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  • 13.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194429

    Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 25.10.2016 – III-1 RVs 227/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Köln

    1 RVs 227/16

    Tenor:

    Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

    Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.

    1

    Gründe

    2

    I.

    3

    Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht – Schöffengericht – Köln den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Es hat zum Tatgeschehen die nachfolgenden Feststellung getroffen:

    4

    „Am 30.09.2015 verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung in der M-straße XX in XXX03 L insgesamt 59,78 g netto Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,5 %, mithin einer Gesamtwirkstoffmenge von 10,5 g THC. Außerdem verfügt er über insgesamt 6,26 g netto Amphetamin sowie 5 Ecstasy-Tabletten zu je 0,37 g netto. Die sichergestellten Betäubungsmittel waren sowohl zum Eigenkonsum als auch zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung wurde der Zeuge H angetroffen und erklärte zu der auf dem Tisch liegenden 5-Euro-Note, dass er diese gerade dem Angeklagten übergeben habe für den Kauf von Marihuana. Am Tage zuvor hatte der gesondert verfolgte von L2 angegeben, 10 g Amphetamin vom Angeklagten erworben zu haben. Die entsprechenden Angaben hat er in seiner Hauptverhandlung vom 15.01.2016 wiederholt.“

    5

    Zur Beweiswürdigung ist ausgeführt:

    6

    „Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen PHK P und dem verlesenen Wirkstoffgutachten vom 12.11.2015 sowie dem verlesenen Urteil vom 15.01.2016 (584 Ds 520/15).

    7

    Der Zeuge P vermochte sich auch ohne Vorbereitung (…) an die Durchsuchung, die er auf die Anordnung der Bereitschaftsstaatsanwälten durchgeführt hat, genau zu erinnern. In der Wohnung sei es zu den in der Anklage aufgeführten Drogenfunden gekommen. Dabei erinnerte er sich daran, den anwesenden Zeugen H dazu befragt zu haben, aber mit dem Geld Marihuana habe kaufen wollen. An seine Antwort vermochte er sich zwar nicht zu erinnern, auf den Vorhalt aus der Strafanzeige indes erklärt der klar und eindeutig: „wenn das da so steht, dann hat das so gesagt“. (…)

    8

    An das im Weiteren abgegebene Geständnis, nämlich dass er (scil.: der Angeklagte) nur mit geringen Mengen BtM handele, da er seinen Konsum bezahlen müsse, vermochte er sich zwar ebenfalls nicht zu erinnern. Auf Vorhalte entsprechenden Angaben in der Strafanzeige erklärte indes gleichfalls, dass diese Aussage dann mit Sicherheit so gefallen sei.“

    9

    Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und erhebt zwei Verfahrensbeanstandungen.

    10

    II.

    11

    Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts führt.

    12

    1.

    13

    a)

    14

    Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Insoweit erweisen sich die Urteilsgründe in Bezug auf die Bestimmbarkeit des Schuldumfangs als materiell-rechtlich unvollständig. Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das BtMG, bei dem der Erwerb teils zum Eigenkonsum, teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung erfolgt ist, erfordert die zutreffende Beurteilung des Schuldumfangs auch Feststellungen dazu, mit welcher Mindestmenge Handel getrieben und welche Höchstmenge zum Eigenkonsum erworben wurde. Der jeweilige Anteil darf im Urteil nicht offen bleiben (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 26.05.2009 - 82 Ss 28/09 -; SenE v. 17.06.2011 - III-1 RVs 130/11 -; SenE v. 03.04.2012 - III-1 RVs 62/12; zuletzt SenE v. 07.08.2015 – III-1RVs 149/15; SenE v. 02.10.2015 - III-1 RVs 188/15). Notfalls muss der jeweilige Anteil unter Beachtung des Zweifelsatzes geschätzt werden (BGH NStZ-RR 2008, 153). Entsprechende Feststellungen sind nämlich nicht nur im Hinblick auf die Konkurrenzen der Tatbestandsalternativen des Handeltreibens und des Erwerbs erforderlich, sondern bestimmen in maßgeblicher Weise auch den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat und damit die Ermittlung einer tat- und schuldangemessenen Strafe.

    15

    Auch wenn der Tatrichter davon ausgeht, der Angeklagte habe „nur geringe Mengen“ zur Finanzierung seines eigenen Konsums veräußert, bleibt doch nach den getroffenen Feststellungen offen, welche zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Teilmenge hiermit konkret gemeint ist. Der Senat kann danach letztlich nicht ausschließen, dass die Strafbemessung auf einer unzutreffenden Bestimmung des Schuldumfangs beruht.

    16

    b)

    17

    Nicht frei von Rechtsfehlern ist aber auch die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Feststellung, der Angeklagte habe Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgehalten, beruht letztlich allein auf seinem durch die Angaben des Zeugen P eingeführten Geständnis anlässlich der Durchsuchung vom 23. September 2015. Die Aussagen der Zeugen H und von L2 stützen nämlich – von der Frage ihrer Einführung abgesehen – die Annahme eigennützigen Handelns des Angeklagten mangels Angaben zu Einkaufs- und Verkaufspreisen nicht; sie belegen daher allenfalls eine Veräußerung der Betäubungsmittel (vgl. zur Notwendigkeit konkreter Feststellungen zu Eigennützigkeit zuletzt SenE v. 25.04.2014 – III-1 RVs 56/14). Mit der Einführung der geständigen Angaben des Angeklagten hat aber das Tatgericht – was den Urteilsfeststellungen selbst zu entnehmen ist – gegen § 254 StPO verstoßen. Diese Vorschrift gestattet lediglich die Verlesung richterlicher Protokolle zum Nachweis über ein Geständnis. Äußert sich der Angeklagte – wie hier - zur Sache nicht, so muss der Vernehmungsbeamte als Zeuge gehört werden. Das Protokoll darf dann vorgehalten und zu diesem Zweck auch verlesen werden. Verwertbar ist aber nur, was der Vernehmungsbeamten selbst noch von seiner Vernehmung in Erinnerung hat. Die bloße Angabe, er habe die Erklärungen des Angeklagten richtig protokolliert macht den Protokollinhalt nicht verwertbar (BGH NStZ 1995, 47; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 254 Rz. 8; Löwe-Rosenberg-Mosbacher, StPO, 26. Auflage 2010, § 254 Rz. 9 je mit weit. Nachw. aus der Rspr. des BGH). Die (auch) danach gebotene Aufhebung der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zieht die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach sich (SenE v. 04.01.2008 - 82 Ss 166/07 -; KK-StPO-Gericke, 7. Auflage 2013, § 353 Rz. 10 m. w. N.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 353 Rz. 7a).

    18

    2.

    19

    Da sonach das angefochtene Urteil bereits auf die Sachrüge hin der Aufhebung unterliegt, bedarf es an sich eines Eingehens auf die zugleich erhobenen Verfahrensrügen nicht. Für die neue Hauptverhandlung sieht sich der Senat indessen mit Rücksicht auf die Verfahrensbeanstandung, das Amtsgericht habe mit der Verwertung der Ergebnisse der Durchsuchung vom 23. September 2015 ein bestehendes Beweisverwertungsverbot missachtet, zu dem Hinweis veranlasst, dass das Ergebnis der bei dem Angeklagten am 23. September 2015 durchgeführten Durchsuchung verwertbar ist. Ein Verstoß gegen oder eine Umgehung des Richtervorbehalts des § 105 Abs. 1 S. 1 StPO liegen nicht vor; ein Verwertungsverbot besteht nicht.

    20

    a)

    21

    Gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 StPO dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter angeordnet werden; bei Gefahr im Verzug steht diese Kompetenz auch der Staatsanwaltschaft bzw. ihren Ermittlungspersonen zu. Gefahr im Verzug ist dabei nur anzunehmen wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Kann hingegen der Richter mit dem Durchsuchungsbegehren befasst werden und über dieses entscheiden, ohne dass damit ein Risiko des Verlusts von Beweismitteln verbunden ist, ist für einen Rückgriff auf die Eikompetenz der Strafverfolgungsbehörden kein Raum (s. jüngst OLG Düsseldorf StraFo 2016, 339).

