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  • 28.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102433

    Finanzministerium Nordrhein-Westfalen: Schreiben vom 25.06.2010 – S 0702 - 9 - V A 1


    Steuerstrafrecht; Selbstanzeige; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.05.2010 - 1 StR 577/09
    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20.05.2010 - 1 StR 577/09 - eine Grundsatzentscheidung in Bezug auf die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO getroffen.

    Der BGH spricht sich im Hinblick auf den Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch insgesamt für eine restriktive Auslegung des § 371 AO aus. Er verschärft entsprechend die Anforderungen an den Inhalt einer Selbstanzeige und fasst die Ausschließungsgründe für eine Strafbefreiung enger.

    Die Entscheidung des BGH hat im Einzelnen folgenden Inhalt:
    A. Tatbestand
    1. Umfang der Selbstanzeige
    Der BGH legt in seiner Entscheidung großes Gewicht auf den Zweck "Rückkehr zur Steuerehrlichkeit". Daher müssen die Angaben in einer Selbstanzeige vollständig und richtig sein. Dies bedeutet, dass der Anzeigenerstatter insgesamt "reinen Tisch" machen muss. Eine Teilselbstanzeige ist nicht mehr ausreichend, um die Straffreiheit zu erlangen, da es hier an der Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit mangelt.

    Der BGH hält in diesem Zusammenhang nicht mehr an seiner früheren Auslegung des Wortes "insoweit" in § 371 Abs. 1 AO fest. Dieses Tatbestandsmerkmal beziehe sich nicht auf den Umfang der gemachten Angaben, sondern allein auf den Umfang der möglichen Strafbefreiung. Hat der Anzeigenerstatter neben der Steuerhinterziehung auch noch in Zusammenhang stehende andere (Steuer-) delikte begangen, erlangt er nur (=insoweit) wegen der Steuerhinterziehung Straffreiheit.

    Eine nicht ausreichende Teilselbstanzeige liegt nach BGH beispielsweise dann vor, wenn eine unvollständige Steuererklärung nur in Bezug auf Einnahmen berichtigt wird, deren Aufdeckung der Anzeigenerstatter durch die Finanzbehörde fürchtet, andere Einnahmen desselben Veranlagungszeitraums aber weiterhin verschweigt. Eine wirksame Selbstanzeige i.S.d. § 371 AO liegt in derartigen Fällen nicht vor.

    Auch Gründe für einen Zahlungsengpass nach § 371 Abs. 3 AO können nicht als Rechtfertigung für die Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige angeführt werden.

    2. Sperrwirkungen nach § 371 Abs.2 AO
    2.1 Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a) 2. Alt. AO (Erscheinen des
    Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat / Steuerordnungswidrigkeit)
    Grundsätzlich ist für den BGH maßgeblich, dass die Aufdeckung bislang unbekannter Steuerquellen auf die Initiative des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist und damit die geforderte Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ausgedrückt wird.

    Laut BGH tritt eine Sperrwirkung schon dann ein, wenn ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1a) 2. Alt. AO enthält laut BGH keine zeitliche oder sachliche Beschränkung. Die Sperrwirkung sei nicht allein auf die Taten beschränkt, die bereits Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind (sprich: die dem Durchsuchungsbeschluss zu Grunde liegen).

    Sie umfasst auch solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen. Die Sperrwirkung erstreckt sich demnach auch auf solche steuerliche Sachverhalte, bei denen zu erwarten ist, dass sie im Rahmen eines "normalen" Ermittlungsverfahrens in die Überprüfung einbezogen würden.

    Dies ist stets dann der Fall, wenn sich die neuen Tatvorwürfe lediglich auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich derselben Steuerarten bei identischen Einkunftsquellen erstrecken. Die erforderliche Erschließung bisher unbekannter Steuerquellen erfolgt in diesen Fällen nicht. Der Amtsträger erscheint dann auch "zur Ermittlung" zusammenhängender Taten.

    Werden etwa Ermittlungen bezüglich Verkürzungen bei einer Steuerart desselben Veranlagungszeitraums durchgeführt, ist für diesen Zeitraum eine Selbstanzeige insgesamt ausgeschlossen.

    Soweit bestimmte Sachverhalte (z.B. Konten einer bestimmten ausländischen Bank) auch andere Besteuerungszeiträume betreffen, erstreckt sich der Ausschlussgrund gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1a) 2.Alt. AO auch auf diese weiteren (nicht durch den Durchsuchungsbeschluss erfassten) Besteuerungszeiträume, da ein enger sachlicher Zusammenhang mit dem bisherigen Überprüfungsziel gegeben ist. Unmaßgeblich ist, dass diese Jahre nicht im Durchsuchungsbeschluss aufgeführt werden.

