe der Beklagte der Klägerin davon erst am 11.04.2011 eine Mitteilung gemacht. Auch das BZSt habe der Klägerin auf ihre Zusammenfassende Meldung vom 10.11.2010 keinen entsprechenden Hinweis erteilt. Ferner habe sie am 16.06.2010 eine qualifizierte Bestätigung der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Klägerin erhalten sowie den vollständigen Beleg- und Buchnachweis über die Verbringung der Ware nach Luxemburg erbracht. Die Bestätigung des BZSt vom 16.06.2010 in Verbindung mit den zu jeder Lieferung erhaltenen schriftlichen Versicherungen der Abnehmerin, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gültig sei, dass sie die Ware ausschließlich für ihr Unternehmen erworben habe und sie an die angegebene Anschrift in Luxemburg ausführen werde, begründeten einen guten Glauben der Klägerin, so dass sie Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen könne. Unter den geschilderten Umständen habe von ihr nicht verlangt werden können, vor jeder Lieferung erneut eine Abfrage der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer beim BZSt zu machen. Sie habe keinen Anhaltspunkt dafür gehabt, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. kurz nach der Abfrage ihre Gültigkeit verlieren könnte. Das gelte erst recht deshalb, weil ihr auf ihr Schreiben vom 01.09.2010 und ihre weiteren Mitteilungen an den Beklagten keine Bedenken gegen die Steuerfreiheit der an die AN... S.A.R.L. bewirkten Lieferungen mitgeteilt worden seien.

    Jedenfalls könne sie nicht der Auffassung zustimmen, dass die an die AN... S.A.R.L. gelieferten Waren nicht nach Luxemburg gelangt, sondern in Deutschland ansässigen Empfängern zugegangen sein sollen. Denn ihr sei eine abschließende Beurteilung darüber, wohin die an AN... S.A.R.L. gelieferten Waren gelangt seien, nicht möglich. Sie habe aufgrund der ihr vorliegenden Belege vielmehr davon ausgehen können, dass die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt sei. Substantiierte Einwendungen gegen die gegenteiligen Feststellungen der Steufa-Prüferin könne sie allerdings nicht erheben.

    Eine schriftliche Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholers sei nicht erforderlich. Es könne zwar nicht festgestellt werden, ob - wie in der Email vom 06.07.2010 gefordert - die Spedition und die LKW-Kennzeichen vorab übermittelt worden seien. Es sei vielmehr wegen der kurzfristigen Tourenplanungen der Speditionen üblich, dass die Angaben erst bei Abholung der Waren erfasst würden. Dann lasse sich die Klägerin bei Abholung der Ware Unterlagen über die Abholbevollmächtigung vorlegen und hole vom Abholer (z.B. Fahrer) eine Empfangsbestätigung auf der Rechnung mit Angabe des Namens und der Unterschrift, ggf. mit Namen der Spedition und mit Kennzeichen des Fahrzeugs ein. Abschriften der Frachtbriefe seien der Klägerin von den Abholern nicht übergeben worden.

    Es gebe auch keine Ungereimtheiten bei den Daten der Empfangsbestätigungen des Abnehmers. Dieser habe auf Proforma-Rechnungen gezahlt, die vor der Übergabe der Ware erstellt worden seien. Dem entsprechend sei die Gefahr mit der Übergabe der Ware an die von der AN... S.A.R.L. beauftragte Spedition übergegangen, so dass nach der im Streitzeitraum geltenden Rechtslage bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst bei Eingang der Ware in Luxemburg die Empfangsbestätigung durch die Abnehmerin zu erteilen gewesen sei. Es habe auch keine Unsicherheit oder Falschangaben über die Identität der Abnehmerin gegeben. Die Geschäftsanbahnung sei über den Geschäftssitz der Abnehmerin in Luxemburg erfolgt, da das Anschreiben die Firmenanschrift in AQ...-straße in AR.../Luxemburg enthalten habe. Diese Anschrift sei auch ab der zweiten Lieferung auf der Rückseite der VBD-Formulare im Firmenstempel angegeben worden und stimme mit der Anschrift in der Bestätigung des BZSt vom 16.06.2010 überein. Keinen Anlass zu Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsabwicklung gebe die Angabe einer deutschen Mobilfunknummer. Für einen ausländischen Unternehmer im Bereich Im- und Export, der sich wegen seiner Tätigkeit wiederholt in Deutschland aufhalte, dürfte es wegen der Roamingkosten deutlich günstiger sein, einen deutschen Mobilfunkanschluss zu haben. Ferner habe die AN... S.A.R.L. eine Luxemburgische Email-Adresse angegeben. Es entspreche auch der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen -BMF-, dass die Angabe einer Email-Adresse mit einer Domain in einer Gelangensbestätigung, die nicht auf den Ansässigkeitsstaats des Abnehmers oder den Bestimmungsstaat der Lieferung hinweise, unschädlich sei. Die VBD-Formulare habe die Klägerin den Speditionen mit der Bar-Rechnung und der Ware mitgegeben. Nachdem sie die ausgefüllten Formulare zurückerhalten habe, habe sie der AN... S.A.R.L. die endgültige Korrekturrechnung auf dem Postweg übersandt.

    Der Beklagte habe die ihm obliegenden Kontrollpflichten verletzt. Diese hätten geboten, der Klägerin umgehend nach Kenntnis von der Ungültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. entsprechende Mitteilung zu machen. Sie habe davon erst aufgrund der Mitteilung des BZSt vom 07.04.2011 erfahren, und der Beklagte habe erst am 11.04.2011 auf Bedenken gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen hingewiesen und am 13.04.2011 die Ermittlungsergebnisse mitgeteilt.

    Die Zeugin C... sei mit der Anbahnung und Leitung der Durchführung dieser Geschäfte befasst gewesen.

    In den Jahren vor 2011 habe die Klägerin keine weiteren Kunden in der gleichen Größenordnung wie die AN... S.A.R.L. aus dem EU-Ausland gehabt. Bis zum aktuellen Geschäftsjahr 2018 seien Bestellungen in einem geringeren Umfang aus Polen und Tschechien von hauptsächlich alkoholfreien Getränken abgewickelt worden und so geschehe es auch aktuell. Es seien auch vor 2011 keine gleichartigen Lieferungen über vergleichbare Entfernungen innerhalb Deutschlands abgewickelt worden.

    Die Klägerin sehe es als branchenüblich an, dass die Ware gelegentlich am selben Tag oder an aufeinanderfolgenden Tagen vom selben Fahrer und/oder mit demselben LKW abgeholt worden sei. Es gehöre zur normalen Abwicklung von Transportaufträgen, dass im Falle von Transporten über eine große Entfernung die Ware zunächst vom Lieferanten abgeholt, zu einem Sammelpunkt gebracht und dort in einen anderen (Überland-)LKW umgeladen werde. Sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit den Lieferungen an AN... S.A.R.L. seien bei der Zeugin (Abteilung Einkauf) gesammelt worden. Im Übrigen könnten bis zu 10 Mitarbeiter der Verkaufsabteilung mit der Abfertigung der LKWs befasst gewesen sein. Daher und angesichts der Vielzahl der Geschäftsvorfälle habe ihr nicht auffallen müssen, dass derselbe Fahrer bzw. der derselbe LKW in kurzer Folge zur Abholung erschienen sei.

