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  • · Umsatzsteuer

    Ist die doppelte Nutzung der Kleinunternehmerregelung ein Gestaltungsmodell für Ehegatten?

    Bild: © Marcos ‒ stock.adobe.com

    von Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf., herold-steuerrat.de und RA Ralph Jürgen Bärhle, Nothweiler, baehrle-partner.de

    | Physiotherapeuten erbringen - durchschnittlich betrachtet - rund 30 Prozent ihrer Leistungen an Selbstzahler. Vielfach sind diese Leistungen nicht umsatzsteuerbefreit. Eine Gesetzesänderung, die seit 2025 greift, sowie ein aktuelles Gerichtsurteil können aber dafür sorgen, dass die eigentlich umsatzsteuerpflichtigen Leistungen „unterm Strich“ doch ohne Belastung mit Umsatzsteuer bleiben. Praxen, die gewisse Umsatzgrößen nicht überschreiten, können die Kleinunternehmerregelung nutzen ( PP 12/2024, Seite 16 ff.). Bei Eheleuten, die jeweils eine physiotherapeutische Praxis haben, liegt der Gedanke nahe, zwei Gewerbe, Unternehmen oder Praxen zu gründen, um die Kleinunternehmerregelung zweimal in Anspruch zu nehmen. |

    Grundsätzlich ist Physiotherapie umsatzsteuerfrei

    Die Leistungen von Physiotherapeuten sind grundsätzlich nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) als Heilbehandlungen umsatzsteuerfrei. Physiotherapeutische Leistungen, die an so genannte Selbstzahler erbracht werden, sind aber nur dann umsatzsteuerfrei, wenn der Therapiezweck vor der Behandlung oder bei chronischen Erkrankungen spätestens nach Ablauf eines Jahres per ärztlicher Verordnung nachgewiesen wird (Finanzgericht [FG] Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2021, Az. 1 K 2249/17 U).

     

    Letztlich bedeutet dies, dass Physiotherapeuten, die in nennenswertem Umfang Leistungen an Selbstzahler erbringen, mit der Umsatzteuer belastet sind. Auch wenn die Umsatzsteuer von den Kunden „bezahlt“ werden muss, ist sie letztlich doch Bestandteil der Kalkulation und schmälert ‒ wirtschaftlich betrachtet ‒ den Gewinn. Von daher wäre es von Vorteil, wenn der Leistungserbringer hinsichtlich seiner umsatzsteuerpflichtigen Leistungen als Kleinunternehmer gelten würde, denn dann fällt von vornherein keine Umsatzsteuer an. Zu Jahresbeginn 2025 haben sich Neuerungen und Verbesserungen bei der Kleinunternehmerregelung ergeben (PP 01/2025, Seite 7). Diese kann nunmehr genutzt werden, wenn der Jahresumsatz im Vorjahr nicht höher als 25.000 Euro war und im laufenden Jahr nicht höher als 100.000 Euro ist.

     

    Darüber hinaus gibt es ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Münster vom 08.04.2025 (Az. 15 K 2500/22 U), das Ehegatten die doppelte Nutzung der Kleinunternehmerregelung ermöglicht. Das heißt, das Urteil ist von großem Interesse, wenn

     

    • beide Ehepartner als Physiotherapeuten tätig sind,
    • zahlreiche an sich umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen und
    • keine nennenswerten Anschaffungen erforderlich sind oder Dienstleistungen „eingekauft“ werden müssen.

    Allgemeines zur Kleinunternehmerregelung

    Bislang konnten Unternehmer die Kleinunternehmerregelung anwenden, wenn ihr Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im Vorjahr nicht höher als 22.000 Euro war und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht höher als 50.000 Euro sein wird. Ab 2025 wurden die Schwellenwerte angehoben: Die Kleinunternehmerregelung kann genutzt werden, wenn der Jahresumsatz im Vorjahr nicht höher als 25.000 Euro war und im laufenden Jahr nicht höher als 100.000 Euro ist.

