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  • 01.04.2007 | Besteuerungsverfahren

    Checkliste zum Steuergeheimnis

    von RA Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Berlin

    Das Steuergeheimnis soll sicherstellen, dass die im Besteuerungsverfahren offenbarten Verhältnisse des Steuerpflichtigen nicht zu dessen Nachteil an Dritte weitergegeben werden. Derjenige, der gegenüber der Finanzbehörde zur Offenbarung aller seiner für das Besteuerungsverfahren relevanten Verhältnisse verpflichtet ist, soll sicher sein können, dass die von der Finanzbehörde dadurch erlangten Erkenntnisse nicht missbraucht werden. Amtsträger sind deshalb unter Strafandrohung zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet. 

     

    1. Grundlagen

    Frage

    Antwort 

    1.Wo ist das Steuergeheimnis geregelt und was schützt das Steuergeheimnis?

    In § 30 AO. Durch das Steuergeheimnis wird alles geschützt, was der Finanzbehörde in einem der in § 30 Abs. 2 Nr. 1abis 1c AO genannten Verfahren über den Steuerpflichtigen oder andere Personen bekannt geworden ist. Es ist unerheblich, ob diese Tatsachen für die Besteuerung relevant sind oder nicht. Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person (Spriegel in Wannemacher, Steuerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 4574). 

    2.Wer ist zur Geheimhaltung verpflichtet?

    Das Steuergeheimnis haben Amtsträger (§ 7 AO) und die in § 30 Abs. 3 AO genannten Personen zu wahren. Den Amtsträgern sind nach § 30 Abs. 3 AO gleichgestellt die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist dies, wer – ohne Amtsträger zu sein – bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluss, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist. 

    3.Schützt das Steuergeheimnis grenzenlos?

    Nein. Die § 30 Abs. 4und 5 AO erlauben unter bestimmten Voraussetzungen die Offenbarung der in § 30 Abs. 2 AO geschützten Verhältnisse, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, nicht aber die Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.  

    4.Verpflichten oder berechtigen die Ausnahmetatbestände des § 30 Abs. 4und 5 AO zur Offenbarung?

    Die Behörde ist zur Offenbarung befugt, jedoch nicht verpflichtet. Bei der Entscheidung, ob Verhältnisse offenbart werden sollen, ist zu berücksichtigen, dass das Steuergeheimnis auch dazu dient, die Beteiligten am Besteuerungsverfahren zu wahrheitsgemäßen Angaben zu veranlassen. Ist die Befugnis zur Offenbarung nach § 30 AO gegeben und besteht gleichzeitig ein Auskunftsanspruch, der für sich allein das Steuergeheimnis nicht durchbricht (z.B. § 161 StPO), so ist die Behörde zur Auskunftserteilung verpflichtet. 

    5.Hat der Betroffene einen Anspruch gegen die Finanzbehörde, dass ihm der Name eines Anzeigeerstatters offenbart wird?

    Regelmäßig nein. Das Steuergeheimnis erstreckt sich nicht nur auf die Verhältnisse des Steuerpflichtigen, sondern auch auf die Verhältnisse Dritter, insbesondere auch auf Anzeigeerstatter, die den Finanzbehörden vertrauliche Informationen über Steuerpflichtige mitteilen (LG Mühlhausen PStR 02, 256). Bei der Abwägung zwischen dem durch § 30 AO gewährten Schutz des Informanten einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Angezeigten andererseits soll regelmäßig von einem Vorrang des Schutzes des Anzeigeerstatters auszugehen sein.  

    Die Informationsperson könne ausnahmsweise nur benannt werden, wenn die Offenbarung der Personalien des Anzeigeerstatters und der genaue Inhalt der Anzeige zur Durchführung des Steuerstrafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO) und zu einer effektiven Verteidigung unerlässlich sind. Nicht schützwürdig sind auch Personen, die vorsätzlich falsche Angaben unterbreiten (LG Hamburg PStR 02, 195; BFH PStR 07, 49).  

