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  • 02.10.2008 | Steuerstrafverfahren

    Akteneinsicht nach Verfahrensabschluss

    von Dr. Philipp Gehrmann und Dr. Carsten Wegner, Berlin

    Gemäß § 147 StPO ist dem Verteidiger Akteneinsicht zu gewähren. Wird das Verfahren gegen den Beschuldigten eingestellt, ist der Verteidiger berechtigt, auch nach Abschluss des Verfahrens – nochmals – Akteneinsicht zu beantragen, die ihm auch zu gewähren ist.  

     

    Rechtsanspruch auf Akteneinsicht

    Einstellungsmitteilungen gelangen regelmäßig als Einzeiler ins Haus. Warum die Ermittlungsbehörde das Verfahren eingestellt hat, lässt sich dem Schreiben aber nicht entnehmen. Hierfür bedarf es der Kenntnisnahme des der Einstellungsnachricht vorausgegangenen (Einstellungs-)Vermerks, der sich in der Verfahrensakte befindet. In der Praxis wird entsprechenden Anträgen durch die StA – in der Regel – ohne Weiteres statt gegeben. Problematisch wird es, wenn nach Einstellung des Strafverfahrens keine Akteneinsicht gewährt wird, da sowohl innerhalb der Rechtsprechung als auch der Literatur die Rechtsauffassungen dazu sehr uneinheitlich sind.  

     

    Gänzlich unübersichtlich wird es in Steuerstrafverfahren, weil nach Ansicht einiger FG Besonderheiten bestehen sollen, die eng mit der Frage nach dem zulässigen Rechtsweg verbunden sind. So wird vertreten, dass ein Akteneinsichtsrecht nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO nur nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) in Betracht kommt; ein darüber hinaus gehendes Akteneinsichtsrecht sei der AO bzw. der FGO nicht bekannt. Dem ist zu widersprechen.  

     

    1. Akteneinsicht nach Abschluss des „normalen“ Strafverfahrens

    Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung (OLG Hamm NJW 84, 880; OLG Karlsruhe NStZ 96, 151; OLG Hamburg NJW 97, 3255) und Literatur (Roxin, Strafprozessrecht, 25. Aufl., § 19 Rn. 68; Wohlers in SK-StPO, § 170 Rn. 58; Laufhütte in KK-StPO, § 147 Rn. 20; Graalmann/Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, § 170 Rn. 47) sehen nach Abschluss des Strafverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein Akteneinsichtsrecht nur nach RiStBV Nr. 185. Die Gegenansicht (LG Oldenburg NStZ 92, 555; Lüderssen/Jahn in Löwe-Rosenberg, StPO, § 147 Rn. 124; Hiebl, Ausgewählte Probleme des Akteneinsichtsrechts nach § 147 StPO, 1994, 152 f.) bejaht ein Akteneinsichtsrecht analog § 147 StPO. Obgleich § 147 StPO dem Beschuldigten einen gebundenen Anspruch gewährt, während RiStBV Nr. 185 ein berechtigtes Interesse verlangt, sind die Unterschiede im Ergebnis marginal. Denn ein berechtigtes Interesse soll nicht nur vorliegen, wenn der ehemalige Beschuldigte die Auskünfte zur Verteidigung oder in anderer Sache oder zur sonstigen Rechtsverfolgung benötigt; es soll bei einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO vielmehr schon angesichts des fehlenden Strafklageverbrauchs und der daraus folgenden Möglichkeit der jederzeitigen Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben sein (Laufhütte in KK-StPO, § 147, Rn. 20, m.w.N.). Mit der gleichen Argumentation wird aber auch die Anwendung des § 147 StPO auf den Zeitraum nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens begründet (LG Oldenburg a.a.O.; LG Frankfurt a.M. StraFo 05, 379). Die Akteneinsicht ist – worauf zutreffend hingewiesen wird – auch nach Einstellung des Verfahrens eine unmittelbare Verteidigungshandlung bzw. Verteidigertätigkeit.  

    2. Akteneinsicht nach Abschluss des Steuerstrafverfahrens

    In steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren soll ein Akteneinsichtsrecht gemäß § 147 StPO oder RiStBV Nr. 185 dagegen nach ganz überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung (BFH BStBl II 77, 318; BFH BStBl II 85, 571; Nds. FG, EFG 93, 531) und wohl auch in der Literatur (Seer in Tipke/Kruse, § 33 FGO Rn. 25; Schuhmann, wistra 95, 182) nicht bestehen. Stattdessen soll über eine Akteneinsicht nur im Wege des pflichtgemäßen Ermessens des § 5 AO zu entscheiden sein. Die Finanzbehörde soll sich nach Abschluss der Ermittlungen nicht mehr in der Rolle einer Strafverfolgungsbehörde befinden, sondern wieder „primär in der ihr angestammten Rolle einer Steuerbehörde“ (Seer, a.a.O.). Die Einstellung soll also – erneut – einen Rollentausch bewirken, die Akteneinsicht sei nicht mehr Verteidigungshandlung, sondern „Abgabenangelegenheit“ i.S. der weiten Definition des § 33 FGO (BFH, a.a.O.; OLG Karlsruhe NJW 78, 1338). Bis zu einer etwaigen Wiederaufnahme des Verfahrens sollen die Finanzbehörden hinsichtlich der Akten, die bei dem Steuerstrafverfahren erwachsen sind, lediglich die Funktion der Aktenverwaltung wahrnehmen.  

     

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