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  • 19.06.2020 · IWW-Abrufnummer 216336

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 22.05.2019 – 21 Sa 74/18

    1. Wird der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt, kann der Dienstberechtigte die auf die Rechnungen des vermeintlich freien Mitarbeiters an diesen gezahlte Umsatzsteuer im Wege der Leistungskondiktion zurückverlangen. Er ist nicht darauf zu verweisen, die zu Unrecht an den Mitarbeiter gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung erstattet zu erhalten. Ein Fall der (zwingenden) Durchgriffskondiktion liegt nicht vor, vielmehr kann der Gläubiger eine Rückabwicklung "über Eck" verlangen.

    2. Erteilt ein Insolvenzverwalter gegenüber einem Insolvenzschuldner die Freigabe des vermeintlich selbstständig geführten Geschäftsbetriebs gemäß § 35 Abs. 2 InsO, wird diese Freigabe nicht dadurch unwirksam, dass sich später herausstellt, dass der Insolvenzschuldner in Wahrheit Arbeitnehmer war. Anderes kann gelten, wenn die Freigabe von Anfang an offensichtlich unwirksam war, weil der Insolvenzverwalter aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon hätte ausgehen müssen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt.


    In der Rechtssache
    - Klägerin/Berufungsklägerin/Anschlussberufungsbeklagte -
    Proz.-Bev.:
    gegen
    - Beklagter/Berufungsbeklagter/Anschlussberufungskläger -
    Proz.-Bev.:
    hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rieker, den ehrenamtlichen Richter Tschauner und den
    ehrenamtlichen Richter Wrobel auf die mündliche Verhandlung vom 22.05.2019
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    I. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 15.05.2018 - Az: 27 Ca 239/17 - insoweit aufgehoben, als das Arbeitsgericht die Widerklage des Beklagten, die Klägerin zu verpflichten, die sich aus der zwischen den Parteien vereinbarten Vergütung für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Juni 2014 ergebenden Sozialversicherungsbeiträge an den zuständigen Sozialversicherungsträger abzuführen, als unzulässig abgewiesen hat.


    II. Die weitergehende Anschlussberufung des Beklagten gegen die in I. dieses Tenors genannte Entscheidung des Arbeitsgerichts wird zurückgewiesen.


    III. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 15.05.2018 - Az: 27 Ca 239/17 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:


    1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 24.05.2017 - Az: 3 Sa 27/16 - wird für unzulässig erklärt.


    2. Der Beklagte wird verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung des in Ziff. III. 1) des Tenors dieses Urteils genannte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts an die Klägerin herauszugeben.


    3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 30.486,29 zzgl. Zinsen p. a. hieraus iHv. 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit 05.01.2018 zu zahlen.


    4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.


    IV. Die weitergehende Berufung der Klägerin gegen das in Ziff. I. des Tenors des vorliegenden Urteils genannte Urteil des Arbeitsgerichts wird zurückgewiesen.


    V. Der Beklagte hat 7/8, die Klägerin 1/8 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


    VI. Soweit


    • die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt worden ist,
    • der Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung verurteilt worden ist,
    • der Beklagte zur Zahlung von EUR 30.486,29 zzgl. Zinsen verurteilt worden ist,



    wird die Revision für den Beklagten zugelassen.


    Im Übrigen wird die Revision weder für den Beklagten noch für die Klägerin zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten darüber, ob die vom Beklagten gegenüber der Klägerin betriebene Zwangsvollstreckung aus einem Zahlungstitel unzulässig ist und der Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels an die Klägerin verpflichtet ist. Darüber hinaus streiten die Parteien darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, von der Klägerin an ihn geleistete Umsatzsteuerzahlungen an die Klägerin zurückzuzahlen und im Rahmen der Anschlussberufung des Beklagten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten Lohnabrechnungen über bzw. für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Juni 2014 zu erteilen, aus denen etwaige abzuführende oder abgeführte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ersichtlich sind.



    Der am XX.XX.XXXX geborene Beklagte war bei der Klägerin ab 12. Oktober 2010 im kaufmännischen Bereich tätig. Die Klägerin ging dabei von Beginn an davon aus, dass der Beklagte als selbständiger betriebswirtschaftlicher Berater für sie tätig ist. Eine schriftliche Vertragsgrundlage für diese Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin ist nicht vorhanden. Der Beklagte stellte der Klägerin von Beginn an monatliche Rechnungen über die von ihm erbrachten Tätigkeiten. Im Zeitraum 12. Oktober 2010 bis 30. September 2011 stellte der Beklagte auf dem Briefpapier der M. GmbH, deren Geschäftsführer er war, der Beklagten Rechnungen für seine kaufmännischen Tätigkeiten. Bezüglich der Einzelheiten dieser Rechnungen wird vollinhaltlich auf Bl. 135 bis 150 der Akten LAG Baden-Württemberg 3 Sa 27/16 verwiesen. Daraufhin zahlte die Klägerin diese in Rechnung gestellten Beträge an die M. GmbH. Ab 1. Oktober 2011 stellte der Beklagte für seine Tätigkeiten bei der Klägerin diese Rechnungen unter "T. T. C.". Bezüglich der Einzelheiten dieser Rechnungen wird vollinhaltlich auf Bl. 65 bis 67, 72 bis 76, 172 bis 177 der Akten ArbG Stuttgart - Kammern Aalen - 27 Ca 212/14 verwiesen. Diese Rechnungen beglich die Klägerin auf Grund der geänderten Rechnungsstellung an den Beklagten persönlich. Die Rechnungen des Beklagten wiesen, wie auch zuvor die der M. GmbH, Beträge mit "Summe netto" zuzüglich 19 % gesetzliche Umsatzsteuer aus. Die Klägerin verrechnete diese Umsatzsteuerbeträge mit ihrem Umsatzsteuerkonto, das sie als am Markt tätige juristische Person führte. Ausweislich der vom Beklagten für die Klägerin unter dem Datum 15. Juli 2017 erstellten "Gjutschriften" (Schreibfehler durch das Gericht so übernommen), bezüglich deren Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 230 bis 233 der Akten-ArbG verwiesen wird, zahlte die Klägerin an den Beklagten im Zeitraum 1. Oktober 2011 bis 31. Juli 2014 folgende Beträge:

