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  • 22.12.2015 · IWW-Abrufnummer 182680

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 24.11.2015 – 1 StR 366/15


    Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

    Tenor:
    1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 31. März 2015 aufgehoben


    a) soweit der Angeklagte wegen der Taten zu 1. bis 17. der Urteilsgründe (Steuerhinterziehung in 17 Fällen) verurteilt worden ist,


    b) im Gesamtstrafausspruch.


    2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer zurückverwiesen.


    3. Die weitergehende Revision wird verworfen.



    Gründe

    1


    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 32 Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von dieser Gesamtfreiheitsstrafe hat es drei Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.


    2


    1. Der Schuld- und Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, soweit der Angeklagte wegen der Hinterziehung von Lohnsteuer (Taten zu 18. bis 32.) und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (Taten zu 33. bis 47.) jeweils in den Monaten Januar 2010 bis März 2011 verurteilt worden ist.


    3


    2. Hingegen kann der Schuldspruch wegen der Verurteilung zu 17 weiteren Taten der Steuerhinterziehung (Taten zu 1. bis 17.) keinen Bestand haben.


    4


    a) Insoweit hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:


    5


    Der Angeklagte buchte als faktischer Geschäftsführer der A. GmbH Scheinrechnungen in seine Buchführung ein und machte daraus im Zeitraum November 2009 bis März 2011, mithin in 17 monatlichen Voranmeldungen zu Unrecht Vorsteuern geltend, um dadurch seine Steuerzahllast zu senken.


    6


    b) Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:


    "I. Soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt worden ist (Fälle II.1. - Taten 1 bis 16), hat das Urteil keinen Bestand, weil ihm die für die Beurteilung der Frage, ob Tatvollendung oder nur Versuch gegeben ist, maßgeblichen Umstände nicht entnommen werden können. 1. Steuerhinterziehung ist nicht lediglich ein Erklärungs-, sondern auch ein Erfolgsdelikt. Vollendung tritt erst ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat (BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3 mwN). Gründet der Tatvorwurf wie hier in der Abgabe unrichtiger Voranmeldungen, tritt für Fälle der Steuervergütung der tatbestandliche Verkürzungserfolg erst aufgrund der gemäß § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde ein. In den Konstellationen des § 168 Satz 1 AO ist die Steuerhinterziehung dagegen bereits mit der (unrichtigen) Anmeldung vollendet (BGH aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 - 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335, 336; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 StR 196/14, NStZ 2015, 282). 2. Die Urteilsgründe enthalten lediglich Feststellungen zur Höhe der in die Buchhaltung des Unternehmens A. GmbH eingeflossenen Rechnungen, aus denen jeweils unberechtigt Vorsteuerbeträge geltend gemacht wurden (UA S. 17 ff.), wobei der Angeklagte die Abgabe von entsprechenden USt-Voranmeldungen veranlasst hat. Daraus lässt sich indes nicht ableiten, ob bereits mit den jeweiligen Voranmeldungen ein Verkürzungserfolg eingetreten ist. Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte entnehmen. Das Landgericht führt vielmehr aus, dass die verfahrensgegenständlichen Straftaten im Zuge einer aufgrund von Vorsteuerüberhängen durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung bekannt geworden sind (UA S. 11), ohne dass jedoch deutlich würde, welche Tatzeiträume davon betroffen sind. Zu möglichen Zustimmungserklärungen der zuständigen Finanzbehörden verhält sich das Urteil nicht. Der Umstand, dass das Finanzamt Prüfungsbedarf gesehen hat, spricht dabei eher gegen solche Zustimmungen. II. Da danach nicht ausgeschlossen ist, dass ein Teil der Taten lediglich in das Versuchsstadium gelangt ist, kann der Schuldspruch insoweit keinen Bestand haben."

    7


    c) Dem schließt sich der Senat an. Nichts anderes gilt allerdings für die Tat zu 17., die die Voranmeldung von Vorsteuern aus Scheinrechnungen für den Monat März 2011 betrifft.


    8


    3. Die Aufhebung des Schuldspruchs insoweit führt zum Wegfall der für die Taten zu 1. bis 17. verhängten Einzelfreiheitsstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.


    9


    4. Die Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deswegen bestehen bleiben. Das neu zuständige Tatgericht wird ergänzende Feststellungen, insbesondere zu den Voraussetzungen von § 168 AO zu treffen haben.


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    Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 , BGHSt 54, 135 ; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12 , NJW 2013, 949, 950).


    Graf
    Jäger
    Cirener
    Radtke
    Bär

    Vorschriften§ 168 Satz 2 AO, § 168 Satz 1 AO, § 168 AO

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