    Deckt der Anzeigenerstatter aber unbekannte Steuerquellen für Taten auf, die nicht dem bisherigen Ermittlungswillen unterliegen und ist auch nicht damit zu rechnen, dass diese in die Überprüfung einbezogen werden, so greift für diese Taten der Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a) 2. Alt. AO nicht. Maßgeblich ist aber, dass der Anzeigenerstatter die Initiative zur Aufdeckung ergreift.

    2.2 § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO (Tatentdeckung)
    Der Begriff der Tatentdeckung hat einen eigenständigen Bedeutungsgehalt. Nach Ansicht des BGH ist dieses Tatbestandsmerkmal bereits dann erfüllt, wenn das Vorliegen eines Sachverhaltes wahrscheinlich ist, der die Aburteilung als Steuerstraftat oder- ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde.

    Die Anforderungen an diese Einschätzung sind dabei nicht hoch anzusetzen. Der BGH zieht folgende Schlüsse:

    Ein hinreichender Tatverdacht ist nicht erforderlich.
    Der Täter muss noch nicht ermittelt sein.
    Die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen müssen nicht vollständig bekannt sein.
    Es reicht das Bekanntsein konkreter Anhaltspunkte für die Tat als solche.
    Ein Schluss auf vorsätzliches Handeln ist für die Tatentdeckung nicht erforderlich.
    Die bloße Kenntniserlangung einer Steuerquelle stellt für sich allein noch keine Tatentdeckung dar. Eine Prüfung des Einzelfalles ist unumgänglich.

    In der Regel liegt aber eine Tatentdeckung dann vor, wenn "unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder- Steuerordnungswidrigkeit nahe liegt".

    Laut BGH ist die Tat dann "frühestens" entdeckt, wenn

    der Abgleich der Steuererklärungen erkennen lässt, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde,
    aufgrund Zeugenaussagen nahestehender Personen Angaben zum Inhalt der Steuererklärungen gemacht werden können (z.B. über nicht erklärte Steuerquellen oder Einnahmen),
    bei verschleierten Steuerquellen die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.
    Praxishinweis: Eine Prüfung der Tatentdeckung setzt eine möglichst umfangreiche Dokumentation zu o. g. Punkten voraus.
    Bezüglich der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des "Kennenmüssens" führt der BGH aus, dass an dieses Merkmal keine hohen Ansprüche mehr gestellt werden müssen. Der Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sei maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt. Insoweit ist letztlich überwiegend auf die Erfüllung des objektiven Tatbestandsmerkmals "Tatentdeckung" abzustellen. Die Umstände des Einzelfalles sind jedoch weiterhin bei der Beurteilung zu berücksichtigen.

    3. "Gestufte Selbstanzeige"
    Der BGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass mit einer "gestuften Selbstanzeige" die Sperrwirkungen des § 371 Abs. 2 AO nicht umgangen werden kann. Der Anzeigenerstatter hat bereits von Anfang an die erforderlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen zu machen. Kann er dies z.B. aufgrund fehlender Unterlagen (noch) nicht, hat er eine (ggf. zu hohe) Schätzung anhand der ihm bekannten Informationen durchzuführen.

    4. Unzureichende Angaben und unterlassene Nachforschung
    Die Angaben müssen weiterhin so beschaffen sein, dass die Finanzbehörde ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufklären und die Steuer richtig festsetzen kann. Genügen die Angaben diesen Anforderungen nicht, so liegt keine wirksame Selbstanzeige vor. Es handelt sich dann lediglich um die Ankündigung einer Selbstanzeige. Dabei ist ein strenger Maßstab anzuwenden.

    Soweit erkennbar unzureichende Angaben von der für den Ausspruch der Strafbefreiung zuständigen Stelle ohne rechtlich gebotene Nachforschungen des wahren Sachverhaltes hingenommen werden, tritt ebenfalls keine Straffreiheit ein, da die Anzeige als solche gleichwohl nicht den Anforderungen der Vollständigkeit entsprach. Die Frage der Straffreiheit ist damit nicht abhängig von (ggf. ungebotsmäßig unterbliebenen) Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden.

    5. Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaften
    Der BGH weist nochmals darauf hin, dass die Staatsanwaltschaften in Fällen, bei denen eine Evakation nicht fern liegt, frühzeitig in die Ermittlungen der Finanzbehörde einzubinden sind (vgl. BGH-Beschluss vom 30.04.2009 1 StR 90/09).

