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  • 01.07.2008 | Checklisten

    Verfahrensbeendigung ohne öffentliche Hauptverhandlung

    von RA Michael Tsambikakis, FA StrR, Köln und RA Rochus Wallau, Bonn

    Unabhängig von den Einzelheiten eines steuerstrafrechtlichen Vorwurfs:  Ziel des Beschuldigten ist regelmäßig, das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahrens ohne öffentliche Hauptverhandlung abzuschließen. Denn selbst ein Freispruch muss mit der Öffentlichkeit einer Hauptverhandlung bezahlt werden – ein Preis, der vielen Mandanten zu hoch erscheint. Im Fall des Verdachts einer Steuerstraftat ist bei der Entwicklung einer Verteidigungsstrategie daher stets an Erledigungsformen außerhalb der Hauptverhandlung zu denken. Die folgende Checkliste soll die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten deutlich machen und die wichtigsten Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Besonderheiten herausstellen. 

     

    Für die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, ein Ermittlungsverfahren ohne öffentliche Hauptverhandlung zu beenden, sind in der Praxis folgende Vorschriften von Bedeutung:  

    • Einstellung wegen fehlenden hinreichenden Tatverdachts (§ 170 Abs. 2 StPO) (Checkliste 1),
    • Absehen von Verfolgung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO) bzw. die Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 398 AO) (Checkliste 2),
    • Einstellung des Verfahrens bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO) (Checkliste 3),
    • Einstellung als unwesentliche Nebenstraftat (§ 154 StPO) bzw. die Beschränkung der Strafverfolgung (§ 154a StPO) (Checkliste 4) und
    • das Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff. StPO) (Checkliste 5).

     

    1. Einstellung wegen fehlenden hinreichenden Tatverdachts (§ 170 Abs. 2 StPO)

    Frage

    Antwort 

    1.Welche Voraussetzungen müssen für eine Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO vorliegen?

    Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass, erhebt die StA gemäß § 170 Abs. 1 StPO Anklage beim zuständigen Gericht. Voraussetzung hierfür ist, dass kein Verfahrenshindernis besteht, keine Einstellung nach einer Bestimmung des Opportunitätsprinzips (§§ 153 ff. StPO) erfolgt und der Beschuldigte einer (Steuer-)Straftat hinreichend verdächtig ist. Anderenfalls ist das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Anknüpfungspunkte für eine erfolgreiche Verteidigung bilden – an erster Stelle – die Möglichkeit, den Tatverdacht auszuräumen und vor allem die Verjährung (Verfahrenshindernis). Der Tatverdacht kann aus sachlichen oder rechtlichen Gründen entfallen. Denkbar ist auch, dass der Verdachtsgrad nicht die erforderliche Verurteilungswahrscheinlichkeit erreicht. 

    2.Wer ist für die Einstellung zuständig?

    In Steuerstrafsachen stellt die Finanzbehörde das Verfahrens ein, wenn sie das Ermittlungsverfahren anstelle der StA geführt hat (§§ 386, 399 AO). 

    3. Welche Rechtsfolgen hat die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO?

    Die Einstellung beendet das Ermittlungsverfahren ohne weitere Belastungen für den Beschuldigten. 

    4. Welche Vorteile bietet die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO?

    Die Ermittlungen gegen den Beschuldigten sind mit der Einstellungbeendet; Schuldfeststellungen gehen damit nicht einher. Innerhalb des Spektrums der „nicht-öffentlichen“ Einstellungsmöglichkeiten ist dies der „Freispruch“. 

    5. Welche Nachteile hat die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO?

    Durch die Einstellung tritt kein Strafklageverbrauch ein. Das Ermittlungsverfahren kann jederzeit wiederaufgenommen werden, wenn Anlass dazu besteht. 

    6. Welche Besonderheiten und praktische Tipps sind zu beachten?

    Wegen des fehlenden Strafklageverbrauchs bietet es sich manchmal an, eine geringe Geldauflage im Rahmen einer Einstellungnach § 153a StPO zu akzeptieren, um dadurch in den Genuss (beschränkter) Rechtskraft zu kommen. Die auf den ersten Blick schlechtere Form der Verfahrensbeendigung wird u.U. aufgewogen durch die Sicherheit vor zukünftiger Strafverfolgung bezüglich der in Rede stehenden Tat. Nicht selten wissen Mandanten sehr genau, welchen Wert eine solche Sicherheit haben kann. 

     

     

    2. Einstellung wegen Geringfügigkeit (§§ 398 AO, 153 StPO)

    Frage

    Antwort 

    1. Welche Voraussetzungen müssen für eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO bzw. § 398 AO vorliegen?

    §§ 398 AO, 153 StPO ermöglichen ein Absehen von der weiteren Verfolgung bzw. eine Einstellung des Verfahrens, wenn der Steuervorteil bzw. die Verkürzung gering ist, die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Sind lediglich die letzten beiden Voraussetzungen gegeben, bedarf eine Einstellung nach dieser Vorschrift der Zustimmung des Gerichts. Indiz für die Annahme von geringer Schuld ist nach den aktuellen Anweisungen (AStBV), „wenn eine Geldstrafe von 10 bis 20 Tagessätzen zu verhängen wäre“. 

    2. Wer ist für die Einstellung zuständig?

    In Steuerstrafsachen stellt die Finanzbehörde das Verfahrens ein, wenn sie das Ermittlungsverfahren anstelle der StA geführt hat (§§ 386, 399 AO). Ist bereits Anklage erhoben, kann auch das Gericht das Verfahren mit Zustimmung des Betroffenen und der StA nach § 153 StPO einstellen. 

    3. Welche Rechtsfolgen hat die Einstellung nach §§ 398 AO, 153 StPO?

    Die Einstellung beendet das Ermittlungsverfahren ohne weitere Belastungen für den Beschuldigten. 

    4. Welche Vorteile bietet die Einstellung nach §§ 398 AO, 153 StPO?

    Die Ermittlungen gegen den Beschuldigten sind mit der Einstellung beendet; Schuldfeststellungen gehen auch mit dieser Einstellung nicht einher, denn das Vorliegen einer schuldhaften Tat bleibt hypothetisch („Schuld als gering anzusehen wäre“).  

    5. Welche Nachteile hat die Einstellung nach §§ 398, 153 StPO?

    Durch die Einstellung tritt nach neuerer Rechtsprechung ein beschränkter Strafklageverbrauch nur dann ein, wenn sie nach bereits erhobener Anklage mit Zustimmung des Gerichts erfolgt.  

     

    Aber auch in diesem Fall ist den Behörden eine Fortsetzung der Ermittlungen möglich, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die eine erhöhte Strafbarkeit begründen oder sich die in Rede stehende Tat als Verbrechen, als Teil einer umfangreicheren Straftat oder einer Serie von Straftaten darstellt. 

    6. Welche Besonderheiten und praktische Tipps sind zu beachten?

    Wegen des beschränkten Strafklageverbrauchs gelten ähnliche Erwägungen wie bei § 170 Abs. 2 StPO. Der Beschuldigte kann sich gegen eine Einstellung nach § 153 StPO nicht zur Wehr setzen. Auch wenn er eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO anstrebt, gibt es für ihn keine Beschwerdemöglichkeit. 

     

     

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