    Der Beklagte wiederholt die Erwägungen aus der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Klägerin es pflichtwidrig unterlassen habe, sich Vollmachten der Abholer vorlegen zu lassen. Diese seien zwar nicht Bestandteil des Belegnachweises gemäß § 17a Abs. 1 und 2 UStDV, hätten aber nach den Gesamtumständen im Streitfall zur Erfüllung der kaufmännischen Sorgfaltspflichten gehört. Ferner fehle es an den erforderlichen Versendungsbelegen in Form von Frachtbriefen, aus denen die Speditionsfirma, der Auftraggeber, der Empfänger und der Bestimmungsort ersichtlich seien. Jedenfalls hätte die Klägerin ab der am 20.07.2010 ausgeführten zweiten Lieferung aufgrund der erkennbaren Unstimmigkeiten bei der Bestätigung des Warenempfangs (unterschiedliche Firmenstempel hinsichtlich der Adresse des Abnehmers) nicht auf die Angaben des Abnehmers vertrauen dürfen und jedenfalls zu diesem Zeitpunkt Anlass gehabt, eine erneute Bestätigung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer anzufordern, worauf ihr die am 24.06.2010 eingetretene Ungültigkeit mitgeteilt worden wäre. Es widerspreche auch einer normalen Auftragsabwicklung, den Empfang einer Ware bereits bei Erhalt einer Proforma-Rechnung bzw. bei Bezahlung zu bestätigen und nicht beim tatsächlichen Empfang der Ware. Eine Auslegung dahin gehend, dass der Gefahrübergang bestätigt worden sei, komme nicht in Betracht, da ausdrücklich der Eingang beim Empfänger bestätigt worden sei. Gerade wenn - wie im Streitfall - die Empfangsbestätigung erst nach einigen Tagen per Post beim leistenden Unternehmer eingehe, gebiete es seine Sorgfaltspflicht, die Daten abzugleichen. Hätte die Klägerin diesen Abgleich vorgenommen, wären ihr die Unstimmigkeiten aufgefallen. Das Schreiben an den Beklagten vom 01.09.2010 lasse erkennen, dass die Klägerin über den Hintergrund der Bestellung und die Abholung durch ein Unternehmen aus Luxemburg verunsichert gewesen sei. Es sei nicht erklärlich, warum die Klägerin nicht sogleich eine erneute Abfrage gemäß § 18e UStG beim BZSt vorgenommen habe.

    Am 02.07.2017 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage, die unter dem Az. 7 K 7132/15 bei dem erkennenden Senat geführt wurde. Darin verwies sie auf dem Verwaltungsverfahren geführten Schriftverkehr. Mit Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2017 (jeweils am Ende von EV und RbA, zugestellt am 21.07.2017) gab der Beklagte den Einsprüchen hinsichtlich der Umsatzsteuer 2010 und 2011 teilweise statt, indem er nicht mehr streitige Vorsteuerbeträge der BD... GmbH im Billigkeitswege berücksichtigte. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.

    Die Klägerin nahm ihre Untätigkeitsklage am 31.07.2015 zurück und hat am 13.08.2017 erneut Klage erhoben.

    Die Klägerin beantragt,

    abweichend von den Umsatzsteuerbescheiden vom 24.02.2014 für 2009 sowie vom 19.03.2014 für 2010 und 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2015 die Umsatzsteuer 2009 unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuer in Höhe von ... €, die Umsatzsteuer 2010 nach um ... € geminderten Umsätzen und unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuer in Höhe von ... € sowie die Umsatzsteuer 2011 nach um ... € geminderten Umsätzen festzusetzen,

    hilfsweise, unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 21.08.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2015 den Beklagten zu verpflichten, im Wege abweichender Steuerfestsetzungen aus Billigkeitsgründen die Umsatzsteuerbescheide für 2009 vom 24.02.2014 und für 2010 vom 19.03.2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2015 unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuer in Höhe von ... € für 2009 und in Höhe von ... € für 2010 zu ändern,

    hilfsweise, unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 03.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2015 den Beklagten zu verpflichten, für die Jahre 2010 und 2011 abweichende Steuerfestsetzungen aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO dergestalt vorzunehmen, dass die Umsatzsteuer in 2010 um weitere ... € und in 2011 um ... € niedriger festgesetzt wird,

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Gericht hat N... als Zeugen zur mündlichen Verhandlung geladen. Dieser hat daraufhin erklärt, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 84 Finanzgerichtsordnung -FGO- i.V. mit § 103 AO Gebrauch mache und in der mündlichen Verhandlung keinerlei Angaben zu dem in der Ladung benannten Beweisthema machen werde. Darauf hat das Gericht den Zeugen nach ergänzendem Vortrag und Glaubhaftmachung abgeladen, ohne dass die Beteiligten eine erneute Ladung beantragt haben.

    Der ebenfalls als Zeuge geladene Herr L... hat unter Hinweis auf Bestätigungen seines Arbeitgebers und eine Flugbuchung vom 02.11.2018 für den Zeitraum vom 14.11.2018 bis 18.11.2018 vorgetragen, an der Wahrnehmung des Termins gehindert zu sein, worauf er ebenfalls abgeladen worden ist, ohne dass die Beteiligten eine erneute Ladung beantragt haben.

    Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin C.... Wegen des Ergebnissesder Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

    Soweit die Klägerin hilfsweise die Gewährung des hier streitigen Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) begehrt, hat das Gericht das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 7 K7223/18 mit gesondertem Beschluss nach § 74 FGO ausgesetzt.

    Dem Gericht haben die Streitakte des Verfahrens 7 K 7132/15 sowie 12 Bände Betriebsprüfungsakten, ein Leitz-Ordner Rechtsbehelfsakten, je ein Band Umsatzsteuer- und Bilanzakten, ferner je ein Band Betriebsprüfungsakten (Veranlagung) und Sonderakten Bp, die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuer-Nr. ... geführt werden, ferner 3 Bände Steuerfahndungsakten und ein Leitz-Ordner, die vom Beklagten unter der Auftragsbuch-Nr. ... geführt werden, vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    A. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch die Stellung ihres Klageantrags und die Erläuterung ihres Bevollmächtigten zum Ausdruck gebracht hat, dass die Zinsfestsetzungen nicht Gegenstand des Verfahrens sein sollen (wofür auch schon zuvor sprach, dass insoweit keine eigenständige Beschwer geltend gemacht wurde), hat das Gericht das Rubrum entsprechend berichtigt.

    B. Die Klage ist teilweise begründet.

    Die Klägerin wird i.S. des § 100 Abs. 1 und 2 FGO in ihren Rechten verletzt, soweit der Beklagte die begehrten Vorsteuerbeträge in Höhe von ... € in 2009 und ... € in 2010 versagt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten lagen den streitbefangenen Rechnungen steuerbare und steuerpflichtige Lieferung der Rechnungsaussteller zugrunde. Andererseits begehrt die Klägerin zu Unrecht die Berücksichtigung weiterer steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen.

    D.../M... B.V.

    I. 1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen, die auf Lieferungen und sonstige Leistungen entfallen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Dies setzt grundsätzlich u.a. das Vorliegen von Rechnungen voraus, in denen der Leistende entsprechende Umsatzsteuer ausweist, aber auch, dass tatsächlich Leistungen an den Leistungsempfänger erbracht wurden, da die nur aus § 14c UStG geschuldete Vorsteuer keinen Vorsteuerabzug vermittelt (Bunjes/Heidner, UStG, 17. Aufl. 2018, § 15 Rn 158 m.w.N.).

    2. a) Dafür, dass im Streitfall beim Komplex betreffend die D... GmbH tatsächlich Lieferungen erfolgt sind, sprechen die Umladebestätigungen des N... und die Frachtbriefe der Speditionen. Letztere liegen auch im Zusammenhang mit der Rechnung der D... GmbH vom 30.08.2009 vor, so dass es unerheblich ist, dass insoweit Umladebestätigungen des N... fehlen. Unbeachtlich sind auch die vom Beklagten gerügten formellen Mängel der Frachtbriefeintragungen, da solche im Massengeschäft alltäglich sind.

    b) Zweifel am Vorliegen von Lieferungen werden nicht dadurch geweckt, dass V... in seiner Vernehmung vom 03.11.2011 ausgesagt hat, es seien im Zusammenhang mit den Lieferungen an die Klägerin nur leere LKWs gefahren. Denn diese Aussage hat V... am 05.11.2012 revidiert, nachdem ihm die Umladebestätigungen des N... für die streitbefangenen Lieferungen vorgehalten wurden. Nach dieser Aussage sollen zwar beladene LKWs gefahren sein, die jedoch die immer gleiche Ware nur im Kreis gefahren hätten. Dem folgend hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr daran festgehalten, dass Leerfahrten erfolgt seien. Gegen die Annahme von Leerfahrten spricht auch, dass die Steufa U... im Schriftsatz vom 29.01.2018 an das Finanzamt AB... aus Zeugenvernehmungen zitiert hat, in denen ebenfalls Warenbewegungen im Kreis bekundet worden sein sollen. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass angesichts der in Rede stehenden Fahrstrecken von ca. 2,5 Stunden Fahrzeit für die einfache Fahrt ein Fahrzeug diese Strecken zweimal mit Hin- und Rückfahrt an einem Tag zurücklegen konnte, sei es weil die Fahrer wegen früher Start- und später Rückkehrzeiten die gesetzlich vorgesehenen Ruhezeiten einhalten konnten oder ggf. gesetzliche Regelungen über Lenkzeiten missachteten (was nach einschlägigen Presseberichten nicht ungewöhnlich gewesen wäre) oder ein Fahrerwechsel stattgefunden hatte. Schließlich gibt kein Anlass zu Zweifeln an der Durchführung der Lieferungen, dass während der Durchführung der ersten Lieferungen noch kein schriftlicher Mietvertrag für das Lager bestand. Denn dieser ist nach dem Vortrag der Klägerin ohnehin nicht abgeschlossen worden, und es erscheint glaubhaft, dass es dieses Lagers nicht bedurfte, weil die Ware entweder in BF... oder auf einem anderen Betriebsgelände der P... GmbH umgeladen und sogleich weitertransportiert wurde.

    Andererseits bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aussage des V..., es habe sich um Warenbewegungen im Kreislauf gehandelt, falsch war. Denn er setzte sich mit dieser Aussage - wie die Reaktion des Beklagten zeigt - der Gefahr der Strafverfolgung wegen Abrechnungen i.S. des § 14c Abs. 2 UStG aus, falls die von ihm beherrschte D... GmbH im Zusammenhang mit Kreislaufgeschäften Vorsteuer abgezogen hatte, was naheliegend erscheint.

    Weitere Ermittlungsmöglichkeiten zu dieser Frage bestehen nicht, da V... unbekannten Aufenthalts ist und sich N... berechtigterweise auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen hat. Denn das nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Strafverfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden (Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 170 Rn 23; Kölbel in Münchener Kommentar zur StPO, 2016, § 170 Rn 26 jeweils m.w.N.). Wenn, was nach den Aussagen des V... möglich erscheint, massenhaft im Kreis laufende Ware seitens der D... GmbH unter tätiger Mithilfe des N... unter Vorsteuerausweis abgerechnet wurde, würde die D... GmbH diese Umsatzsteuer u.U. nach Auffassung der Finanzverwaltung nach § 14c Abs. 2 UStG schulden, ohne dass sie gegenläufige Vorsteueransprüche hätte. Es erscheint fernliegend, dass die D... GmbH diese Umsatzsteuer angemeldet hat und naheliegend, dass die zuständigen Finanzbehörden diese Umsatzsteuer daher als i.S. des § 370 AO hinterzogen ansähen. Es spricht auch viel dafür, dass es sich ggf. um einen besonders schweren Fall i.S. des § 370 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und/oder 5 AO handelte, so dass die Frist für die Strafverfolgungsverjährung 10 Jahre betragen würde (§ 376 Abs. 1 AO) und noch nicht abgelaufen ist, ohne dass es auf den genauen Tag des Beginns der Verjährungsfrist und etwaige Unterbrechungshandlungen ankäme. Dass sich aus einer Vernehmung tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Gestaltung ergeben könnten, erscheint nach Aktenlage nicht ausgeschlossen.

    Keine gesicherten Erkenntnisse bestehen ferner darüber, ob auch die gegenüber der Klägerin abgerechneten Cola-Lieferungen von etwaigen Kreislaufbewegungen erfasst waren. Ausdrücklich erwähnt hat V... Cola-Lieferungen gegenüber der Klägerin nicht. Andererseits erschiene es fernliegend, dass bei zwei im zeitlichen Zusammenhang und in gleicher Weise gehandelten Waren insoweit Unterschiede gemacht worden sein sollen.

    c) Sollte die Bewegung der streitbefangenen Ware im Kreis der Annahme von Lieferungen entgegenstehen, spricht viel dafür, dass die Klägerin die Feststellungslast dafür trägt, dass die Ware nicht sogleich wieder an die D... GmbH zurückgelangt ist. Denn auch der EuGH ist der Auffassung, dass derjenige, der den Vorsteuerabzug geltend macht, nachweisen muss, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen zählt auch der EuGH die tatsächliche Bewirkung von Leistungen (EuGH, Urteil vom 27.06.2018 C-459/17 und C-460/17 - SGI und Valériane SNC,-MwStR- 2018, 712, Rn 39 f.; Grube, MwStR 2018, 715). Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Tenor des Urteils, wonach die Verwaltung nur nachweisen müsse, dass die der Rechnung entsprechenden Umsätze tatsächlich nicht bewirkt worden seien. Denn dieser zielt auf die Vorlagefrage, mit dem das vorlegende Gericht gefragt hatte, ob dem Steuerpflichtigen ferner nachgewiesen werden müsse, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen gewesen sei (was der EuGH im o.g. Urteil verneint hat).

    d) Im Streitfall sind jedoch auch dann Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG erfolgt, wenn entsprechend der Darstellung des V... nur Waren (sog. Anschauungsware) im Kreis bewegt wurden. Der Beklagte verneint dies zu Unrecht unter Hinweis auf eine fehlende Übertragung der Verfügungsmacht an die Klägerin. Dagegen spricht, dass die Waren aus Sicht der Klägerin die ihr zugedachten Funktion erfüllten, nämlich an die M... B.V. weiterveräußert zu werden, um der Klägerin die von ihr kalkulierte Handelsspanne zu verschaffen. Nicht erforderlich ist, dass die Klägerin jederzeit die vorgesehene Lieferkette hätte umlenken können. Denn es gibt auch andere Konstellationen, in denen der mittlere Unternehmer keine alternativen Verwendungsmöglichkeiten für die von ihm durchgehandelte Ware hat, ohne dass deshalb der Liefercharakter bezweifelt würde (z.B. bei kundenspezifischen Bestellungen). Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Umladevorgänge in dem für die Klägerin vorgesehen Lager in R..., auf einem sonstigen Betriebsgelände der P... GmbH oder - wie es V... ausgesagt hat - in einem Lager in BF... abgewickelt wurden, da unabhängig davon auch nach der Aussage von V... die P... GmbH mit den Vorgängen befasst war, die über ein Besitzmittlungsverhältnis (§§ 929, 931 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) der Klägerin das zivilrechtliche Eigentum an den Waren verschaffte.

    Die dagegen von Gehm (Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2012, 1257 [1259]) angeführten Belege aus der Rechtsprechung sind nicht geeignet, diese Auffassung in Frage zu stellen. Das von Gehm benannte Urteil des Hessischen Finanzgerichts -FG- vom 30.06.2004 6 K 4328/01 (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 1558, juris-Rn 129) ist vom BFH (Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BStBl II 2009, 315) aufgehoben worden, ohne dass der BFH ausdrücklich zum Vorliegen von Lieferungen bei Kreislaufgeschäften Stellung genommen hätte. Der BFH hat das Urteil vielmehr aufgehoben, damit das FG prüft, ob die dortige Klägerin wissen konnte, dass die streitigen Lieferungen in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen waren (a.a.O., Rn 52 ff.). Dies ist nur erforderlich, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorlagen, also Leistungen für Zwecke des Unternehmens der Steuerpflichtigen erbracht wurden. Es spricht also viel dafür, dass der BFH das Vorliegen von Lieferungen bejaht hat. Der von Gehm zitierte Beschluss des BFH vom 22.10.2009 V B 108/08 (BFH/NV 2010, 170, Rn 12) beschränkt sich darauf, die von der Vorinstanz (nicht veröffentlichtes Urteil des FG Düsseldorf vom 07.05.2008 5 K 7595/99 H) vertretene Auffassung, "es sei für die Annahme einer Lieferung unerheblich, ob ein in eine von vornherein geplante Lieferkette eingeschalteter Abnehmer über die Ware anderweitig zu seinen Konditionen hätte verfügen können", zu referieren, ohne inhaltlich dazu Stellung zu nehmen. Das Urteil des FG des Saarlandes vom 30.06.2010 1 K 1319/07 (EFG 2010, 1740) handelt zwar von Karussellgeschäften, enthält jedoch nicht die Aussage, dass dabei keine Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG erfolgen. Das Gleiche gilt für das nachfolgende Urteil des BFH vom 17.02.2011 V R 30/10 (BStBl II 2011, 769), mit dem das Urteil des FG aufgehoben und zurückverwiesen wurde. Vielmehr spricht der Umstand, dass der BFH in seinem Urteil vom 08.09.2011 V R 43/10 (BStBl II 2014, 203) Lieferungen auch dann bejaht hat, wenn ein und dasselbe Gerät mehrfach (mit jeweils unterschiedlichen Identifikationsnummern) an dieselbe oder mehrere Leasinggesellschaften verkauft und übereignet wurde, dafür, dass auch im hiesigen Streitfall Lieferungen vorlagen. Auch der XI. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 19.05.2010 XI R 78/07 (BFH/NV 2010, 2132) in einem Fall mit Mehrfachdurchläufen von Waren das Vorliegen von Lieferungen nicht problematisiert.

    e) Der Annahme von Lieferungen steht ferner nicht entgegen, dass in die Anbahnung der Geschäfte der seinerzeit nicht mehr als Geschäftsführer bestellte Gesellschafter J... einbezogen war. Denn jedenfalls sind die Geschäfte durchgeführt worden. Ferner hat die mit Wissen und Wollen des damaligen Geschäftsführers mit dem Abschluss von Lieferverträgen im Ein- und Verkauf tätige Zeugin Kenntnis von den streitigen Lieferungen gehabt und durch die Begleitung der Abwicklung etwaige Vertretungsmängel durch eine konkludente Genehmigung geheilt.

    3. Ferner scheidet der Vorsteuerabzug möglicherweise aus, wenn der einer Lieferung zugrunde liegende Umsatz mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21.02.2006 C-255/02 - Halifax, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2006, 420, Rn 59; BFH, Urteil vom 19.05.2010 XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132, Rn 27). Im Streitfall bestehen nach den Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 17.10.2018 (Bl. 634 GA IV) jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die an die Klägerin erfolgten streitigen Lieferungen von der D... GmbH nicht als solche erklärt wurden. Eine Steuerpflicht nach § 14c Abs. 2 UStG bestand nach den vorstehenden Ausführungen nicht.

    4. a) Im Streitfall scheidet der Vorsteuerabzug auch nicht deshalb aus, weil die Verantwortlichen der Klägerin wussten oder hätte wissen können, dass die Klägerin sich mit ihren Erwerben an Umsätzen beteiligte, die in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen sind, so dass sie für die Zwecke der Mehrwertsteuersystemrichtlinie -MwStSystRL- als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen wäre. Zwar hat das nationale Gericht den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen können, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (EuGH, Urteile vom 06.07.2006 C-439, 440/04 - Kittel/Recolta Recycling, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2006, 594, Rz. 56, 59 f.; vom 18.12.2014 C-131/13, C-163/13 und C-164/13 - Italmoda, DStR 2015, 573 [BFH 20.01.2015 - II R 37/13], Rn 48 ff. zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -6. EG-Richtlinie-; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19.10.2017 C-101/16 - Paper Consult, DStR 2017, 2333, Rn 52 zur MwStSyStRL; dem folgend BFH, Urteile vom 19.04.2007 V R 48/04, BStBl II 2009, 315; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259; vom 19.05.2010 XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132; vom 22.07.2015 V R 23/14, BStBl II 2015, 914; Rn 36; Senatsurteil vom 24.11.2010 7 K 2356/06, EFG 2011, 918). Dafür bestehen im Streitfall indes keine Anhaltspunkte.

    b) Der Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es sich bei Kreislaufgeschäften um grundsätzlich der Steuerhinterziehung dienende Konstruktionen gehandelt habe und dass die beteiligten Gesellschaften (D... GmbH und M... B.V.) in der Folge in Insolvenz gefallen seien.

    Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beklagte keine Anhaltspunkte dafür benannt hat, dass aufgrund der mehr als ein Jahr nach Durchführung der streitigen Lieferungen eingetretenen Insolvenzen Steuerforderungen ausgefallen sind, die mit den hier streitigen Lieferungen im Zusammenhang stehen. Jedenfalls reicht die bloße Möglichkeit, dass es im Zusammenhang mit den Lieferungen zu einem Ausfall von Umsatzsteuer auf der Ebene des Erhebungsverfahrens oder ggf. auch der fehlenden Anmeldung kommen könnte und nach dem Tatplan der Hintermänner für einen ungewissen oder in fernerer Zukunft liegenden Zeitpunkt vorgesehen war, nicht aus. Allgemein wird zu Recht als erforderlich angesehen, dass es tatsächlich zu einer (nicht nur vorübergehenden) Verkürzung von Umsatzsteuer gekommen ist (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 83. EL Juni 2018, § 15 Rn 63 f.; Treiber, MwStR 2015, 626 [634 f.]).

    Einer Vernehmung des Herrn L... als Zeugen bedurfte es nicht, da nicht ersichtlich ist, dass dieser Erkenntnisse über die in der streitigen Leistungskette erfolgten Warenbewegungen haben könnte.

    AC... GmbH

    II. Die Klage hat auch in diesem Punkt Erfolg.

    1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vorsteuer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Weitere Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG der Besitz einer nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung.

    Nach ständiger Rechtsprechung ist der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer grundsätzlich nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind (BFH, Urteil vom 10.09.2015 V R 17/14, BFH/NV 2016, 80, II. 1. a) der Gründe m. w. N.). Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist. Leistender kann auch ein Strohmann sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (als sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat. Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft nach § 41 Abs. 2 AO aber, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen. Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder wenigstens davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Indizien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (BFH, Urteil vom 10.09.2015 V R 17/14, BFH/NV 2016, 80, II. 2. b) aa) der Gründe m. w. N.). Den vorstehenden Grundsätzen schließt sich der Senat an.

    Abzustellen ist in zeitlicher Hinsicht auf die Erkenntnismöglichkeiten im Leistungszeitpunkt, sodass im Rahmen der Feststellung des umsatzsteuerlichen Leistenden in Strohmannfällen später erlangte Kenntnisse oder sich später ergebende Erkenntnismöglichkeiten des Leistungsempfängers nicht für die Prüfung der Kenntnis oder des Kennenmüssens herangezogen werden können. Denn bereits mit Ausführung der Leistung entsteht nach Art. 167 MwStSystRL der Vorsteueranspruch, sodass zu diesem Zeitpunkt auch die am Leistungsaustausch beteiligten Personen objektiv feststehen müssen, da ansonsten die Steuerbarkeit der Leistung gar nicht beurteilt werden könnte. Soweit die Frage, wer im Falle eines Strohmanngeschäfts umsatzsteuerlich der Leistende ist, aber von der Kenntnis oder dem Kennenmüssen von Umständen auf Seiten des Leistungsempfängers abhängt, muss die Kenntnis oder das Kennenmüssen auch nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Leistung beurteilt werden (vgl. auch EuGH, Urteil vom 31.05.2018 C-660/16 und C-661/16 - Kollroß und Wirtl, DStR 2018, 1171 [BFH 01.03.2018 - V R 18/17], Rn 48; Bundesgerichtshof -BGH-, Beschluss vom 02.09.2015 1 StR 239/15, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht -NZWiSt- 2016, 274).

    2. Davon ausgehend gilt für den hiesigen Streitkomplex: Die Klägerin hat ursprünglich vorgetragen, die Lieferungen durch die AC... GmbH gingen auf Bestellungen zurück, die sie unmittelbar der AC... GmbH erteilt habe. Diesen Vortrag hat sie im Hinblick auf die Hinweise des Vorsitzenden in seiner Verfügung vom 04.05.2018 und die Aussage der Zeugin, dass die Waren zunächst bei der AF... GmbH bestellt worden seien, nicht mehr aufrechterhalten. Anderes wäre aufgrund der Umstände, dass zeitnah vor den von der AC... GmbH abgerechneten Lieferungen dieselben Artikel zu (fast immer) denselben Preisen bei der AF... GmbH bestellt worden waren und die AF... GmbH keine zeitgleichen gleichartigen Lieferungen erbracht hatte, auch nicht glaubhaft. Daher steht es auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin die streitigen Waren bei der AF... GmbH bestellt hat und AH... - aus welchen Gründen auch immer - für einen Teil der Bestellung das Geschäft über die ebenfalls von ihm vertretene AC... GmbH abwickeln wollte.

    3. Ferner ist das Gericht überzeugt, dass aus dem Umstand, dass Leistungen wiederholt und im engen zeitlichen Zusammenhang von der AC... GmbH (und nicht von der AF... GmbH) abgerechnet und per Lieferschein dokumentiert wurden, zu schließen ist, dass eine ursprünglich abweichend vereinbarte Leistungsverpflichtung konkludent auf die AC... GmbH übertragen wurde. Denn der Leistungsempfänger kann bis zur (vollständigen) Ausführung der Leistung ausgetauscht werden (Abschn. 3.5 Abs. 7a Sätze 4 und 5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass -UStAE-; Peltner in BeckOK UStG, 18. Ed. Stand 17.09.2018, § 1 Rn. 50; Robisch in Bunjes, UStG, 17. Aufl. 2018, § 1 Rn. 58 "Vertragsübernahme"; Urteil des erkennenden Senats vom 13.06.2018 7 K 7227/15, EFG 2018, 1300 [FG München 13.09.2018 - 3 K 1868/17], Revision anhängig unter dem Az. XI R 24/18).

    Im Streitfall gab es jedenfalls teilweise vorherige Lieferankündigungen der AC... GmbH per Email und der Ware war jedes Mal ein Lieferschein beigefügt. Die Zeugin hat ferner ausgesagt, dass die Waren im Lager der Klägerin erst dann entgegengenommen wurden, nachdem die Zeugin geklärt hatte, dass die Ware von der AC... GmbH anstelle der AF... GmbH geliefert wurde. Indem die Zeugin als die für den Einkauf Verantwortliche an die Mitarbeiter an der Warenannahme die Zustimmung zur Entgegennahme der Ware gab und die Mitarbeiter sodann die Ware entgegennahmen, hat die Klägerin konkludent der Übertragung des Vertragsverhältnisses zugestimmt. Die Zeugin wusste auch, dass AH... für beide Firmen tätig war. Dies haben die Strafverfahren bestätigt, ebenso die in Angelegenheiten der AC... GmbH an ihn gerichtete, von der Klägerin vorgelegte Email. Letztlich konnte es der Klägerin egal sein, wer ihr die bestellte Ware lieferte. Die mit mehr als ... € Stammkapital ausgestattete AC... GmbH dürfte der Klägerin nicht als schlechtere Lieferantin erschienen sein, zumal bei der Art des Geschäfts kaum mit Gewährleistungseinwänden seitens der Klägerin zu rechnen war und die Ware erst nach Eingang bezahlt wurde. Da AH... Ansprechpartner der Klägerin sowohl bei der AC... GmbH als auch bei der AF... GmbH war und die Zeugin bei unerwarteten Lieferungen der AC... GmbH abgeklärt hatte, dass diese anstelle der AF... GmbH lieferte, musste die Klägerin auch nicht damit rechnen, dass sie mit weiteren gleichartigen Lieferungen der AF... GmbH konfrontiert wurde, zumal sie dieser gegenüber als Großkundin eine starke Stellung hatte.

    Anlass, die Aussagen der Zeugin als unglaubwürdig anzusehen, bestehen nicht. Die Zeugin hat die entsprechenden Fragen ohne Zögern und ohne erkennbare Unsicherheiten und Widersprüche beantwortet. Allein der Umstand, dass es sich bei der Zeugin um eine langjährige leitende Angestellte der Klägerin handelt, lässt ihre Aussage noch nicht als unglaubwürdig erscheinen. Die von der Zeugin geschilderten Abläufe erscheinen zudem als lebensnah und geschäftsüblich. Auch der Beklagte hat keinen Anlass gesehen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Zweifel zu ziehen.

    Es besteht kein Anlass, ein vorgeschobenes Strohmannverhältnis anzunehmen. Die Klägerin hat ab der Vertragsübernahme die Geschäfte in üblicher Weise mit der AC... GmbH abgewickelt, von dieser Lieferdokumente erhalten und die anstehenden Zahlungen an diese geleistet, so dass die Geschäfte tatsächlich und nicht nur zum Schein durchgeführt wurden. Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass die Speditionsbelege oder jedenfalls ein Teil davon die AF... GmbH als Absender auswiesen. Dies weist nur darauf hin, dass die Lieferung im Rahmen eines sog. Reihengeschäfts erfolgt ist, das umsatzsteuerrechtlich als Lieferkette anerkannt ist, was sich schon daraus ergibt, dass nach § 3 Abs. 1 UStG eine Lieferung auch vorliegt, wenn im Auftrag eines Unternehmers (hier: AC... GmbH) ein Dritter (hier: AF... GmbH) den Abnehmer (hier: die Klägerin) befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Dem entsprechend ist es für Reihengeschäfte anerkannt, dass es sich um eine Lieferkette handelt, auch wenn die Ware körperlich nicht in die Sphäre des mittleren Unternehmers (hier: der AC... GmbH) gelangt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 20.06.2018 C-108/17 - Enteco Baltic, MwStR 2018, 704, Rn 87; Bunjes/Leonard, UStG, 17. Aufl. 2018, § 3 Rn 206). Dass die Klägerin nach Anlieferung der Waren in der Lage war, über diese zu verfügen, ist nicht streitig und ist von der Klägerin hinreichend dargelegt worden (Veräußerung an Kunden, die nicht zum Einflussbereich der AC... GmbH oder AF... GmbH gehörten).

    4. Die Überführung der Direktlieferungen in Reihengeschäfte war nicht missbräuchlich, weil auf jeder Stufe Umsatzsteuer entstand und in Rechnung gestellt wurde, die allerdings beim Empfänger zu abzugsfähiger Vorsteuer führt, was systemgerecht ist, weil sie durch die beim Lieferanten entstehende Umsatzsteuer gedeckt ist. Die Umsatzsteuerhinterziehung der AF... GmbH ist davon unabhängig. Diese beruhte auf der fehlenden Belastung der Eingangsleistungen der AF... GmbH und wäre nicht entfallen, wenn die AF... GmbH direkt an die Klägerin geliefert hätte.

    5. Es besteht kein Anlass, der Klägerin den Vorsteuerabzug unter Hinweis auf die unter B. I. 3. und 4.a) dargelegten Grundsätze den Vorsteuerabzug zu versagen.

    a) Nach Aktenlage hat die AC... GmbH die der Klägerin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen erklärt.

    b) Die Klägerin konnte auch nicht erkennen, dass die ihr gegenüber erbrachten Lieferungen (durch die Hinterziehung im Rahmen der Lieferungen an die AF... GmbH) in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen waren. Sowohl nach den Feststellungen des LG AI... als auch nach der Aussage der Zeugin waren die Preise der AC... GmbH und AF... GmbH zwar günstig, jedoch nicht so niedrig, dass sie jegliche Mitbewerber am Markt unterboten. Auch sonst hatte die Klägerin - wie wohl auch der Beklagte anerkennt - keinen Anlass, an der Steuerehrlichkeit der AC... GmbH und der AF... GmbH zu zweifeln (ordnungsgemäße Rechnungen, keine Bargeschäfte, Geschäftslokale, Eintragungen im Handelsregister, Angabe von Steuer-Nrn.).