    Diese Pflicht bestehe insbesondere dann, wenn zu entscheiden ist, ob eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO vorliegt.

    B. Konsequenzen
    1. Allgemeines
    Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss des BGH ausschließlich Selbstanzeigen nach § 371 AO betrifft. Für Erklärungen nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung - Strafbefreiungerklärungsgesetz (StraBEG) - gelten die Rechtsfolgen des aktuellen Rechtsspruches nicht.

    Auch wenn die aktuelle Entscheidung des BGH zwar einen Einzelfall betrifft, hat sie umfassende Auswirkungen auf die Handhabung der Vorschrift des § 371 AO im Allgemeinen. Dies gilt insbesondere für künftige aber auch für die noch offenen Selbstanzeigen.

    In der Praxis werden sich entsprechende Fragen zum Umgang mit dem Beschluss stellen. Trotz der grundsätzlichen Aussage zu den Voraussetzungen der strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige, lässt die Entscheidung zu bestimmten Fragestellungen Interpretationsspielraum. Die nachfolgenden Ausführungen stellen somit lediglich eine erste Einschätzung der Auswirkungen auf die Bearbeitungsweise der Selbstanzeigen dar. Inwieweit die künftige Rechtsprechung diese Auslegungen bestätigt, bleibt abzuwarten.

    Ferner ist beabsichtigt, die sich aus dem BGH-Beschluss ergebenden rechtlichen Folgen auf Bundesebene im Rahmen der Bp II/10 zu erörtern und die praktischen Konsequenzen ggf. abzustimmen

    2. Anwendbarkeit
    Die Gesetzeslage als solche ist weiterhin unverändert. Der BGH hat lediglich seine Rechtsauffassung zu § 371 AO geändert. Dass diese neue Auslegung letztlich eine Verschärfung der Anwendbarkeit der Gesetzesnorm darstellt, führt nicht dazu, dass die neuen Grundsätze nur für künftige Selbstanzeigen zu berücksichtigen sind. Vielmehr sind die neuen Vorgaben des BGH-Beschlusses vom 20.05.2010 grundsätzlich uneingeschränkt auf alle noch offenen Selbstanzeigen anwendbar.

    Eine unzulässige Rückwirkung oder ein Verstoß gegen den Grundsatz "Treu und Glauben" liegt darin nicht.
    Soweit in den offenen Fällen bereits Zusagen hinsichtlich der Straffreiheit erteilt wurden, kann an diesen festgehalten werden, soweit derzeit keine Anhaltspunkte bekannt sind, die einer Anerkennung der Straffreiheit entgegen stehen.

    Für bereits straffrei gestellte Selbstanzeigen hat der Beschluss keine Auswirkung, es sei denn, ein erneuter Aufgriff wird aus den nachfolgenden Gründen erforderlich.

    3. Behandlung unvollständiger Selbstanzeigen
    Der BGH stellt auf die Vollständigkeit der Selbstanzeige im Ganzen ab. Sind die Angaben der Anzeige unvollständig, so ist die Voraussetzung einer strafbefreienden Anzeige nicht erfüllt und eine Straffreiheit ist zu versagen. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung der verkürzten (nicht vollständig nacherklärten) Steuern nach § 371 Abs. 3 AO rechtzeitig erfolgt. Auf das Vorliegen möglicher Ausschlussgründe nach § 371 Abs. 2 AO kommt es in diesen Fällen dann nicht mehr an.

    Führte eine frühere Selbstanzeige zur Straffreiheit und wird eine neue Selbstanzeige für denselben Veranlagungszeitraum und für dieselbe Steuerart eingereicht, so führt diese erneute Anzeige nicht zur Straffreiheit. Im Gegenteil ist auch die frühere (offensichtlich unvollständige) Selbstanzeige als nicht wirksam anzusehen.

    Da die Einstellung nach § 371 Abs. 3 AO i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO nicht zu einem Verfahrenshindernis führt, kann (unter Berücksichtigung der Strafverfolgungsverjährung) grundsätzlich auch die frühere Selbstanzeige zum Gegenstand des aktuell durchzuführenden Strafverfahrens gemacht werden. Ob und inwieweit die verunglückten Anzeigen ggf. strafmildernd berücksichtigt werden können, ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig.

