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  • 01.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239454

    Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 13.06.2023 – 2 Sa 20/23


    Tenor: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 13.12.2022 zum Aktenzeichen 2 Ca 154/22 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    1

    Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

    2

    Die Klägerin war ab dem 13.06.2020 befristet bis zum 12.06.2022 bei der Beklagten als Servicekraft zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.800,00 € beschäftigt.

    3

    Ab dem 16.10.2021 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Es sind in polnischer Sprache abgefasste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Akte gereicht (Anlage K 3, Bl. 36 d.A., Anlage K 4, Bl. 37 d.A.). Die Bescheinigung vom 15.10.2021 weist eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 06.10.2021 - 07.11.2021 aus mit Ergänzung des Diagnoseschlüssels G54. Der Klägerin wurde eine Erkrankung an Nervenwurzeln und Nervenplexus bescheinigt. Die am 17.01.2022 erstellte Bescheinigung erstreckt sich auf den Zeitraum 17.01.2022 - 31.01.2022, weist handschriftlich ergänzt den Diagnoseschlüssel C-81 auf, bescheinigt ein Hodgkin-Lymphom.

    4

    Bereits mit Übergabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15.10.2021 hatte die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich in onkologische Behandlung begeben müsse.

    5

    Mit Schreiben vom 22.03.2022 (Anlage K 5, Bl. 38, 39 d.A.) teilte die AOK Nordost der Beklagten u.a. mit, dass keine durchgehende, bzw. hinzugetretene Arbeitsunfähigkeit vorliege, für die Erkrankung ab dem 17.01.2022 ein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch bis 27.02.2022 gegeben sei.

    6

    Nach erfolgloser Geltendmachung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs in Höhe von 2.551,20 € brutto mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 12.04.2022 verfolgt die Klägerin diesen Anspruch mit der der Beklagten am 08.08.2022 zugestellten Klage weiter.

    7

    Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde Entgeltfortzahlung, weil die ab dem 16.10.2022 Arbeitsunfähigkeit verursachende neurologische Erkrankung mit dem 16.01.2022 ausgeheilt gewesen sei. Die ärztliche Bescheinigung vom 16.01.2022 (Anlage K 8, Bl. 64 d.A.) bestätige, dass die neurologische Behandlung am 16.01.2022 beendet worden sei. Ab dem 17.01.2022 sei eine onkologische Erkrankung diagnostiziert worden.

    8

    Die Klägerin hat beantragt:

    9

    Die Beklagte wird verurteilt, 2.491,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 13.04.2022 an die Klägerin zu zahlen.

    10

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    11

    Die Beklagte hat den erhobenen Zahlungsanspruch mit der Begründung geleugnet, dass die Erkrankung, welche zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 17.01.2022 geführt habe, bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden habe, die Ausheilung der ersten, neurologischen Erkrankung nicht am Sonntag, den 16.01.2022, erfolgt gewesen sei. Die Klägerin sei vielmehr durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

    12

    Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestehe kein Entgeltfortzahlungsanspruch für den Zeitraum 17.01.2022 - 27.02.2022, weil die Klägerin nicht habe darlegen können, dass die neue Erkrankung erst zu einem Zeitpunkt Arbeitsunfähigkeit ausgelöst habe, zudem die vorangegangene krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits beendet gewesen sei. Aufgrund des unmittelbaren Anschlusses der ab dem 17.01.2022 bestehenden Arbeitsunfähigkeit an die zuvor bis zum 16.01.2022 wegen einer anderen Krankheit bestandenen Arbeitsunfähigkeit sei das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls indiziert. Der Klägerin sei es nicht gelungen, den vollen Beweis für den Ausschluss eines einheitlichen Verhinderungsfalls zu erbringen. Aufgrund der klägerischen Mitteilung im Oktober 2021 zur Erforderlichkeit einer onkologischen Behandlung sei nicht auszuschließen, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt an einer Krebserkrankung litt, wegen derer Arbeitsunfähigkeit bestand. Es habe der Klägerin oblegen, konkrete Tatsachen vorzutragen, welche gegen eine solche Annahme sprechen.

    13

    Die Klägerin hat gegen das ihr am 02.01.2023 zugestellte Urteil mit am 01.02.2023 vorab per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.04.2023 mit am 30.03.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

    14

    Hierzu führt die Klägerin an, das Arbeitsgericht habe ihre Beweisangebote, Zeugnis der sie behandelnden Ärzte unter Entbindung von der Schweigepflicht, nicht zutreffend gewürdigt und sei daher fehlerhaft von einem einheitlichen Verhinderungsfall ausgegangen. Sie habe Beweis angeboten für die Behauptungen, dass die neurologische Behandlung mit dem 16.01.2022 beendet wurde, am 17.01.2022 die Chemotherapie angefangen worden sei, welche zwingend zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Während der neurologischen Untersuchung sei zunächst der Verdacht, dann die Diagnose einer Tumorerkrankung erhoben worden. Es habe jedoch nicht die Diagnose einer Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 17.01.2022 geführt, sondern die ab diesem Zeitpunkt eingeleitete Chemotherapie.