    MonatSumme netto19 % MwStGesamtOktober 20115.292,201.005,526.297,72November 20113.120,40 592,883.713,28Dezember 20114.758,90904,195.663,094.875,00926,255.801,252.500,00475,002.975,00Januar 20123.881,80 737,544.619,34Februar 20123.027,20 575,173.602,37März 20124.225,00 802,755.027,75April 20124.875,00 926,255.801,25Mai 20123.575,00 679,254.254,25Juni 20123.900,00 741,004.641,00Juli 20125.200,00 988,006.188,00August 20125.225,00 992,756.217,75September 20124.875,00 926,255.801,25Oktober 20126.175,001.173,257.348,25November 20125.525,001.049,756.574,75Dezember 20126.200,001.178,007.378,002.500,004.75,002.975,006.000,001.140,007.140,001.000,00190,001.190,00Januar 20136.175,001.173,257.348,25Februar 20135.200,00 988,006.188,00März 20135.525,001.049,756.574,75April 20135.525,001.049,756.574,75Mai 20135.269,001.001,116.270,11Juni 20136.683,801.259,927.953,72Juli 20137.717,001.466,239.183,23MonatSumme netto19 % MwStGesamtAugust 20134.126,80784,094.910,89September 20137.603,601.444,689.048,28Oktober 20137.392,001.404,488.796,48November 20136.515,201.237,897.753,09Dezember 20136.131,002.250,001.164,89 427,507.295,892.677,50Januar 20147.067,001.342,738.409,73Februar 20146.303,601.197,577.501,17März 20146.035,301.146,717.182,01April 20146.417,001.219,237.636,23Mai 20147.340,201.394,648.734,84Juni 20147.000,001.330,008.330,007.000,001.330,008.330,007.000,001.330,008.330,005.000,00950,005.950,007.125,001.353,758.478,75



    Am 20. April 2012 wurde auf Antrag des Beklagten und auf den Antrag des Finanzamts Pforzheim vom Amtsgericht Ingolstadt - Insolvenzgericht - (GNr.: IN 706/11) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet und Herr Rechtsanwalt M. B. zum Insolvenzverwalter bestellt. Per 18. Mai 2012 erteilte der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten die Freigabe des vom Insolvenzschuldner (Beklagten) geführten Geschäftsbetriebs im Bereich Buchhaltung und betriebswirtschaftliche Beratung gem. § 35 Abs. 2 InsO. Das Insolvenzgericht beschloss nach Beendigung der Laufzeit der Abtretungserklärungen am 19. April 2018 gem. § 300 Abs. 1 InsO über die Erteilung der vom Beklagten beantragten Restschuldbefreiung des Beklagten zu entscheiden und gab den Insolvenzgläubigern und dem Insolvenzverwalter im schriftlichen Verfahren Gelegenheit, bis zum 24. Mai 2018 Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 InsO zu stellen. Über die Erteilung der Restschuldbefreiung war am 22. Mai 2019 noch nicht entschieden. Das Insolvenzverfahren war zu diesem Zeitpunkt nicht aufgehoben.



    Die Klägerin kündigte das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten mit Schreiben vom 21. Mai 2014 zum 30. Juni 2014. Hiergegen erhob der Beklagte Kündigungsschutzklage und beantragte darüber hinaus u. a. festzustellen, dass zwischen den Parteien seit 12. Oktober 2010 ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Aalen - (Az: 27 Ca 212/14) wies diese Anträge mit Urteil vom 22. Oktober 2015 mit der Begründung ab, der Beklagte sei als selbständiger betriebswirtschaftlicher Berater und nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Klägerin tätig geworden. Die vom Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hatte teilweise Erfolg und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az: 3 Sa 27/16) stellte mit Urteil vom 24. Mai 2017 fest, dass zwischen den Parteien seit 1. Oktober 2011 (nicht wie vom Beklagten beantragt bereits seit 12. Oktober 2010) ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das durch die Kündigung der Klägerin vom 21. Mai 2014 nicht aufgelöst worden ist. Allerdings löste das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten auf Antrag der Klägerin zum 30. Juni 2014 gegen Zahlung einer Abfindung gem. den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 8.000,00 € auf. Dieses Urteil wurde dem Beklagten (dem Kläger des Vorverfahrens) am 02.06.2017 und der Klägerin (der Beklagten im Vorverfahren) am 31. Mai 2017 zugestellt (vgl. Blatt 231, 232 d. A. 3 Sa 27/16). Der Beklagte leitete gegen die Klägerin aus dem Abfindungszahlungstitel des Landesarbeitsgerichts vom 24. Mai 2017 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Die Klägerin rechnete den Abfindungsanspruch des Beklagten unter dem Datum 26. Juli 2017 ab und errechnete einen Nettoauszahlungsanspruch an den Beklagten in Höhe von 6.167,73 €. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Abrechnungen wird vollinhaltlich auf Bl. 60 der Akten-ArbG verwiesen. Gegen den von der Klägerin errechneten Zahlungsanspruch des Beklagten in Höhe von 6.167,73 € rechnete sie mit ihren - vermeintlichen - Forderungen an den Beklagten wegen zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer in den Jahren 2011 bis 2014 in Höhe von - zuletzt - 43.590,57 € auf. Anderweitige Lohnabrechnungen für den Zeitraum 1. Oktober 2011 bis 30. Juni 2014 erhielt der Beklagte von der Klägerin nicht.



    Hinsichtlich des erstinstanzlich streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird vollinhaltlich auf den nicht angegriffenen Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - (Seiten 3 und 4 dieses Urteils, Bl. 274, 275 der Akten-ArbG) einschließlich der dort enthaltenen Verweisung auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG verwiesen.



    Die Klägerin führt zweitinstanzlich noch aus,



    der ihr gegen den Beklagten zustehende Umsatzsteuererstattungsanspruch ergebe sich bereits aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 2017 (Az: 3 Sa 27/16) und darüber hinaus aus den ihr vom Beklagten erteilten Gutschriften. Für den ihr zustehenden Umsatzsteuererstattungsanspruch sei es unerheblich, ob - und wenn ja, in welchem Umfang - der Fiskus ihr, der Klägerin, gegenüber ein konkretes Rückforderungsverlangen gemacht habe. Für ihre Aufrechnung fehle es auch nicht an einer Gegenleistung des Beklagten, was sich schon aus der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 2017 ergebe. Im Übrigen sei eine Inanspruchnahme durch den Fiskus entsprechend der Prüfnotiz des Zentralen Konzernprüfungsamtes S. vom 30. August 2018 erfolgt.



    Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass der Beklagte für die Abfindung aus dem Auflösungsurteil des Landesarbeitsgerichts nicht aktivlegitimiert sei.



    Selbst wenn - wie tatsächlich nicht - ihr Umsatzsteuererstattungsanspruch gegen den Beklagten noch von einer konkreteren Forderung des Fiskus oder gar der Umsatzsteuererstattung der Klägerin an den Fiskus abhängig sei, habe sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass ihr der sich aus den vom Beklagten ausgestellten Gutschriften ergebende Umsatzsteuerbetrag zustehe, nachdem dieser jeglichen Zurückzahlungsanspruch leugne.



    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - Az. 27 Ca 239/17 vom 15. Mai 2018 insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen worden sei und1.die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 2017, AZ: 3 Sa 27/16 für unzulässig zu erklären und den Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels an die Klägerin herauszugeben,2.den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 37.422,84 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.3.Hilfsweise für den Fall, dass den Anträgen 2 und 3 nicht stattgegeben werde, festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 43.590,57 € zu erstattende Umsatzsteuer schulde, ausgewiesen in dem vom Beklagten unter "T. T. C." erteilten Gutschriften GS 1-2011 GS 1-2012 GS 1-2013 und GS 1-2014, alle vom 15. Juli 2017 datierend.



    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung der Klägerin zurückzuweisenund im Rahmen einer Anschlussberufung zuletzt,1.die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten über bzw. für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Juni 2014 Lohnabrechnungen zu erteilen, aus der etwaige abzuführende oder abgeführte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ersichtlich sind.2.Für den Fall des Unterliegens mit dem Widerklagantrag Ziffer 1, die sich aus der zwischen den Parteien vereinbarten Vergütung für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Juni 2014 ergebenden Sozialversicherungsbeiträge an den zuständigen Sozialversicherungsträger abzuführen



    Die Klägerin beantragt,

    die Anschlussberufung des Beklagten als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.



    Der Beklagte trägt zur Berufung der Klägerin und zu seiner Anschlussberufung im Wesentlichen vor,



    der Klägerin stehe gegen ihn kein Erstattungsanspruch der letztlich zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuerbeträge bei Abwicklung einer Scheinselbständigkeit zu. Im Übrigen scheitere ein Rückforderungsanspruch der Klägerin schon an der Entreicherung seiner Person. Unrichtig sei, dass die von ihm in den damaligen Rechnungen angesetzte Umsatzsteuer nicht an den Fiskus abgeführt worden sei. Tatsächlich habe er die jeweils vereinnahmte Umsatzsteuer an den Fiskus abgeführt, soweit im Rahmen des eigenen Vorsteuerabzugsverfahrens steuerrechtlich keine Kürzung bzw. Verrechnung vorgenommen hätte werden dürfen. Erst im Rahmen der nunmehrigen Gutschriften würden die damals festgesetzten und verbeschiedenen Umsatzsteuerbescheide korrigiert.



    Bei zutreffender Abrechnung des Arbeitsverhältnisses hätte die entsprechende Vergütung im Rahmen einer Gehaltsabrechnung abgerechnet werden müssen und die Rückzahlungen der auf die Nettobeträge entrichteten Umsatzsteuer seien bereits zum damaligen Zeitpunkt zur Rückzahlung fällig gewesen. Dieser Umstand treffe allein den Risikobereich der Klägerin. Sie hätte entsprechende Rückzahlungsforderungsansprüche bereits bei Rechnungstellung bzw. unmittelbar nach Zahlung der Rechnungen zurückfordern können, was sie nicht getan habe, weshalb etwaige Rückforderungsansprüche bereits verjährt seien. Rückforderungsansprüche hätten auch im Vorverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az: 3 Sa 27/16) bereits geltend gemacht werden können, was die Klägerin ebenfalls nicht gemacht habe.



    Vermeintlichen Aufrechnungs- und Zahlungsansprüchen der Klägerin stehe jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht seiner Person entgegen, da die Klägerin bis zum heutigen Tag ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge des damaligen Arbeitslohns nicht nachgekommen sei. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, auf die ihr von ihm in Rechnung gestellten Beträge als Nettovergütung Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.



    Zutreffend sei zwar, dass er selbst für die damals der Klägerin von ihm gestellten Rechnungen Gutschriften hinsichtlich der jeweiligen Umsatzsteuerbeträge ausgestellt habe. Diese Gutschriften seien aber lediglich wegen einer zwingend notwendigen steuerlichen Korrektur auf Grund der gerichtlich festgestellten steuerlichen Einordnung seiner Einnahmen als Arbeitslohn und nicht als Umsatzsteuer auf Vergütung aus freier Mitarbeitertätigkeit erfolgt. Die Klägerin habe mindestens Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 42.352,84 € an die zuständigen Sozialversicherungsträger zahlen müssen, was bis heute nicht geschehen sei.



    Nachdem rechtskräftig festgestellt sei, dass es sich beim Vertragsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe, habe es sich bei den Zahlungen der Klägerin an ihn um Arbeitsvergütung gehandelt. Die ausgezahlte Arbeitsvergütung beruhe auf einer Nettolohnvereinbarung. Das bedeute, dass die hierauf anfallenden Sozialversicherungsbeiträge, zumindest die Arbeitnehmeranteile, als Teil der gesamten Arbeitsvergütung anzusehen seien und daher auch dem arbeitsvertraglichen Bereich unterfielen. Nachdem ihm insoweit Vergütung im Arbeitsverhältnis gezahlt worden sei, die zunächst lediglich falsch deklariert gewesen wäre, habe die Klägerin auch eine Lohnabrechnung vornehmen müssen, aus der die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ersichtlich seien, die er benötige, um seinerseits Nachweise über gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu erhalten. Dieser Pflicht sei die Klägerin bisher nicht nachgekommen.



    Die Klägerin entgegnet hierzu noch,



    bei der von ihr gezahlten Vergütung handle es sich um eine dienstvertragliche Vergütung und nicht um eine arbeitsvertragliche Vergütung, so dass kein Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung im Sinne des § 108 GewO bestehe. Lohnabrechnungen seien nur im Zusammenhang mit der Zahlung von Arbeitsentgelt zu erteilen und könnten nicht etwa, wie der Beklagte zu meinen scheine, selbständig vor der Zahlung zur Vorbereitung der Geltendmachung eines Anspruchs gefordert werden. Sie bestreite auch, dass der Beklagte Abrechnungen benötige, um seinerseits Nachweise über gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu erhalten.



