09.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208202
Landgericht Berlin: Beschluss vom 22.08.2018 – 536 Qs 22/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LG Berlin
36. Große Strafkammer
22.08.2018
536 Qs 22/18
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018wird auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
I.
1
Die Staatsanwaltschaft Berlin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 04.06.2018, eingegangen am 06.06.2018, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018, der Staatsanwaltschaft Berlin zugestellt am 01.06.2018, mit welchem das Gericht das gegen den Angeklagten geführte Verfahren gemäß § 206a StPO eingestellt hatte.
2
Hintergrund ist ein gegen den Angeklagten geführtes Strafverfahren wegen Hinterziehung von Einkommensteuer. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002, 2005 und 2006 jeweils Einkünfte aus Kapitalerträgen, die er im Ausland generiert habe, nicht angegeben zu haben. Im Zusammenhang mit den Einkommensteuerbescheiden vom 19.02.2004 (betreffend den Veranlagungszeitraum 2002), vom 28.12.2006 (betreffend den Veranlagungszeitraum 2005) sowie vom 13.08.2007 (betreffend den Veranlagungszeitraum 2006) seien vor diesem Hintergrund jeweils unzutreffende – jedoch als Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 AO gleichwohl bindende - Feststellungsbescheide gemäß § 10d Abs. 4 EStG hinsichtlich der verbleibenden Verlustvorträge ergangen. Diese seien erstmals im Rahmen des Einkommensteuerbescheides vom 17.06.2014 betreffend den Veranlagungszeitraum 2012 berücksichtigt worden.
3
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin sah die Taten als verjährt an und stellte das Verfahren gemäß § 206a StPO ein. Dabei stellte das Amtsgericht Tiergarten darauf ab, dass die verfahrensgegenständlichen Taten bereits mit der Bekanntgabe der jeweiligen Feststellungsbescheide beendet seien, sodass die Verjährung ab diesem Zeitpunkt beginne. Ausgehend hiervon seien die Taten am 21.04.2009, 30.12.2011 bzw. am 15.08.2012 verjährt.
4
Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018 Bezug genommen.
II.
5
1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin ist zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig erhoben, § 311 Abs. 2 StPO. Soweit der Angeklagte eine unzulässige Rechtsausübung rügt, kann er hiermit nicht durchdringen, nachdem sich für eine solche im Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte ergeben.
6
2. Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018 war aufzuheben, da die verfahrensgegenständlichen Taten nicht verjährt sind.
7
Soweit sie nicht der Regelung des § 376 Abs. 1 AO unterliegen, verjähren Taten der Steuerhinterziehung nach fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der Tat, § 78a StGB.
8
a) Die Frage, ob die Steuerhinterziehung bereits durch das Erwirken des unzutreffenden Verlustfeststellungsbescheides gemäß § 10d Abs. 4 EStG beendet ist, wird unterschiedlich beantwortet.
9
So wird in früherer, vereinzelt gebliebener Literatur vertreten, dass in diesen Fällen die Strafverfolgungsverjährung mit der Bekanntgabe des Verlustfeststellungsbescheides zu laufen beginne, da aus der nachfolgenden – auf Grundlage der Verlustfeststellung ergehenden – ungerechtfertigten Einkommensteuerminderung keine erneute Rechtsgutbeeinträchtigung folge (von Briel, Steueranwaltsmagazin 2006, 115, 118).
10
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und weit überwiegende Ansicht in der Literatur argumentiert hingegen für einen Verjährungsbeginn erst mit Bekanntgabe des Folgebescheides – d.h. des den unrichtig festgesetzten Verlustvortrag berücksichtigenden Einkommensteuerbescheides – und bringt hierfür vor, dass erst zu diesem Zeitpunkt der mit dem unrichtigen Grundlagenbescheid eingetretene ungerechtfertigte Steuervorteil in einen tatsächlichen Schaden im Sinne einer Steuerverkürzung umschlage (vgl. Bülte in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 248. Lieferung, Stand 06/2018, § 376 AO Rn. 78). Erst mit dieser Umsetzung des Feststellungsbescheides trete mithin der materielle Taterfolg ein (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Auflage, 2015, § 376 Rn. 33).