     

    Die neue ‒ inländische ‒ Umsatzobergrenze für das laufende Kalenderjahr von 100.000 Euro ist als ein Grenzbetrag zu verstehen, bis zu dessen Erreichung die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für dieses Kalenderjahr zulässig ist, aber ab Überschreiten kommt eine weitere Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nicht mehr in Betracht. Sobald im laufenden Jahr die 100.000 Euro überschritten werden, entfällt die Kleinunternehmerschaft und es muss Umsatzsteuer in den Rechnungen ausgewiesen und abgeführt werden ‒ vorausgesetzt natürlich, die Umsätze sind nicht nach anderen Vorschriften steuerfrei. Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind indes steuerfrei.

     

    Im Jahr der Aufnahme der Tätigkeit ist die Grenze von 25.000 Euro und nicht die Grenze von 100.000 Euro maßgebend (§ 19 Abs. 1 UStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2024; vgl. PP 01/2025, Seite 7 ff. sowie das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 18.03.2025, III C 3 - S 7360/00027/044/105, BStBl I 25, S. 742). Gegenüber der bisherigen Regelung ist der Gesamtumsatz ohne Hinzurechnung der Umsatzsteuer maßgebend. Während also die bisherigen Grenzen Bruttosummen waren, sind die neuen Grenzen Nettosummen.

     

    Die Leistungen von Physiotherapeuten sind grundsätzlich nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als Heilbehandlungen umsatzsteuerfrei. Die nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Umsätze rechnen nicht zum Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 2 UStG (i. d. F. ab 1.1.2025). Daher können die nicht befreiten Umsätze der begünstigten Unternehmer vielfach unter die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG fallen. Anders ausgedrückt: Die Kleinunternehmergrenze von 25.000 Euro bezieht sich bei Physiotherapeuten grundsätzlich nur auf die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze. Unerheblich ist, in welcher Höhe daneben umsatzsteuerfreie Umsätze erzielt werden.

    Vervielfachung der Kleinunternehmerregelung

    Eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung führt zu ihrer Versagung beim leistenden Unternehmer. Bei der Beurteilung, ob die Inanspruchnahme zweckwidrig ist, ist aber auch zu beachten, dass ein Steuerpflichtiger das Recht hat, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält. Dementsprechend macht allein das Bestreben, Steuern zu sparen, eine rechtliche Gestaltung nicht unangemessen, solange die gewählte Gestaltung zumindest auch von beachtlichen außersteuerlichen Gründen bestimmt gewesen ist. So kann auch eine umsatzsteuerrechtlich vorteilhafte Aufspaltung in verschiedene Unternehmen wirtschaftlich und unternehmerisch durchaus Sinn ergeben (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 11.04.2013, Az. V R 28/12).

     

    Zweckwidrige Inanspruchnahme durch Aufspaltung

    Demnach liegt eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nur dann vor, wenn Umsätze planmäßig aufgespalten und künstlich zwischen Unternehmen mit dem Ziel verlagert werden, die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten.

     

    Auch wenn § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) vom allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 UStG ausgeht und es keine typischen Kleinunternehmer gibt, da die Beurteilung ausschließlich von der Umsatzhöhe und nicht von einer bestimmten Rechtsform oder Tätigkeit abhängt, liegt der Regelung doch das Bild einer „kleinen“ unternehmerischen Einheit zugrunde, die sowohl aufseiten des Unternehmens als auch der Verwaltung keinen Verwaltungsaufwand rechtfertigt. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass die Gewährung von Steuerfreiheit nur Kleinunternehmer fördern solle, nicht aber solche, die durch Aufsplittung ihrer Tätigkeit auf verschiedene Mitgliedstaaten quasi „unter dem Deckmantel“ der jeweils geltenden Kleinunternehmerregelung tätig seien, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv überschreiten würden. Entsprechend soll die Kleinunternehmerregelung nur den Unternehmen zugutekommen, die auch tatsächlich in geringem Umfang wirtschaftlich tätig sind (EuGH, Urteil vom 26.10.2010, Az. C-97/09, Rechtssache Schmelz).