    Die Übertragung der Geschäfte von der AF... GmbH auf die AC... GmbH musste bei der Klägerin keinen Argwohn erregen. Die Zeugin hat unter Benennung von Beispielen ausgeführt, dass sie in ihrer geschäftlichen Praxis immer wieder mit solchen Gestaltungen konfrontiert wird. Anlass, die Richtigkeit dieser Aussage zu bezweifeln, hat das Gericht nicht. Auch der Beklagte hat solche Zweifel nicht geäußert. Einen Erfahrungssatz, dass hinter der Übertragung von Lieferverträgen auf einen anderen Lieferanten steuerunehrliche Gestaltungen stecken müssen, kann das Gericht nicht erkennen. Dafür kann es viele Gründe geben (mangelnde Verfügbarkeit der Ware beim ursprünglichen Vertragspartner, Vertriebsbindungen durch den Vorlieferanten, der Wunsch, das andere Unternehmen - hier: die AC... GmbH - stärker als Lieferanten der Klägerin zu profilieren usw.). Das LG AI... hat zwar ausgeführt, die Einschaltung der AC... GmbH habe dazu gedient, die Entdeckung der im Vorfeld verwirklichten Steuerhinterziehungen zu erschweren. Dies ist allerdings für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar. Denn nach Aktenlage haben sowohl die AC... GmbH als auch die AF... GmbH die Umsatzsteuer aus den streitigen Geschäften erklärt. Damit hat die AF... GmbH die Umsätze aus diesen Geschäften in gleicher oder ähnlicher Höhe erklärt, wie sie es hätten machen müssen, wenn sie die Lieferungen unmittelbar an die Klägerin ausgeführt hätte. Der Weg der Ware war auch - wie die vorgenommenen Prüfungen zeigen - unschwer für die Prüfer der Finanzverwaltung zu verfolgen. Jedenfalls musste die Klägerin ausgehend von den vorstehenden Erwägungen nicht damit rechnen, dass die Übertragung der Lieferverträge dem Zweck der Verdeckung von Steuerstraftaten diente.

    AN... S.A.R.L.

    III. Zu Unrecht begehrt die Klägerin die Berücksichtigung weiterer steuerbefreiter innergemeinschaftlichen Lieferungen.

    1. Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sind insoweit einerseits die Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 vom 19.03.2014, in denen die streitigen Umsätze als steuerpflichtig behandelt werden, und andererseits der Bescheid vom 03.01.2014, mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass er seit dem 06.10.2010 Kenntnis von der Löschung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. hatte und dies erst am 11.04.2011 der Klägerin mitgeteilt hatte. Da nicht frei von Zweifeln ist, ob dieser Gesichtspunkt im Rahmen der Vertrauensschutzgewährung gemäß § 6a Abs. 4 UStG im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zu prüfen ist oder ob es sich insoweit um einen im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens nach § 163 AO zu prüfenden Gesichtspunkt handelt, war bei der gebotenen rechtsschutzgewährenden Auslegung der Schriftsatz vom 14.10.2013, mit dem die Klägerin diesen Einwand erhoben hat, als Antrag auf Gewährung einer Billigkeitsregelung i.S. des § 163 AO und der die Berücksichtigung weiterer innergemeinschaftlichen Lieferungen ablehnende Schriftsatz des Beklagten vom 03.01.2014 als eine Billigkeitsregelung ablehnender Bescheid auszulegen. Indem die Klägerin am 13.02.2014 innerhalb der nach § 355 Abs. 2 Satz 1 AO laufenden Jahresfrist Einwände gegen die Auffassung des Beklagten dargelegt hat, hat sie fristgerecht gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch eingelegt. Da der Beklagte innerhalb der Einspruchsentscheidung an seiner Auffassung festgehalten hat und auch auf die Relevanz der verzögerten Äußerung des Beklagten eingegangen ist, hat er diesen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

    Die Klägerin hat zwar in ihrer Klageschrift den Ablehnungsbescheid vom 03.01.2014 nicht erwähnt, hatte diesen Schriftsatz jedoch in ihrer Aufstellung im Rahmen ihrer Untätigkeitsklage erwähnt und zudem im Rahmen ihrer Klagebegründung auf die nach ihrer Auffassung verspätete Rückäußerung des Beklagten hingewiesen. Daher ist ihre Klageschrift dahin gehend auszulegen, dass sie sich auch gegen den Ablehnungsbescheid vom 03.01.2014 richtete. Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.07.2018 ausgeführt, dass das Gericht, das in seiner Verfügung vom 04.05.2018 den Ablehnungsbescheid vom 03.01.2014 nicht erwähnt hatte, das Begehren der Klägerin richtig erfasst habe, jedoch hat die Klägerin damit keine abschließende und endgültige Fassung ihres Klageantrags vorgenommen und das bei rechtsschutzgewährender Auslegung weiter gehende Klagebegehren nicht zurückgenommen.

    2. Die streitbefangenen Lieferungen waren nicht nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V. mit § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 UStG steuerbefreit. Nach diesen Vorschriften sind innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet sowie wenn der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Dies steht im Einklang mit Art. 138 Abs. 1 MwStSyStRL, nach dem eine Lieferung erst dann umsatzsteuerfrei ist, wenn der Lieferant nachweist, dass der Liefergegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert wurde und wenn der Gegenstand infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (EuGH, Urteil vom 26.07.2017 C-386/17 - Toridas, DStR 2017, 1819 [BFH 10.05.2017 - II R 25/15], Rn 30). Daran fehlt es im Streitfall, da die streitigen Lieferungen an die AN... S.A.R.L. nach den nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen des Beklagten weder von der Klägerin noch von AN... S.A.R.L. in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, sondern an Abnehmer im Großraum AI... geliefert wurden. Dem entsprechend kam es auch nicht zur Erwerbsbesteuerung bei AN... S.A.R.L. in Luxemburg.

    Die vorliegenden Feststellungen der Steufa-Prüferin reichen aus, um dem Gericht die Überzeugung zu vermitteln, dass die streitige Ware nicht nach Luxemburg gelangt ist. Die Feststellungen stehen im Einklang mit den Feststellungen der Luxemburgischen Steuerverwaltung (keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein der AN... S.A.R.L.), der Aussage der Frau AU..., nach der sie das zur Bezahlung verwendete Bargeld von einem BB... erhalten habe und dem für einen Besteller aus Luxemburg untypischen Liefergut (Bier, das quer durch Deutschland hätte transportiert werden müssen, darunter AI... Lokalmarken). Jedenfalls hat die ausgehend von dem o.g. EuGH-Urteil feststellungsbelastete Klägerin unter den geschilderten Umständen nicht den Nachweis erbracht, dass die von ihr gelieferten Waren im Gefolge der Beförderungen nach Luxemburg gelangt sind.

    3. Der Klägerin ist kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren.

    a) aa) Nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG sind Lieferungen, für die die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, als steuerfrei anzusehen, wenn ein Unternehmer die Lieferung als steuerfrei behandelt hat und die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Während § 6a Abs. 1 UStG die unionsrechtliche Vorschrift des Art. 138 MwStSystRL umsetzt, fehlt für § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG eine ausdrückliche unionsrechtliche Regelung. Sie beruht aber auf allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätzen (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 81. EL Oktober 2017, § 6a Rn 191; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Stand: Lfg. 9/14 - Dezember 2014, E § 6a Tz 224; vgl. auch BFH, Urteil vom 25.04.2013 V R 28/11, BStBl II 2013, 656) und einer gemeinsamen Protokollerklärung von Rat und Kommission (Lippross, Umsatzsteuer, 27. Aufl. 2017, Abschn. 14.6.2.6 a)). Dem entsprechend geht der EuGH (Urteil vom 09.10.2014 C-492/13 - Traum, MwStR 2014, 795 Rn 31 mit Anm. Grube) davon aus, dass es gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstieße, wenn ein Mitgliedstaat, der die Voraussetzungen für die Mehrwertsteuerbefreiung wegen innergemeinschaftlicher Lieferung festgelegt hat, indem er u. a. eine Liste von Unterlagen aufgestellt hat, die den zuständigen Behörden vorzulegen sind, und der die vom Lieferanten als Nachweise für das Recht auf Befreiung vorgelegten Unterlagen zunächst akzeptiert hat, den Lieferanten später zur Zahlung der auf diese Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer verpflichten könnte, wenn sich herausstellt, dass die betreffenden Gegenstände wegen einer vom Erwerber begangenen Steuerhinterziehung, von der der Lieferant weder Kenntnis hatte noch haben konnte, den Liefermitgliedstaat in Wirklichkeit nicht verlassen haben (vgl. auch EuGH, Urteil vom 20.06.2018 C-108/17 - Enteco Baltic, MwStR 2018, 704, Rn 97).

