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  • 12.02.2019 · IWW-Abrufnummer 207128

    Sozialgericht Landshut: Urteil vom 31.07.2018 – S 1 R 5060/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Sozialgericht Landshut

    Urt. v. 31.07.2018

    Az.: S 1 R 5060/17

    Tenor:

    I. Der Bescheid vom 15.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2017 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte die Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die Umlagebeträge und die Säumniszuschläge auf der Grundlage einer fingierten Nettoarbeitsentgeltvereinbarung i.S. von § 14 Abs.2 Satz 2 SGB IV ermittelt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    II. Die Beklagte hat 1/4, die Klägerin 3/4 der Verfahrenskosten zu tragen.

    III. Der Streitwert wird auf EUR 14.571,00 festgesetzt.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Beklagte von der Klägerin zu Recht die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 14.571,86 Euro (inklusive 2.677 Euro Säumniszuschläge) wegen der Tätigkeit des E. D. (im Folgenden: Beigeladener) im Zeitraum vom 1.08.2014 bis 30.06.2015 fordert.

    Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen, der Beigeladene hat für sie im streitgegenständlichen Zeitraum auf verschiedenen Baustellen in B. A. und K. Eisenflechterarbeiten ausgeführt. Für die erbrachten Leistungen stellte der Beigeladene der Klägerin in ungefähr zweiwöchigem Abstand Rechnungen, bei denen er nach dem Gewicht des verbauten Bewehrungsstahls abrechnete (250 bzw. 275 Euro pro Tonne). Weiterer Auftraggeber im streitgegenständlichen Streitraum war Herr D. H ... Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin liegt nicht vor.

    Der Beigeladene hat nach seinen Angaben ein Gewerbe als Eisenflechter angemeldet, eigene Angestellte hatte er zum damaligen Zeitpunkt nicht.

    Bei seiner Vernehmung durch das Hauptzollamt (HZA) am 10.03.2016 gab der Beigeladene an, er habe das Eisen anhand der ihm vorgelegten Pläne verarbeitet, den Kran der Klägerin habe er kostenlos benutzen dürfen. Vom Vorarbeiter der Klägerin sei ihm gesagt worden, welche Arbeiten am jeweiligen Tag anstehen würden. Arbeitsbeginn sei regelmäßig 7.00 Uhr bzw. 7.30 Uhr gewesen. Er habe dann gearbeitet "bis die Sache fertig war", es sei gelegentlich auch 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr geworden. Im Krankheitsfalle erhalte er kein Geld. Falls er einen Auftrag nicht erledigen könne, könne er nicht eigenmächtig andere schicken, er könne aber Vorschläge machen. Er habe eine eigene Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Er mache keine Werbung, sondern lebe von "Mund-zu-Mund-Propaganda". Konventionalstrafen seien nicht vereinbart, er sei bis jetzt immer pünktlich fertig geworden.

    Insgesamt stellte der Beigeladene der Klägerin für die Zeit vom 30.07.2014 bis Juni 2015 35.431,55 Euro in Rechnung. Laut Briefkopf auf den Rechnungen tritt der Beigeladene unter der Bezeichnung "Firma E. D. - Stahlverlegung/Eisenflechter" auf. Die Rechnungen enthalten jeweils den Hinweis: "Die Umsatzsteuer für umsatzpflichtige Werkleistungen schuldet der Auftraggeber nach § 13 b UStG".

    Gestützt auf die Ermittlungsergebnisse des HZA führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, als deren Ergebniss sie mit Bescheid vom 15.05.2017 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 14.571,86 Euro (inclusive Säumniszuschläge) feststellte.

    Die Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin sei im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. In der ausgeübten Beschäftigung bestehe nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs.1 SGB III Versicherungs- und Beitragspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. In der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze keine Beitragspflicht.