    22

    Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall von einer Gefährdung des Untersuchungserfolges auszugehen: Der Zeuge von L2 hatte Angaben über seinen BtM-Erwerb bei dem Angeklagten am Vortag gemacht. Dies begründete den Anfangsverdacht dahin, dass auch dieser sich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht hatte. Danach bestanden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Durchsuchung bei dem Angeklagten zum Auffinden von Beweismitteln würde führen können. Da die Ermittlungsbehörden keinen Grund sahen, den Zeugen von L2 über die Dauer seiner eigenen Vernehmung hinaus in Gewahrsam zu halten, bestand die naheliegende Gefahr, dass dieser - einmal auf freiem Fuß – den Angeklagten darüber informieren würde, dass er – von L2 - bei den Ermittlungsbehörden Angaben gemacht hatte. Naheliegende Reaktion des Angeklagten wäre es dann gewesen, das von ihm besessene Rauschgift zu beseitigen. Wenn die Ermittlungsbehörden bei dieser Sachlage annehmen, eine richterliche Entscheidung sei - während der Vernehmung des von L2 – allenfalls aufgrund mündlicher Sachverhaltsschilderung durch mündliche Entscheidung des Eilrichters herbeizuführen, nicht jedoch dann, wenn der Eilrichter nur aufgrund schriftlicher Sachverhaltsdarstellung zu entscheiden bereit ist, ist das nicht zu beanstanden.

    23

    Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Annahme des vernehmenden Polizeibeamten, die Fertigung einer „Aktenlage“ hätte „mehr als eine Stunde“ in Anspruch genommen, angesichts des überschaubaren Sachverhalts den notwendigen Zeitbedarf in erheblichem Maße überschätzt. Ersichtlich wäre nämlich die schriftliche Niederlegung des Sachverhalts – gerade auch unter Berücksichtigung der Freiheitsbelange des von L2 - erst nach dessen Entlassung möglich gewesen. Dann hätte diesem aber die zur Warnung des Angeklagten benötigte Zeitspanne jedenfalls zur Verfügung gestanden.

    24

    b)

    25

    Entgegen der von der Verteidigung geäußerten Auffassung war bei genauem Zusehen die zuständige Eilrichterin mit der Sache im Zeitpunkt der an sie gerichteten Anfrage der Bereitschaftsstaatsanwältin auch noch nicht „befasst“ mit der Folge, dass die Eilkompetenz der Strafverfolgungsbehörden beendet war und sich allenfalls die Frage ihres nachträglichen Wiederauflebens stellen könnte. Eine Befassung des Eilrichters liegt erst nach Abschluss der den Ermittlungsbehörden obliegenden Prüfung vor, ob Gefahr im Verzug gegeben ist. Ob ein angemessener Zeitraum zur Verfügung steht, innerhalb dessen eine Entscheidung des zuständigen Richters erwartet werden kann, oder ob bereits eine zeitliche Verzögerung wegen des Versuchs der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde und daher eine nicht nichtrichterliche Durchsuchungsanordnungen gehen darauf, haben die Ermittlungsbehörden nach der Konzeption des Art. 13 Abs. 2 GG zunächst selbst zu prüfen. Befasst wird der Eilrichter danach in dem Zeitpunkt, in dem es ihm auf der Grundlage eines Antrags der Strafverfolgungsbehörden möglich ist, in eine Sachprüfung der Tatbestandsmerkmale der Durchsuchungsanordnung und der Verhältnismäßigkeit einzutreten (vgl. BVerfGE 139, 245 ff. – Tz. 78, 79, 109 vgl. a. Tz. 82; OLG Düsseldorf a.a.O.). Entsprechend muss die Staatsanwaltschaft bei dem Ermittlungsrichter stets eine einzelne bestimmte und als solche bezeichnete gerichtliche Untersuchungshandlung beantragen (vgl. KK-StPO-Griesbaum, 7. Auflage 2013, § 162 Rz. 5; Löwe-Rosenberg-Erb, a.a.O., § 162 Rz.11). Hier ist nach den getroffenen Feststellungen an die Eilrichterin lediglich die Frage herangetragen worden, ob sie auf der Grundlage einer „Akte“ – gemeint: einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung – entscheiden wolle, oder ob sie bereit sei, sich mit einer mündlichen Sachverhaltsschilderung zu begnügen und auf deren Grundlage gegebenenfalls auch eine mündliche Anordnung zu treffen. Diese Frage ermöglicht es der Eilichterin aber selbst dann nicht, in eine echte Sachprüfung einzutreten, wenn ihr – wie lebensnah anzunehmen ist – wenigstens in groben Umrissen die Art der durchzuführenden Maßnahme mitgeteilt wird. Sie ermöglicht es umgekehrt den Strafverfolgungsbehörden, den notwendigen Zeitbedarf abzuschätzen. Erklärt nämlich die Eilrichterin – wie hier –, dass sie nur aufgrund einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung entscheiden werde, lässt sich der hierfür erforderliche Zeitbedarf – wohl: des allein sachbearbeitenden Vernehmungsbeamten – unschwer abschätzen und (zuzüglich zu der für den Entscheidungsprozess und die etwaige Verschriftlichung von dessen Ergebnis benötigten Zeit) zu der Dringlichkeit der Anordnung der Maßnahme auf der Grundlage des Umstands, dass der Zeuge von L2 hatte entlassen werden müssen, in Relation setzen. Das bedeutet aber, dass die an die – sich offenbar in Rufbereitschaft befindende - Eilrichterin gerichtete Frage, ob sie bereit sei, aufgrund einer mündlichen Sachverhaltsdarstellung eine Entscheidung zu treffen, zunächst nur der Ermittlung des Zeitbedarfs für die Herbeiführung einer solchen Entscheidung diente. Eine Befassung der Eilrichterin im Sinne einer konkreten Antragstellung auf der Grundlage eines konkreten subsumtionsfähigen Sachverhalts ist mit einer solchen Anfrage indessen nicht verbunden.

