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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    „Ich nehme meine Patienten mit!“ - Wenn Mitarbeiter die Praxis wechseln

    von Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler

    | Stellen Sie sich vor, Sie haben aus betriebsbedingten Gründen einem angestellten Therapeuten gekündigt. Vier Wochen vor seinem Weggang spricht der Gekündigte die von ihm behandelten Patienten an, teilt diesen die Daten der Praxis mit, in der er zukünftig arbeiten wird, und fordert die Patienten auf, mit dem nächsten Rezept dorthin zu kommen. Spätestens jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, ob und wie Sie sich vor diesem Verhalten schützen können. |

    Kein Wettbewerb während des Arbeitsverhältnisses

    Solange das Arbeitsverhältnis rechtlich noch nicht beendet ist, darf ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber in keiner Art und Weise Konkurrenz machen. Dieses sogenannte vertragliche Wettbewerbsverbot gilt immer - also auch dann, wenn im Arbeitsvertrag keine Regelungen zu Schweigepflicht oder zum Wettbewerbsverbot enthalten sind. Hergeleitet wird das Verbot aus der Treue- bzw. Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber.

     

    Gegen das Wettbewerbsverbot verstößt ein Arbeitnehmer, wenn er - wie in unserem Beispielfall - die Praxisdaten seines neuen Arbeitgebers mitteilt und die Patienten auffordert, ihm zu folgen und sich zukünftig dort behandeln zu lassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer die Patienten während der Arbeitszeit oder in seiner Freizeit abwirbt. Das vertragliche Wettbewerbsverbot endet mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses. Rechtliches und tatsächliches Ende des Arbeitsverhältnisses können jedoch auseinanderfallen.

     

    • Beispiel

    Sie haben Therapeut A zum 30. November gekündigt. Er nimmt ab dem 10. November seinen Urlaub und arbeitet bis zum 30. November nicht mehr in Ihrer Praxis.

     

    • Das tatsächliche Ende des Arbeitsverhältnisses ist am 9. November.
    • Das rechtliche Ende tritt mit Ablauf des 30. November ein.
    • Bis 30. November 24 Uhr gilt das vertragliche Wettbewerbsverbot, das heißt, Therapeut A darf auch in der Zeit vom 10. bis 30. November seinem Arbeitgeber keine Konkurrenz machen, also keine Patienten abwerben usw.
     

    Kein Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot liegt vor, wenn der Arbeitnehmer einem Patienten nur mitteilt, dass er zu einem bestimmten Termin bei Ihnen ausscheidet. Erkundigt sich der Patient beim Therapeuten nach dessen zukünftigem Arbeitsplatz, darf der Therapeut wahrheitsgemäß antworten. Er hat aber alles zu unterlassen, was den Patienten zu einem Therapeutenwechsel veranlassen oder Ihnen in irgendeiner Art und Weise Konkurrenz machen könnte. Der Therapeut darf also zum Beispiel keine Visitenkarten oder Flyer seines neuen Arbeitgebers verteilen oder dem Patienten raten, nach Behandlungsabschluss die Praxis zu wechseln. Will der Therapeut sich selbstständig machen, darf er auch für seine eigene Praxis nicht werben.

     

    PRAXISHINWEIS |  Verstößt der Therapeut gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot, mahnen Sie ihn wegen seines Verhaltens ab. Auch wenn der Therapeut nur noch wenige Wochen oder Tage bei Ihnen beschäftigt sein sollte: Verzichten Sie nicht auf die Abmahnung. Nur so können Sie dem Mitarbeiter deutlich machen, dass sein Verhalten nicht vertragskonform ist und Sie es nicht weiter dulden. Bei besonders schweren Verstößen oder bei Fortsetzung des wettbewerbswidrigen Verhaltens trotz Abmahnung können Sie möglicherweise auch fristlos kündigen. Holen Sie sich in diesen Fällen anwaltlichen Rat ein, um Chancen und Risiken einer fristlosen Kündigung besser einschätzen zu können.

     

    Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

     

    (© Christian Schwier - Fotolia.com)

    Damit Ihnen Ihr ehemaliger Mitarbeiter auch nach dem Ende des Arbeitsvertrags keine Konkurrenz macht.

     

    Wollen Sie verhindern, dass Ihnen der gekündigte Mitarbeiter nach dem Aus-scheiden Konkurrenz macht, müssen Sie mit dem Arbeitnehmer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren. Die Vereinbarung muss schriftlich getroffen werden, das heißt, beide Vertragspartner müssen die Vereinbarung unterschreiben. Geregelt sind die Mindestbestimmungen, unter denen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot abgeschlossen und wieder aufgehoben werden darf, in den § 110 Gewerbeordnung, §§ 74 - 75 ff. Handelsgesetzbuch. Voraussetzungen für ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot sind:

     

    • Sie als Arbeitgeber müssen ein berechtigtes geschäftliches Interesse an der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots haben. Dies liegt immer dann vor, wenn Sie befürchten müssen, dass der Arbeitnehmer gerade wegen seiner Tätigkeit eine Konkurrenz darstellt (zum Beispiel, weil Sie die gleichen Therapieschwerpunkte haben).

     

    PRAXISHINWEIS |  Eine Konkurrenzsituation liegt vor, wenn die bisherige Tätigkeit Ihres Arbeitnehmers mit seiner neuen Tätigkeit vergleichbar ist und wenn Sie sich als vorhergehender Arbeitgeber durch die anderweitige, außerhalb Ihrer Praxis erfolgende Verwertung der Kenntnisse und Erfahrungen des ausscheidenden Arbeitnehmers gefährdet sehen.

     
    • Der Arbeitnehmer erhält eine von Ihnen als Arbeitgeber unterzeichnete Urkunde ausgehändigt, aus der die vereinbarten Bestimmungen über das Wettbewerbsverbot hervorgehen (§ 74 HGB).

     

    • Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot darf nicht länger als zwei Jahre - gerechnet ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses - dauern (§ 74a HGB).

     

    • Sie müssen sich verpflichten, an den Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine monatliche Karenzentschädigung zu zahlen. Ohne die Vereinbarung einer Karenzentschädigung ist die gesamte Konkurrenzklausel nichtig. Die Höhe der Karenzentschädigung beträgt mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen Vergütung.

     

    • Die Konkurrenzklausel darf den Arbeitnehmer in der Entwicklung seiner beruflichen Tätigkeit nicht unbillig behindern. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie dem Arbeitnehmer die Ausübung der Berufstätigkeit nicht nur im Umkreis Ihrer Praxis, sondern im gesamten Bundesland untersagen.

    Wann ergibt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot Sinn?

    Ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sinnvoll ist, kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden. Keinen Sinn ergibt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zum Beispiel in Fällen, in denen der Arbeitnehmer

     

    • in Rente gehen will oder schon länger krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, seine Tätigkeit auszuüben.
    • ausscheidet, um in eine andere Stadt zu ziehen, einer völlig anderen Tätigkeit nachzugehen und Ähnlichem.
    • dem bisherigen Arbeitgeber seine neue Arbeitsstelle schon benannt hat und keine Konkurrenz droht.
    • nur wenige Monate beschäftigt war.

     

     

    (© eccolo - Fotolia.com)

    Denken Sie schon beim Abschließen des Arbeitsvertrags an die Vereinbarung von Wettbewerbsklauseln.

     

    Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann sinnvoll sein:

     

    • in kleineren Städten, um zu verhindern, dass sich der ehemalige Mitarbeiter in derselben Stadt selbstständig macht; in größeren Städten, um zu verhindern, dass der Mitarbeiter im gleichen Stadtviertel eine Praxis aufmacht.
    • für wenige Monate nach dem Ausscheiden, um das Abwandern von Patienten zu verhindern.
    • um zu verhindern, dass der ausscheidende Mitarbeiter als Arbeitnehmer bei einer konkurrierenden Praxis seine Tätigkeit aufnimmt. In diesen Fällen wird in einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot dem Arbeitnehmer die Aufnahme einer Tätigkeit in einer namentlich genau bezeichneten Praxis für einen bestimmten Zeitraum (maximal zwei Jahre) untersagt.

     

    Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags vereinbart werden. Haben Sie dies getan, können Sie

     

    • vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses einseitig auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichten. Erklären Sie als Arbeitgeber diesen Verzicht, wird der ausscheidende Mitarbeiter mit Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung frei (§ 75a HGB).
    • mit dem Arbeitnehmer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vereinbaren, dass es kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot geben soll.

    Fehler im Wettbewerbsverbot

    Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot muss nicht - kann aber - beachtet werden, wenn sich herausstellt, dass es fehlerhaft, unverbindlich oder unzulässig war. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Wettbewerbsverbot

     

    • unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit und Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält oder
    • an eine Bedingung geknüpft war.

     

    PRAXISHINWEIS |  Wurde vereinbart, dass das Wettbewerbsverbot nur dann greifen soll, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt, dass er „es in Anspruch nimmt“, dann ist diese Vereinbarung unverbindlich. Weder muss sich der Arbeitnehmer jeglicher Konkurrenz enthalten, noch muss der Arbeitgeber eine Entschädigung zahlen.

     

    Enthält der Arbeitsvertrag ein rechtlich fehlerhaftes und damit unverbindliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot, kann sich der Arbeitnehmer entscheiden, dass er es dennoch beachten will. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (Urteil vom 14.2.2012, Az. 14 Sa 1385/12) ist der Arbeitnehmer in derartigen Fällen nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, ob er sich an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot halten will. Es genügt, wenn er es tatsächlich tut. Der Arbeitnehmer kann daraus folgend die vereinbarte Karenzentschädigung auch dann verlangen, wenn die nachvertragliche Wettbewerbsklausel fehlerhaft sein sollte.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 15 | ID 42421249