    15

    Die Klägerin beantragt:

    16

    1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 13.12.2022 - 2 Ca 154/22 - wird aufgehoben.

    17

    2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.491,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2022 zu zahlen.

    18

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    19

    Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung mit der Argumentation, das Arbeitsgericht habe zu Recht auf die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin abgestellt und einen Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Einheit des Verhinderungsfalls abgelehnt. Die Beklagte bestreitet, dass die onkologische Behandlung erst mit dem 17.01.2022 aufgenommen worden sei und verweist nochmals darauf, dass die Klägerin ihren unmittelbaren Vorgesetzten bereits am 18.10.2021 durch eine WhatsApp-Nachricht über die onkologische Erkrankung informiert habe und nach der am 07.11.2021 erfolgten klägerischen WhatsApp-Nachricht "Ich habe Onkologische Operation schon geplant" kein Zweifel daran bestehen könne, dass spätestens mit dem 07.11.2021 von einer während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzugetretenen, neuen Krankheit auszugehen sei, so dass die Einheit des Verhinderungsfalls vorliege.

    20

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    21

    Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein weiterer Entgeltfortzahlungsanspruch zu.

    I.

    22

    Die Berufung ist statthaft ( § 64 Abs. 1 , § 64 Abs. 2b) ArbGG ). Sie ist zudem in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden ( §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG , 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 ArbGG , §§ 519 , 520 ZPO ) und damit insgesamt zulässig.

    II.

    23

    Die Berufung ist jedoch nicht erfolgreich. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender, sorgfältiger Begründung abgewiesen.

    1.

    24

    Die Klägerin hat für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) .

    25

    Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von 6 Wochen begrenzt. Dies gilt nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die 6-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist grundsätzlich die Entscheidung des Arztes, der Arbeitsunfähigkeit im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertages bescheinigen wird. Das gilt unabhängig davon, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- ober arbeitsfreien Tag fällt ( BAG, Urteil vom 25.05.2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 13, juris).

    26

    Das Arbeitsgericht hat unter Anwendung dieser Grundsätze zu Recht festgestellt, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 17.01.2022 keinen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch begründet hat, weil es der Klägerin nicht gelungen ist, zu beweisen, dass die neue Erkrankung erst zu einem Zeitpunkt Arbeitsunfähigkeit ausgelöst hat, zu dem die vorangegangene krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits beendet war. Der erforderliche Nachweis ist der Klägerin auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen.

    27

    Die Klägerin trifft insoweit jedoch die Darlegungs- und Beweislast.

    28

    Die Beklagte hat sich auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls berufen und deshalb eine Entgeltfortzahlung verweigert. Sie hat dabei bestritten, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin infolge der neurologischen Erkrankung vor Eintritt der Arbeitsverhinderung wegen der onkologischen Erkrankung beendet war und eine Arbeitsunfähigkeit wegen der onkologischen Erkrankung erstmals am 17.01.2022 aufgetreten ist.

    29

    Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG . Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast. Meldet sich der Arbeitnehmer in unmittelbarem Anschluss an den ausgeschöpften 6-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG erneut mit einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank und bestreitet der Arbeitgeber unter Berufung auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls, dass Arbeitsunfähigkeit infolge der "neuen" Krankheit erst jetzt eingetreten sei, hat der Arbeitnehmer als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die neue Arbeitsunfähigkeit erst zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits beendet war. Der Arbeitnehmer ist also darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass seine bisherige Erkrankung bei Eintritt der mit neuer Erstbescheinigung attestierten Arbeitsverhinderung keine Arbeitsunfähigkeit mehr ausgelöst hat. Das gilt auch dann, wenn sich an dem ausgeschöpften 6-Wochen-Zeit-raum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ein Krankengeldbezug angeschlossen hat und der Arbeitnehmer in der Folge vom Arbeitgeber unter Vorlage einer neuen Erstbescheinigung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen einer sich unmittelbar an den Krankengeldbezug anschließenden Arbeitsverhinderung verlangt ( BAG, Urteil vom 11.12.2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 16, juris).

    30

    Zwei selbstständige Verhinderungsfälle liegen dann vor, wenn ein Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur wenige, außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war ( BAG, Urteil vom 12.07.1989 - 5 AZR 377/88 - Rn. 27, juris).

    31

    Für die Darlegung und den Nachweis von Beginn und Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen. Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass sich die Erkrankungen, hinsichtlich derer dem Arbeitnehmer jeweils Arbeitsunfähigkeit attestiert worden ist, überschneiden, so ist der Beweiswert der dem Arbeitnehmer hinsichtlich der "neuen" Krankheit ausgestellten "Erstbescheinigung" erschüttert. Der Arbeitnehmer muss nunmehr für den Zeitpunkt der Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit wegen einer "früheren" Krankheit vor Eintritt der neuerlichen Arbeitsverhinderung vollen Beweis erbringen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung ( BAG, Urteil vom 11.12.2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 19, juris).

    32

    Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls liegt regelmäßig dann vor, wenn sich an eine "erste" Arbeitsverhinderung in engem zeitlichen Zusammenhang eine dem Arbeitnehmer im Wege der "Erstbescheinigung" attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit dergestalt anschließt, dass die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinander folgen oder dass zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt. Bei solchen Sachverhalten ist es dem Arbeitgeber angesichts fehlender zwischenzeitlicher Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers nahezu unmöglich, konkrete Anhaltspunkte zur Erschütterung des Beweiswerts der ärztlichen Bescheinigungen vorzutragen. Es ist deshalb dem Arbeitnehmer auch unter Berücksichtigung seiner Sachnähe zuzumuten, seine Behauptung, es lägen voneinander zu trennende Verhinderungsfälle vor, durch konkreten Vortrag zu den Krankheitsursachen sowie zum Ende bzw. Beginn der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren und hierfür gegebenenfalls vollen Beweis zu erbringen ( BAG, Urteil vom 11.12.2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 21, juris).

    33

    Vorliegend ist unstreitig ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen einer bis zum 16.01.2022 währenden aufgrund einer neurologischen Erkrankung beruhenden Arbeitsunfähigkeit sowie der aufgrund der onkologischen Erkrankung beruhenden Arbeitsunfähigkeit ab dem 17.01.2022 gegeben. Schon deshalb ist vorliegend ein einheitlicher Verhinderungsfall ausreichend indiziert. Dies wird dadurch bestärkt, dass die Klägerin im Termin der Berufungsverhandlung selbst eingeschätzt hat, dass sie im Zeitraum 16.01.2022 - 17.01.2022 nicht arbeitsfähig gewesen sei.

    34

    Es oblag damit der Klägerin, vollen Beweis für den Ausschluss eines einheitlichen Verhinderungsfalls zu erbringen. Dies ist ihr nicht gelungen.

    35

    Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung rügt, das Arbeitsgericht habe zu den entscheidenden Beweisfragen Beweis durch Vernehmung der sie behandelnden Ärzte erheben müssen, verkennt die Klägerin, dass insoweit ein geeigneter Beweisantritt nicht vorliegt. So hat die Klägerin zwar die ärztliche Vernehmung zum Beleg ihrer Behauptung, die Behandlung der neurologischen Erkrankung sei am 16.01.2022 abgeschlossen worden, angeboten, auf die Tatsache des Abschlusses der Behandlung kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist die Ausheilung der neurologischen Erkrankung. Aus welchen Gründen die Behandlung tatsächlich nicht weiterverfolgt wurde, hat die Klägerin nicht im Einzelnen dargetan. Sie hat zwar zunächst vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten behauptet, die Erkrankung sei am 16.01.2022 ausgeheilt gewesen, die Vernehmung des sie wegen dieser Krankheit behandelnden Arztes hat die Klägerin für diese Behauptung jedoch nicht angeboten. Dies wäre jedoch die entscheidende Beweisfrage gewesen. Die Klägerin hat nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass sie nach dem 16.01.2022 wegen der neurologischen Erkrankung an keinerlei Symptomen mehr gelitten habe. Sie hat keine konkreten Tatsachen zum Krankheitsverlauf des neurologischen Leidens vorgetragen. Sie behauptet auch nicht, dass am 16.01.2022 eine ärztliche Untersuchung stattgefunden oder der behandelnde Arzt an diesem Tag Feststellungen zum Zeitpunkt der Beendigung der Erkrankung getroffen hat. Die Klägerin trägt keine konkreten Tatsachen zum Krankheitsverlauf der neurologischen Erkrankung vor, aus denen sich auf eine Gesundung am 16.01.2022 schließen lässt. Sie behauptet weder, dass an diesem Tag eine ärztliche Untersuchung stattgefunden hat noch, dass die behandelnde Ärztin, die ab dem folgenden Montag, dem 17.01.2022, Arbeitsunfähigkeit attestierte, Feststellungen zum Zeitpunkt der Beendigung der vorhergehenden Erkrankung getroffen hätte. Darüber hinaus hat die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erklärt, dass sie im Zeitraum 16.01. - 17.01.2022 nicht arbeitsfähig gewesen sei und die Beendigung der neurologischen Behandlung erfolgte, weil die Chemotherapie am 17.01.2022 beginnen sollte. Damit hat die Klägerin selbst eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer neurologischen Erkrankung am 16.01.2022 nicht mehr behauptet. Folglich war nicht eine Ausheilung Ursache der unterlassenen Fortführung der Behandlung der neurologischen Erkrankung. Ein einheitlicher Verhinderungsfall kann bereits aus diesem Grunde nicht ausgeschlossen werden.

    36

    Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht jedoch nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsunfähigkeit führte. Tritt als ein weiteres Grundleiden, das bereits für sich allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hätte, zum ersten Grundleiden hinzu, so ändert dies nichts am Schicksal eines einmal entstandenen, auf einem früheren Grundleiden beruhenden Entgeltfortzahlungsanspruch. Mehrere gleichzeitige oder sich überlappende Erkrankungen, die nicht auf einem Grundleiden beruhen und deshalb als andere Krankheiten im Sinne des Gesetzes anzusehen sind, lösen nur einmal einen Anspruch für 42 Kalendertage auf Entgeltfortzahlung aus.

    37

    Zudem bleibt jedoch auch die Frage, ob die onkologische Erkrankung der Klägerin nicht erst am 17.01.2022 mit Beginn der Chemotherapie zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat oder eine solche schon vorher vorgelegen hat, zu Lasten der Klägerin ungeklärt. Insoweit hat die Klägerin keine konkreten Umstände geschildert, aus welchen die Schlussfolgerung gezogen werden könnte, trotz der onkologischen Erkrankung sei sie vor dem 17.01.2022 wegen dieser Erkrankung nicht arbeitsunfähig gewesen.

    38

    Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend 6 Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihm behaupteten Beginn der "neuen" krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung (vgl. BAG, Urteil vom 25.05.2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 22, juris).

    39

    Die Klägerin hat sich erstinstanzlich auf das Zeugnis der sie behandelnden Ärztin wegen der onkologischen Erkrankung für die Behauptung berufen, dass die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Chemotherapie wegen der onkologischen Erkrankung ab dem 17.01.2022 eingetreten sei. Auf die Richtigkeit dieser Behauptung kommt es jedoch nicht an. Die entscheidende Frage wäre vielmehr gewesen, ob bereits vor dem 17.01.2022 aufgrund der onkologischen Erkrankung Arbeitsunfähigkeit eingetreten war.

    40

    Unstreitig hat bereits während des Vorliegens der neurologischen Erkrankung und deren Behandlung der Verdacht einer onkologischen Erkrankung bestanden, welcher nach einer Untersuchung eines Teils eines klägerischen Knochens im Dezember 2021 bestätigt wurde. Ab diesem Zeitpunkt stand die onkologische Erkrankung fest. Die beiden Erkrankungen haben sich somit überlappt. Soweit die Klägerin mit der Berufung vorgetragen hat, sie sei während der aufgrund der neurologischen Erkrankung bestehenden Arbeitsunfähigkeit zwar auch onkologisch erkrankt, jedoch nicht aufgrund dieser Erkrankung arbeitsunfähig gewesen, belässt sie es bei einer pauschalen Behauptung, stellt keinerlei Tatsachen dar, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, sie sei in dem maßgeblichen Zeitraum wegen ihrer Krebserkrankung nicht arbeitsunfähig gewesen. Insoweit fehlt es an einem erforderlichen Tatsachenvorbringen, welches unter Beweis gestellt werden könnte.

    41

    Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer den von ihm behaupteten Beginn der "neuen" krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung im Einzelnen darlegen und beweisen.

    42

    Insgesamt ist es der Klägerin nicht gelungen, das Bestehen eines einheitlichen Verhinderungsfalls auszuschließen. Der von ihr verfolgte Entgeltfortzahlungsanspruch kann ihr deshalb nicht zugesprochen werden.

    2.

    43

    Weil der Klägerin somit für den Zeitraum ab dem 17.01.2022 kein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen die Beklagte zusteht, ist auch ein Anspruch auf eine Zinszahlung nicht gegeben.

    III.

    44

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO . Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

    45

    Gründe für die Zulassung der Revision ( § 72 Abs. 2 ArbGG ) bestehen nicht.

    Vorschriften§ 64 Abs. 1, § 64 Abs. 2b) ArbGG, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, § 97 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG