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  • 27.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121302

    Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 07.03.2012 – 1 BvR 1209/11


    1 BvR 1209/11

    In dem Verfahren
    über
    die Verfassungsbeschwerde

    1
    der C... GmbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärin C... GmbH,
    diese vertreten durch die Geschäftsführer H... und Dr. T...,
    2
    des Herrn H...,
    3
    des Herrn Dr. T...
    - Bevollmächtigte:

    kwm - kanzlei für wirtschaft und medizin,

    Unter den Linden 24 / Friedrichstraße 155 - 156,

    10117 Berlin -

    gegen a)

    den Beschluss des Kammergerichts vom 18. März 2011 - 24 U 161/10 -,

    b)

    das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. September 2010 - 16 O 404/09 -

    hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

    die Richter Gaier,
    Paulus
    und die Richterin Britz

    am 7. März 2012 einstimmig beschlossen:

    Tenor:
    1.
    Der Beschluss des Kammergerichts vom 18. März 2011 - 24 U 161/10 - und das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. September 2010 - 16 O 404/09 -, soweit es die Beschwerdeführer zur Unterlassung verpflichtet, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der am Praxisstandort betriebenen Zahnarztpraxis der Beschwerdeführer zu 2) und 3) die Bezeichnung "Zentrum für Zahnmedizin" zu verwenden und/oder unter dieser Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr aufzutreten, verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
    Der Beschluss des Kammergerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Kammergericht zurückverwiesen.

    2.
    Das Land Berlin hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
    3.
    Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
    Gründe
    I.

    Die Verfassungsbeschwerde betrifft das im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfahrens durch Gerichtsentscheidungen ausgesprochene Verbot, eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis im geschäftlichen Verkehr als "Zentrum für Zahnmedizin" zu bezeichnen.

    1. a) Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) kann derjenige, der eine nach §§ 3 oder 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Nach § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. § 4 Nr. 11 UWG nennt als ein Beispiel für eine unlautere geschäftliche Handlung die Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

    b) § 4a Abs. 1 des Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Berliner Kammergesetz <ÄuaKammerG BE>) in der Fassung vom 4. September 1978 (GVBl S. 1937) bestimmt, dass die Kammermitglieder unter anderem verpflichtet sind, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben. Die Vorschrift ermächtigt die Kammern zugleich, die Berufsausübung und die Berufspflichten der Kammermitglieder in Berufsordnungen näher zu regeln. Gemäß § 4a Abs. 4 Nr. 15 ÄuaKammerG BE darf die Berufsordnung insbesondere Bestimmungen über das Verbot und die Beschränkung von Werbung enthalten.

    c) Aufgrund dieser Ermächtigungen hat die Zahnärztekammer Berlin die Berufsordnung der Zahnärztekammer Berlin (im Folgenden: BO) beschlossen. § 19 BO in der Fassung vom 30. Januar 1997 (ABl S. 3078) lautet auszugsweise:

    (1) bis (2) ...

    (3) Eine Einzelpraxis sowie eine Berufsausübungsgemeinschaft darf nicht als Akademie, Institut, Poliklinik, Zentrum, Ärztehaus oder als ein Unternehmen mit Bezug zu einem gewerblichen Betrieb bezeichnet werden.

    (4) bis (5) ...