    Die Aufrechnung scheitere nicht an einem vermeintlichen Zurückbehaltungsrecht des Beklagten. Es fehle an einer Konnexität zwischen ihrem Rückzahlungsanspruch im Verhältnis zur Frage der Abrechnung/Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Entsprechendes gelte für den Anspruch auf Abführung etwaiger Lohnsteuer. Der vom Beklagten erhobene Entreicherungseinwand bleibe weiterhin bestritten.



    Soweit der Beklagte behaupte, sie, die Klägerin, habe mindestens Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge in Höhe von 42.252,84 € an die zuständigen Sozialversicherungsträger auszahlen müssen, beinhalte dies den Versuch des Prozessbetrugs, nachdem längst bestandskräftig festgestellt sei, dass der Beklagte weder kranken- noch pflegeversicherungspflichtig gewesen sei.



    Der Einwand der Verjährung entbehre jeglicher Grundlage.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht verwiesen.



    In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 22. Mai 2019 teilten beide Parteien auf Frage des Vorsitzenden übereinstimmend mit, dass der Beklagte die Rechnungen für seine für die Klägerin erbrachten Tätigkeiten regelmäßig zu Beginn des den Tätigkeiten folgenden Kalendermonats gestellt habe und diese von der Klägerin daraufhin beglichen worden seien.



    Auf Frage des Gerichts teilte die Klägerin mit, dass sie die in der Abrechnung der Abfindung über 8.000,00 € ausgewiesene Lohnsteuer und (Arbeitnehmer-)Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.832,27 € an das zuständige Finanzamt und den zuständigen Sozialversicherungsträger abgeführt habe. Der Beklagte erklärte auf Frage des Gerichts, ob dies zutreffend sei, dass er dies nicht wisse.



    Entscheidungsgründe



    Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die zulässige Anschlussberufung des Beklagten ist unbegründet.



    A. Berufung der Klägerin



    I. Zulässigkeit der Berufung



    1. Die Berufung der Klägerin ist gem. den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft. Sie ist gem. den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und nach noch innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist bei Gericht formgerecht eingegangenem Verlängerungsantrag innerhalb der daraufhin gemäß gerichtlicher Verfügung verlängerten Frist mit Schriftsatz eines Rechtsanwalts begründet worden. Die Berufung der Klägerin setzt sich insbesondere mit allen Argumenten auseinander, mit denen das Arbeitsgericht die von ihr gegen den Beklagten geltend gemachten Ansprüche abgewiesen hat.



    2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.



    II. Begründetheit der Berufung



    Die zulässigen Klaganträge der Klägerin sind teilweise begründet.



    I. Zulässigkeit der Klaganträge



    1. Die Klaganträge der Klägerin sind zulässig, insbesondere ist deren Streitgegenstand hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Klagantrag Ziffer 1 ist so formuliert, wie § 767 ZPO es gebietet. Grundsätzlich ist deshalb der Antrag darauf zu richten gewesen, die Zwangsvollstreckung aus dem genau bezeichneten Titel (ganz oder teilweise) für unzulässig zu erklären (für Viele: HaKo-ZPO/Kindl 7. Aufl. 2017 zu § 767 Rn. 15 m.w.N.). Streitgegenstand der Klage ist die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen bestimmter Einwendungen des Vollstreckungsschuldners. Den Titel, aus dem die Wirkungen der Zwangsvollstreckung unzulässig sein sollen, hat die Klägerin konkret benannt, nämlich die Ziffer II. der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 2017 (AZ: 3 Sa 27/16).



    Soweit die Klägerin darüber hinaus Forderungen vom Beklagten zur Zahlung verlangt, sind diese zum einen beziffert und zum anderen ist der Lebenssachverhalt konkret geschildert, aus dem sich die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach ergeben sollen. Die Klägerin stellt insoweit auch klar, dass sie zuvorderst ihre Ansprüche gegen den Beklagten aus einer "bloßen" Überzahlung an diesen herleitet und im Übrigen aus den vom Beklagten erteilten Gutschriften.



    Auch der hilfsweise zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag ist sowohl dem Grunde wie der Höhe nach hinreichend bestimmt.



    2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der zur Entscheidung gestellten Anträge oder der Zulässigkeit der Klage insgesamt bestehen nicht.



    II. Begründetheit von Klagantrag Ziffer 1



    Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Forderungen, aus denen der Beklagte gegen sie vollsteckt, wirksam aufgerechnet, weshalb dessen Forderung erloschen ist.



    1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer, die sie an ihn im Zeitraum 22.05.2012 bis 30.06.2014 auf die Rechnungen des Beklagten hin geleistet hat gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion).



