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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Wann lohnt sich der Aufhebungsvertrag für einen Arbeitgeber und einen Arbeitnehmer?

    von Dr. Guido Mareck, Direktor des Arbeitsgerichts Siegen

    | In Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern setzt eine wirksame Kündigung nach mehr als sechsmonatiger Beschäftigung einen verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund voraus. Eine Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers kann aufgrund spezieller Arbeitnehmerschutzvorschriften - zum Beispiel bei Schwangerschaft oder Schwerbehinderung - mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden sein. Diese Probleme können durch den Abschluss eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrags (AV) gelöst werden - ein Muster finden Sie unter pp.iww.de . |

    Vorteile eines AV für Sie als Arbeitgeber

    In § 622 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind die Kündigungsfristen gesetzlich geregelt. Sie können je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters zwischen einem und sieben Monaten betragen. Als Inhaber einer Therapiepraxis können Sie sich bei Abschluss eines AV ohne Einhaltung dieser Kündigungsfristen von einem Mitarbeiter trennen. Ein gerichtliches Verfahren, das auch bei kleineren Praxen mit weniger als zehn Mitarbeitern mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden sein kann, bleibt somit sowohl Ihnen als Arbeitgeber als auch dem Mitarbeiter erspart. Der Inhalt des AV ist frei aushandelbar. Ein Anspruch des Arbeitgebers auf Abschluss besteht hingegen nicht, da es sich um eine Art einvernehmliche, den Interessen beider Parteien Rechnung tragende Vereinbarung handelt.

    Vor- und Nachteile eines AV für den Arbeitnehmer

    Für einen Arbeitnehmer, der auf dem Arbeitsmarkt gute Aussichten oder bereits eine Anschlussbeschäftigung erzielt hat, bietet der AV allein aufgrund seiner Flexibilität und des beidseitigen Verzichts auf die Einhaltung von Kündigungsfristen erhebliche Vorteile. Darüber hinaus sind die im AV regelmäßig mitgeregelte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundene soziale Besitzstand (entsprechend § 9 und § 10 Kündigungsschutzgesetz [KschG]) sowie das mit Wohlwollen formulierte gute Arbeitszeugnis erhebliche Pluspunkte. Auch wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vorwürfen hinsichtlich eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers einherging, werden diese im Abwicklungsvertrag nach außen hin häufig fallengelassen.

     

    MERKE | Bei der Abfindung hat sich, da keine gesetzliche Regelung zu diesem Punkt besteht, bei den meisten Arbeitsgerichten eine Höhe von ca. einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als Faustregel eingependelt.

     

     

    Der AV bringt für den Arbeitnehmer jedoch nicht immer nur Vorteile. Bei einem Fehlen der Anschlussbeschäftigung und dem Bezug von Arbeitslosengeld kann eine bis zu dreimonatige Sperrfrist und eine Verkürzung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengelds um bis zu ein Viertel unangenehme Folge des AV sein.

     

    • Wann droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?

    Bei „versicherungswidrigem Verhalten“ ohne wichtigen Grund droht nach § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit. Diese beträgt in der Regel zwölf Wochen, kann aber bei Vorliegen einer besonderen Härte auf drei bzw. sechs Wochen verkürzt werden. Dies bedeutet, dass bei Abschluss eines AV in der Regel eine solche Sperrzeit verhängt wird, wenn der Arbeitnehmer nicht nachweisen kann, dass auch ohne Abschluss des AV eine betriebsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers ausgesprochen worden wäre und die Kündigungsfrist eingehalten worden ist. Allein in der Möglichkeit, eine Abfindung zu erlangen oder ein gutes Zeugnis zu bekommen, liegt kein wichtiger Grund für den Abschluss eines AV. Unter Umständen kann allerdings die Sperrzeit verkürzt werden, wenn aufseiten des Arbeitnehmers besondere Härten vorliegen (vergleiche hierzu und zur Darlegungslast des Arbeitnehmers: Sozialgericht Darmstadt, Urteil vom 16.12.2013, Az. S 1 AL 419/10, Abruf-Nr. 141496).

     

    Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer - als sozialversicherungsrechtliche Konsequenz - in diesem Zusammenhang mit einer teilweisen Verrechnung der Abfindung sowie dem Verlust von Versorgungsanwartschaften und des Krankenversicherungsschutzes rechnen, wenn im Anschluss an den AV ein Folgearbeitsverhältnis fehlt.