    2. a) Die Beschwerdeführerin zu 1) ist eine GmbH & Co. KG. Geschäftsführer der GmbH und einzige Kommanditisten der KG sind die Beschwerdeführer zu 2) und 3), zwei approbierte Zahnärzte, die gemeinsam eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft bilden. Die Beschwerdeführerin zu 1) mietet an verschiedenen Standorten Praxisräume an, richtet diese mit den erforderlichen medizinischen Geräten ein und beschäftigt das notwendige Praxispersonal. Räume, Ausstattung und Personal stellt sie dann Nutzern gegen Entgelt zur Verfügung. Zu diesen Nutzern gehören auch die Beschwerdeführer zu 2) und 3). Einer ihrer Praxisstandorte befindet sich im Osten von B. Neben den Beschwerdeführern zu 2) und 3) sind an diesem Standort nach den Angaben der Beschwerdeführer noch sechs weitere Zahnärzte im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft im Anstellungsverhältnis tätig. Daneben gibt es in dem Haus, in dem sich die Praxis befindet, einen Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der ebenfalls Nutzer von Räumen, die die Beschwerdeführerin zu 1) ausgestattet hat, ist und der sich mit der Berufsausübungsgemeinschaft der Beschwerdeführer zu 2) und 3) Räumlichkeiten und Personal teilt. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) kooperieren mit verschiedenen anderen Ärzten und Therapeuten, unter anderem auch mit einer Fachärztin für Anästhesie, die eine Klinik betreibt. An der Fassade des Gebäudes, das die Praxisräume beherbergt, sowie am Eingang zu den Räumlichkeiten befand sich der Schriftzug "Zentrum für Zahnmedizin". Jedenfalls bis zum 3. Juni 2009 benutzte die Beschwerdeführerin zu 1) im Rahmen ihres Internetauftritts ebenfalls diesen Begriff. Die Formulierung befand sich auch auf den Visitenkarten der Beschwerdeführer zu 2) und 3).

    b) Auf die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage einer konzessionierten Privatzahnklinik hin verpflichtete das Landgericht die Beschwerdeführer erst im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens und sodann in der Hauptsache durch das angegriffene Urteil unter anderem dazu, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der am Praxisstandort betriebenen Zahnarztpraxis der Beschwerdeführer zu 2) und 3) die Bezeichnung "Zentrum für Zahnmedizin" zu verwenden und/oder unter dieser Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr aufzutreten. Der Anspruch auf Unterlassung folge aus § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 19 Abs. 3 BO. Die Vorschrift sei, soweit sie die Benutzung des Begriffs Zentrum verbiete, verfassungskonform. Sie diene wichtigen Gemeinwohlbelangen, wie insbesondere dem Interesse, die Bevölkerung möglichst sachlich über medizinische Leistungen zu informieren, und genüge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

    c) Die Beschwerdeführer legten gegen die erstinstanzliche Entscheidung, soweit sie dazu verurteilt worden waren, die Verwendung des Begriffs "Zentrum für Zahnmedizin" zu unterlassen, Berufung ein, die nach Erteilung eines Hinweises mit - ebenfalls angegriffenem - Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis zum 26. Oktober 2011 geltenden Fassung zurückgewiesen worden ist. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist das Urteil des Landgerichts nicht zu beanstanden. Anders als möglicherweise auf anderen Gebieten sei für den Bereich zahnärztlicher Versorgung nicht zu erkennen, dass der Begriff des "Zentrums" nach dem Verkehrsverständnis nicht länger auf Größe und Bedeutung einer Einrichtung sowie deren Mittelpunktfunktion hinsichtlich der angebotenen Leistungen innerhalb eines gewissen räumlichen Bezirks hinweise. Von einer solchen Begriffsbedeutung gingen die Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Werbung selbst aus. Der Entscheidung der Zahnärztekammer, an dem Verbot der Bezeichnung "Zentrum" für eine Berufsausübungsgemeinschaft festzuhalten, komme eine zwar nicht überzubewertende, aber auch nicht gänzlich zu vernachlässigende Bedeutung zu. Dass die rechtlich unverbindliche Musterberufsordnung für Zahnärzte die Benutzung des Begriffs nicht mehr verbiete, rechtfertige kein anderes Ergebnis; ein hierin liegendes Indiz werde jedenfalls durch die Berliner Berufsordnung entkräftet. Das Landgericht sei aufgrund des Sachvortrags der Beteiligten fehlerfrei zu der Feststellung gelangt, dass es sich bei der Praxis der Beschwerdeführer zu 2) und 3) nicht um ein "Zentrum" im dargelegten Sinne handele. Das gelte auch dann, wenn, wie von den Beschwerdeführern behauptet, neben den 15 beziehungsweise 35 Stunden pro Woche in der Praxis tätigen Beschwerdeführern zu 2) und 3) dort insgesamt 20 Mitarbeiter und sechs angestellte Zahnärzte beschäftigt seien. Auf den Umstand, dass weitere Zahnarztpraxen in B. in ihrem Namen den Begriff "Zentrum" führten, könnten sich die Beschwerdeführer ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Zum einen enthielten einige der benannten Praxen in ihrer Bezeichnung Einschränkungen dahingehend, dass sich der Begriff des Zentrums nicht, wie bei den Beschwerdeführern, auf die Zahnmedizin insgesamt, sondern lediglich auf Teilbereiche beziehe. Zum anderen stehe nicht fest, dass die aufgeführten Praxen nicht die vom Senat für beachtlich gehaltenen Kriterien eines Zentrums, gegebenenfalls bezogen auf einen eingeschränkten Bereich, erfüllten.

