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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Sektorale Heilpraktikererlaubnis - wann ist sie notwendig?

    von RA Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Mannheim/Nothweiler

    | In der Mai-Ausgabe von Praxisführung professionell haben wir Sie über kritische Upselling-Ideen informiert. Daraufhin erreichte uns die folgende Leserfrage: „Welche Anschlussleistungen dürfen wir in unserer Praxis für Physiotherapie anbieten, wenn weder der Praxisinhaber noch ein Mitarbeiter über eine sektorale Heilpraktikererlaubnis verfügen?“ |

     

    Möchten Sie sich ein zweites Standbein aufbauen, um unabhängiger von den Krankenkassen zu werden? Dann liegt es nahe, zufriedene Patienten, die noch weitere Behandlungen wünschen, weiter zu behandeln, wenn sie bereit sind, die Therapie selbst zu bezahlen - auch wenn keine ärztliche Verordnung vorliegt. Doch unter welchen Umständen dürfen Sie solche Behandlungen überhaupt durchführen?

     

    © Dan Race - Fotolia.com

    BEACHTEN SIE | Gerade im Upselling-Bereich ist große Vorsicht geboten! Die fehlende ärztliche Verordnung kann Ihnen im Haftungsfall zum Verhängnis werden, wenn der Patient zum Beispiel behauptet, Sie hätten ihn falsch behandelt.Lesen Sie dazu auch den Beitrag auf Seite 16 in dieser Ausgabe.

    Physiotherapeuten ohne sektorale Heilpraktikererlaubnis

    Grundsätzlich dürfen ohne ärztliche Verordnung physiotherapeutische Leistungen nur an Gesunde verabreicht werden, es sein denn, Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter ist aufgrund einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis berechtigt, selbst zu diagnostizieren. Welche Anschlussleistungen Sie in Ihrer Praxis für Physiotherapie anbieten dürfen, hängt also entscheidend davon ab.

     

    Die Behandlung kranker Menschen

    Grundsätzlich gilt für Physiotherapeuten ohne sektorale Heilpraktikererlaubnis für die Behandlung kranker Menschen:

     

    • Behandlung immer nur mit (aktueller) ärztlicher Verordnung
    • Behandlung nur im verordneten Umfang
    • Behandlung nur mit den tatsächlich verordneten Leistungen

     

    BEACHTEN SIE | Wenn Sie für die ärztlich verordnete Therapie keine Qualifikation haben, dürfen Sie nicht ohne Weiteres eine von Ihnen als gleichwertig angesehene Therapie verabreichen.

     

    Vorsorgeleistungen für gesunde Menschen

    Therapien für gesunde Menschen, die der Vorsorge dienen, dürfen Sie auch ohne ärztliche Verordnung abgeben - zum Beispiel Präventionskurse.

    Physiotherapeuten mit sektoraler Heilpraktikererlaubnis

    Haben Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter eine sektorale Heilpraktikererlaubnis, dürfen Sie folgende Behandlungen anbieten:

     

    • Behandlung kranker Menschen aufgrund eigener Diagnose im Rahmen der sektoralen Heilpraktikerverordnung ohne ärztliche Verordnung (weil der Physiotherapeut die Diagnose stellt und die Therapie „verordnet“).
    • Behandlung kranker Menschen, bei denen der Therapeut im Rahmen der sektoralen Heilpraktikererlaubnis keine Heilkunde ausüben darf, nur mit ärztlicher Verordnung.
    • Therapien für gesunde Menschen, die der Vorsorge dienen, dürfen auch ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden.

    Anschlussbehandlungen im Licht der Gerichte

    Unterschiedliche Gerichte beschäftigten sich in den letzten Jahren häufiger mit der sektoralen Heilpraktikererlaubnis. Die teilweise stark verkürzte Wiedergabe der Urteile erzeugt bei Physiotherapeuten Verunsicherung, welche Anschlussleistungen sie anbieten dürfen. Ich greife deswegen hier drei Urteile heraus und bewerte ihre Relevanz für Anschlussbehandlungen.

     

    Urteil des OVG Koblenz vom 21. November 2006 (Az: 6 A 10271/06)

    Dieses Urteil beschäftigt sich im Wesentlichen nicht mit der Frage, ob und wann ein Physiotherapeut ohne Rezept behandeln darf, sondern mit der Frage, ob einem Physiotherapeuten eine sektorale Heilpraktikererlaubnis aufgrund seiner Ausbildung zu erteilen ist oder nicht.

     

    Das OVG hat entschieden, dass im konkreten Fall diese sektorale Heilpraktikererlaubnis zu erteilen ist. Das hat zur Folge, dass im Rahmen dieser sektoralen Heilpraktikererlaubnis (und nur in diesem Rahmen) der Physiotherapeut berechtigt ist, Heilkunde auszuüben, eigene Diagnosen zu stellen und aufbauend auf dieser (ohne ärztliche Verordnung) zu therapieren.

     

    BEACHTEN SIE | Auf Physiotherapeuten, die keine sektorale Heilpraktikererlaubnis haben, findet das Urteil keine Anwendung.

     

     

    Urteil des BVerwG vom 26. August 2009 (Az: 3 C 19/08)

    Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Urteil in einem Fall, in dem der Antrag eines Physiotherapeuten auf Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis abgelehnt worden war, entschieden, dass die Heilpraktikererlaubnis auf die Ausübung der Physiotherapie beschränkt werden kann. Der Physiotherapeut muss sich deshalb einer eingeschränkten Überprüfung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten unterziehen. Das bedeutet für Sie als Physiotherapeut:

     

    Die Ausbildung zum Physiotherapeuten befähigt einen Physiotherapeuten nicht zu einer selbstständigen Eigendiagnose. Er darf nur Patienten physiotherapeutisch behandeln, bei denen die vorgelagerte Entscheidung darüber, ob überhaupt eine mit dieser Therapie zu behandelnde Krankheit vorliegt, bereits getroffen worden ist (nämlich vom Arzt). Zum Schutz der Patienten wird deshalb von einem Physiotherapeuten verlangt, dass er Kenntnisse aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten hat, um beurteilen zu können, ob eine solche Behandlung angezeigt ist. Dabei geht es nicht darum, eine ärztliche Differenzialdiagnose zu ersetzen, sondern die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeit zu kennen und zu beachten.

     

    FAZIT | Dieses Urteil bedeutet: Ein Physiotherapeut, der Heilkunde ausüben - also eigene Diagnosen stellen - will, um ohne ärztliche Verordnung behandeln zu können, muss zunächst eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erlangen. Hat er diese, darf er in deren Rahmen ohne ärztliche Verordnung Therapien verabreichen.

     

    Urteil des BVerwG vom 24. Oktober 2011 (Az: 3 B 31/11)

    Dieses Urteil ist ausschließlich für Masseure und Medizinische Bademeister interessant. Das Gericht führt in seinen Gründen aus, dass das zuvor erwähnte Urteil des BVerwG ausschließlich für Physiotherapeuten anwendbar ist und nicht auf Masseure und Medizinische Bademeister übertragen werden kann.

    Was bedeutet das für Sie?

    Die Richter des BVerwG haben in mehreren Urteilen zur Notwendigkeit einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis folgende Grundsätze aufgestellt (zuletzt im Beschluss vom 28.10.2009, Az: 3 B 39/09):

     

    • Es fallen nur solche Heiltätigkeiten unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, die gesundheitliche Schäden verursachen können.
    • Heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben, fallen nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie ärztliche Fachkenntnisse erfordern.

     

    FAZIT | Diese Grundsätze können Ihnen als Richtschnur dienen, um zu prüfen, ob eine Anschlussbehandlung in den Bereich der „gefährlichen“ Heiltätigkeit fällt: Nämlich dann, wenn die Gefahr gesundheitlicher Schäden nicht ausgeschlossen werden kann. Denken Sie, dass die Anschlussbehandlung grundsätzlich - also nicht nur bei einem bestimmten Patienten - „gefährlich“ sein könnte, benötigen Sie eine sektorale Heilpraktikerlaubnis oder eine ärztliche Verordnung.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 13 | ID 39675830