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  • · Fachbeitrag · Praxisentwicklung

    Diese Fragen sollten Sie beim Kauf oder Verkauf einer physiotherapeutischen Praxis klären!

    von StB Björn Ziegler, Kanzlei Lauterbach Zeutschner Seltsam, Würzburg

    | Beim Kauf einer Praxis oder beim Einstieg als Partner dreht sich alles um die Frage, ob das Objekt der Begierde hält, was es verspricht - schließlich möchten Sie nur eine gesunde Praxis zu Ihrer Existenzgrundlage machen. Doch auch beim Praxisverkauf sollten Sie wissen, worauf es Ihrem Interessenten bei der Prüfung ankommt: Dies erleichtert die Nachfolgesuche erheblich. |

    Nicht nur Umsatz und Patientenzahlen sind entscheidend

    An den jährlichen Umsatz und die Patientenzahlen denken bei einem beabsichtigten Kauf/Verkauf einer Praxis die meisten. Um Ihre Wunschpraxis oder Ihre eigene Praxis wirklich beleuchten zu können, benötigen Sie aber verschiedene weitere Unterlagen. Die wichtigsten sind:

     

    • Praxismietvertrag
    • Aktuelles Lohnjournal (Auflistung aller Arbeitnehmer mit Gehältern und hierauf angefallenen Steuern und Abgaben) sowie Jahreslohnjournale der letzten drei Jahre
    • Arbeitsverträge sämtlicher Mitarbeiter sowie Informationen über Sonderzahlungen, betriebliche Altersvorsorge etc.
    • Verträge über freie Mitarbeit
    • Gewinnermittlungen der letzten drei Jahre mit Kontennachweis sowie aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung mit Summen- und Saldenliste (Kontennachweis zur Gewinnermittlung: Detaillierte Aufschlüsselung der Gewinnermittlung nach den Buchhaltungskonten)
    • Übersicht der Leistungen und Preise
    • Anlagenverzeichnis (Überblick über alle Anlagegüter)
    • Sämtliche Leasingverträge für Geräte
    • Bei Kooperationen und Praxisgemeinschaften: Verträge und Strukturbeschreibung

     

    Damit können Sie sich einen ersten Eindruck verschaffen und sind zugleich bestens für den Gang zum Berater gerüstet, der Ihnen die Praxis anhand dieser Unterlagen bewertet.

    Auf diese Fragen kommt es an

    Steht das Gespräch mit dem Berater oder dem (Ver-)Käufer an, sollten Sie zuvor unbedingt die nachstehenden Punkte klären.

     

    Mietvertrag

    Ein Mietverhältnis geht nicht automatisch auf den Praxiskäufer über. Beim Mietvertrag liegt das Hauptaugenmerk vielmehr auf der Erlaubnis für einen

    Mieterwechsel im Falle des Praxisverkaufs. Hat der Vermieter den Wechsel im Mietvertrag nicht ausdrücklich erlaubt, muss der Praxiskäufer mit ihm unter Umständen völlig neu über die Konditionen verhandeln. Ohne eine Nachfolgeklausel müssen die in der Gewinnermittlung enthaltenen Mietzahlungen unter Vorbehalt gewertet werden. Vermeintlich niedrige Raumkosten verlieren dann an Relevanz.

     

    Sollte der Mietvertrag eine Regelung zum Übergang auf den Praxiskäufer enthalten, müssen Sie prüfen, ob beispielsweise eine Rückbauverpflichtung versteckte Lasten mit sich bringt. Hier stehen gegebenenfalls mehrere tausend Euro Kosten für den Rückbau im Raum.

     

    Ein Vergleich der aktuell gezahlten Miete mit dem Mietvertrag zeigt, ob die Miete zwischenzeitlich erhöht wurde. Prüfen Sie, ob sich die Miete laut Vertrag automatisch erhöht - zum Beispiel entsprechend der Inflationsrate -, und ob diese „Staffelmiete“ auch tatsächlich praktiziert wurde.

     

    Schließlich ist es wichtig, wie lange der Mietvertrag überhaupt läuft und ob der Praxiskäufer eine oder mehrere Verlängerungsoptionen wahrnehmen kann. In der Regel will er den Praxisstandort ja beibehalten.

     

    Lohnjournale, Anstellungsverträge, freie Mitarbeit

    Arbeitsverträge gehen - anders als Mietverträge - von Gesetzes wegen auf den Praxiskäufer über (§ 613a BGB). Betroffen sind hiervon nur echte Anstellungsverträge, nicht Verträge über freie Mitarbeit. Da die Personalkosten in größeren physiotherapeutischen Praxen in der Regel einen großen Kostenblock darstellen, lohnt sich ein genauer Blick auf die Details: Wie viele Mitarbeiter sind angestellt und wie lange schon? Welchen Urlaubsanspruch haben die Arbeitnehmer? Arbeiten Angehörige in der Praxis mit (Mini-Job, Arbeitsverhältnis in der sogenannten Gleitzone)?

