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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    § 14 ErbStG und die Hinterziehung von SchenkSt: Können Nachtaten strafrechtlich verfolgt werden?

    von RA Philipp Külz und StB Dipl.-Finw. (FH) Michael Valder, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | Im Zusammenhang mit Steuerhinterziehungsdelikten kommt es vor, dass der Betroffene nach Begehung einer Straftat wegen unterlassener Abgabe einer Steuererklärung zu einem späteren Zeitpunkt nochmals „aktivu“ falsche Angaben gegenüber den Finanzbehörden macht. Die folgenden Ausführungen machen deutlich, dass bei der Beratung solcher Fälle insbesondere die Verfolgungsverjährung sorgfältig zu prüfen ist. |

     

    Frage des Steuerberaters: Meine Mandantin erhielt im Februar 2004 eine Schenkung in Form von Schmuck von ihrem damaligen Lebensgefährten i.H. von 2.000.000 EUR. Eine Schenkungsteuererklärung wurde hierfür jedoch nicht eingereicht. Darüber hinaus fand im Jahr 2011 eine Übertragung einer inländischen Immobilie des Lebensgefährten mit einem steuerlichen Wert von 500.000 EUR statt. In der diesbezüglich eingereichten Schenkungsteuererklärung gab meine Mandantin an, es habe in den letzten 10 Jahren keine Vorschenkungen gegeben. Anfang Mai 2015 erhielt sie - wenige Wochen nach der Trennung von ihrem ehemaligen Partner - ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, in der ihr die Einleitung eines Strafverfahrens wegen der Hinterziehung von Schenkungsteuer mitgeteilt wurde. Neben der Schenkung aus dem Jahr 2011 möchte die Behörde die Vorschenkung aufgreifen. Kann dieser mehr als 11 Jahre zurückliegende Sachverhalt überhaupt noch verfolgt werden?

     

    Antwort des Verteidigers: Die Mandantin hat sich durch die unrichtige Angabe bezüglich etwaiger Vorschenkungen im Jahr 2011 wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar gemacht. Hierbei handelt es sich gegenüber der durch Unterlassen im Jahr 2004 begangenen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) um eine mitbestrafte Nachtat, deren Straflosigkeit aber entfällt, wenn die Vortat - wie hier - nicht mehr verfolgbar ist.

     

    Mit Blick auf die Höhe der hinterzogenen Steuern handelt es sich bei der Tat aus dem Jahr 2004 zunächst um einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung i.S. des § 376 Abs. 1 AO mit einer Verjährungsfrist von zehn Jahren. Bezüglich des Beginns der Verjährung hat der BGH in einem Beschluss aus dem Jahr 2011 (BGH 25.6.11, 1 StR 631/10, NJW 11, 3249 f.) ausgeführt, dass bei der Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen vier Monate nach der jeweiligen Schenkung von einer Tatbeendigung auszugehen ist. Dementsprechend ist hier für die im Jahr 2004 begangene Tat im Juni 2014 Verfolgungsverjährung eingetreten.

     

    Darüber hinaus hat die Mandantin in Bezug auf die Schenkung aus dem Jahr 2004 in der Schenkungsteuererklärung 2011 unrichtige Angaben gemacht; die Vorschenkung wurde wahrheitswidrig verschwiegen. Dies führte sowohl hinsichtlich der Schenkung aus dem Jahr 2011 (insbesondere mit Blick auf § 14 ErbStG und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Steuerprogression) als auch bezüglich des Sachverhalts aus dem Jahr 2004 zu einer Steuerverkürzung i.S. des § 370 Abs. 4 S. 1 AO; das FA hätte bei zutreffender Angabe der Vorschenkung die entsprechende Besteuerung nachholen können. Damit hat die Mandantin im Jahr 2011 den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht. Allerdings stellt die unrichtige Angabe, Vorschenkungen hätten nicht stattgefunden, eine grundsätzlich mitbestrafte und damit konsumierte Nachtat zu der im Jahr 2004 begangenen Steuerhinterziehung dar.

     

    Eine mitbestrafte Nachtat ist nach der Rechtsprechung des BGH eine selbstständige, den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllende, rechtswidrige und schuldhafte Handlung, durch die der Täter den Erfolg der Vortat oder die durch diese erlangte Position sichert, ausnutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn die Bewertung des konkreten Sachverhalts ergibt, dass dieser nachfolgenden, an sich strafbaren Handlung wegen ihres inneren - funktionalen - Zusammenhangs mit der Vortat kein eigener Unwertgehalt zukommt, sodass auch kein Bedürfnis besteht, sie neben der Haupttat selbstständig zu bestrafen (BGH 18.7.07, 2 StR 69/07, NStZ 08, 396). Bedingung für die Straflosigkeit der Nachtat ist, dass

    • die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind,
    • kein neues Rechtsgut verletzt und
    • der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird (BGH 20.2.14, 3 StR 178/13, NStZ 14, 579).

     

    Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der unrichtigen Angaben im Jahr 2011 hier zu bejahen; die Tat war zunächst mit Blick auf die vorangegangene Unterlassungstat straflos. Allerdings entfällt die Straflosigkeit einer Nachtat, wenn die Vortat - z.B. wegen Verjährung - nicht mehr verfolgbar ist (BGH in jüngster Zeit zu einem ähnlich gelagerten Fall - BGH 10.2.15, 1 StR 405/14, SteuK 15, 287, PStR 15, 189 f., in dieser Ausgabe). Wie bereits ausgeführt, ist bezüglich der im Februar 2004 begangenen Steuerhinterziehung im Juni 2014 Strafverfolgungsverjährung eingetreten mit der Folge, dass die im Jahr 2011 mittels der unrichtigen Angaben zu der Vorschenkung begangene Nachtat nun strafbar ist. Der - zunächst bestehende - Grund für die Straflosigkeit dieses Sachverhalts ist mit Eintritt der Verjährung der Unterlassungstat im Juni 2014 entfallen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Problematik ist keinesfalls rein dogmatischer Natur; neben der Relevanz im Rahmen der Verteidigung von Steuerstrafverfahren hat sie auch bei der Abgabe von Selbstanzeigen erhebliche praktische Bedeutung. § 371 Abs. 1 S. 2 AO fordert für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige Angaben über alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre. Unabhängig von den keinesfalls abschließend geklärten Auslegungsfragen zu dieser Regelung sollte in den Mandantengesprächen auch nach Sachverhalten gefragt werden, die möglicherweise deutlich mehr als zehn Jahre zurückliegen, um das Risiko einer unwirksamen Selbstanzeige zu vermeiden.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2015 | Seite 209 | ID 43496263

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