    a) Die Klägerin hat im Zeitraum 22.05.2012 bis 30.06.2014 an den Beklagten auf dessen Rechnungen hin unstreitig EUR 36.589,42 an ausgewiesener Umsatzsteuer geleistet, wobei nach den Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 22.05.2019 davon auszugehen ist, dass die Rechnungen des Beklagten für die von ihm für die Klägerin erbrachten Leistungen für April 2012 zum Zeitpunkt 22.05.2012 bereits bezahlt und die für Mai 2012 noch nicht gezahlt waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Mit dieser Feststellung steht zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten war und ein Rechtsgrund für Honorarzahlungen nicht bestand, wenn bei dem Dienstberechtigten unterschiedliche Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und für Arbeitnehmer galten (BAG 29. Mai 2002 5 AZR 860/00 in NZA 2002, 1328 Rn. 17 mwN). Jedenfalls für die an den Beklagten gezahlte Umsatzsteuer bestand ab dem Zeitpunkt kein Rechtsgrund mehr, an dem durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 2017 (AZ: 3 Sa 27/16) rechtskräftig feststand, dass das Vertragsverhältnis, im Rahmen dessen die Klägerin an den Beklagten die Umsatzsteuer gezahlt und dieser der Klägerin die Umsatzsteuer auch in Rechnung gestellt hatte, ab 01.10.2011 ein Arbeitsverhältnis und kein freies Dienstverhältnis war. Dieses Urteil ist seit Dienstag, dem 04.07.2017 rechtskräftig. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin erlischt nicht dadurch, dass der Beklagte die Umsatzsteuer ggf. wieder seinem (damaligen) Umsatzsteuerverrechnungskonto zugeführt hat, was die Klägerin im Übrigen bestreitet. Dadurch wird der Beklagte nicht iSd § 818 Abs. 3 BGB entreichert. Vielmehr kam er insoweit nur seiner gegenüber dem Staat bestehenden gesetzlichen Verpflichtung zur Abführung von Umsatzsteuer nach. Dies führt nicht zur Entreicherung seiner Person um diesen Betrag, da er mit diesem Betrag keine eigenen Aufwendungen getilgt hat, die er sonst nicht getilgt hätte (vgl. zum Leistungskondiktionsanspruch Goretzki/Hohmeister - Scheinselbständigkeit - Rechtsfolgen im Sozialversicherungs-, Steuer- und Arbeitsrecht in BB 1999, 635 f unter 5.2.3). Im Hinblick darauf, dass die Klägerin die Leistung der Umsatzsteuer gegenüber dem Beklagten auf dessen Rechnungen hin tatsächlich erbracht hat, ist sie auch nicht darauf zu verweisen, die zu Unrecht an den Beklagten gezahlte Steuer vom Finanzamt im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärung erstattet zu erhalten. Ein Fall der (zwingenden) Durchgriffskondiktion liegt aus Sicht der erkennenden Kammer nicht vor. Vielmehr hat eine Rückabwicklung "über Eck" zu erfolgen. Der Beklagte ist nämlich in der Lage, seinerseits an das Finanzamt zu Unrecht abgeführte Umsatzsteuer im Rahmen seiner - ggf. korrigierten - Umsatzsteuererklärung rückerstattet zu verlangen, soweit es sich um nach dem 18.05.2012 an ihn durch die Klägerin gezahlte Umsatzsteuer auf der Grundlage der von ihm an die Klägerin gestellten Rechnungen handelt. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts kommt es aus Sicht des Berufungsgerichts im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Anspruchs nicht darauf an, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung die von ihr bezahlte Umsatzsteuer selbst wieder in Abzug gebracht hat oder ggf. in welchem Umfang sie von den Finanzbehörden wegen zu Unrecht in Abzug gebrachter Umsatzsteuer in Anspruch genommen wird. Entscheidend ist allein, ob die Anspruchstellerin aus ihrem Vermögen eine Leistung ohne Rechtsgrund an den Leistungsempfänger erbracht hat oder nicht.



    b) Wie das Arbeitsgericht jedoch zu Recht ausführt, stand erst zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24.05.2017 (AZ: 3 Sa 27/16) fest, dass die von der Klägerin erbrachten Umsatzsteuerzahlungen an den Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt sind, nachdem das dieser Leistung zugrunde liegende Vertragsverhältnis der Parteien nachträglich als Arbeitsverhältnis qualifiziert worden ist und infolgedessen die Zahlung von Umsatzsteuer auf die Leistung des Beklagten zu Unrecht erfolgte. Soweit sich der Beklagte insoweit auf Verjährung der Rückforderungsansprüche beruft, dringt er nicht durch. Gem. § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB (drei Jahre) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Davon, dass die Klägerin einen Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten hat, erhielt sie Kenntnis frühestens mit Verkündung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24.05.2017, in dem das Landesarbeitsgericht das Vertragsverhältnis der Parteien ab dem 01.10.2011 als Arbeitsverhältnis qualifizierte. Dass ihr dieser Anspruch gegen den Beklagten zustand, hat sie auch nicht grob fahrlässig verkannt. Dies schon deshalb, weil die dem Urteil des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 24.05.2017 zugrunde liegende Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 22.10.2015 (AZ: 27 Ca 212/14) das Vertragsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis qualifiziert hatte und auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg das Tätigwerden des Beklagten für die Klägerin, für das der Beklagte der Klägerin Rechnungen gestellt hatte, nicht durchgehend als Arbeitsverhältnis qualifiziert hat. Qualifiziert ein Arbeitsgericht als Fachgericht zunächst das Vertragsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis, ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass der Anspruchsteller des Bereicherungsanspruchs die Erbringung der Leistung ohne Weiteres als ohne Rechtsgrund hätte erkennen können.



    c) Der Beklagte ist für die geltend gemachten Überzahlungsansprüche auch passiv legitimiert, soweit sie nach dem 18.05.2015 gezahlte Umsatzsteuer betreffen. Ob sich dies bereits daraus ergibt, dass der Beklagte und nicht der Insolvenzverwalter über sein Vermögen die Vollstreckung aus dem auf die Person des Beklagten lautenden Zahlungstitel des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24.05.2017 (AZ: 3 Sa 27/16) gegen die Klägerin betreibt, kann dabei dahingestellt bleiben. Passiv legitimiert ist der Beklagte schon deshalb, weil der Insolvenzverwalter per 18.05.2015 dem Beklagten gegenüber die Freigabe des vom Beklagten selbständig geführten Geschäftsbetriebs im Bereich Buchhaltung und betriebswirtschaftliche Beratung gem. § 35 Abs. 2 InsO erteilt hat. Genau diese Art von Leistungen hat der Beklagte gegenüber der Klägerin erbracht. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte diese Leistungen aus Sicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (AZ: 3 Sa 27/16) nicht als (freier) Gewerbetreibender, sondern ab 01.10.2011 als Arbeitnehmer erbracht hat. Im Rahmen des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 (BGBl. 2007 I S. 510) hat sich der Gesetzgeber entschlossen, § 35 InsO den Absatz 2 hinzuzufügen, der die Freigabe bei einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners durch den Insolvenzverwalter regelt. Dadurch soll einerseits die Insolvenzmasse vor den finanziellen Folgen einer etwaigen verlustbringenden selbständigen Tätigkeit des Schuldners geschützt und andererseits dem Schuldner die Möglichkeit einer solchen Tätigkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens eröffnet werden, sei es, dass der Schuldner eine bereits vorher ausgeübte selbständige Tätigkeit fortsetzt oder eine neue aufnimmt. Durch die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters wird der bisherige insolvenzbefangene Gegenstand wieder im vollen Umfang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unterstellt. Der Gegenstand wird insolvenzfreies bzw. verfahrensfreies Vermögen (MüKo zur InsO - Peters 4. Aufl. 2019 Rn. 49 und 117 und BGH 3. April 2014 IX ZA 5/14 in NZI 2014, 501). Zum Zeitpunkt der vorliegenden Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Beklagten waren, soweit ersichtlich, keine konkreten Anhaltspunkte für den Insolvenzverwalter dafür vorhanden, dass die Tätigkeiten des Beklagten für die Klägerin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder einen Rechtsstreit zwischen den Parteien, in dem der Beklagte geltend machte, dass er als Arbeitnehmer für die Klägerin tätig sei bzw. gewesen sei, noch ist ersichtlich, dass irgend jemand dem Insolvenzverwalter gegenüber, gestützt durch Tatsachen, behauptet hat, dass der Beklagte seine Tätigkeiten für die Klägerin nicht als Gewerbetreibender, sondern als Arbeitnehmer erbringt. Auch der Beklagte hat dies gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht behauptet. Vielmehr hat er unter der Bezeichnung "T. T. C." Rechnungen an die Klägerin gestellt. Danach führt die nicht offensichtlich unwirksame Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens und zu dessen Abwicklung abgegeben wurde, aus Sicht der erkennenden Kammer dazu, dass der Beklagte für Ansprüche aus seinen von der Freigabe des Insolvenzverwalters erfassten Tätigkeiten sowohl aktiv- wie passivlegitimiert war und ist. Eine nachträglich gerichtliche Entscheidung darüber, dass diese Tätigkeit nicht selbständig erbracht worden ist, verändert die Aktiv- und Passivlegitimation aus Sicht der erkennenden Kammer nicht, wobei dahingestellt bleiben kann, ob das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 24.05.2017 (AZ: 3 Sa 27/16) von vornherein nur eine Wirkung inter partes oder auch Dritten gegenüber erzeugt. Insoweit ändert - jedenfalls die nachträgliche - arbeitsrechtliche Beurteilung die vom Insolvenzverwalter getroffene Freigabeerklärung nicht. Dies gilt jedenfalls, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Erteilung iSd § 35 Abs. 2 InsO dem Insolvenzverwalter keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die Beurteilung der Tätigkeiten des Insolvenzschuldners als Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vorliegen. Insoweit gilt die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters gem. § 35 Abs. 2 InsO auch für Fälle der sog. Scheinselbständigkeit (in diesem Sinne wohl auch: Karsten Schmidt-Büteröwe Kommentar zur Insolvenzordnung 19. Aufl. 2016 zu § 35 InsO Rn. 49 mwN).