11
Der Bundesgerichtshof spricht in inhaltlicher Übereinstimmung hiermit davon, dass die mit den Folgebescheiden erwirkte Steuerverkürzung einen (im Verhältnis zu dem mit dem Grundlagenbescheid hervorgerufenen nicht gerechtfertigten Steuervorteil) "weitergehenden Taterfolg" darstelle, auf welchen zur Bestimmung des Beginns der Verfolgungsverjährung abzustellen sei (BGH NJW 2009, 381, 384). Bereits in einer vorausgegangenen Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass nicht schon die Bekanntgabe des Feststellungsbescheides zur Tatbeendigung im Sinne des § 78a StGB führe, sondern bei Veranlagungssteuern insoweit auf die Zustellung des Folgebescheides abzustellen sei (BGH NStZ 1984, 414 m. Anm. Streck).
12
b) Dieser zuletzt genannten, vorzugswürdigen Auffassung folgt die Kammer.
13
Zwar lagen beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes Grundlagenbescheide nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AO zugrunde, mit welchen die gesonderte Feststellung von einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften und mit ihnen in Zusammenhang stehender anderer Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer Kommanditgesellschaft erfolgt war. Die dort formulierten Grundsätze sind jedoch auf den vorliegenden Fall der Feststellung des Verlustvortrages im Sinne des § 10d Abs. 4 EStG zu übertragen, zumal auch in diesem Fall ein für die Folgeentscheidung bindender Grundlagenbescheid (§ 170 Abs. 10 AO i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 Hs. 2 EStG) gegeben ist (so auch Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Auflage, 2017, § 376 AO Rn. 34- 35).
14
Der Umstand, dass das Abstellen auf die mit dem Folgebescheid eintretende Steuerverkürzung den Beendigungszeitpunkt ggf. weit in die Zukunft verlagert, ist der Systematik des Steuerrechts geschuldet. Hierin liegt auch weder eine Unbilligkeit noch ein Widerspruch zum Gedanken der Herstellung von Rechtsfrieden durch Verfolgungsverjährung. Es kann nicht derjenige Täter besser gestellt werden, der den tatbestandlichen Erfolg erst in ferner Zukunft herbeiführt. Vielmehr ist für alle in gleicher Weise auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Taterfolg eintritt. Profitiert der Täter zu einem späteren Zeitpunkt von der kausal durch ihn herbeigeführten Steuerverkürzung, fordert auch der Gesetzeszweck der Herbeiführung von Rechtsfrieden nicht die Annahme einer Strafverfolgungsverjährung.
15
Gegen einen Verjährungsbeginn erst mit Bekanntgabe des - auf den Verlustfeststellungsbescheid folgenden - Einkommensteuerbescheides spricht auch nicht die Tatsache, dass dies in Fällen, in denen sich der Verlustvortrag - aufgrund in den folgenden Veranlagungszeiträumen ausbleibender Gewinne - nicht auswirkt, zu einer faktischen "Unverjährbarkeit" führt (vgl. Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Auflage, 2017, § 376, AO Rn. 35; Hauer in BeckOK AO, Stand: 01.07.2018, § 376, Rn. 74; Dallmeyer, ZStW 2012, 711, 724), denn der endgültige Taterfolg liegt erst in der mit dem Folgebescheid eintretenden Steuerverkürzung. Erst zu diesem Zeitpunkt, in dem der ursprüngliche unrichtige, aber gleichwohl für die Folgeentscheidung bindende Grundlagenbescheid seine Umsetzung im Folgebescheid findet, ist die Tat im Sinne des § 78a StGB tatsächlich beendet.