    3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG.

    4. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin, die Bundeszahnärztekammer, die Zahnärztekammer Berlin und der Freie Verband Deutscher Zahnärzte e.V. hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten der Ausgangsverfahren waren beigezogen.

    II.

    Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 76, 171 [BVerfG 14.07.1987 - 1 BvR 537/81] <184 f.>; 85, 248 <256>; 94, 372 <389>; 111, 366 <373>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

    1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.

    a) Die gerichtlichen Entscheidungen, die das an die Beschwerdeführer gerichtete Verbot, für die Gemeinschaftspraxis der Beschwerdeführer zu 2) und 3) den Begriff "Zentrum für Zahnmedizin" zu benutzen, aussprechen beziehungsweise als rechtmäßig bestätigen, beschränken die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführer zu 2) und 3). Denn sie untersagen ein Verhalten, durch das beide Beschwerdeführer ihre berufliche Tätigkeit nach außen darstellen und mit dem sie für die Inanspruchnahme ihrer Dienste werben. Staatliche Maßnahmen, die ein solches Handeln beschränken, greifen in die Freiheit der Berufsausübung des betroffenen Grundrechtsträgers ein (vgl. BVerfGE 85, 248 [BVerfG 11.02.1992 - 1 BvR 1531/90] <256>; 111, 366 <373>). Die Beschwerdeführerin zu 1) als GmbH & Co. KG, zu der sich die Beschwerdeführer zu 2) und 3) im Rahmen ihrer beruflichen Betätigung zusammengeschlossen haben, kann sich, weil Art. 12 Abs. 1 GG seinem Wesen nach auch auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar ist (BVerfGE 50, 290 [BVerfG 01.03.1979 - 1 BvR 419/78] <363>; 97, 228 <253>; 102, 197 <212 f.>), gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ebenfalls auf den Schutz dieses Grundrechts berufen.

    b) Die Gründe, auf die das Landgericht und das Berufungsgericht ihre Entscheidungen stützen, sind nicht geeignet, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

    aa) Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt (vgl. BVerfGE 94, 372 <389 f.>; 111, 366 <373>; stRspr). Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 7, 377 [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56] <405 f.>; 85, 248 <259>), also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

    bb) Nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden ist allerdings der Ansatz der Fachgerichte, die satzungsrechtliche Werbebeschränkung des § 19 Abs. 3 BO als Verbotsgesetz im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG zu betrachten und auf diesem Wege einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 UWG abzuleiten. Gegen werbebeschränkende Berufsausübungsregelungen in Gestalt von Satzungen bestehen grundsätzlich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfGE 71, 162 <172 f.>; 94, 372 <390>).

    cc) Auch die Annahme der Fachgerichte, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 BO seien erfüllt, begegnet insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken als die von den Beschwerdeführern zu 2) und 3) betriebene Gemeinschaftspraxis einer isolierten Betrachtung unterzogen wird. Die Gerichte haben ihre Einschätzung, nicht alle am Praxisstandort vorhandenen Einzelpraxen zusammen, sondern nur die von den Beschwerdeführern zu 2) und 3) dort betriebene Gemeinschaftspraxis sei als "Zentrum" bezeichnet worden, mit vertretbaren Argumenten begründet. Gegen diese Darlegungen bringen die Beschwerdeführer keine verfassungsrechtlich relevanten Einwände vor.

    dd) Im Weiteren genügt jedoch die Auslegung und Anwendung des § 19 Abs. 3 BO durch die Fachgerichte nicht den sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen.