    d) Die Einwendung des Vorhandenseins einer Gegenforderung, mit der die Klägerin gegen die Abfindungsforderung des Beklagten im Rahmen der Vollstreckung die Aufrechnung erklärt hat, ist auch erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 24.05.2017 (AZ: 3 Sa 27/16) entstanden (§ 767 Abs. 2 ZPO). Erst nach diesem Zeitpunkt bzw. der danach liegenden Rechtskraft dieser Entscheidung stand für die Parteien fest, dass der Beklagte ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht als dienstleistender Unternehmer, sondern als Arbeitnehmer seine Dienste für die Klägerin erbracht hatte. Erst ab diesem Zeitpunkt standen danach Überzahlungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten im Raum, nachdem die Klägerin bis zuletzt davon ausgegangen war und so auch durchgehend im Vorprozess argumentiert hatte, dass sie zur Zahlung von Umsatzsteuer auf die Dienste des Beklagten verpflichtet war.



    2. Die Klägerin hat gegen die titulierte Forderung des Beklagten in Höhe von EUR 6.167,73 wirksam aufgerechnet.



    a) Die Klägerin hat mit E-Mail vom 26.07.2017 die Aufrechnung mit ihren Überzahlungsansprüchen gegenüber dem Beklagten erklärt. Nachdem Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten selbst (und nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten) aus Sicht der erkennenden Kammer erst ab dem Zeitpunkt der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters gem. § 35 Abs. 2 InsO möglich sind, erfolgte die Aufrechnung wirksam erst mit Ansprüchen auf überzahlte Umsatzsteuer nach dem 18.05.2012, also mit den aufgrund der Rechnungsstellungen des Beklagten an die Klägerin ab Mai 2012 erfolgten Überzahlungen. Daraus ergibt sich, dass die Abfindungsforderung des Beklagten iHv EUR 6.167,73 durch die Aufrechnung mit Überzahlungsansprüchen der Klägerin aus rechtsgrundlos gezahlter Umsatzsteuer für Rechnungen aus den Monaten Mai bis einschließlich November 2012 erloschen ist.



    b) Bei den Forderungen des Beklagten gegen die Klägerin und denen der Klägerin gegen den Beklagten handelt es sich jeweils um Geldforderungen, die sich gem. § 387 BGB zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung aufrechenbar gegenüberstanden, insbesondere jeweils zur Zahlung fällig waren.



    c) Der Aufrechnung der Klägerin stehen keine Forderungen des Beklagten gegen die Klägerin entgegen, die einredebehaftet waren, insbesondere stand dem Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht zur Seite (§§ 390, 273 Abs. 1 BGB).



    aa) Die Klägerin ist nicht verpflichtet, dem Beklagten Lohnabrechnungen iSd § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO zu erteilen. Das dem Beklagten von der Klägerin auf dessen Rechnungen hin gezahlte Entgelt war seiner Tilgungsbestimmung nach kein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung iSd § 611a Abs. 1 BGB, vielmehr für erbrachte Dienste iSd § 611 Abs. 1 Satz 1 BGB. Etwas Anderes haben weder die Klägerin noch der Beklagte behauptet. Unstreitig gingen beide Parteien bei Rechnungstellung durch den Beklagten und Begleichung dieser Rechnungen durch die Klägerin davon aus, dass die Zahlungen der Klägerin an den Beklagten auf der Grundlage ihrer Abrede erfolgten, deren Gegenstand kein Arbeitsverhältnis war. Allein dadurch, dass der Beklagte, beginnend mit seiner Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Aalen - im Jahre 2015 (AZ: 27 Ca 212/14) die Feststellung begehrte, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und damit zuletzt teilweise obsiegte, verändern sich die bereits getroffenen Tilgungsbestimmungen der Klägerin nicht automatisch bzw. kraft Urteils oder gar kraft Gesetzes. Soweit ersichtlich ist auch kein Rechtsstreit zwischen Parteien an- oder gar rechtshängig, in dem der Beklagte von der Klägerin Arbeitsvergütung in einer bestimmten Höhe begehrt und die Klägerin die Erfüllung der Forderungen mit den an den Beklagten gezahlten Beträgen (ohne Mehrwertsteuer) einwendet. § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO betrifft die Brutto-/Nettoabrechnung, die erst bei Zahlung als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung iSd § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB zu erteilen ist. Ohne vorherige Zahlung von Arbeitsentgelt iSd § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Abrechnung als solche nicht einklagbar und auch nicht geschuldet (BAG 12. Juli 2006 5 AZR 646/05 Rn. 13 in NZA 2006, 1294). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Bruttolohnabrechnung als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis schuldet. Denn auch hier ist Voraussetzung, dass die Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers bei der Zahlung von Geld an den Arbeitnehmer die Erfüllung seiner Zahlungspflicht für erbrachte Dienstleistung iSd § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB war. Dies ist, soweit ersichtlich, ebenfalls mangels Streitigkeiten der Parteien über die Zahlungen von Arbeitsentgelt nicht der Fall.



