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  • · Fachbeitrag · Therapieangebot

    Die Spielekonsole als therapeutisches Mittel

    von Physiotherapeut/Sportwissenschaftler M. A. Thomas Colshorn, Bremen

    | Eine normale physiotherapeutische Verordnung umfasst sechs Behandlungstermine. Im Regelfall sehen Sie als Therapeut Ihren Patienten ein- oder zweimal die Woche für jeweils 20 Minuten. Viele, gerade chronische Erkrankungen, bedürfen allerdings einer langfristigen Behandlung, die nur bei eigener Aktivität des Patienten Erfolg verspricht. Aber gerade da liegt oft der Hase im Pfeffer: Heimprogramme sind - so sie nicht regelmäßig abgeändert werden - auf Dauer meist eintönig und damit wenig motivierend. Spielekonsolen könnten hier Abhilfe schaffen. |

    Wieso Spielekonsolen?

    Laut einer aktuellen Studie der Charité Berlin ist ein konsolengestütztes Bewegungsprogramm (Nintendo Wii) ebenso effektiv wie ein konventionelles physiotherapeutisches Heimprogramm. Demnach war etwa der Kraftzuwachs vergleichbar - allerdings hatten die Patienten der Konsolengruppe viel mehr Spaß (PP 12/2016, Seite 1). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam 2010 eine irische Studie, bei der die gleiche Konsole in einem Seniorenheim zum Einsatz kam.

     

    MERKE | Weitere Studien untersuchten u. a. Sturzprophylaxe und Bewegungsanbahnung bei Parkinsonpatienten. Auch hier wurden gute und eindeutige Ergebnisse erzielt, die für den Einsatz von sogenannten Exergames (Verbindung von „exercise“ und „game“) als ergänzenden Faktor in der Physiotherapie sprechen.

     

    Außerhalb rein wissenschaftlicher Forschung ist die Konsole auch im Arbeitsalltag deutscher Kliniken angekommen: So wird sie bereits in der MEDIAN Klinik Flechtingen oder der Asklepios Klinik Bad Salzhausen angewandt. Ob eine reine Konsolentherapie langfristig dieselben Ergebnisse zeigt wie eine konventionelle Therapie, ist noch offen. Vielleicht können Spiele keine gezielte therapeutische Intervention ersetzen, da zumindest der zwischenmenschliche Faktor wegfällt. Aber wenigstens temporär stellen sie offenbar eine durchaus sinnvolle Alternative dar.

    Welche Anwendungen gibt es?

    Spezielle, auf typische Beschwerdebilder ausgerichtete physiotherapeutische Spiele existieren derzeit (noch) nicht. Die Studie der Charité verwendete das reguläre Wii-Programm „Fit plus“ , das im Handel für weniger als 15 Euro erhältlich ist. In der irischen Studie kamen vor allem Sportprogramme wie Tennis, Ski und Golf zum Einsatz - ebenfalls Spiele von der Stange, die z. B. bei der Nintendo Wii als Paket vorinstalliert sind. Daneben gibt es allgemeine Bewegungsprogramme verschiedener Hersteller, die auf grundlegende Fitness ausgelegt sind („Move Fitness“, „Active“ oder „My Body Coach“). Was für die konventionelle Therapie gilt, gilt auch für die Spielekonsole: Wählen Sie möglichst ein Programm, das dem Patienten Spaß macht und ihn motiviert.

    Was kostet das?

    Wie oben erwähnt, sind die Spiele meist recht günstig und bewegen sich preislich zwischen 10 und 50 Euro - je nach Version und Umfang. Größter Kostenfaktor bei einer konsolengestützten Therapie ist die Konsole selber.

     

    • Als bewegungssensitive Systeme kommen infrage
    System
    Neupreis
    Produktwebsite

    Nintendo Wii

    nicht mehr neu erhältlich

    www.nintendo.de

    Sony Playstation 4 mit Move-Controllern

    ca. 400 Euro

    www.playstation.com

    Microsoft Xbox One mit der Erweiterung Kinect

    ca. 300 Euro

    www.microsoftstore.com/DE/xbox

     

    Ältere und gebrauchte Exemplare sind meist deutlich günstiger und inklusive Zusatzgeräten und Spielen für unter 100 Euro zu haben. Da es im therapeutischen Setting weniger um technische Standards wie Grafikleistung oder Ähnliches geht, sondern die Aktivität des Patienten im Vordergrund steht, können Sie durchaus auch ältere Versionen verwenden. Das senkt die Ausgaben und macht eine Investition auch für kleinere Praxen erschwinglich.

    Wie kann man ein solches Angebot in die Praxis integrieren?

    Die Studienergebnisse sollten Sie als Therapeuten dazu ermutigen, mit Ihren Patienten hin und wieder auch an der Konsole zu üben. Die Integration eines solchen Angebots in den Praxisalltag hängt vom Budget und den Zielen ab.

     

    • Möglichkeiten zur Integration von Spielekonsolen in den Praxisalltag
    Option
    Anwendungsziel
    Bemerkung

    Kauf einer Konsole und Nutzung während der Therapiezeit

    • Nutzung bei Verordnung von „Krankengymnastik“ (inhaltlich nicht weiter spezifiziert)
    • Therapiesitzung könnte theoretisch vor der Konsole stattfinden
    • Hier gilt: Wenn die Konsole dem Patienten hilft, sollte sie Anwendung finden - vor allem deswegen, weil die Wirksamkeit in diesem Fall wissenschaftlich belegt ist.

    Kauf einer Konsole und Nutzung außerhalb der Therapiezeiten

    • Nutzung der Konsole für Selbstzahler möglich (ähnlich einem Gerätebereich)
    • Mögliche Anwendungszeit im Anschluss an die Therapiesitzung (auch zeitlich frei verfügbares Angebot sollte möglich sein.
    • Klare Einweisung des Patienten wichtig (Patient muss zu selbstständigem Training in der Lage sein)
    • Installation in vorhandenem Gerätebereich sinnvoll (erlaubt Beobachtung der Trainierenden)
    • Mögliches Angebot: Einzelkarten, Zehnerkarten oder Monatsabo denkbar
    • Beitrag geringer als Gerätetraining (Platzbedarf sowie Anschaffungs- und Unterhaltskosten weitaus geringer als bei Kraft- und Ausdauergeräten)

    Verleih einer Konsole an Patienten, damit diese in Heimarbeit selbstständig üben können

    • Sinn dieser Vorgehensweise sollte sein, den Patienten an das eigenständige Arbeiten mit der Konsole heranzuführen.
    • Klare Einweisung des Patienten wichtig (Patient muss zu selbstständigem Training in der Lage sein)
    • Mietvertrag oder zumindest Nutzungsvereinbarung mit Haftungsbedingungen für verliehenes Gerät sinnvoll (Mustervertrag zum Herunterladen online unter http://tinyurl.com/hnl9dh3).
    • Wenn das konsolengestützte Heimtraining Erfolge zeigt und der Patient Spaß daran hat, können Sie den Patienten darauf hinweisen, dass gebrauchte Geräte relativ erschwinglich sind (s. o.).
     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 6 | ID 44428433