     

    • Beispiele für eine rechtswidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung

    Planmäßige Aufspaltung und Aufteilung auf Tochter-Personengesellschaften

    Die Grenze zu einer zweckwidrigen Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung ist, wie erwähnt, dann überschritten, wenn Umsätze planmäßig aufgespalten und künstlich Unternehmen verlagert werden ‒ wie z. B. in dem Fall, der dem Urteil des BFH vom 11.07.2018 zugrundelag (Az. (XI R 26/17)). Hier hatte eine Steuerberatungsgesellschaft sechs KG gegründet, an denen sie jeweils als Kommanditistin beteiligt war. Die KG erbrachten ihre Leistungen auf Grundlage von im eigenen Namen geschlossenen Verträgen ausschließlich gegenüber Kunden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, weil sie steuerfreie Leistungen erbrachten (insbesondere bei Heilberufen) oder Kleinunternehmer waren. Die Umsätze der einzelnen KG blieben jeweils unterhalb der Kleinunternehmergrenze.

    Aufspaltung im Falle eines Gastronomiebetriebs

    In einem anderen Fall hatte der EuGH einem Gastronomiebetrieb die (hier: kroatische) Kleinunternehmerregelung versagt. Der Betrieb hatte seine Umsätze offenbar planmäßig aufgespalten (Urteil vom 04.10.2024, Az. C-171/23).

     

     

    • Abgrenzung zum Anwendungsbereich von § 42 AO

    Die Versagung der Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung ist nicht dasselbe wie eine Versagung auf Grundlage von § 42 Abgabenordnung AO. In Fällen, wie den beschriebenen, hat das Gericht die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Wege der teleologischen Reduktion auf Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung versagt, sodass trotz formaler Einhaltung der Umsatzgrenzen die Berufung auf § 19 UStG verwehrt ist. Der Anwendungsbereich des § 42 AO war in diesen Fällen ‒ entgegen der Annahme der Vorinstanzen ‒ schon nicht eröffnet. Die Unterscheidung zwischen der Versagung der Kleinunternehmerregelung aus EU-Gründen oder aus § 42 AO heraus dürfte allerdings für den Praktiker rein materiell-rechtlich kaum Relevanz haben.

     

    Künstliche Aufspaltung unter Eheleuten

    Eine Besonderheit bieten Fälle, in denen Eheleute „mehr oder weniger“ derselben Tätigkeit nachgehen. Hier stellt sich die Frage, ob das Finanzamt die wirtschaftlichen Tätigkeiten nur wegen des Umstands, dass sie verheiratet sind, so ohne Weiteres zusammenfassen darf.

     

    a) Eheleute sind gesellschaftsrechtlich verbunden

    In diesem Zusammenhang ist zunächst auf ein Urteil des BFH vom 11.07.2018, hinzuweisen (XI R 36/17). In diesem Sachverhalt wurde eine künstliche Aufspaltung von Tätigkeiten gesehen.

     

    • Streitig war dieses Gestaltungsmodell

    Die Klägerin, eine freie Theologin, führt Hochzeiten, Taufen und Trauerfeiern durch. 2006 gründete sie mit ihrem Ehemann eine GbR, die solche Zeremonien organisiert. Die Klägerin war die alleinige Geschäftsführerin, während ihr Ehemann hauptsächlich für organisatorische Aufgaben zuständig war. Die Gewinne der GbR wurden fast vollständig der Klägerin zugerechnet. In der Praxis entschied sie, ob Aufträge über ihr Einzelunternehmen oder die GbR abgewickelt wurden, um die Umsatzgrenzen der Kleinunternehmerregelung zu nutzen. Das Finanzamt (FA) und das Finanzgericht (FG) werteten dies als Gestaltungsmissbrauch, da alle Umsätze letztlich dem Einzelunternehmen zugeschrieben wurden, wodurch die Umsatzgrenzen nicht eingehalten wurden.

     

    Die Revision der Klägerin war erfolglos: Zwar hob der BFH das Urteil der Vorinstanz auf, doch waren die Gründe andere als die von der Klägerin vorgebracht. § 42 AO sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Im Ergebnis werdete auch der BFH das Vorgehen der Klägerin als missbräuchliche Nutzung der Kleinunternehmerregelung. Mit der planmäßigen Aufspaltung und künstlichen Verlagerung von Umsätzen zwischen der Klägerin und der Gesellschaft mit dem Ziel, so die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten, werde der Vereinfachungszweck des § 19 UStG verfehlt und die Kleinunternehmerregelung missbräuchlich in Anspruch genommen. Eine durch Aufspaltung erzielte mehrfache Inanspruchnahme der Kleinunternehmervergünstigung stelle zudem eine Verletzung des Neutralitätsprinzips dar

     

    Ausgehend davon habe das FG im Streitfall zu Recht eine missbräuchliche mehrfache Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung bejaht. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG erfolgte die Verlagerung von Umsätzen zwischen der Klägerin und ihrem Ehegatten allein zu dem Zweck, jeweils die Umsatzgrenzen der Kleinunternehmerregelung in Anspruch zu nehmen, und war nicht durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt (vgl. BFH, Urteil vom 11.07.2018, Az. XI R 26/17, Rz. 62 f.).

     

    Da die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung durch die Klägerin (und die Gesellschaft) folglich zweckwidrig und missbräuchlich wäre, war sie gemäß den unionsrechtlichen Vorgaben zu versagen und die Umsatzsteuer ‒ ungeachtet des § 19 UStG ‒ auf die Umsätze zu erheben. Eine Zurechnung der Umsätze der Gesellschaft zur Klägerin kam dagegen nicht infrage.

     

    b) Eheleute agieren als Einzelunternehmer

    Kürzlich hat das FG Münster entschieden, dass die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung von Eheleuten mit zwei gleichartigen Unternehmen ‒ hier im Bereich der Grabpflege ‒ nicht missbräuchlich ist, wenn außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung dargelegt werden können (FG Münster, Urteil vom 08.04.2025, Az. 15 K 2500/22 U).

     

    • Diese Gestaltung sah das FG Münster als legitim an

    Die Ehegatten sind beide im Rahmen eines Minijobs bei einer Kirchengemeinde tätig. Im Februar 2016 meldete die Klägerin ein Gewerbe „Grabpflege und Grabgestaltung“ als Einzelunternehmerin an. Der Kläger meldete im September 2016 ebenfalls ein Gewerbe „Grabpflege und Grabgestaltung“ an. Beide Ehegatten beantragten jeweils beim FA, ab Beginn ihrer Tätigkeit die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG anzuwenden. Sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann erzielten mit ihren Gewerben jeweils Umsätze unterhalb der Kleinunternehmergrenze. Bei einer Addition der Umsätze wäre die Grenze überschritten worden.

     

    Das FA war der Auffassung, dass die Gewerbe bzw. die Unternehmen künstlich aufgespalten worden seien und versagte daraufhin für die Streitjahre die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Tatsächlich ließen einige Indizien darauf schließen, dass die Gewerbe nicht vollständig voneinander getrennt waren. So fanden sich z. B. in der Buchführung des Ehemanns Eingangsrechnungen, die auf die Ehefrau ausgestellt waren. Die Kläger sahen dagegen keine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung. U. a. trugen sie vor, dass die Grabpflege von der Ehefrau, die Grabgestaltung aber vom Ehemann geleistet worden sei. Zwar habe die Klägerin im Rahmen der Grabpflege auch einmal ein Grab abgeräumt und neu bepflanzt. Im Gegensatz hierzu würden die Arbeiten des Ehemanns aber größere Erdbewegungen und das Versetzen von Grab- bzw. Randsteinen umfassen.

     

    Nach Ansicht des FG Münster aber waren die Eheleute nicht verpflichtet, jeweils selbstständige Tätigkeiten in einem Unternehmen zu bündeln und sie „aus einer Hand“ anzubieten. Sie dürfen auch getrennte Unternehmen führen, und zwar auch dann, wenn sie (nur) hierdurch aufgrund der Höhe ihrer erzielten Umsätze in den Anwendungsbereich der Kleinunternehmerregelung fallen. Ohne Bedeutung ist demnach, wenn sich die Leistungsangebote von Eheleuten ergänzen und teilweise überschneiden und sie teilweise auch identische Kunden haben. Denn hierbei handelt es sich um marktübliche Vorgänge, die im täglichen Wirtschaftsleben ständig vorkommen.

     

    Sofern die Sichtweise vertreten wird, dass die Eheleute die Leistungen „aus einer Hand“ anbieten müssten, würde dies die Eheleute rein faktisch allein aufgrund ihrer Ehe benachteiligen. Hierin würde auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegen. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung, was insbesondere bedeutet, dass es Organen der staatlichen Hoheitsgewalt untersagt ist, rechtliche Nachteile gerade an Ehe und Familie zu knüpfen.

     

    Es müssen aber außersteuerliche Gründe vorliegen. Zudem muss für die Kunden erkennbar sein, dass sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann eigenständig nach außen auftreten. Im Urteilsfall lagen außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung vor. So hatte die Ehefrau ausgeführt, dass sie aufgrund der Behinderungen ihrer Kinder den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten hatte und mit dem Zuverdienst zum Familieneinkommen beitragen wollte. Zum anderen hatte sie dargelegt, dass sie körperlich nicht in der Lage war, Grabsteine zu bewegen und dass diese Tätigkeit ‒ infolge zunehmender Nachfrage ‒ daher von ihrem Ehemann angeboten wurde, während sie sich auf Leistungen der Grabpflege konzentriert hat.

    Gestaltungsempfehlung für Eheleute mit je einer heilberuflichen Praxis

    Sofern zwei Eheleute jeweils mit eigener Praxis auf eigene Rechnung arbeiten, unabhängig voneinander auftreten und unterschiedliche Leistungen anbieten (z. B. durch unterschiedliche Heilmittelbereiche bzw. unterschiedliche Spezialisierung), dürfte die doppelte Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung möglich sein ‒ vorausgesetzt bei der Auftragsannahme und -abwicklung begehen sie keine schwerwiegenden steuerlichen Fehler. Das Problem des Missbrauchs der Kleinunternehmerregelung kann nur auftreten, wenn

    • beide Ehegatten
    • dem gleichen Patienten
    • die gleiche umsatzsteuerpflichtige Leistung anbieten.

     

    • Beispiel: Rückenschule

    Herr und Frau Müller führen als Einzeltherapeuten je eine physiotherapeutische Praxis und bieten Rückenschule als Selbstzahlerleistung an. Patientin Frau Meier macht die Rückenschule zuerst bei der Frau Müller, dann wird sie zu Herrn Müller geschickt, damit die Frau Müller die Umsatzgrenze als Kleinunternehmerin nicht überschreitet. Ob das Finanzamt im Einzelfall den Missbrauch nachweisen kann, ist eine andere Frage. Frau Meier könnte ja auch gewechselt haben, weil der Herr Müller eine „bessere Rückenschule“ anbietet. Häuft sich dieses Prozedere jedoch im Sinne eines „Geschäftsmodells“ dürfte die Finanzverwaltung zu Recht von einem rechtsmissbräuchlichen Gestaltungsmodell ausgehen.

     

    Bieten die Eheleute völlig unterschiedliche umsatzsteuerpflichtige Leistungen (z. B. Yoga und Rückeschule) an, stellt sich das Problem des Missbrauchs nicht und beide können für die Kleinunternehmerregelung optieren.

     

    • Doppelte Kleinunternehmerregelung ‒ dies ist zu beachten
    • Eigene Gewerbeanmeldung bzw. bei Freiberuflern entsprechende Mitteilung an das Finanzamt
    • Leistungserbringung unter eigenem Namen und in eigener Verantwortung
    • Abrechnung mit jeweils eigener Steuernummer und eigenem Briefkopf
    • Eigene Rechnungs- und Kundennummern
    • Getrennte Buchführung
    • Getrennte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung („Berufshaftpflicht“)
     

    Wichtig | Keinesfalls sollte der Eindruck entstehen, man würde als GbR auftreten oder die Kunden würden beliebig einmal dem Ehemann und ein anderes Mal der Ehefrau „zugewiesen“.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Jahressteuergesetz 2024: Diese zehn Steueränderungen sind für Heilmittelerbringer relevant! (PP 01/2025, Seite 7 ff.)
    • Physiotherapeuten und die Umsatzsteuer: So nutzen Sie die Kleinunternehmerregelung (PP 12/2024, Seite 16 f.)
    Quelle: ID 50531675