     

    Ergänzende Informationen benötigen Sie noch zu nicht in den Arbeitsverträgen geregelten Extraleistungen. Das können sowohl Leistungen zur betrieblichen Altersvorsorge als auch aus sogenannter betrieblicher Übung sein. Wurde etwa in den letzten drei Jahren ohne ausdrücklichen Vorbehalt Weihnachtsgeld gezahlt, können Sie es nach dem Praxiskauf nicht einfach abschaffen, selbst wenn der Arbeitsvertrag zu der Zahlung schweigt: Die Arbeitnehmer haben durch die Wiederholung einen Rechtsanspruch erworben!

     

    Die Verträge über freie Mitarbeit sollten daraufhin überprüft werden, ob es sich nicht um verdeckte Anstellungsverträge handelt, die eine Sozialversicherungspflicht nach sich ziehen. Liegt ein aktueller Prüfbericht der Sozialversicherung vor, in dem die Verträge akzeptiert wurden, sind Sie auf der sicheren Seite. Anderenfalls fragen Sie hierzu Ihren Steuerberater. Sind die Verträge falsch gestaltet, müssten sie vor dem Neuabschluss korrigiert werden. Sie gehen wie gesagt nicht automatisch auf den Praxiskäufer über.

     

    Gewinnermittlungen, BWA, Preislisten

    Die Gewinnermittlungen mit ihrer detaillierten Aufschlüsselung nach Konten kann einiges über die zu beurteilende Praxis aussagen. So können Sie die

    Zahlen der verschiedenen Jahre nebeneinander legen und erkennen, wie sich Umsätze, Kosten und Gewinn im Einzelnen entwickelt haben. Größere Ausschläge nach oben oder unten sollten Sie hinterfragen. Im Bereich der Umsätze sehen Sie, wie hoch der Umsatzanteil von privat versicherten Patienten ist und wie hoch die Zuzahlungen sind.

     

    PRAXISHINWEIS |  Seit 1. Januar 2012 werden Einnahmen aus physiotherapeutischen Behandlungen ohne ärztliche Verordnung mit 7 Prozent Umsatzsteuer belegt. Nur wenn diese Umsätze die „Kleinunternehmergrenze“ von 17.500 Euro/Jahr unterschreiten, darf auf die Umsatzbesteuerung verzichtet werden. Prüfen Sie anhand der Kontenbeschriftung, ob die Umsatzerlöse teilweise steuerpflichtig behandelt wurden. Sie erkennen das an Zusätzen wie „7 % USt“ etc. Falls nicht, muss dieser Punkt im Detail geklärt werden. Zum einen haften Sie nämlich als Betriebsübernehmer für noch nicht abgeführte Betriebssteuern. Zum anderen müssen die als „Erlöse“ angegebenen Umsatzzahlen unter Umständen nach unten korrigiert werden, um eine korrekte Aussage über die wirtschaftliche Situation der Praxis treffen zu können.

     

    Eine Übersicht über die in der Praxis angebotenen Leistungen und die hierfür erhobenen Preise hilft Ihnen einzuschätzen, ob die Praxis in ihrer Behandlungsausrichtung zu Ihnen passt. Eine vorherige probeweise Mitarbeit sollte natürlich trotzdem stattfinden. Die Preise der Leistungsübersicht können Sie mit den Preisen der Konkurrenz vor Ort vergleichen. Haben Sie Anpassungsspielraum nach oben oder befindet sich die Praxis schon im oberen Preisbereich?

     

    Aktuelles Anlagenverzeichnis

    Dem Anlagenverzeichnis können Sie entnehmen, welche Einrichtungen und Geräte in der Praxis vorhanden sind. Preist der Praxisverkäufer seine Geräte zum Beispiel als „praktisch neu“ an, hilft auch hier ein Blick in das Verzeichnis. Da zu jedem Inventar auch das Anschaffungsdatum angegeben ist, erkennen Sie schon vorab, welche Investitionen in naher Zukunft einkalkuliert werden müssen.

     

    Leasingverträge und Kooperationsverträge

    Liegen Ihnen Leasingverträge vor, sehen Sie darin insbesondere die Restlaufzeit des Vertrages und sich daraus ergebenden Handlungsbedarf. Ist Ihre Wunschpraxis in eine Praxisgemeinschaft bspw. mit einer Arztpraxis eingebunden, können Sie anhand des Kooperationsvertrags und der Strukturbeschreibung offensichtliche Fehlgestaltungen erkennen.

     

    Weitere Aspekte

    Neben den dargestellten Fragen gibt es natürlich noch weitere Aspekte, die eine Praxis attraktiv machen. Hierzu gehören eine günstige Lage, die günstige Konkurrenzsituation vor Ort und vor allem ein eingespieltes harmonisches Behandlerteam - diese Punkte sollten in die Gesamtbetrachtung ebenfalls einfließen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 14 | ID 42261392