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  • · Fachbeitrag · Datenschutz

    Praxiskauf und -verkauf: So wahren Sie die DSGVO

    von RA Rainer Horbach, Datenschutzbeauftragter, Aachen, www.dataprivat.de

    | Bei der Übertragung einer Praxis wird auch stets die Patientenkartei mitübergeben. Hierbei ist nicht nur die therapeutische Schweigepflicht, sondern auch der Datenschutz zu beachten. Mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist mit dem „Zwei-Schränke-Modell“ allein dem Datenschutz nicht Genüge getan. Um juristisch auf der sicheren Seite zu sein, bedarf es nun ferner in den meisten Fällen auch eines besonderen Auftragsverarbeitungs-Vertrags (AV-Vertrags, PP 02/2018, Seite 18 ) zwischen Verkäufer und Käufer. PP zeigt Ihnen, worauf Sie achten müssen. |

    Das Problem: Offenlegung personenbezogener Daten

    Beim Erwerb einer Praxis ist der Patientenstamm von besonderem wirtschaftlichem Interesse. Es werden daher oft erstaunliche Preise für diesen sogenannten immateriellen Wert der Praxis bezahlt. Nicht selten wird dabei übersehen, dass die Übergabe der Patientenakten im Einklang mit der therapeutischen Schweigepflicht und dem Datenschutz stehen muss.

     

    Überträgt der Veräußerer einer Praxis seine Patientenkartei an den Käufer, handelt es sich dabei i. d. R. um eine Offenlegung durch Übermittlung i. S. d. Art. 4 DSGVO. Diese bedarf in zweierlei Hinsicht der Erlaubnis: zum einen muss die therapeutische Schweigepflicht gewahrt sein. Zum anderen bedarf es einer datenschutzrechtlichen Rechtfertigung für die Weitergabe.

    Rechtsgrundlage für Datenverarbeitung: Behandlungsvertrag

    Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Patientendaten in Form der Aufnahme, Speicherung und auch Verarbeitung etwa in der Nutzung zur Kontaktaufnahme mit dem Patienten, ist grundsätzlich der Behandlungsvertrag (Art. 6 Abs. 1b DSGVO). Den Behandlungsvertrag haben die Patienten aber mit dem abgebenden Therapeuten und nicht mit dem Erwerber geschlossen. Wer eine Praxis erwirbt, tritt nicht automatisch in die bestehenden Behandlungsverträge ein. Will der Käufer einer Praxis die bereits vorhandenen und übergebenen Patientendaten nutzen, bedarf er einer eigenen Rechtfertigung. Diese ergibt sich i. d. R. daraus, dass die Patienten in die Praxis des Erwerbers kommen und mit diesem einen eigenen Behandlungsvertrag schließen.

     

    Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die Pflicht des Verkäufers zur Aufbewahrung der Dokumentation der Behandlung (§ 630f BGB) auch bei einem Verkauf der Praxis fortbesteht.

     

    MERKE | Die therapeutische Schweigepflicht und das Datenschutzrecht bestehen nebeneinander. Trotz weiträumiger Überschneidungen handelt es sich um zwei voneinander verschiedene Rechtsinstitute.

     

    Zwei-Schränke-Modell

    Allgemein anerkannt ist das sogenannte „Zwei-Schränke-Modell“ oder auch Münchener Erklärung genannt, da es auf dem Ärztetag in München im Jahre 1992 erstmals formuliert worden ist. Nach diesem schließen Verkäufer und Käufer einen Verwahrungsvertrag über die Akten der Bestandspatienten. Kommt ein Bestandspatient in die Praxis, wird dieser um sein Einverständnis gebeten, seine Akte aus dem verwahrten Aktenbestand in den neuen Aktenbestand des Käufers überführen zu dürfen.

     

     

    Wichtig | Werden die Patientenakten digital geführt, müssen diese innerhalb der Praxissoftware von den neuen Akten getrennt und so gesperrt werden, dass nur der Käufer auf die Daten zugreifen kann. Die Altakten sind mit einem Passwort zu sichern.

    Neuerungen durch die DSGVO

    Auch mit Geltung der DSGVO dürfte das „Zwei-Schränke-Modell“ die beste Grundlage für eine sichere Praxisübergabe bilden. Neu ist allerdings, dass die DSGVO ausdrücklich zusätzlich zum Verwahrungsvertrag einen Vertrag über Auftragsverarbeitung (AV-Vertrag gem. Art. 28 DSGVO) verlangt, in welchem die Rechte und Pflichten von Verkäufer und Käufer hinsichtlich des Datenschutzes ausdrücklich geregelt sind. Erforderlich sind insbesondere Regelungen über die Sicherheit der Verarbeitung (Art. 32 DSGVO), welche über eine Anlage zum Vertrag nachgewiesen werden sollten. Vor allem wenn die Aktenführung per EDV erfolgt, sollte eine Anlage zur Datensicherheit vorhanden sein, welche auch die Methoden der Speicherung und Sicherung beschreibt. Ferner muss in dem AV-Vertrag geregelt sein, ob und wie der Käufer weitere Auftragsverarbeiter (z. B. IT-Berater, Support der Praxissoftware) einschalten darf und wie der Umgang mit den Akten zu dokumentieren ist.

    Ausnahme von der Regel

    Nicht bei jeder Praxisübergabe sind das „Zwei-Schränke-Modell“ und ein AV-Vertrag erforderlich. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn der Übernehmer bereits vor dem Verkauf der Praxis von der Schweigepflicht entbunden war. Die Rechtsprechung hat einen solchen Fall bereits angenommen, wenn die Praxis auf einen fachlichen Leiter übergeben worden ist, der zuvor bereits in der Praxis tätig war. Wird also die Praxis ‒ wie häufig der Fall ‒ an einen Mitarbeiter verkauft, kann unter Umständen auf das „Zwei-Schränke-Modell“ und den damit verbundenen Aufwand verzichtet werden.

     

    PRAXISTIPP | Einen Sonderfall bildet die Übernahme einer Praxis, welche als GmbH geführt wird. Ist Vertragspartner der Behandlungsverträge weiterhin die GmbH, kommt es nicht zu einem Personenwechsel.

     

    Mögliche Konsequenzen einer Nichtbeachtung

    Die Übergabe der Patientenkartei sollte stets anwaltlich begleitet werden, da Sie bei Nichtbeachtung der o. g. Voraussetzungen hohe Bußgelder und im schlimmsten Fall sogar die Rückabwicklung des Praxiskaufs riskieren. Bereits im Jahre 1991 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) den Verkauf einer Zahnarztpraxis für nichtig erklärt (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), weil die Übergabe der Patientenakten nicht ordnungsgemäß war.

     

    PRAXISTIPP | Beschwert sich etwa ein Patient bei der Datenschutz-Aufsichtsbehörde, dürfte in jedem Fall ein sattes Bußgeld drohen, wenn kein AV-Vertrag gem. Art. 28 DSGVO vorliegt (Muster online unter www.dataprivat.de/downloads).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Worauf es beim Praxisübernahmevertrag (Kaufvertrag) außerdem noch ankommt, sehen Sie in unserem Kurzvideo (2:02 min) unter pp.iww.de, Abruf-Nr. 45205910 oder auf der PP-Facebook-Seite unter https://www.facebook.com/pp.iww (Post vom 15.11.2018).
    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 18 | ID 45582252