    26

    c)

    27

    Bedenklich als Umgehung der in der Entscheidung BVerfGE 139, 245 ff. niedergelegten Grundsätze wäre freilich eine Praxis, die dahin ginge, bei dem jeweils zuständigen Eilrichter anzufragen, ob dieser nur aufgrund einer „Akte“ oder auch ohne eine solche zu entscheiden bereit sei und in dem Falle, dass der zuständige Richter auf eine Verschriftlichung des Sachverhalts besteht, das Vorliegen der Voraussetzungen der Eilkompetenz zu bejahen. Zunächst wird eine solche allgemeine – also von jeder auch nur kursorischen Sachverhaltsdarstellung losgelöste – Fragestellung kaum sinnvoll zu beantworten sein. Zum anderen ist eine solche Frage auch in einer Vielzahl von Fällen nicht zielführend: Lässt sich nämlich absehen, dass für eine Verschriftlichung des Sachverhalts und die Herbeiführung einer schriftlichen richterlichen Entscheidung unter Berücksichtigung einer angemessenen Zeitspanne für die Entscheidung und die schriftliche Niederlegung der Entscheidungsgründe ausreichend Zeit bleibt, müssen die Ermittlungsbehörden die richterliche Entscheidung herbeiführen. Ist andererseits die Situation so zugespitzt, dass auch für eine mündliche Sachverhaltsdarstellung und eine mündlich bekannt gegebene Entscheidung keine Zeit mehr bleibt, liegen zwanglos die Voraussetzungen der Gefahr im Verzug vor. Nur dann, wenn im Falle schriftlicher Kommunikation der Untersuchungserfolg gefährdet ist, im Falle mündlicher Sachverhaltsschilderung und mündlicher Entscheidung aber der Richter noch sinnvoll – also unter Berücksichtigung der für eine umfassende Sachprüfung (vgl. BVerfGE 139, 245 – bei Juris Tz. 63; BVerfG StraFo 2004, 413) erforderlichen Zeitspanne - befasst werden kann, ist die an diesen gerichtete Frage, ob er auf schriftlicher Sachverhaltsdarstellung besteht (und auch nur in schriftlicher Form zu entscheiden bereit ist) überhaupt legitim, weil es nur dann für die nach dem zuvor Dargestellten zunächst den Strafverfolgungsbehörden obliegenden Entscheidung, ob ein Fall der Inanspruchnahme der Eilkompetenz gegeben ist oder nicht, auf die Beantwortung dieser Frage überhaupt ankommt.

    28

    Entgegen der von dem Verteidiger geäußerten Auffassung ist es dabei keineswegs stets oder auch nur regelmäßig pflichtwidrig, wenn der Richter auf einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung besteht. Es trifft zwar zu, dass die richterliche Anordnung nicht stets der Vorlage einer „Akte“ bedarf (BVerfGE 139, 245 – bei Juris Tz. 71; BVerfGK 17, 340 – bei Juris Tz. 27; OLG Celle NJW 2009, 3524 = NZV 2009, 611 = VRS 117, 298 [299]; OLG Celle VRS 117, 294 [298]; OLG Nürnberg DAR 2010, 217 [218] OLG Düsseldorf VRS 121], 46 [47] = VM 2011, 67 [Nr. 58 ]) und dass das OLG Hamm die Auffassung vertritt, die grundsätzliche und ausnahmslose Weigerung des Ermittlungsrichters, ohne einen schriftlichen Vorgang fernmündlich eine Anordnung zu treffen (oder abzulehnen), verletze die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 GG (OLG Hamm NJW 2011, 469 = NStZ 2010, 239). Indessen sind diese Entscheidungen sämtlich zum Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO im Falle der Anordnung von Blutentnahmen bei Verdacht von Trunkenheitsfahrten ergangen. Auf die regelmäßig erheblich komplexeren Erwägungen, die der Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zugrundeliegen, sind sie jedenfalls nicht bruchlos übertragbar (in diese Richtung auch BVerfGK 17, 340 – bei Juris Tz. 30).