16
17
Die Rechtsprechung, wonach die Beendigung der Tat nicht allein an die weitere Verwirklichung tatbestandlich umschriebener Merkmale der Straftat nach deren Vollendung anknüpft, sondern bei vorverlagerten Vollendungszeitpunkt maßgeblich darauf abgestellt wird, ob die späteren Teilakte das materielle Unrecht der Tat vertiefen, weil sie den Angriff auf das Rechtsgut perpetuieren oder intensivieren, hat der BGH zuletzt erneut bestätigt (vgl. BGH vom 14. März 2016 zu 1 StR 337/15).
18
Soweit sich der Angeklagte darauf bezieht, dass diese Auffassung im Einzelfall dazu führe, dass der Verjährungsbeginn von einer Vielzahl von Unwägbarkeiten abhängig sei, führt dies nicht zu einer anderen Einschätzung. Für die Frage des Verjährungsbeginns ist hier vielmehr allein auf den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges an sich abzustellen. Dies kommt – worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist – in der Regelung des § 78a Satz 2 StGB zum Ausdruck, der belegt, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass ein tatbestandlicher Erfolg später eintreten kann, berücksichtigt hat. Insoweit vermag der Angeklagte auch mit dem Vortrag, dass die niedrige Höhe der angeklagten Steuerschäden Berücksichtigung zu finden habe, nicht durchzudringen, da die Höhe des Schadens den Beginn der Strafverfolgungsverjährung nicht berührt.
19
c) Ausgehend hiervon erfolgte die Tatbeendigung erst mit der Bekanntgabe (§ 122 AO) des Einkommensteuerbescheides vom 17.06.2014, sodass unter Zugrundelegung der fünfjährigen Verjährungsfrist eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist.
20
Zu der – vom Angeklagten begehrten - Entscheidung nach § 398 AO ist die Kammer nicht berufen.
21
3. Das Verfahren war nach allem zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, da dies der verfahrensabschließenden Entscheidung vorbehalten ist - zu befinden.
36. Große Strafkammer
22.08.2018
536 Qs 22/18
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018wird auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
I.
1
Die Staatsanwaltschaft Berlin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 04.06.2018, eingegangen am 06.06.2018, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018, der Staatsanwaltschaft Berlin zugestellt am 01.06.2018, mit welchem das Gericht das gegen den Angeklagten geführte Verfahren gemäß § 206a StPO eingestellt hatte.
2
Hintergrund ist ein gegen den Angeklagten geführtes Strafverfahren wegen Hinterziehung von Einkommensteuer. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002, 2005 und 2006 jeweils Einkünfte aus Kapitalerträgen, die er im Ausland generiert habe, nicht angegeben zu haben. Im Zusammenhang mit den Einkommensteuerbescheiden vom 19.02.2004 (betreffend den Veranlagungszeitraum 2002), vom 28.12.2006 (betreffend den Veranlagungszeitraum 2005) sowie vom 13.08.2007 (betreffend den Veranlagungszeitraum 2006) seien vor diesem Hintergrund jeweils unzutreffende – jedoch als Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 AO gleichwohl bindende - Feststellungsbescheide gemäß § 10d Abs. 4 EStG hinsichtlich der verbleibenden Verlustvorträge ergangen. Diese seien erstmals im Rahmen des Einkommensteuerbescheides vom 17.06.2014 betreffend den Veranlagungszeitraum 2012 berücksichtigt worden.
3
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin sah die Taten als verjährt an und stellte das Verfahren gemäß § 206a StPO ein. Dabei stellte das Amtsgericht Tiergarten darauf ab, dass die verfahrensgegenständlichen Taten bereits mit der Bekanntgabe der jeweiligen Feststellungsbescheide beendet seien, sodass die Verjährung ab diesem Zeitpunkt beginne. Ausgehend hiervon seien die Taten am 21.04.2009, 30.12.2011 bzw. am 15.08.2012 verjährt.
4
Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018 Bezug genommen.
II.
5
1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin ist zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig erhoben, § 311 Abs. 2 StPO. Soweit der Angeklagte eine unzulässige Rechtsausübung rügt, kann er hiermit nicht durchdringen, nachdem sich für eine solche im Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte ergeben.
