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  • · Fachbeitrag · Freiberuflichkeit

    Freiberufliche Übungsleiterinnen einer Reha-Einrichtung: keine Sozialversicherungspflicht

    von Rechtsanwalt Dr. Tilman Clausen, Fachanwalt für Medizin- und Arbeitsrecht, armedis Rechtsanwälte Hannover, www.armedis.de

    | Übungsleiterinnen, die in einer ermächtigten Reha-Einrichtung Kurse durchführen, gelten als freiberufliche Honorarkräfte, wenn die Einrichtung dies mit den Übungsleiterinnen so vereinbart hat. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen entschieden und damit das Urteil der Vorinstanz gekippt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 01.02.2017, Az. L 2 R 139/16 ). |

    Der Sachverhalt

    Geklagt hatte eine Einrichtung, die als gemeinnütziger Verein aufgrund Ermächtigung Kurse für Rehabilitationssport und Funktionstraining durchführt. Seit 2007 setzt der Verein Übungsleiterinnen ein. Mit ihnen war vertraglich eine freiberufliche Tätigkeit vereinbart worden. Daher führte der Verein auch keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Die Deutsche Rentenversicherung führte bei dem Verein zwei Betriebsprüfungen durch. Diese ergaben u. a., dass die Übungsleiterinnen abhängig beschäftigt und daher Sozialversicherungsbeiträge i. H. v. 4.368,16 Euro nachzuzahlen seien. Der Verein legte erfolglos Widerspruch ein, klagte und hatte schließlich vor dem LSG Niedersachsen-Bremen in zweiter Instanz Erfolg.

    Die Entscheidungsgründe

    Schon im März 2016 hat das Bundessozialgericht in einem Urteil die Kritierien zur Unterscheidung zwischen abhängiger Beschäftigung und freier Mitarbeit formuliert (PP 10/2016, Seite 11). Daher lohnt sich im vorliegenden Fall ein ausführlicher Blick auf die Entscheidungsgründe.

     

    Selbstständige Tätigkeit war ausdrücklich vereinbart

    Wie das Gericht ausführt, ist die Tätigkeit eines Übungsleiters mit der eines Lehrers vergleichbar: Übungsleiter lehren Körperbewegung und ihre Auswirkung auf die Gesundheit. Die Sozialgesetzgebung erkennt an, dass ein Lehrer auch freiberuflich arbeiten darf. Im vorliegenden Fall hatten der Verein und die Übungsleiterinnen ausdrücklich vereinbart, dass die Übungsleiterinnen ihre Tätigkeit als selbständige Kräfte ausüben sollten.

     

    Vorgabe des äußeren Ablaufs, aber keine Weisungsbefugnis des Vereins

    Die Weisungsbefugnis des Arbeit- bzw. Auftraggebers an den Mitarbeiter ist eines der entscheidenden Kritierien dafür, ob ein Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist oder nicht (PP 02/2016, Seite 3). Im vorliegenden Fall gab der Verein den Übungsleiterinnen einen äußeren Rahmen für Ihre Tätigkeit vor, aber die Übungsleiterinnen setzten diese Vorgaben eigenverantwortlich um. Das Arbeitsverhältnis stellte sich demnach wie folgt dar.

     

    • Aufgaben und Kompetenzen im Beschäftigungsverhältnis
    Verein
    Übungsleiterinnen

    vereinbart

    • Vorgabe von Einzelheiten zum äußeren Ablauf (z. B. Zeitplan mit Übungszeiten)
    • Vergütung nur, wenn Kurs stattfindet (d. h. bei ausreichender Teilnehmerzahl)
    • Bei Verhinderung einer Übungsleiterin (z. B. durch Urlaub oder Krankheit) separate Absprache mit einer anderen Lehrkraft
    • Freie Entscheidung für oder gegen die Übernahme von Kursen
    • Entscheidungsfreiheit in der Wahl der Unterrichtsinhalte und -mittel

    nicht vereinbart

    • Inhaltliche Vorgaben zur Durchführung der Kurse (Rahmenvereinbarung zum Reha-Sport gibt nur Ziele vor)
    • Weisungsbefugnis gegenüber den Übungsleitern (z. B. Übernahme von Kurseinheiten, Vertretung verhinderter Kolleginnen, Teilnahme an Konferenzen)
    • Pflicht zur Übernahme aufgetragener Arbeiten
     

     

    Eigener Marktauftritt kein Kriterium für freie Mitarbeit

    Für die Annahme einer selbständigen lehrenden Tätigkeit wie der einer Übungsleiterin ist ein eigenständiger Marktauftritt der betroffenen Lehrkraft nicht ausschlaggebend. Insoweit folgte das Gericht der Vorinstanz nicht. Auch bei klassischen Bildungsträgern (z. B. Volkshochschulen) ist es üblich, dass nicht die einzelnen Dozenten am Markt auftreten, sondern allein der Bildungsträger.

    Urteil betrifft nur die Tätigkeit als Übungsleiter

    Die aktuelle Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen bezieht sich ausschließlich auf Übungsleiter in Kursen für Rehabilitationssport und Funktionstraining, die auch Physiotherapeuten sein können. Sie ist nicht auf die klassische physiotherapeutische Tätigkeit übertragbar, die ja keine lehrende Tätigkeit in dem oben beschriebenen Sinne ist. Nach ständiger Rechtsprechung der Landessozialgerichte ist eine klassische physiotherapeutische Tätigkeit dann eine abhängige Beschäftigung, wenn der Therapeut über keine Abrechnungsgenehmigung und keine eigene Betriebsstätte verfügt.

     

    FAZIT | Ob Physiotherapeuten und ähnliche Berufsgruppen, die als Übungsleiter in Kursen für Rehabilitationssport und Funktionstraining tätig werden, sozialversicherungspflichtig oder freiberuflich beschäftigt sind, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Verträge und der ausgeübten Tätigkeit ab. Aufgrund der aktuellen Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen lässt sich die Übungsleitertätigkeit jedenfalls wesentlich eher so organisieren, dass sie als freiberufliche Tätigkeit angesehen werden kann.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Wenn Sie sich für die Versteuerung von Einkünften aus einer nebenberuflichen Übungsleitertägigkeit interessieren, lesen Sie auch den Beitrag „Als Übungsleiter Steuern sparen trotz steuerfreier Einnahmen“ (PP 03/2017, Seite 16)
    Quelle: ID 44547507