    29

    Sowohl für das weitere Verfahren als auch für die Überprüfung der angeordneten Maßnahme im Rechtsmittelzug ist von erheblicher Bedeutung, welcher Sachverhalt dem Richter zur Entscheidung unterbreitet worden ist. Dieser ist aber verlässlich regelmäßig nur aus einer Verschriftlichung zu rekonstruieren (vgl. dazu instruktiv die dem Senatsurteil vom 27. Oktober 2009 [= StV 2010, 14 = StraFo 2010, 23] zugrunde liegende Sachgestaltung). Die ausnahmslose oder auch nur regelmäßige mündliche Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen aufgrund eines lediglich mündlich präsentierten Sachverhalts läuft demgegenüber Gefahr, den präventiven richterlichen Rechtsschutz unter Berufung auf eben diesen zu einer bloßen Farce zu denaturieren.

    30

    Die – regelmäßig erst nach Durchführung der Ermittlungsmaßnahme erfüllte – Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, den Anlass der Maßnahme und der Inanspruchnahme der Eilkompetenz in den Akten zu dokumentieren (BVerfGE 103, 142 [159 f.]), vermag hieran nichts zu ändern. Für das weitere Verfahren und die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahme im Rechtsmittelzug ist nämlich maßgeblich, von welchem Sachverhalt der Richter ausgegangen ist (vgl. dazu auch BVerfG StRR 2007, 242, wo unter Bezugnahme auf die u.a. eine nicht ausreichende Dokumentation der Ermittlungsmaßnahme durch die Strafverfolgungsbehörden betreffende Entscheidung BVerfG NJW 2003, 2303 = StV 2003, 205 davon die Rede ist, der „zeitnahe polizeiliche Vermerk“ habe „habe ausnahmsweise [!] wegen der Evidenz des Falles zur Information des [Beschwerde]Gerichts“ ausgereicht – a.a.O. Tz. 4 – Hervorhebung bzw. Ergänzung durch den Senat).

    31

    d)

    32

    Die von dem Verteidiger in den Raum gestellte Befürchtung, dass die Ermittlungsbehörden – was, wie gezeigt, nur in einem geringen Teil der Fälle überhaupt in Betracht kommt – dem Ermittlungsrichter nahelegen, doch keine „Akte“ wollen zu sollen, teilt der Senat nicht. Es ist für den antragstellenden Staatsanwalt, der – so ist anzunehmen – mit einem Eilrichter kommuniziert, dessen Einstellung zu der Frage einer Verschriftlichung des der Ermittlungsmaßnahme zu Grunde liegenden Sachverhalts er nicht kennt (ansonsten bestünde keine Veranlassung, dies zu thematisieren), kein Grund ersichtlich, sich dem hiermit verbundenen Risiko auszusetzen.

    33

    e)

    34

    Bei der gegebenen Sachlage haben die Ermittlungsbehörden daher zu Recht die ihnen zustehende Eilkompetenz in Anspruch genommen; diese war auch noch nicht durch Befassung der zuständigen Eilrichterin erloschen. Ausführungen dazu, ob aus diesem Sachverhalt ein Beweisverwertungsverbot resultiert (hierzu jüngst BGH NStZ 2016, 551 [552]), erübrigen sich mithin mangels Vorliegens eines Beweiserhebungsverbots.

    35

    3.

    36

    Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat noch darauf hin, dass Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten im Urkundenbeweis gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die neue Hauptverhandlung eingeführt und verwertet werden können. Das - nunmehr entscheidende - Tatgericht darf sie zwar nicht ungeprüft übernehmen. Es kann sich aber von der Richtigkeit der Schlüsse des früheren Tatrichters aufgrund der in dessen Urteil mitgeteilten Gründe überzeugen (BGH NJW 1997, 2828; SenE v. 04.09.2012 - III-1 RVs 150/12).

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