6
2. Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 29.05.2018 war aufzuheben, da die verfahrensgegenständlichen Taten nicht verjährt sind.
7
Soweit sie nicht der Regelung des § 376 Abs. 1 AO unterliegen, verjähren Taten der Steuerhinterziehung nach fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der Tat, § 78a StGB.
8
a) Die Frage, ob die Steuerhinterziehung bereits durch das Erwirken des unzutreffenden Verlustfeststellungsbescheides gemäß § 10d Abs. 4 EStG beendet ist, wird unterschiedlich beantwortet.
9
So wird in früherer, vereinzelt gebliebener Literatur vertreten, dass in diesen Fällen die Strafverfolgungsverjährung mit der Bekanntgabe des Verlustfeststellungsbescheides zu laufen beginne, da aus der nachfolgenden – auf Grundlage der Verlustfeststellung ergehenden – ungerechtfertigten Einkommensteuerminderung keine erneute Rechtsgutbeeinträchtigung folge (von Briel, Steueranwaltsmagazin 2006, 115, 118).
10
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und weit überwiegende Ansicht in der Literatur argumentiert hingegen für einen Verjährungsbeginn erst mit Bekanntgabe des Folgebescheides – d.h. des den unrichtig festgesetzten Verlustvortrag berücksichtigenden Einkommensteuerbescheides – und bringt hierfür vor, dass erst zu diesem Zeitpunkt der mit dem unrichtigen Grundlagenbescheid eingetretene ungerechtfertigte Steuervorteil in einen tatsächlichen Schaden im Sinne einer Steuerverkürzung umschlage (vgl. Bülte in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 248. Lieferung, Stand 06/2018, § 376 AO Rn. 78). Erst mit dieser Umsetzung des Feststellungsbescheides trete mithin der materielle Taterfolg ein (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Auflage, 2015, § 376 Rn. 33).
11
Der Bundesgerichtshof spricht in inhaltlicher Übereinstimmung hiermit davon, dass die mit den Folgebescheiden erwirkte Steuerverkürzung einen (im Verhältnis zu dem mit dem Grundlagenbescheid hervorgerufenen nicht gerechtfertigten Steuervorteil) "weitergehenden Taterfolg" darstelle, auf welchen zur Bestimmung des Beginns der Verfolgungsverjährung abzustellen sei (BGH NJW 2009, 381, 384). Bereits in einer vorausgegangenen Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass nicht schon die Bekanntgabe des Feststellungsbescheides zur Tatbeendigung im Sinne des § 78a StGB führe, sondern bei Veranlagungssteuern insoweit auf die Zustellung des Folgebescheides abzustellen sei (BGH NStZ 1984, 414 m. Anm. Streck).
12
b) Dieser zuletzt genannten, vorzugswürdigen Auffassung folgt die Kammer.
13
Zwar lagen beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes Grundlagenbescheide nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AO zugrunde, mit welchen die gesonderte Feststellung von einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften und mit ihnen in Zusammenhang stehender anderer Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer Kommanditgesellschaft erfolgt war. Die dort formulierten Grundsätze sind jedoch auf den vorliegenden Fall der Feststellung des Verlustvortrages im Sinne des § 10d Abs. 4 EStG zu übertragen, zumal auch in diesem Fall ein für die Folgeentscheidung bindender Grundlagenbescheid (§ 170 Abs. 10 AO i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 Hs. 2 EStG) gegeben ist (so auch Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Auflage, 2017, § 376 AO Rn. 34- 35).
14
Der Umstand, dass das Abstellen auf die mit dem Folgebescheid eintretende Steuerverkürzung den Beendigungszeitpunkt ggf. weit in die Zukunft verlagert, ist der Systematik des Steuerrechts geschuldet. Hierin liegt auch weder eine Unbilligkeit noch ein Widerspruch zum Gedanken der Herstellung von Rechtsfrieden durch Verfolgungsverjährung. Es kann nicht derjenige Täter besser gestellt werden, der den tatbestandlichen Erfolg erst in ferner Zukunft herbeiführt. Vielmehr ist für alle in gleicher Weise auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Taterfolg eintritt. Profitiert der Täter zu einem späteren Zeitpunkt von der kausal durch ihn herbeigeführten Steuerverkürzung, fordert auch der Gesetzeszweck der Herbeiführung von Rechtsfrieden nicht die Annahme einer Strafverfolgungsverjährung.