    bb) Der Aufrechnung der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie bisher keine Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge und Steuern an die Einzugsstelle der Sozialversicherung (§ 28g Nr. 2 SGB IV) und das Finanzamt (§ 41a Abs. 1 Satz 2 EStG) für den Beklagten für den Zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2014, also für die Dauer des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien, abgeführt hat. Der Beklagte geht offensichtlich davon aus, dass die von der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge ohne Mehrwertsteuer als Nettoentgeltabrede der Parteien für ihr tatsächlich bestehendes Arbeitsverhältnis im Zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2014 zugrunde zu legen sind. Davon ist aus Sicht der erkennenden Kammer hingegen nicht auszugehen. Zum Einen haben die Parteien, insbesondere der Beklagte, zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im Rechtsstreit der Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (AZ: 3 Sa 27/16), ihre konkrete Vergütungsabrede dargelegt. Zum Anderen haben sie, soweit ersichtlich, gerade keine arbeitsrechtliche Vergütungsabrede iSd § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen. Hinzu kommt, dass im Arbeitsverhältnis in aller Regel vereinbartes Arbeitsentgelt einen Bruttolohn darstellt (ErfK-Oetker 19. Aufl. 2019 zu § 611a BGB Rn. 474 mwN) und die Vergütungsabrede nur ausnahmsweise eine Nettolohnabrede darstellen kann, was hingegen vom Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen ist (BAG 18. Januar 1974 3 AZR 183/73 - juris -). Mangels Vorliegens einer ausdrücklichen Vergütungsabrede bestimmt sich die Vergütung für erbrachte Dienstleistungen aus dem Arbeitsverhältnis nach § 612 Abs. 2 BGB. Die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht beinhaltet daher nicht nur die Nettoauszahlung an den Arbeitnehmer, sondern umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Arbeitnehmer bestehen (BAG - GS 7. März 2001 GS 1/00 in NZA 2001, 1195). Mit dem Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen erfüllt der Arbeitgeber hingegen seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer (BAG - GS 7. März 2001 aaO). Die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand, den der Arbeitgeber dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entgegenhalten kann; es bedarf keiner Aufrechnung (BAG 21. Dezember 2016 5 AZR 266/16 Rn. 17 in NZA 2017, 531). Den Arbeitgeber trifft daher das Recht und die Pflicht, nicht an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Hingegen beruht diese Verpflichtung des Arbeitgebers auf öffentlich-rechtlichen Normen (§§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG, 28g Nr. 2 SGB IV) und besteht gegenüber dem Fiskus bzw. dem Sozialversicherungsträger. Führt der Arbeitgeber hingegen Arbeitnehmersteuern und Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge an den Arbeitnehmer in Person und nicht an das Finanzamt bzw. die zuständige Krankenkasse als Sozialversicherungseinzugsstelle ab, erfüllt er seine Schuld gegenüber dem Arbeitnehmer dennoch. Denn er zahlt die geschuldete Bruttovergütung direkt an den Gläubiger des Arbeitsvertrags und erfüllt seine Schuld gegenüber dem Arbeitnehmer nur nicht durch Zahlung an Dritte. Kommt er seiner Verpflichtung zur Zahlung von Teilen der dem Arbeitnehmer geschuldeten Vergütung durch Zahlung an Dritte hingegen nicht nach, haftet er für die Abführung der Lohnsteuer des Arbeitnehmers gegenüber dem Fiskus gesondert und kann er sich bei Nichtabführung von Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträgen möglicherweise Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers aussetzen. Dies führt aber vorliegend nicht dazu, dass dem Beklagten gegen die Aufrechnung der Klägerin eine Einrede, dass die Klägerin ihren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, zur Seite stünde. Vorliegend gilt dies insbesondere deshalb, weil eine Nettolohnvereinbarung der Parteien für ihr Arbeitsverhältnis gerade nicht ersichtlich ist.



    3. Soweit der Beklagte gegenüber der Klägerin über EUR 6.167,63 hinaus die Zwangsvollstreckung betreibt, ist dies schon unzulässig, weil die Klägerin, vom Beklagten nicht ausdrücklich bestritten, Erfüllung durch Zahlung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen iHv insgesamt EUR 1.832,27 gem. der Abrechnung der geschuldeten Abfindungssumme (datiert) vom 26.07.2017 (Anlage K 14, Bl. 60 der Akten-ArbG) einwendet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin zu Recht neben Lohnsteuer für den Beklagten auch noch Arbeitnehmerbeiträge zur Arbeitslosen- und Sozialversicherung abgeführt hat. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auf die Erklärung der Klägerin zur Abführung dieser Summe an Dritte lediglich erklärt, dass er dazu nichts sagen könne. Auch dieser Erfüllungseinwand der Klägerin liegt zeitlich nach Rechtskraft des Titels, aus dem der Beklagte vollstreckt (§ 767 Abs. 2 ZPO).



    III. Begründetheit von Klagantrag Ziffer 2



    Klagantrag Ziffer 2 ist iHv EUR 30.486,29 begründet.



    1. Die Klägerin hat gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB einen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuerbeträge, die sie an den Beklagten im Zeitraum 22.05.2012 bis 30.06.2014 geleistet hat. In diesem Zeitraum hat die Klägerin an den Beklagten insgesamt Umsatzsteuer iHv. EUR 36.654,02 gezahlt. Dem Beklagten steht gegen diese Forderung keine Einrede zur Seite. Insoweit wird vollinhaltlich auf die Ausführungen unter A. II. 1. und 2. der Entscheidungsgründe dieses Urteils verwiesen. Nachdem die Rückforderungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten ab 22.05.2012 bis einschließlich 30.06.2014 bereits iHv EUR 6.167,73 durch Aufrechnung erloschen sind, verbleiben zur Rückzahlung durch den Beklagten noch EUR 30.486,29. Der Zinsanspruch ist gem. den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 1 BGB dem Grunde und der Höhe nach begründet. Die Zahlungsklage wurde dem Beklagten am 04.01.2018 zugestellt (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 219 der Akten-ArbG), weshalb die Verzinsungspflicht ab 05.01.2018 besteht.



    2. Allerdings ist der Beklagte für die Rückzahlungsverpflichtung der geleisteten Umsatzsteuer für die vom Beklagten im Zeitraum 01.10.2011 bis 17.05.2012 erbrachte Dienstleistung nicht passiv legitimiert und die Klage deshalb iHv EUR 6.945,55 zzgl. der beantragten Zinsen mangels Passivlegitimation des Beklagten nicht begründet. Eine Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters iSd § 35 Abs. 2 InsO war für diesen Zeitraum zu keinem Zeitpunkt erteilt. Die Forderung der Klägerin ist insoweit einfache Insolvenzforderung und kann nicht gegen den Insolvenzschuldner geltend gemacht werden (§§ 35 Abs. 1, 80 Abs. 1 ,174 Abs. 1, 179 InsO).



    3. Nachdem der Zahlungsanspruch in dieser Höhe nicht begründet ist, fiel der für den Fall des Unterliegens mit dem Zahlungsantrag gestellte Hilfsantrag zur Entscheidung an. Dieser ist jedoch ebenfalls unbegründet, nachdem der Beklagte auch für die begehrte Feststellung nicht passiv legitimiert ist und Forderungen ggf. nachträglich zur Insolvenztabelle als Insolvenzforderungen anzumelden sind.



    IV. Begründetheit von Klagantrag Ziffer 3



    Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung betreffend Ziffer 1 des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24.05.2017 (AZ: 3 Sa 27/16) ist begründet.



    1. Die Klage auf Herausgabe einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Titels nach § 794 Abs. 1 ZPO ist jedenfalls dann gem. § 371 BGB in entsprechender Anwendung zulässig und begründet, wenn die Vollstreckung aus dem Titel aufgrund einer auf materiell-rechtliche Einwände gegen den titulierten Anspruch gestützten Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt wird (BGH 9. Dezember 2014 V ZR 82/13 - juris Rn. 25 mwN).



    2. Bei Anwendung dieses Grundsatzes ergibt sich, dass der Beklagte die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung über das Endurteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24.05.2017 (§ 704 ZPO), dessen Ziffer II gem. den §§ 64 Abs. 7, 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar ist, an die Klägerin herauszugeben hat. Das Berufungsgericht hat dabei jedoch übersehen, dass die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht schon gilt, wenn die Zwangsvollstreckung nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt worden ist, sondern hinzukommen muss, dass das Urteil über die Vollstreckungsgegenklage rechtskräftig ist oder wenn die Erfüllung der dem Titel zugrunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist. Beides ist vorliegend jedoch (noch) nicht der Fall.



    B. Anschlussberufung des Beklagten



    Die zulässige Anschlussberufung des Beklagten ist nicht begründet.



    I. Zulässigkeit der Anschlussberufung



    1. Die Anschlussberufung des Beklagten ist gem. den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist gemäß den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 524 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2., Abs. 3 Satz 1 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist innerhalb der gesetzlichen Berufungsbeantwortungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG durch anwaltlichen Schriftsatz eingelegt und begründet worden. Ebenfalls setzt der Beklagte sich mit den Gründen des Arbeitsgerichts, mit denen es seine Widerklage abgewiesen hat, hinreichend iSd. §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 524 Abs. 3 Satz 2, 520 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ZPO auseinander.



    2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Anschlussberufung bestehen nicht.



    II. Begründetheit der Anschlussberufung



    Die vom Beklagten im Rahmen seiner Anschlussberufung weiterverfolgte Widerklage auf Verpflichtung der Klägerin, ihm Lohnabrechnungen für den Zeitraum Oktober 2011 bis einschließlich Juni 2014 zu erteilen, ist unbegründet.



    1. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Erteilung der von ihm begehrten Lohnabrechnungen (in Textform) mit dem von ihm begehrten Mindestinhalt durch die Klägerin. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung hierzu vollinhaltlich auf die Ausführungen der erkennenden Kammer unter A. II. 2. c) aa) der Entscheidungsgründe (Seite 17 des Urteils) verwiesen.



    2. Über den vom Beklagten zuletzt für den Fall, dass er gegen die Klägerin Anspruch auf Erteilung von Lohnabrechnungen hat, gestellten Antrag auf Verpflichtung der Klägerin zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen an den zuständigen Sozialversicherungsträger war im Hinblick auf die Abweisung seiner Widerklage nicht zu entscheiden. Zu entscheiden war daher vom Berufungsgericht auch nicht, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für diesen Antrag überhaupt gegeben ist und - wenn nicht - dieser Antrag vom Landesarbeitsgericht hätte abgetrennt und an das rechtswegzuständige Gericht hätte verwiesen werden müssen. Jedenfalls hätte eine Abweisung des Klagantrags als unzulässig - wie vom Arbeitsgericht vorgenommen - bei nicht gegebenem Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht erfolgen können. Nachdem dieser Antrag dem Berufungsgericht nicht zur Entscheidung angefallen, vom Arbeitsgericht hingegen entschieden worden ist, ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts insoweit nicht abzuändern, sondern aufzuheben.



    C. Nebenentscheidungen



    1. Nachdem die Berufung der Klägerin teilweise Erfolg und die Anschlussberufung des Beklagten keinen Erfolg hat, tragen die Parteien die Kosten des Rechtsstreits im Rahmen ihres Obsiegens/Unterliegens gem. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.



    2. Die Revision ist für die Entscheidung über die konkret bezeichneten Klaganträge der Klägerin aus Sicht der erkennenden Kammer gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Soweit die Klage der Klägerin abgewiesen wurde, liegt hingegen aus Sicht der erkennenden Kammer keine grundsätzliche Bedeutung vor und weicht das Urteil nicht von den Entscheidungsgründen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG aufgezählten Gerichte ab. Letzteres gilt auch für die Widerklage des Beklagten.

    Rieker
    Tschauner
    Wrobel

    Verkündet am 22.05.2019

    Vorschriften