    6.Kann das Steuergeheimnis einen knapp gefassten Durchsuchungsbeschluss rechtfertigen?

    Nein. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (BVerfGE 103, 142, 151 m.w.N.). Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Richter muss weiterhin grundsätzlich auch die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so genau bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann (BVerfG NJW 02, 1941). 

    Nichts anderes folgt aus dem Steuergeheimnis, denn dieses soll den steuerpflichtigen Bürger vor dem unbefugten Offenbaren oder Verwerten seiner Steuerdaten durch einen Amtsträger schützen. Dies betrifft aber nicht die Mitteilung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs an den Steuerpflichtigen in einem gegen diesen gerichteten Ermittlungsverfahren (§ 102 StPO). 

    7.Gelten diese strengenGrundsätze auch für Durchsuchungsbeschlüsse gegen den unverdächtigen Dritten (§ 103 StPO)?

    Nein. Hier gebietet es das Steuergeheimnis, die Steuerdaten des Beschuldigten nicht im Rahmen der Beschreibung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs zu offenbaren (vgl. LG Konstanz wistra 2000, 118). Die Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse ist nicht immer schon deshalb – vollumfänglich – zulässig, weil sie der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens dient (§ 30 Abs. 4 Nr. 4 lit. a AO). Schon nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfen nur solche steuerlich relevanten Umstände mitgeteilt werden, die für das Steuerstrafverfahren unbedingt erforderlich sind. Das Steuergeheimnis verbietet demnach die Preisgabe von solchen nicht unbedingt erforderlichen Informationen (Kemper PStR 05, 71; a.A. Joecks in FGJ, § 399 Rn. 65b). 

     

     

     

    2. Offenbarung für ein steuerliches Verfahren (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO)

    Frage

    Antwort 

    1.Wann ist die Offenbarung eines Steuergeheimnisses zur Durchführung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens zulässig?

    Nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO genügt es, dass das Offenbaren für die Einleitung oder den Fortgang dieses Verfahrens nützlich sein könnte („dient“). 

    2.Welche Auskunftsrechte haben Erben?

    Der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die rechtliche Stellung des Erblassers ein (§ 1922 BGB; § 45 Abs. 1 S. 1 AO). Die Auskünfte, die dem Erblasser aus den Steuerakten erteilt werden durften, dürfen auch dem Erben erteilt werden. Sind mehrere Erben vorhanden, so kann jeder unterrichtet werden. Zur Auskunftserteilung bedarf es nicht der Zustimmung der übrigen Miterben.  

    3.Was ist zu beachten, wenn Besteuerungsgrundlagen geschätzt und Informationen über Vergleichsbetriebe in das Verfahren eingeführt werden sollen?

    Bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen sind ggf. die für Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten dem FG vorzulegen, damit das FG überprüfen kann, ob gegen die Zahlen der Vergleichsbetriebe Bedenken bestehen. Die Vorlage an das Finanzgericht hat wegen des Akteneinsichtsrechts nach § 78 FGO stets in anonymisierter Form zu erfolgen. 

    4.Kann einem Akteneinsichtsgesuch nach § 406e StPO das Steuergeheimnis entgegengehalten werden?

    Ja. Keine der Ausnahmen des § 30 Abs. 4, 5 AO ist einschlägig (von Briel, wistra 02, 213; Gotzens PStR 06, 110 ff.) In der Praxis sollte der Gewährung von Akteneinsicht regelmäßig durch die Verteidigung entgegengetreten und notfalls ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Frage der Gewährung von Akteneinsicht nach § 406e Abs. 4 S. 2 StPO i.V. mit § 161 Abs. 3 S. 2bis 4 StPO gestellt werden, ggf. verbunden mit dem Hinweis auf § 355 StGB. In komplexen Wirtschaftsstrafverfahren ist auf die Heraustrennung zu schützender Aktenbestandteile hinzuwirken. Regelmäßig wird der damit für die Behörden verbundene Aufwand bewirken, dass Dritte keine Akteneinsicht erhalten. 

     

     

     

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