15
Gegen einen Verjährungsbeginn erst mit Bekanntgabe des - auf den Verlustfeststellungsbescheid folgenden - Einkommensteuerbescheides spricht auch nicht die Tatsache, dass dies in Fällen, in denen sich der Verlustvortrag - aufgrund in den folgenden Veranlagungszeiträumen ausbleibender Gewinne - nicht auswirkt, zu einer faktischen "Unverjährbarkeit" führt (vgl. Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Auflage, 2017, § 376, AO Rn. 35; Hauer in BeckOK AO, Stand: 01.07.2018, § 376, Rn. 74; Dallmeyer, ZStW 2012, 711, 724), denn der endgültige Taterfolg liegt erst in der mit dem Folgebescheid eintretenden Steuerverkürzung. Erst zu diesem Zeitpunkt, in dem der ursprüngliche unrichtige, aber gleichwohl für die Folgeentscheidung bindende Grundlagenbescheid seine Umsetzung im Folgebescheid findet, ist die Tat im Sinne des § 78a StGB tatsächlich beendet.
16
Darüber hinaus dürfte eine tatsächliche Unverjährbarkeit aufgrund des Umstandes, dass der festgestellte Verlustvortrag zu keinem Zeitpunkt Wirkung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer entfaltet, die Ausnahme darstellen. Lange Verjährungszeiten sind indessen dem Wirtschaftsstrafrecht nicht fremd. So beginnt etwa die Verjährung von Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten erst mit dem Entfallen der Handlungspflicht, welche – je nach Fallkonstellation – zum Teil erst mit der Verjährung der Beitragsschuld nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gegeben ist. Insoweit ist bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden ist, vorgesehen.
Die Rechtsprechung, wonach die Beendigung der Tat nicht allein an die weitere Verwirklichung tatbestandlich umschriebener Merkmale der Straftat nach deren Vollendung anknüpft, sondern bei vorverlagerten Vollendungszeitpunkt maßgeblich darauf abgestellt wird, ob die späteren Teilakte das materielle Unrecht der Tat vertiefen, weil sie den Angriff auf das Rechtsgut perpetuieren oder intensivieren, hat der BGH zuletzt erneut bestätigt (vgl. BGH vom 14. März 2016 zu 1 StR 337/15).
18
Soweit sich der Angeklagte darauf bezieht, dass diese Auffassung im Einzelfall dazu führe, dass der Verjährungsbeginn von einer Vielzahl von Unwägbarkeiten abhängig sei, führt dies nicht zu einer anderen Einschätzung. Für die Frage des Verjährungsbeginns ist hier vielmehr allein auf den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges an sich abzustellen. Dies kommt – worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist – in der Regelung des § 78a Satz 2 StGB zum Ausdruck, der belegt, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass ein tatbestandlicher Erfolg später eintreten kann, berücksichtigt hat. Insoweit vermag der Angeklagte auch mit dem Vortrag, dass die niedrige Höhe der angeklagten Steuerschäden Berücksichtigung zu finden habe, nicht durchzudringen, da die Höhe des Schadens den Beginn der Strafverfolgungsverjährung nicht berührt.
19
c) Ausgehend hiervon erfolgte die Tatbeendigung erst mit der Bekanntgabe (§ 122 AO) des Einkommensteuerbescheides vom 17.06.2014, sodass unter Zugrundelegung der fünfjährigen Verjährungsfrist eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist.
20
Zu der – vom Angeklagten begehrten - Entscheidung nach § 398 AO ist die Kammer nicht berufen.
21
3. Das Verfahren war nach allem zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, da dies der verfahrensabschließenden Entscheidung vorbehalten ist - zu befinden.
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