    Die Anforderung, dass der Unternehmer, der sich auf den Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG berufen will, die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hat walten lassen müssen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach es Voraussetzung für die Gewährung des Vertrauensschutzes ist, dass alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen sind, um festzustellen, ob der Lieferant in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (EuGH, Urteil vom 09.10.2014 C-492/13 - Traum, MwStR 2014, 795, Rn 41 f. mit Anm. Grube, die der Auffassung ist, dass § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG mit diesem Urteil vereinbar ist; in diesem Sinne wohl auch Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 81. EL Oktober 2017, § 6a Rn 194 ff.). Zur umfassenden Beurteilung in diesem Sinne gehört nicht nur die Prüfung, ob die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gültig ist (für tendenziell geringe Anforderungen Spatschek/Steinert, DStR 2015, 104). Vielmehr ist es grundsätzlich zumutbar, dass sich der Steuerpflichtige über die vom Erwerber getätigten Äußerungen über seine Verwendungsabsicht hinaus weiterer objektiver Erkenntnismittel bedient (EuGH, Urteil vom 14.06.2017 C-26/16 - Santogal, UR 2017, 539, Rn 73).

    bb) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nur gewahrt, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach § 6 Abs. 3 UStG i.V. mit §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH, Urteile vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188; vom 22.07.2015 V R 23/14, BStBl II 2015, 914; Beschluss vom 29.03.2016 XI B 77/15, BFH/NV 2016, 1181).

    cc) Für die nach dem 05.04.2011 ausgeführten Lieferungen an die AN... S.A.R.L. fehlt es an Verbringungs-/Versandbescheinigungen der Empfängerin. Insoweit scheidet eine Steuerbefreiung (ggf. auch nach § 6a Abs. 4 UStG) mangels der erforderlichen Nachweise aus. Es handelt sich um folgende Beträge:

    07.04.2011   ... €
    08.04.2011   ... €
    08.04.2011   ... €
    08.04.2011   ... €
    08.04.2011   ... €
    11.04.2011   ... €
    11.04.2011   ... €
    12.04.2011   ... €
    Summe   ... €

    dd) Nach § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV muss die Klägerin zudem auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen. Daran fehlt es im Streitfall, da die von der Klägerin für AN... S.A.R.L. aufgezeichnete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Zeitpunkt der streitigen Lieferungen nicht mehr gültig war. Dies spricht dafür, dass die von der Klägerin im Zusammenhang mit den streitbefangenen Lieferungen aufgezeichnete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer i.S. des § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV nicht (mehr) die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. war (in diesemSinne BFH, Beschluss vom 05.02.2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988; Abschn. 6a.7 Abs. 2 Satz 1 UStAE; Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: 159. Lieferung 07.2014, § 6a Rn 765; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Stand: Lfg. 9/14 - Dezember 2014, E § 6a Tz 201 f.; Bunjes/Robisch, UStG, 17. Aufl. 2018, § 6a Rn 85; mit gleicher Tendenz BFH, Urteil vom 10.08.2016 V R 45/15, BStBl II 2018, 501). Unerheblich ist, wenn die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach Ausführung der Leistung gelöscht wird (EuGH, Urteile vom 06.09.2012 C-273/11 - Mecsek Gabona Kft, DStR 2012, 1917 [BFH 29.08.2012 - VIII B 45/12], Rn 62; vom 09.10.2014 C-492/13 - Traum, MwStR 2014, 795, Rn. 36 mit Anm. Grube; BFH, Urteile vom 07.12.2006 V R 52/03, BStBl II 2007, 421 unter II 2 b; vom 08.11.2007 V R 72/05, BStBl II 2009, 55 unter II 1 b). Im Streitfall bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Luxemburgischen Steuerbehörden die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. rückwirkend gelöscht haben.

    Allerdings wird auch vertreten, dass es (jedenfalls für die Gewährung des Vertrauensschutzes gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG) ausreicht, wenn der liefernde Unternehmer zeitnah vor der Ausführung des Umsatzes eine qualifizierte Bestätigung der Gültigkeit der Umsatzsteueridentifikations-Nummer vom BZSt erhalten hat (Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: 159. Lieferung 07.2014, § 6a Rn 848; mit dieser Tendenz auch Senatsurteil vom 04.11.2015 7 K 7283/13, EFG 2016, 1115 - Ungültigwerden der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer am 25.05.2005, nach Abfrage am 20.05.2005, Vertragsschluss am gleichen Tag und Lieferung am 31.05.2015). Andererseits wird vertreten, dass bei wiederholten Lieferungen eine laufend wiederholte Überprüfung erforderlich ist (Bunjes/Robisch, UStG, 17. Aufl. 2018, § 6a Rn 85; mit dieser Tendenz auch Senatsurteil vom 04.11.2015 7 K 7283/13, EFG 2016, 1115). Jedenfalls kommt der Bestätigung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für den Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG eine zentrale Bedeutung zu (BFH, Beschluss vom 02.11.2016 V B 72/16, BFH/NV 2017, 329; ebenso Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 81. EL Oktober 2017, § 6a Rn 201, 207), so dass der BFH den Vertrauensschutz versagt, wenn keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgezeichnet wurde oder die Unrichtigkeit der Angaben im Zeitpunkt der Lieferung durch eine Anfrage nach § 18e UStG erkennbar war (für die letzte Variante zustimmend Weymüller in BeckOK, Stand: 17.09.2018, § 6a Rn 379.1).

    ee) Der BFH ist der Auffassung, dass der Unternehmer alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könne, ergreifen muss, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers sind danach u.a.: Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer oder die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.B. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder inländische Faxadresse bei einem im Ausland ansässigen Abnehmer (BFH, Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407; dem zustimmend BFH, Urteil vom 25.04.2013 V R 28/11, BStBl II 2013, 656 im Hinblick auf Kontakte ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit ausschließlich deutscher Vorwahl; Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 81. EL Oktober 2017, § 6a Rn 206). Allerdings stellt allein der Umstand, dass mit dem Kunden nur elektronisch kommuniziert wurde, keinen den Vertrauensschutz in Frage stellenden Gesichtspunkt dar (EuGH, Urteil vom 20.06.2018 C-108/17 - Enteco Baltic, MwStR 2018, 704, Rn 96).

    Besonders hohe Prüfungsanforderungen bestehen bei Barkäufen, insbesondere durch Beauftragte (BFH, Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407; BMF, Schreiben vom 05.05.2010, IV D 3-S 7141/08/10001, BStBl I 2010, 508, Rn 56; Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 81. EL Oktober 2017, § 6a Rn 205; vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.06.2017 3 V 506/17, juris).

    b) aa) Ausgehend von diesen Kriterien ist der Klägerin für die streitbefangenen Lieferungen kein Vertrauensschutz zu gewähren. Zum Teil fehlt es ohne weiteres an den erforderlichen Belegen (s.o. unter B. III. a) cc)), im Übrigen fehlt es an der Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der Lieferungen gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Jedenfalls bestand für die Klägerin Anlass, unmittelbar vor Ausführung der ersten Lieferung und darüber hinaus erneut in Abständen weniger Wochen Anfragen nach § 18e UStG zu stellen. Diese Abfragen hätten die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. im Zeitpunkt der streitigen Lieferungen ungültig war.

    bb) Anlässe zur Wiederholung der Anfrage nach § 18e UStG vor der ersten Lieferung und erneut wenige Wochen später ergaben sich aus folgenden Umständen: Die AN... S.A.R.L. war eine für die Klägerin neuer Kunde. Die Klägerin nahm keine Unterlagen zu den Akten, die eine über die bloße rechtliche Existenz der AN... S.A.R.L. hinausgehende wirtschaftliche Tätigkeit der AN... S.A.R.L. dokumentierten, wie z.B. Ausdrucke einer Website, Hinweise auf Marktauftritte aus Internetrecherchen, aktuelle Wirtschaftsauskünfte o.ä. Aus den Akten ergibt sich auch sonst nichts dafür, dass die AN... S.A.R.L. der Klägerin als eingeführtes Handelsunternehmen im Bierhandel zwischen Deutschland und Luxemburg erscheinen durfte. Der Umstand, dass der für die AN... S.A.R.L. auftretende AP... jedenfalls z.T. Kommunikationsleistungen deutscher Anbieter nutzte, musste für sich genommen noch kein Misstrauen auslösen, konnte aber andererseits auch kein Vertrauen begründen, dass die AN... S.A.R.L. ihre wirtschaftlichen Absatzaktivitäten ausschließlich in Luxemburg entfaltete. Insbesondere hätte es die Klägerin zur Vorsicht veranlassen müssen, dass schon nach dem ersten Auftrag Massenware in Form von Bier über ca 700 km von Y... nach Luxemburg transportiert werden sollte. Die Zeugin hat im Zusammenhang mit dem Streitkomplex betreffend die D... GmbH glaubwürdig hervorgehoben, dass der Transport von Massenware über solche Entfernungen einen erheblichen Kostenfaktor darstellt. Bei in Norddeutschland (...), Tschechien und Bayern (z.B. ...) gebrauten Bieren ist festzustellen, dass sich der Transport vom Brauort nach Luxemburg durch den Transport über Y... erheblich verlängerte. Im weiteren Verlauf der Lieferbeziehung (ab 20.07.2010) verstärkten sich die Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten noch dadurch, dass neben deutschlandweit und international verbreiteten Marken häufig AI... Lokalmarken wie ... Pilsener und ... Pils geliefert wurden. Es ist gerichtsbekannt, dass diese Marken außerhalb der Länder AI... und Brandenburg keine nennenswerte Marktpräsenz haben, erst recht nicht im westeuropäischen Ausland. Dem dahin gehenden Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nicht widersprochen. Sie hat auch auf die Auflagen vom 04.05.2018 und 13.07.2018 keine vergleichbaren Lieferungen AI... Lokalmarken über ähnliche Distanzen vorgetragen.

