Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 22.09.2010 | Steuerstrafverfahren

    Durchsuchung und Beschlagnahme: Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten

    von RA Dr. Markus Adick, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    Wird nach Eingang einer Selbstanzeige eine Durchsuchung angeordnet, ist insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu prüfen (LG Koblenz 8.4.10, 4 Qs 10/10, NJW 10, 2227, Abruf-Nr. 102925).

     

    Sachverhalt

    In einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Untreue und Betrug erging ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen eine GmbH, deren Gesellschafter und Mitgeschäftsführer einer der Beschuldigten war. Bei der Durchsuchung, an der die Steufa teilnahm, wurde in einem Safe ein verschlossener Umschlag aufgefunden, der mit „Testament“ beschriftet war. Gegen den Widerspruch des Beschuldigten wurde der Umschlag nach Rücksprache mit der StA geöffnet. Neben dem Testament des Beschuldigten enthielt der Umschlag eine Vermögensaufstellung mit Hinweisen auf zahlreiche Guthaben und Kontostände bei Banken in Luxemburg und in der Schweiz. Das Testament und die Vermögensaufstellung wurden fotokopiert und mitgenommen. Nach Auswertung der Unterlagen beantragte die Steufa den Erlass mehrerer Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse. Das AG lehnte die Anträge mit der Begründung ab, dass es die Öffnung des Umschlags für nicht zulässig erachte. Das FA legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein.  

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Ansicht des LG Koblenz degradierte das Vorgehen der Beamten den Beschuldigten als natürliche Person „zum Objekt staatlichen Handelns“: Denn geht man von der naheliegenden Situation aus, dass keine konkreten Tatsachen für die Annahme sprachen, der Beschuldigte bewahre die im Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss genannte geschäftliche Korrespondenz der GmbH in einem verschlossenen Umschlag mit der Aufschrift „Testament“ auf, stellt sich das Vorgehen der Ermittler eher als willkürliche Suche nach einem den Tatverdacht erst begründenden Umstand denn als rechtsstaatliche, weil auf einem bereits bestehenden Tatverdacht beruhende, Durchsuchung dar.  

     

    Praxishinweis

    Ausuferungen, die lediglich dem Zweck dienen, „irgendwelche belastenden Unterlagen zu finden“ und die weder durch einen Tatverdacht noch durch eine richterliche Entscheidung gerechtfertigt sind, sind zwar nicht die Regel. Die vorliegende Entscheidung unterstreicht jedoch die Notwendigkeit, dass die Strafgerichte übereifriges Vorgehen korrigieren und so zur Disziplinierung der Strafverfolgungsbehörden beitragen. Zustimmung verdient auch, dass die Strafkammer die Vermögensaufstellungen nicht als Zufallsfunde ansah. Werden bei einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, die zwar in keiner Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten, so sind sie einstweilen in Beschlag zu nehmen (§ 108 Abs. 1 S. 1 StPO). Das LG Koblenz verneinte diese Voraussetzungen mit der Begründung, das Interesse des Staates an der Verfolgung von Steuerstraftaten habe „angesichts des willkürlichen Verhaltens gegenüber dem Beschuldigten … zurückzutreten“.  

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents