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  • · Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

    Vorsicht bei gemeinsamer Praxis ohne Vertrag!

    von RA, FA für Medizinrecht Rainer Hellweg, Hannover, www.spkt.de

    | Ohne Vertrag kann eine gemeinsame Praxis (Gemeinschaftspraxis, Praxisgemeinschaft etc.) von allen Gesellschaftern jederzeit aufgekündigt werden - selbst wenn die Gemeinschaft faktisch schon besteht bzw. bestanden hat. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 9. Februar 2012 klargestellt (Az: 1 U 67/11). In dem durch das Gericht entschiedenen Fall ging es zwar um eine ärztliche Gemeinschaftspraxis. Das Urteil betrifft jedoch gemeinsame Praxen von Therapeuten gleichermaßen. |

     

    Der Fall

    Die klagende Ärztin hatte mehrere Jahre als Angestellte in einer bestehenden Gemeinschaftspraxis gearbeitet. Es wurde ihr von den übrigen Praxispartnern angeboten, Mitgesellschafterin zu werden. Faktisch wurde der Betrieb der Gemeinschaftspraxis dann auch schon aufgenommen: Der erforderliche Antrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung zur Genehmigung der Gemeinschaftspraxis wurde gestellt und Briefkopf, Praxisstempel, Praxisschild sowie Internetauftritt wurden entsprechend geändert. Zur schriftlichen Fixierung eines Vertrages über die neue Gesellschaft war es allerdings noch nicht gekommen. Nachdem die weiteren Vertragsverhandlungen gescheitert waren, kündigten die Alt-Gesellschafter der Ärztin. Hiergegen reichte diese Klage ein und machte Ansprüche auf Gewinnbeteiligung und Abfindung geltend.

     

    Die Entscheidung

    Die Klage hatte keinen Erfolg. Dass OLG Naumburg sah die durch die Alt-Gesellschafter vorgenommene Kündigung als rechtmäßig an. Das Gericht argumentierte, durch die faktische Invollzugsetzung der Gemeinschaftspraxis sei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) entstanden. Dem stehe nicht entgegen, dass noch kein abschließender Vertrag zwischen den Beteiligten geschlossen worden sei; mangels vertraglicher Vereinbarung sei auf die gesetzlichen Regelungen abzustellen. Diese Regelungen sehen vor, dass jeder Gesellschafter durch Kündigung die Gesellschaft jederzeit beenden kann. Somit sei die durch die Alt-Gesellschafter ausgesprochene Kündigung rechtens, da es an einer abweichenden vertraglichen Regelung fehle.

     

    PRAXISHINWEIS | Trotz des häufig in der Situation der Praxisgründung bestehenden Zeitdrucks und auch wenn nach dem mündlich Besprochenen Einvernehmen vorherrschen sollte, sollten Therapeuten unbedingt vor Beginn der gemeinsamen Tätigkeit einen schriftlichen Vertrag abschließen, der auch Klauseln zu Kündigungsmöglichkeiten und -fristen enthalten muss. Wenn ein solcher Vertrag nicht vorliegt, kann die Gemeinschaft jederzeit ohne die Einhaltung von Fristen gekündigt werden. Dies kann für die Beteiligten im Falle der Trennung fatale Konsequenzen haben, in Bezug auf Abfindung, Gewinnbeteiligung oder Verteilung des Gesellschaftsvermögens.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2012 | Seite 15 | ID 35368820