    Damit weicht der Senat nicht von seinem Urteil vom 04.11.2015 7 K 7283/13 (EFG 2016, 1115) ab, da dort die Abfrage der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer am Tag des Vertragsschlusses und die Lieferung 11 Tage später erfolgte. Zudem lagen insoweit nach den Gesamtumständen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ware nicht in den vereinbarten Bestimmungsstaat gelangen sollte.

    Unter diesen Umständen hätte es auch nahegelegen, dass die Klägerin sich - wie bei den Lieferungen an die M... B.V. - Kopien der Frachtbriefe zukommen ließ, die über die Bestätigungen des AP... als Vertreter der AN... S.A.R.L. hinaus Bekundungen Dritter über den Verbleib der Ware enthalten hätten. Daran fehlt es.

    Nach der ersten Lieferung gab ferner die Barzahlung durch die in einem nicht erkennbarenZusammenhang zur AN... S.A.R.L. stehende Frau AU... einen weiteren Anlass zu Misstrauen.

    Der mit der Anbahnung des Geschäfts (wenn auch nach ihrer Aussage nur vertretungsweise) befassten Zeugin war auch - wie sie bekundet hat - bewusst, dass es für die Abwicklung innergemeinschaftlicher Lieferungen einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bedurfte. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Geschäftsleitung der Klägerin die mit der Anbahnung und Abwicklung von innergemeinschaftlichen Lieferungen befassten Mitarbeiter dafür sensibilisiert hat, dass sie bei untypischen, nach ihrem wirtschaftlichen Sinn zweifelhaften Vertragsgestaltungen in Umsatzsteuerhinterziehungen verstrickt werden kann und dass es dies zu vermeiden gilt.

    cc) Demgegenüber entlastet es die Klägerin nicht, dass AP... als Vertreter der AN... S.A.R.L. auf den von ihm erteilten Bestätigungen auf den VBD stets die Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Erhalt der Ware in Luxemburg bestätigte. Es liegt auf der Hand, dass ein Abnehmer ein Interesse daran haben kann, gesetzeswidrig Lieferungen ohne Vorsteuerbelastung zu erhalten.

    Der Klägerin ist einzuräumen, dass die Abholung von Ware durch denselben Fahrer und/oder LKW am selben oder an zwei aufeinanderfolgende Tage im Alltag des Massengeschäfts nicht hätte auffallen müssen. Die Verwendung eines veralteten Stempels und kleinere Ungereimtheiten bei Daten geben jedenfalls für sich genommen auch keinen Anlass zum Misstrauen. Die unter B. III. 3. b) cc) genannten Umstände gaben jedoch ausreichend Anlass, vor der ersten Lieferung und danach im Abstand weniger Wochen Anfragen nach § 18e UStG zu stellen und Frachtbriefkopien anzufordern.

    c) Der Umstand, dass der Beklagte die Klägerin über Monate in Unkenntnis über die ihm bekannte Löschung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der AN... S.A.R.L. gelassen hat, gibt ebenfalls keinen Anlass, der Klägerin den begehrten Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren.

    Zwar hat der EuGH es im Urteil vom 14.06.2017 C-26/16 - Santogal (UR 2017, 539, Rn 75; ähnlich EuGH, Urteil vom 20.06.2018 C-108/17 - Enteco Baltic, MwStR 2018, 704, Rn 97; Streit/Schwarz, NWB 2017, 3632 [3637]) für möglich gehalten, dass bei der Frage, ob Vertrauensschutz zu gewähren ist, auch das Verhalten der Finanzbehörden zu berücksichtigen ist, insbesondere, ob die Behörden ihnen vorgelegte Unterlagen zunächst akzeptiert haben. Gleichwohl ist es unerheblich, dass der Beklagte zunächst nicht auf den Schriftsatz der Klägerin vom 01.09.2010 (und nachfolgende Schriftsätze) reagiert und zudem den Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Klägerin zugestimmt bzw. diese nicht beanstandet hat. Denn der EuGH setzt voraus, dass der Steuerpflichtige von dem vom Erwerber begangenen Steuerbetrug keine Kenntnis haben konnte. Daran fehlt es im Streitfall, da die Klägerin bei Durchführung der gebotenen Antragen nach § 18e UStG von der Ungültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und damit von den fehlenden Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung Kenntnis erlangt hätte.

    Zudem liegt die Pflichtverletzung durch die Klägerin zeitlich vor der von ihr behaupteten Pflichtverletzung durch den Beklagten, so dass es bei Wahrnehmung der gebotenen Sorgfalt durch die Klägerin der Ermittlungshandlungen durch den Beklagten nicht bedurft hätte. Durch die Schaffung des Auskunftsanspruchs nach § 18e UStG hat der Gesetzgeber geregelt, dass dieses Instrument von den Teilnehmern des innergemeinschaftlichen Handels vorrangig zu nutzen ist, um eine zuverlässige Abwicklung innergemeinschaftlicher Lieferungen zu gewährleisten. Ein Steuerpflichtiger, wie die Klägerin, der dieses Instrument nicht nutzt, kann nicht darauf vertrauen, dass eine von ihm in Anspruch genommene Finanzbehörde an seiner Stelle diese ihm mögliche und zumutbare Recherche übernimmt und ihm das Ergebnis dieser Recherche zeitnah mitteilt.

    Dem entsprechend ist auch nicht zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass diese nach ihrem Vortrag auf ihre Zusammenfassende Meldung vom 10.11.2010 für das III. Quartal 2010 keine Fehlermeldung vom BZSt erhalten hat.

    Schließlich kann sich ein Steuerpflichtiger, der so große Zweifel daran hat, ob sein Abnehmer "sauber" ist, dass er eigens eine Anzeige beim Finanzamt macht, nicht auf die Auffassung zurückziehen, mit der Anzeige habe er alles Nötige getan und die Geschäfte mit diesem Abnehmer fortsetzen.

    Würde man abweichend von der Auffassung des Gerichts das Verhalten des Beklagten als relevant ansehen, käme ein Vertrauensschutz ohnehin nur für die ab dem 11.10.2010 (Montag nach dem 06.10.2010 im Hinblick auf die potentielle Postlaufzeit) durchgeführten Lieferungen in Betracht.

    4. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO kann die Klägerin aus den vorstehenden Gründen nicht beanspruchen. Die vom Beklagten angestellten Erwägungen decken sich damit in den wesentlichen Zügen, so dass kein Ermessensfehler i.S. des § 102 FGO vorliegt.

    B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Quote    
    Antrag    
    2009   ... €
    2010    
    Umsätze ... €  ... €
    Vorsteuer   ... €
    2011 ... €  ... €
    Summe   ... €
    Obsiegen  47% ... €

    C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 2 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

    D. Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es die streiterheblichen Fragen nicht in vollem Umfang als höchstrichterlich geklärt ansieht.

    RechtsgebieteAO, UStGVorschriften§ 163 AO; § 6a Abs. 4 UStG

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