    (1) Werbebeschränkende Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur verfassungsgemäß, sofern sie nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung untersagen (vgl. BVerfGE 85, 248 [BVerfG 11.02.1992 - 1 BvR 1531/90] <257, 260 f.>). Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss dagegen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 85, 248 <257, 260 f.>). Daher darf einem Arzt oder Zahnarzt die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung zur Beschreibung seiner beruflichen Tätigkeit nur verboten werden, wenn die Benutzung der Formulierung im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist, etwa weil sie das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 407/11 -, [...] ). § 19 Abs. 3 BO ist in diesem Sinne in verfassungskonformer Weise einschränkend auszulegen. Dies haben die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend beachtet.

    (2) Das Landgericht erörtert bereits nicht, inwieweit die konkrete Verwendung des Begriffs irreführend oder sachlich unangemessen ist. Es stellt lediglich fest, § 19 Abs. 3 BO diene wichtigen Gemeinwohlbelangen, wie dem Interesse, die Bevölkerung möglichst sachlich über medizinische Leistungen zu informieren. Ob diese Gemeinwohlbelange dadurch, dass die Beschwerdeführer zu 2) und 3) ihre Praxis als "Zentrum" bezeichnen, tatsächlich beeinträchtigt werden, bleibt ungeprüft. Auch die Frage, ob die Benutzung des Ausdrucks irreführend ist, wird - anders noch als im Rahmen der Entscheidung über die einstweilige Anordnung - ausdrücklich offen gelassen.

    (3) Das Berufungsgericht stellt zwar in der Sache auf das Kriterium der Irreführung ab, indem es die Frage aufwirft, ob die Praxis der Beschwerdeführer zu 2) und 3) die für ein "Zentrum" erforderlichen Kriterien erfüllt. Eine eigenständige Begründung dafür, dass die Praxis den an ein "Zentrum" zu stellenden Anforderungen nicht gerecht wird, fehlt dann aber, denn das Berufungsgericht begnügt sich mit der Äußerung, das Landgericht sei "auf Grundlage des Sachverhalts beider Parteien verfahrensfehlerfrei zu der Feststellung gelangt, dass es sich bei der Praxis der Beklagten zu 2) und 3) ... nicht um ein Zentrum im oben genannten Sinne" handele. Eine solche Prüfung hat das Landgericht im Hauptsacheverfahren freilich nicht vorgenommen. Dass das Berufungsgericht nicht nur auf diese erstinstanzliche Entscheidung, sondern auch auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren verweisen wollte, lässt sich seinen Ausführungen nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen.

    (4) Auch im Übrigen ist die Methode, wie das Berufungsgericht den Begriff des "Zentrums" definiert und verwendet, verfassungsrechtlich nicht haltbar, denn sie beschränkt das Grundrecht der Berufsfreiheit unverhältnismäßig.

    (a) Es verstößt allerdings noch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG der Bezeichnung "Zentrum" einen eigenständigen Bedeutungsgehalt zuzumessen und auf dieser Grundlage die Gefahr einer Irreführung zu bejahen. Die Frage, welchen konkreten Inhalt ein bestimmter Begriff hat, entzieht sich in der Regel strikten verfassungsrechtlichen Vorgaben. Der Bedeutungsgehalt einer Bezeichnung wird vielmehr von zahlreichen Faktoren beeinflusst und ist zudem einem stetigen Wandel unterworfen. Wie ein bestimmter Ausdruck verstanden wird, ist nicht nur kontextabhängig, sondern kann auch regional unterschiedlich sein. Schon das spricht dagegen, ein bestimmtes Begriffsverständnis als grundrechtlich geboten anzusehen und den Instanzgerichten bei der Auslegung einer Bezeichnung einen eigenen Entscheidungsspielraum zu verweigern.