    Auch wenn im BGH-Beschluss beispielhaft allein der Fall des Verschweigens von Einnahmen derselben Einkunftsart in einem Veranlagungszeitraum für den Fall einer nicht ausreichenden Teilselbstanzeige aufgeführt wird, muss Gleiches auch für jenen Fall gelten, in dem für einen Veranlagungszeitraum durch mehrere Anzeigen Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten nachgeholt, berichtigt oder ergänzt werden. Auch in diesem Fall wurde die vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit durch die erste Selbstanzeige nicht vollzogen.

    Bei der Bearbeitung künftiger Selbstanzeigen ist in jenen Fällen, in denen bereits in der Vergangenheit Selbstanzeigen eingereicht wurden, eine Überprüfung und ein Abgleich der einzelnen Anzeigen unumgänglich. Hierzu bedarf es eines umfassenden Einblicks in die entsprechenden Steuerakten.

    4. Rückkehr zur Steuerehrlichkeit
    Laut BGH ist nunmehr eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit erforderlich; die Möglichkeit einer Teilselbstanzeige ist prinzipiell ausgeschlossen. Auch wenn im Beschluss als Beispiel einer Teilselbstanzeige ausdrücklich jener Fall aufgeführt wird, indem ein Steuerpflichtiger für einen Veranlagungszeitraum unvollständige Angaben zu einer Einkunftsart macht und diese im Rahmen einer Selbstanzeige nur teilweise berichtigt, ist selbst dann Straffreiheit zu verwehren, wenn in einer Selbstanzeige die Einkünfte einer Einkunftsart zutreffend und vollständig nacherklärt werden, die Angaben zu einer anderen Einkunftsart allerdings weiterhin unzutreffend sind. Auch bei einer Nachholung/Ergänzung in einer späteren Selbstanzeige bliebe es bei der Folge, dass die Selbstanzeige insgesamt unwirksam wäre, d.h. selbst die vorangegangene Selbstanzeige nicht strafbefreiend ist.

    Es ist auf den gesamten verfolgbaren Zeitraum abzustellen. Die Vorschrift des § 371 Abs. 1 AO stellt allein auf die strafprozessualen Taten nach § 370 Abs. 1 AO (getrennt nach Steuerart und Besteuerungszeiträumen) ab. Dementsprechend ist es für die Erlangung der Straffreiheit nicht zwingend erforderlich, dass die Selbstanzeige auch strafverfolgungsverjährte Jahre umfasst, für die die steuerliche Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

    Bislang konnte für jede einzelne Tat und sogar für jede unrichtige/unvollständige Angabe in der jeweiligen Erklärung eine straffbefreiende Selbstanzeige eingereicht werden. Nunmehr hat ein Steuerpflichtiger, will er straffrei ausgehen, für den gesamten strafbewehrten Zeitraum (fünf / zehn Jahre in den Fällen des § 376 AO) für die jeweilige Steuerart unvollständige oder unrichtige Angaben vollumfänglich zu berichtigen. Wird für den maßgeblichen Zeitraum eine Angabe nicht richtiggestellt, d.h. nicht vollständig "reiner Tisch" gemacht, kann die Selbstanzeige insgesamt nicht strafbefreiend wirken. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn für drei Jahre Kapitaleinkünfte nacherklärt werden (die auch nur in diesen Jahren angefallen sind), für die beiden vorhergehenden Jahre aber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung falsch waren, diese jedoch nicht zum Gegenstand der damaligen Selbstanzeige gemacht wurden. In diesem Falle wäre das Strafverfahren bei Abgabe einer Selbstanzeige für die letzteren Einkünfte ggf. insgesamt wieder aufzunehmen.

    Dem Beschluss ist nicht zu entnehmen, ob bei Steuerstraftaten bezüglich unterschiedlicher Steuerarten darauf abzustellen ist, dass diese ebenfalls zeitgleich aufgedeckt werden müssen, d.h. "reiner Tisch" gemacht wird.

    Folgt man den Ausführungen des BGH, zielt seine Rechtsprechung insbesondere darauf ab, die Möglichkeit der Stückelung von Selbstanzeigen zu unterbinden. Hinsichtlich der Selbstanzeige von Steuerstraftaten unterschiedlicher Steuerarten, lagen nach der bisherigen Rechtsprechung keine Teilselbstanzeigen vor. Diese setzten immer zumindest die gleiche Steuerart (und zumeist den gleichen Besteuerungszeitraum) voraus. Insoweit ist davon auszugehen, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige z.B. für Umsatzsteuerdelikte auch dann möglich ist, wenn die Straffreiheit für die Einkommensteuerhinterziehung wegen einer Unvollständigkeit der Angaben nicht in Frage kommen sollte.

