·Fachbeitrag ·Personalakquise
Vom Praktikum ins Praxisteam: Schülerpraktika als Instrument der Personalakquise
von Physiotherapeut/Sportwissenschaftler M. A. Thomas Colshorn, Bremen
| In Zeiten des akuten Fachkräftemangels ist es wichtiger denn je, gutes Personal zu finden und dauerhaft an die Praxis zu binden. Der Einsatz von Physiotherapieschülern als Praktikanten kann dabei ein Erfolg versprechendes Mittel sein. Noch immer absolvieren die meisten Physiotherapie-schüler ihre Praktika in Akut- oder Reha-Kliniken. Viele Physiotherapiepraxen scheuen vor allem den mit dem Praktikum verbundenen Betreuungs- und Verwaltungsaufwand. Dabei können Sie auch für Ihre Praxis schon heute die Mitarbeiter von morgen gewinnen. |
Was bringt mir der Einsatz eines Praktikanten?
Der Fachkräftemangel in der Physiotherapie ist hinreichend bekannt. Sinkende Schülerzahlen sowie die Verrentung tragen zu einer Verschärfung der Situation bei (PP 04/2017, Seite 8). Für Praxen ist es schon jetzt schwierig, Personal zu finden. Praktikantenstellen sind daher nicht nur eine Möglichkeit für den Physiotherapieschüler, Erfahrungen zu sammeln, sondern auch für die Praxis, sich als Arbeitgeber zu präsentieren. Hat sich ein Praktikant bewährt, können Sie ihm einen Arbeitsplatz in Aussicht stellen.
Ein weit verbreitetes Vorurteil betrifft vor allem die Abrechnung: Demnach dürfe die Tätigkeit von Praktikanten nicht regulär über die Kasse abgerechnet werden. Diese Annahme ist allerdings falsch. In den Rahmenverträgen des vdek ist festgelegt, dass auch von angestellten Mitarbeitern erbrachte Leistungen als Heilmittel abgerechnet werden können. In diesem Rahmen ist auch der Einsatz von Physiotherapieschülern möglich. Dafür muss der Leistungserbringer (d. h. die Physiopraxis) bestimmte Anforderungen erfüllen.
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Der Einsatz von Schülern und Studenten im Rahmen der praktischen Ausbildung (...) ist unter der Voraussetzung möglich, dass
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Realistische Selbsteinschätzung als Erfolgsvoraussetzung
Das Praktikum als Instrument der Personalakquise funktioniert allerdings nur dann, wenn sich der Praktikant bei Ihnen gut aufgehoben fühlt: Der Schüler muss betreut und mit Arbeit versorgt werden - und diese sollte sich im physiotherapeutischen Bereich bewegen und sich nicht aufs Kaffeekochen und Kopieren beschränken. Für Sie und Ihr Praxisteam bedeutet ein Praktikant also zunächst einmal mehr Arbeit. Gerade für kleinere Betriebe mit drei oder vier Angestellten kann das eine Herausforderung sein. Wenn Sie diese Herausforderung nicht schreckt und Sie mit dem Gedanken spielen, Physiotherapieschüler als Praktikanten in Ihrer Praxis zu beschäftigen, sollten Sie sich vorher folgende Fragen ehrlich beantworten.
Checkliste / Einsatz von Praktikanten |
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Wie komme ich an Praktikanten?
Wenn Sie Praktika in Ihrer Praxis anbieten wollen, kontaktieren sie am besten die Physiotherapieschulen in Ihrer Umgebung. Je genauer Sie die vorstehende Checkliste beantwortet haben, desto klarer wird das Konzept, das Sie der Schule präsentieren können. Stimmen Sie vor allem mit der Schule ab,
- welche Aufgaben der Praktikant wahrnehmen wird,
- wer den Praktikanten betreuen wird,
- ob es regelmäßige Gespräche mit dem Schüler geben wird und
- wie die Bewertung am Ende des Praktikums aussehen muss.
Wenn Sie Schüler direkt ansprechen (z. B. per Praktikumsausschreibung in der Physiotherapeuten-Schule, per Stellenanzeige auf Ihrer Praxis-Website oder per Post in einer Facebook-Gruppe), ist es sinnvoll, sie auch von den Vorteilen eines Praktikums in einer ambulanten Praxis zu überzeugen:
- Der Schüler gewinnt Einblick in den Arbeitsalltag abseits von Reha-Kliniken und Akuthäusern und kann sich ein umfassenderes Bild vom Berufsbild des Therapeuten machen.
- Er kommt meist mit einem breiteren Spektrum an Krankheitsbildern und Behandlungsansätzen in Berührung als in spezialisierten Kliniken.
- In einer Praxis lernt er eine weit straffere und durchorganisierte Arbeitstaktung sowie auch verwaltungstechnische Aspekte kennen (z. B. die Terminierung oder das Eingeben von Rezepten), in der Klinik nicht.
PRAXISHINWEIS | Suchen Sie auch das Gespräch mit den Krankenkassen und stellen Sie sich als Schülerpraxis vor. Sprechen Sie mit den Krankenkassen vor allem die Abrechnungsmöglichkeiten von Praktikantenleistungen ab. |
Die konkrete Organisation: Was und wie?
In den meisten Praxen ist es üblich, dass die Praktikanten in den ersten Tagen zunächst einmal nur „mitlaufen“. Sie werden also einem Therapeuten (Mentor) zugeteilt, schauen bei dessen Behandlungen zu und lernen damit sowohl Arbeitsweise als auch die Patienten kennen. Hier kann der Schüler den Kollegen direkt am Patienten erleben und praktische Erfahrungen sammeln. Nach einer gewissen Einarbeitungsphase dürfen die Praktikanten anschließend einzelne Patienten alleinverantwortlich behandeln, wenn sie mit dessen Fall und den entsprechenden Behandlungstechniken vertraut sind.
PRAXISHINWEIS | Diese Schülerbehandlungen werden meist zusätzlich zu den regulären Rezeptterminen vereinbart und dauern i. d. R. 30 bis 40 Minuten, um dem Schüler Zeit zu geben, das Gelernte adäquat umzusetzen. |
Ein wichtiges Element sind regelmäßige Feedback-Gespräche. Dabei sollte es um die fachliche Entwicklung des Praktikanten und Verbesserungspotenziale gehen, aber auch darum, ob er sich in Ihrer Praxis wohlfühlt bzw. ernst genommen fühlt. Fragen Sie den Praktikanten nach seiner eigenen Meinung über Ihre Praxis (z. B. Behandlungsabläufe, Organisation, Arbeitsklima). Als Außenstehender ist er nicht „betriebsblind“ und kann ggf. neue Ideen einbringen.
PRAXISHINWEIS | Teilen Sie den aktuellen Entwicklungsstand des Praktikanten und eventuelle Probleme auch immer der Schule und dem jeweiligen Betreuer mit. So sind beide Seiten immer auf dem aktuellen Stand. |
Weiterführender Hinweis
- Zu möglichen Aufgaben und Kompetenzen eines Praktikanten informiert Sie ein Folgebeitrag in PP.