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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Rechtsprechung

    Kein sektoraler Heilpraktiker für den Bereich der Osteopathie

    von Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler

    | Ein Physiotherapeut und sektoraler Heilpraktiker (Fachbereich Physiotherapie), der einen Bachelor-Studiengang „Manuelle Medizin und Osteopathie“ absolviert hat, hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis (HP-Erlaubnis) Osteopathie. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Aachen am 3. März 2016 entschieden (Az. 5 K 1114/149). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. PP fasst die Hintergründe, das Urteil des VG Aachen und seine Bedeutung für Physiotherapeuten zusammen. |

    Osteopathen bisher kein eigenständiger Heilberuf

    Um die Frage, ob Physiotherapeuten osteopathische Behandlungen nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung nur durchführen dürfen, wenn sie eine Heilpraktikererlaubnis haben, oder auch, wenn sie nur eine sektorale HP-Erlaubnis haben, wird seit Jahren heftig gestritten - auch vor Gerichten (siehe PP 11/2014, Seite 4).

     

    Der Beruf des Osteopathen ist bisher nicht durch eine bundesgesetzliche Regelung geregelt und/oder anerkannt. Daher sorgen Urteile, die sich mit der Ausübung von Osteopathie beschäftigen, immer wieder für Aufregung und Verunsicherung unter Physiotherapeuten, teilweise auch zu Unverständnis. Vor diesem Hintergrund haben die beiden größten Osteopathieverbände in einer Expertenanhörung im Deutschen Bundestag im April 2016 eine einheitliche gesetzliche Regelung zur Ausübung der Osteopathie in Deutschland gefordert.

    Aktuelle Entscheidung des VG Aachen

    Ein Physiotherapeut hatte seit 2013 eine sektorale Heilpraktikererlaubnis. Nach Abschluss des Bachelor-Studiengangs „Manuelle Medizin und Osteopathie“ beantragte er zusätzlich eine sektorale Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Osteopathie. Er begründete seinen Antrag damit, dass sowohl der Abschluss als Physiotherapeut als auch der Bachelor staatlich anerkannt seien. Das zuständige Gesundheitsamt lehnte den Antrag des Physiotherapeuten im Verwaltungsverfahren ab. Dagegen klagte der Physiotherapeut.

     

    Das VG Aachen wies die Klage ab. Das Gericht stützte sich dabei auf den Erlass des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.11.2012. In Ziffer 4.5 des Kriterienkatalogs, der in diesem Erlass aufgeführt ist, heißt es dazu: „Die Berücksichtigung einer erfolgreich abgeschlossenen Aus- oder Weiterbildung im Bereich der Osteopathie für die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis im Bereich der Physiotherapie berechtigt nicht zur Durchführung selbständiger und eigenverantwortlicher Osteopathie. Hierfür ist weiterhin die allgemeine Heilpraktikererlaubnis erforderlich.“

     

    Weiter führte das Gericht aus, dass es an den Erlass gebunden sei und deswegen keine Heilpraktikererlaubnis erteilen dürfe, die auf das Gebiet der Osteopathie beschränkt ist. Die Osteopathie sei im Gegensatz zur Physiotherapie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar, da es an verbindlichen staatlichen Ausbildungs- und Tätigkeitsbestimmungen fehle.

    Bewertung des Urteils

    Das Gericht hat nur die Frage entschieden, ob auch eine sektorale Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Osteopathie erteilt werden muss. Das Urteil hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob ein Physiotherapeut mit osteopathischer Ausbildung

     

    • aufgrund einer ärztlichen Verordnung osteopathisch behandeln darf, bzw.

     

    • aufgrund dieser Ausbildung einen sektoralen HP beschränkt auf den Bereich der Physiotherapie beantragen kann.

     

    Aus der Urteilsbegründung ist allerdings abzulesen, dass es das Gericht zur Vermeidung von Schäden für die Volksgesundheit für erforderlich hält, dass osteopathische Behandlungen nur nach Untersuchung und Diagnosestellung durch einen Arzt oder einen (vollen) Heilpraktiker verordnet werden dürfen.

     

    MERKE | Jedes Urteil ist immer nur eine Einzelfallentscheidung, die von der jeweils vorliegenden Fallkonstellation abhängt. Je nach Interessenlage werden aus den Urteilen sehr unterschiedliche Konsequenzen abgeleitet. Siehe dazu auch die Kurzinformation „Brief bayerischer Landesämter verunsichert Osteopathen“ (PP 04/2016, Seite 1 oben).

     

    Rechtslage bleibt weiter unklar

    Noch ist das Urteil des VG Aachen nicht rechtskräftig. Es ist derzeit noch völlig offen, wie die nächste Instanz entscheiden wird. Vergleichbare Verfahren laufen in Baden-Württemberg. Solange es kein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gibt, das (hoffentlich) die Frage beantwortet, ob ein Physiotherapeut mit sektoraler HP-Erlaubnis osteopathische Behandlungen verordnen darf, und solange es keine gesetzlichen Regelungen hierzu gibt, bleibt die Rechtslage für Physiotherapeuten diffus.

     

    Ob die Krankenkassen, die bisher die Abgabe osteopathischer Leistungen durch Physiotherapeuten aufgrund ärztlicher Verordnungen vergütet haben, diese Praxis beibehalten, wird sich herausstellen.

     

    PRAXISHINWEIS | Wer keine Risiken bei der Abgabe osteopathischer Leistungen eingehen will, ist nur dann auf der sicheren Seite, wenn er die volle Heilpraktikererlaubnis erwirbt oder erworben hat. In diesem Fall kann er auch mit der Osteopathie werben, ohne eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung zu riskieren.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 3 | ID 44019061