    (b) Gleichwohl unterliegt ein Gericht bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Bezeichnung verfassungsrechtlichen Grenzen. Die Tragweite des Grundrechts auf Berufsfreiheit wird jedenfalls dann verkannt, wenn bei der Ermittlung des Begriffsverständnisses bestimmte, auf der Hand liegende, für die Aussage des Begriffs erkennbar relevante Aspekte entweder gar nicht erörtert werden oder ihre Berücksichtigung mit unvertretbarer Argumentation abgelehnt und damit die freie Berufsausübung ohne hinreichenden Grund eingeschränkt wird.

    (c) Diesen verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügt die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

    (aa) Zum einen hat das Gericht unbeachtet gelassen, dass der Gesetzgeber mittlerweile mit dem Begriff des "Medizinischen Versorgungszentrums" (siehe § 95 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung ) eine Bezeichnung, bei der der Ausdruck "Zentrum" Wortbestandteil ist, legaldefiniert hat. Ein medizinisches Versorgungszentrum kann gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB V bereits von zwei Ärzten, die unterschiedliche Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen besitzen, betrieben werden; eine darüber hinausgehende Größe, Bedeutung oder gar eine Mittelpunktfunktion der Einrichtung ist nicht erforderlich. Dass diese gesetzliche Definition auch Rückwirkungen auf das Verständnis des allgemeinen Begriffs des "Zentrums" auf ärztlichem oder zahnärztlichem Gebiet haben kann (in diesem Sinne - für den ärztlichen Bereich - zum Beispiel LG Erfurt, Urteil vom 22. April 2008 - 1 HK O 221/07 -, [...] ), drängt sich geradezu auf und hätte daher erwogen werden müssen.

    (bb) Zum anderen ist nicht erkennbar, dass das Berufungsgericht die Art und Weise, wie der Begriff im zahnärztlichen Bereich, insbesondere in B., praktisch genutzt wird, hinreichend in seine Entscheidungsfindung einbezogen hat. Zwar handelt es sich nach der - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung, wie die Verkehrsauffassung den Inhalt einer bestimmten werbenden Aussage versteht, um eine Entscheidung aufgrund von Erfahrungswissen und nicht um eine Feststellung von Tatsachen (siehe nur BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01 -, [...] ). Das ändert aber nichts daran, dass die Bedeutung, die die Verkehrsauffassung einer Formulierung zuordnet, von tatsächlichen Umständen abhängig ist. Solche tatsächlichen Umstände muss ein Gericht zumindest dann, wenn sie erkennbar Einfluss darauf haben können, wie der Verkehr einen Ausdruck versteht, in seine Überlegungen, ob die Formulierung zur Beschreibung einer beruflichen Tätigkeit im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist, einbeziehen. Es liegt nahe, dass die Existenz einer größeren Anzahl an Arztpraxen innerhalb desselben Gebiets, die sich alle als "Zentrum" bezeichnen und damit - geht man von der ursprünglichen Wortbedeutung aus - jeweils für sich eine Mittelpunktfunktion beanspruchen, Konsequenzen für das Verständnis dieses Begriffs haben kann. Jedenfalls wenn - wie hier - ausdrücklich vorgetragen worden war, es gebe in der Stadt zahlreiche andere Zahnärzte, die ihre Praxen als Zentrum bezeichneten, ist es daher geboten, sich mit der Frage, ob die Bezeichnung auf dem Gebiet der zahnärztlichen Berufstätigkeit angesichts der Häufigkeit ihrer Verwendung noch ihren ursprünglichen Bedeutungsgehalt besitzt, auseinanderzusetzen. Dies hat das Berufungsgericht nicht getan.

    (cc) Schließlich genügt die Entscheidung des Berufungsgerichts auch deswegen nicht den sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Erfordernissen, weil das von ihm zugrunde gelegte Begriffsverständnis derart unbestimmt bleibt, dass auf seiner Grundlage jede nachvollziehbare Subsumtion ausscheidet.

    Der Gehalt einer Werbeaussage, die eine Behauptung über Tatsachen enthält, ist mit Blick auf eine etwaige Irreführung erst dann verständlich festgestellt, wenn der Inhalt dieser Aussage so weit herausgearbeitet worden ist, dass sich ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit beurteilen lässt. Ein solches Urteil ist hier nicht einmal ansatzweise möglich, weil sich das Gericht bei der Definitionsbildung auf die unspezifische Behauptung beschränkt, mit dem Begriff "Zentrum" werde auf die Größe und Bedeutung einer Einrichtung sowie ihre "Mittelpunktfunktion hinsichtlich der angebotenen Leistungen innerhalb eines gewissen räumlichen Bezirks" hingewiesen. Unklar bleibt schon, inwieweit es sich bei der geforderten überdurchschnittlichen Größe und Bedeutung um Merkmale, die kumulativ erfüllt sein müssen, handelt. Zudem kommen zur Konkretisierung der Bedeutsamkeit einer Praxis ganz unterschiedliche Anknüpfungspunkte - wie etwa die Bandbreite der angebotenen Leistungen, deren besondere Qualität, die apparative Ausstattung der Praxisräume - in Betracht. Welche dieser Kriterien das Berufungsgericht für maßgeblich erachtet, lässt sich der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen. Erst recht ist nicht erkennbar, unter welchen konkreten Voraussetzungen das Gericht von einer überdurchschnittlichen Qualität oder Quantität der Leistungen ausgeht, das heißt ob etwa das tatsächliche Tätigwerden in verschiedenen zahnärztlichen Spezialbereichen ausreicht oder ob es darüber hinaus notwendig ist, dass die beteiligten Zahnärzte für diese Bereiche zusätzlich über Spezialisierungen oder Gebietsbezeichnungen verfügen. Auch wenn letztere geeignet sein mögen, die besondere Sachkunde des betroffenen Zahnarztes zu belegen, wird in diesem Zusammenhang zugleich zu beachten sein, dass die zahnärztlichen Fachgebietsbezeichnungen, anders als die ärztlichen Facharztbezeichnungen, keine gebietseröffnende oder -begrenzende Funktion besitzen und ihnen daher, verglichen mit den ärztlichen Facharztbezeichnungen, aus Sicht der Patienten eine geringere Bedeutung zukommen dürfte.

    Hinzu kommt, dass die gerichtlichen Ausführungen nicht hinreichend erkennen lassen, von welchem "räumlichen Bezirk" bei der Prüfung, ob der Praxis eine "Mittelpunktfunktion" zukommt, ausgegangen wird. Der Beschluss enthält insoweit keine ausdrücklichen Darlegungen. Angesichts der Größe von B. liegt es auch keineswegs auf der Hand, die Stadt als solche zum Bezugspunkt zu machen, zumal die vom Berufungsgericht in dessen Hinweisbeschluss beschriebene Anzeige darauf hindeutet, dass die Beschwerdeführer selbst die Bezeichnung eher stadtteilbezogen verstehen. Auch hiermit setzt sich die Entscheidung nicht auseinander.

    Im Übrigen kann erst durch einen Vergleich mit den weiteren, im relevanten Gebiet vorhandenen zahnärztlichen Einrichtungen beurteilt werden, ob eine Praxis in diesem Gebiet - wegen ihrer überdurchschnittlichen Größe und/oder Bedeutsamkeit - eine "Mittelpunktfunktion" besitzt oder nicht. Das Berufungsgericht hat jedoch weder einen solchen Vergleich vorgenommen noch dargetan, warum auf ihn zu Lasten der Beschwerdeführer verzichtet werden durfte.

    2. Die angefochtenen Entscheidungen beruhen auf den festgestellten Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

    Es erscheint angezeigt, gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG lediglich das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen. Das dient dem Interesse der Beschwerdeführer, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.

    3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

    4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

    RechtsgebieteUWG, ZPO, GGVorschriften§ 3 UWG § 4 Nr. 11 UWG § 7 UWG § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO Art. 12 Abs. 1 GG