    Folgende Merkmale sprächen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen: - Typische Arbeitnehmertätigkeit als Eisenflechter - Keine eigenen Geschäftsräume - Kein Dienst- oder Werkvertrag - Keine eigenen Arbeitnehmer - Keine Gewährleistungspflicht - Kein Unternehmerrisiko - Arbeitsanweisungen, -kontrolle und -abnahme durch den Betriebsinhaber bzw. Vorarbeiter - Eingliederung in die Betriebsabläufe der Firma - Material und teilweise Arbeitsgeräte wurden kostenlos gestellt - Vorbereitungen zum Eisen verlegen durch die Klägerin - Es wurde ausschließlich die Arbeitskraft zur Verfügung gestellt - Tätigkeit wurde höchstpersönlich ausgeübt - Keine Werbung
    Merkmale für eine selbständige Tätigkeit seien: - Gewerbeanmeldung - Eigene Betriebshaftpflichtversicherung - Eigene, kleinere Werkzeuge - Honorar pro verarbeiteter Tonne Eisen - Möglichkeit, Aufträge abzulehnen - Keine Lohnfortzahlung bei Krankheit - Kein Urlaubsanspruch
    Der Beigeladene sei weder persönlich noch sachlich unabhängig gewesen und habe demzufolge auch keine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Mit Urteil vom 02.12.2008 (1 StR 416/08) habe der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass bei Beitragshinterziehung durch Schwarzarbeit immer von einer Nettolohnabrede auszugehen sei und der gezahlte Schwarzlohn nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf einen Bruttolohn hochzurechnen sei, aus dem die hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen seien.

    Wegen der Nichtabführung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge seien auch Säumniszuschläge zu entrichten. Bei der Beschäftigung eines Arbeitnehmers unter dem Deckmantel einer selbständigen Tätigkeit erfolge die Nichtabführung der Beiträge vorsätzlich bzw. mit bedingtem Vorsatz. Unverschuldete Unkenntnis im Sinne des § 24 Abs.2 SGB IV könne nicht geltend gemacht werden.

    Der hiergegen von der Klägerin erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2017 zurückgewiesen. Ergänzend wird im Widerspruchsbescheid ausgeführt: Der Umstand, dass in der Vergangenheit angebliche selbständige Tätigkeiten des Herrn D. nicht beanstandet worden seien, sei für die Beurteilung unerheblich, da es sich bei jeder Betriebsprüfung nur um eine Stichprobenprüfung handle und aus Prüfungen bei anderen Firmen ohne Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse generell kein Vertrauensschutz abgeleitet werden könne. Jedes einzelne Beschäftigungsverhältnis sei stets getrennt zu beurteilen. Das deutsche Recht kenne den Typus des universellen Selbständigen nicht.

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage.

    In ihrer Klagebegründung vom 19.02.2018 widersprach die Klägerin der Feststellung, Herr D. habe eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen und es habe eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin gegeben. Als Eisenflechter sei Herr D. gezwungen, auf Baustellen zu arbeiten, um seinen werkvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Dass im Rahmen eines arbeitsteiligen Bauprojekts durch den Auftraggeber gewisse Vorgaben gemacht werden müssen, liege auf der Hand. Mit Weisungen im Sinne eines Arbeitnehmerverhältnisses sei dies nicht gleichzusetzen. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung sei die Vergütung von dem tatsächlich erreichten Erfolg (vorliegend nach Tonnen verarbeiteten Materials) abhängig gewesen. Die arbeitsteilige Nutzung von Betriebsmittel bzw. Baumaterial sei allein den wirtschaftlichen Gepflogenheiten der Baubranche geschuldet. Herr D. trage auch ein erhebliches Unternehmerrisiko, da er bei Krankheit nicht weiterbezahlt werde.

    Auch während der Tätigkeit für die Klägerin sei Herr D. selbständig für zwei private Auftraggeber tätig gewesen. Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 19.02.2018 sowie auf die Widerspruchsbegründung vom 02.03.2017 Bezug genommen.

    In ihrer Klageerwiderung vom 13.03.2018 wiederholte die Beklagte im Wesentlichen ihre im angefochtenen Bescheid niedergelegte Rechtsauffassung. Herr D. sei bei der Ausübung seiner Tätigkeit sowohl personell als auch materiell auf die Klägerin angewiesen gewesen. Ohne die Arbeitsorganisationen und Arbeitsmittel der Klägerin hätte er seine Arbeiten nicht verrichten können. Er habe insoweit in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Klägerin gestanden und sei in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen.

    Für ihn habe auch nie die Gefahr bestanden, seine Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen. Ein Selbständiger trage hingegen nicht nur das Risiko, dass die eigene Arbeit nicht bezahlt werde, sondern darüber hinaus auch das Risiko, dass eine unvorhergesehene Verzögerung oder eine Erhöhung von Materialpreisen oder sonstigen Kosten eine Minderung des Gewinns zur Folge hat.

    Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Antrag, den Bescheid vom 15.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2017 aufzuheben.

    Die Beklagtenvertreterin stellte den Antrag,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beigeladene schloss sich dem Antrag der Klägerin an. Die Beigeladenen zu 2) bis 4) waren in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten, sie hatten auch schriftsätzlich keine Anträge gestellt.

    Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig; sie ist jedoch nur zum Teil begründet. Nach Auffassung der Kammer ist die Beklagte zwar zu Recht von einer Beschäftigung des Beigeladenen ausgegangen mit der Folge, dass die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge nachzuentrichten hat. Auch die Erhebung von Säumniszuschlägen war nach Auffassung der Kammer im Ergebnis rechtens. Nicht vom Gesetz gedeckt ist jedoch die Hochrechnung der gezahlten Vergütung auf ein hypothetisches Bruttoarbeitsentgelt. Unter Abweisung des Antrags im Übrigen war der angefochtene Bescheid vom 15.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2017 insoweit aufzuheben.

    Die Entscheidung der Kammer ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen:

    1. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid vom 15.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2017 ist § 28 p SGB IV. Nach Abs.1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitsgebern.

    2. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs.1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs.1 SGB III).

    Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs.1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs.1 Satz 1 und 2 SGB IV).

    3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - insbesondere bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert" sein.

    Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. z.B. Urteil vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, jeweils mit weiteren Nachweisen).

    4. In Anwendung dieser Grundsätze kommt die Kammer, ebenso wie die Beklagte, zu dem Ergebnis, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit für die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum versicherungspflichtig beschäftigt war (ebenso Sozialgericht Landshut, Beschluss der 2. Kammer vom 14.07.2017, S 2 R 5045/17 ER). Der Beigeladene war, sobald er einen Auftrag annahm, den Weisungen der Klägerin unterworfen und in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Hierfür sprechen folgende Gesichtspunkte: Die Beschaffung des Eisens (Stahlmatten, Bewehrungsbügel etc.) erfolgte ausschließlich durch die Klägerin; auch die für die Einbringung des Baustahls notwendigen Vorarbeiten (insbesondere Schalungsarbeiten) erfolgten durch Mitarbeiter der Klägerin. Für die Inanspruchnahme des Krans, der teilweise vom Beigeladenen selbst teilweise von Mitarbeitern der Klägerin bedient wurde, musste nicht bezahlt werden. Der Beigeladene hatte morgens zur gleichen Zeit wie die Mitarbeiter der Klägerin auf der Baustelle zu erscheinen, anschließend erhielt er vom Vorarbeiter "Kenntnis, was am jeweiligen Tag für Arbeiten anstehen" (Aussage des Beigeladenen beim HZA). Die 2. Kammer des Sozialgerichts Landshut führte hierzu in ihrem Beschluss vom 14.07.2017 folgendes aus: "Bei dieser Sachlage sprechen gewichtige Umstände für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Dazu zählt die Einbindung in den von der Antragstellerin gesteuerten organisatorischen Ablauf auf der Baustelle, das Angewiesensein auf den von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Kran, das Fehlen eines wesentlichen eigenen Kapitaleinsatzes und von Gewinnchancen oder Verlustrisiken, die über das bloße Ausbleiben der Vergütung bei Nichterbringung der einzelnen Leistung hinausgehen. Bezüglich der Weisungsgebundenheit von E. D. ist davon auszugehen, dass aufgrund seiner Sachkunde keine dauernde Überwachung und Anleitung erforderlich war. Eine Weisungsgebundenheit kann aber auch bejaht werden, wenn für den betreffenden Auftragnehmer stets aus den Umständen ersichtlich war, was zu veranlassen war."

    Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an. Dass der Beigeladene möglicherweise die höhere Kompetenz in Sachen Bewehrungstechnik hatte, schließt eine Unterordnung unter das allgemeine Weisungsrecht der Klägerin bzw. ihrer Beauftragten nicht aus.

    5. Der Beigeladene trug auch kein wesentliches unternehmerisches Risiko. Nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes sächlicher oder persönlicher Mittel also ungewiss ist (BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R m.w.N.). Der Beigeladene beschäftigte keine eigenen Mitarbeiter und besaß keine eigene Betriebsstätte; den Wert seiner Werkzeuge gab er mit "ca. 500 Euro" an. Der Beigeladene setzte im Ergebnis wie ein Arbeitnehmer nur die eigene Arbeitskraft ein. Ein unternehmerisches Handeln, das die Möglichkeit einschließt, durch vermehrten Arbeits- oder Kapitaleinsatz einen höheren Gewinn erzielen zu können, ist auch nicht ansatzweise zu erkennen. Der Beigeladene konnte ja nur so viel Eisen einbauen, wie es Bewehrungsplanung und Baufortschritt verlangten und dies "Hand in Hand" mit den Mitarbeitern der Klägerin.