    Abwicklungsvereinbarung als Alternative zum AV

    Unter einer Abwicklungsvereinbarung oder einem Abwicklungsvertrag wird der Ausspruch einer (betriebsbedingten) Kündigung mit gleichzeitigem Abschluss eines AV verstanden. Dieser wird oft in einem (gerichtlichen) Vergleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen. Die Vorteile einer solchen Regelung liegen auf der Hand: Es ist eine Kündigung ausgesprochen worden, die das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet. Eine Grundlage für eine Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit besteht nicht. Da die Kündigungsfristen anders als bei einem reinen AV eingehalten werden müssen, ist allerdings die Flexibilität für beide Parteien bei dieser Lösung nicht so hoch. Typischerweise lautet eine solche Abwicklungsvereinbarung wie folgt.

     

    • Beispiel für eine Abwicklungsvereinbarung

    1. Die Parteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, arbeitgeberseitiger, fristgerechter, betriebsbedingter Kündigung vom ... zum ... (Ende mit Ablauf der Kündigungsfrist nach § 622 BGB) sein Ende gefunden hat.

     

    2.Bis zum oben genannten Beendigungszeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien und die Erbringung der beidseitigen Leistungsverpflichtung ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt.

    3. Der Arbeitgeber zahlt an den/die Arbeitnehmer/in wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes und zur Wahrung des sozialen Besitzstands eine Abfindung gemäß den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von ... Euro (üblicherweise ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr).

    ...

     

    Eine solche Vereinbarung können die Parteien im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags (Vergleichs) oder einer einvernehmlichen Beendigung des vom Arbeitnehmer angestrengten Kündigungsschutzrechtsstreits treffen.

    Wirksamkeit eines AV bei Betriebsübergang

    Ein AV ist auch bei einem anschließenden Betriebsübergang nach § 613a BGB grundsätzlich wirksam. Dieser kann beispielsweise vorliegen, wenn eine Praxis auf einen neuen Inhaber übergeht. Die Vereinbarung muss hingegen auf das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb gerichtet sein und darf keinen dritten Arbeitgeber zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (häufig eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft bei größeren Unternehmen) zwischenschalten. Insbesondere darf nach den vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien keine sichere Aussicht bestehen, dass der Arbeitnehmer bei dem Erwerber als neuem Arbeitgeber wieder eingestellt wird (Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 7.3.2012, Az. 9 Sa 176/12, Abruf-Nr. 122861).

    Kann der Arbeitnehmer vom AV zurücktreten?

    In aller Regel besteht kein vertraglicher Rücktrittsgrund. Auch eine Anfechtung des AV durch den Arbeitnehmer bedarf eines Anfechtungsgrunds. Der Arbeitnehmer muss nachweisen, dass er bei Vertragsschluss arglistig vom Arbeitgeber getäuscht oder bedroht worden ist (§ 123 BGB) und der Abschluss des AV kausal hierauf beruht. Das wird dem Arbeitnehmer vor Gericht in den wenigsten Fällen gelingen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.11.2010, Az. 6 Sa 1442/10, Abruf-Nr. 110138).

     

    FAZIT | Je nach Interessenlage kann ein AV gegenüber der Abwicklungsvereinbarung eine sinnvolle Lösung für beide Parteien - also Sie als Praxisinhaber und Arbeitgeber sowie den ausscheidenden Arbeitnehmer - sein. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es auch dem Arbeitnehmer, zum Beispiel wegen eines Folgearbeitsverhältnisses, auf eine schnelle, flexible Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankommt und die Konditionen (Abfindung und/oder Erteilung eines wohlwollenden [guten] Zeugnisses) zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgehandelt wurden. Droht hingegen eine Sperre beim Bezug von Arbeitslosengeld, etwa wenn kein Folgearbeitsverhältnis in Sicht ist, empfiehlt sich bei Beendigung der Ausspruch einer (betriebsbedingten) Kündigung und der Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung, die unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfristen die weitere Ausführung regelt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die Abwicklungsvereinbarung ist - ebenso wie das Muster eines AV - auf pp.iww.de unter „Downloads/Musterverträge/Musterschreiben“ abrufbar.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 10 | ID 42958750