    5. Auswirkungen eines sachlichen Zusammenhangs auf den Ausschlussgrund
    nach § 371 Abs.2 Nr.1a) 2. Alt. AO
    Nach Ansicht des BGH ist bei Erscheinen des Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit die Sperrwirkung nicht auf den Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses begrenzt. Vielmehr erstreckt sich die Sperrwirkung auch auf solche steuerlichen Sachverhalte, bei denen zu erwarten ist, dass sie bei einem üblichen Ermittlungsverfahren in die Überprüfung einbezogen werden. Der BGH führt dabei den Fall der identischen Einkunftsquelle (gleiches Bankkonto) lediglich als sicheres Positivbeispiel für einen sachlichen Zusammenhang auf.

    Neben identischen Einkunftsquellen in verschiedenen Besteuerungszeiträumen kann die Entscheidung aber auch auf den Ursprung einer dem Prüfungswillen unterliegenden Einkunftsquelle bezogen werden (z.B. verschwiegene Einnahmen aus einer anderen Einkunftsart, die den Kapitalstamm eines verschwiegenen Bankkontos bildete). Ein enger sachlicher Zusammenhang (zwischen den beiden Einkunftsarten) ist hier ebenfalls gegeben. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass Ermittlungen zum Ursprung des Kapitalstamms erfolgen werden. Dies führt unter Anwendung der BGH-Grundsätze regelmäßig zu einer Sperrwirkung für eine Nacherklärung dieser verschwiegenen Einkunftsquelle, allerdings nur soweit noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

    Der vom BGH geprägte Begriff des sachlichen Zusammenhangs ist letztlich maßgeblich für die Anwendung des Sperrgrundes nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a) 2. Alt. AO. Damit soll, wie der BGH selbst ausführt, verhindert werden, dass ein Wettlauf zwischen dem Prüfer und dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Aufdeckung der im Zusammenhang stehenden Straftaten stattfindet.

    Die vorstehenden Ausführungen zum sachlichen Zusammenhang bezieht der BGH in seiner Begründung zwar auf den Ausschlussgrund nach § 371 Abs.2 Nr.1a) 2. Alt. AO, sie haben jedoch nach hiesiger Ansicht auch für den Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a) 1. Alt. AO (Erscheinen des Prüfers zur steuerlichen Prüfung) Geltung.

    Die Ausführungen gelten für Taten mit erbschaft- und schenkungsteuerpflichtigen Bezug entsprechend.
    6. Selbstanzeigen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Ermittlungskomplexen
    Soweit Steuerpflichtige jeweils Selbstanzeigen einreichen, in denen sie jeweils Einkünfte - etwa solche aus Kapitalvermögen - nacherklären, die im Zusammenhang mit unterschiedlichen bzw. voneinander unabhängigen Ermittlungskomplexen stehen, ist grundsätzlich die Vollständigkeit der Angaben zu verneinen und die Straffreiheit insgesamt zu versagen.

    Hat eine frühere Selbstanzeige in Unkenntnis ihrer Unvollständigkeit bereits zur Straffreiheit geführt und liegt eine weitere Selbstanzeige (z.B. über ein Konto einer weiteren Bank) vor, ist sowohl für die aktuelle als auch für die frühere Selbstanzeige die Straffreiheit zu versagen und das Strafverfahren für die betreffende Tat fortzuführen - ggf. unter Einbeziehung der ursprünglichen Anzeige - fortzuführen.

    Soweit die Bearbeitung der Selbstanzeigen bereits in der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft liegt, sind Absprachen bezüglich der weiteren Vorgehensweise zu treffen.

    7. Einbindung der Staatsanwaltschaften
    Soweit Selbstanzeigen von gewichtiger Bedeutung (z.B. Fälle des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO) eingehen oder die Frage der Straffreiheit rechtliche Schwierigkeiten aufweist, ist die Staatsanwaltschaft frühzeitig zu beteiligen.

    Die Einbindung ist insbesondere dann angezeigt, wenn eine frühere Selbstanzeige durch die Staatsanwaltschaft straffrei gestellt wurde und nunmehr für den gleichen Zeitraum eine erneute Anzeige bei der Finanzbehörde eingereicht wird.

    Ich bitte, mir zum 10.01.2011 hinsichtlich der mit der neuen BGH-Rechtsprechung gemachten Erfahrungen zu berichten. Die Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Ihres Geschäftsbereichs bitte ich entsprechend zu unterrichten.

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