    6. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen - abgesehen von der Art der Vergütung - im Wesentlichen der eines angestellten Eisenbiegers/ -flechters entsprach. Die Kammer geht davon aus, dass die Beteiligten tatsächlich kein Arbeitsverhältnis begründen, sondern nur eine Zusammenarbeit auf "Selbständigenbasis" wollten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann dem Willen der Beteiligten in diesem Zusammenhang jedoch nur dann indizielle Bedeutung beigemessen werden, wenn dieser den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R). Vorliegend sprechen die tatsächlichen Umstände nach Auffassung der Kammer eindeutig für das Vorliegen einer Beschäftigung; die subjektive Wertung der Beteiligten tritt demgegenüber zurück.

    Die Beklagte war daher verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge von der Klägerin als Arbeitgeberin nachzufordern (§ 28 e Abs.1 SGB IV).

    7. Aus Sicht der Kammer war die Klägerin vorliegend auch zur Entrichtung von Säumniszuschlägen gem. § 24 SGB IV verpflichtet. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs.1 Satz 1 SGB IV).

    Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs.2 SGB IV).

    Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 246 BGB entgegen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, RdNr. 23, zitiert nach juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2015, L 11 R 3898/14, RdNr. 35, zitiert nach juris). Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist nicht auf diejenigen Maßstäbe zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs.1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat. Maßgebend ist im Ergebnis nur, ob die Unkenntnis des Beitragsschuldners von der Zahlungspflicht vermeidbar war. Davon ist hier auszugehen. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, sich über ein Verfahren nach § 7a SGB IV oder eine Anfrage bei der Einzugsstelle (§ 28 h SGB IV) die erforderliche Kenntnis zu verschaffen. Dass sie dies nicht getan hat, erfüllt den Tatbestand der Fahrlässigkeit i.S.d. § 246 Abs.2 BGB. Ein Verschulden des Geschäftsführers oder des verantwortlichen Mitarbeiters muss sich die Klägerin als eigenes zurechnen lassen. Bei ihrer Entscheidung folgt die Kammer ausdrücklich nicht der im Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.11.2011 (B 12 R 18/09 R) vertretenen Auffassung, wonach Säumniszuschläge nur verlangt werden dürfen, wenn mindestens bedingter Vorsatz vorliegt.

    8. Rechtswidrig ist der Bescheid allerdings, soweit die Beklagte bei der Beitragsberechnung § 14 Abs.2 Satz 2 SGB IV (fiktive Nettolohnvereinbarung) zugrunde legt. Nach dieser Vorschrift gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten in diesem Fall die Einnahmen des Beschäftigten im Sinne von § 14 Abs.1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Die objektiven Voraussetzungen für die Anwendung des § 14 Abs.2 Satz 2 SGB IV sind vorliegend zwar erfüllt, denn die Klägerin hat, weil sie den Beigeladenen zu Unrecht als Selbstständigen behandelt hat, insgesamt weder Steuern noch Beiträge zur Sozialversicherung bzw. Arbeitsförderung abgeführt. Eine "Illegalität" des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 14 Abs.2 Satz 2 SGB IV liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Nichtzahlung von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung aus Anlass ("bei") einer objektiven Verletzung dieser Zahlungspflichten erfolgt. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Pflichtverstöße von einem subjektiven Element in Form eines (mindestens bedingten) Vorsatzes getragen sind (Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.11.2011, B 12 R 18/09 R).

    9. In der Anwendung dieser Maßstäbe kommt eine fiktive Nettolohnhochrechnung nicht in Betracht. Entgegen der Formulierung im angefochtenen Bescheid handelt es sich vorliegend nicht um "Schwarzlohnzahlungen" oder um "Beitragshinterziehung durch Schwarzarbeit", sondern lediglich um eine sozialrechtliche Fehlbeurteilung. Diese wäre zwar durch Einleitung eines Anfrageverfahrens gem. § 7 a SGB IV oder durch Anfrage bei der Einzugsstelle vermeidbar gewesen. Insoweit kann nach Auffassung der Kammer der Klägerin bzw. den für sie handelnden Personen lediglich der Vorwurf fahrlässigen Handelns bzw. Unterlassens gemacht werden, für die Annahme vorsätzlichen Verhaltens (Klägerin hielt Beitragspflicht für möglich und nahm die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf) fehlen hinreichende Anhaltspunkte.

    Der Klage war daher insoweit stattzugeben.

    10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

    11. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt in Anwendung der §§ 63 Abs.1, 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 197 a SGG.

    RechtsgebietSGB IVVorschriften§ 28e Abs.1 SGB IV

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