Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Berufspolitik

    Bald allein auf weiter Flur? - Therapieberufe steuern auf einen Fachkräftemangel zu

    von Silke Jäger | Texte für Reha und Therapie, Marburg

    | Reiben Sie sich bei dieser Überschrift die Augen, weil Sie im Geiste die Anzahl der Praxen in Ihrer Nähe abzählen und feststellen, dass es für Ihren Geschmack mehr als genug sind? Sie täuschen sich nicht: In den letzten 10 Jahren hat sich beispielsweise die Zahl der Physiotherapeuten mehr als verdoppelt, laut Statistischem Bundesamt auf 136.000 im Jahr 2011. Dennoch: Der Fachkräftemangel wird sich auch im Gesundheitswesen niederschlagen. Das prognostizieren nicht nur die Heilmittelverbände. |

    2020 wird es ernst

    Der Verband der selbstständigen Physiotherapeuten (IFK) warnt schon seit Längerem davor, dass es spätestens im Jahr 2020 zu einem Versorgungsproblem in der Physiotherapie kommen könnte. Ein Bericht zur „Fachkräftesicherung in den Gesundheitsberufen“ des rheinland-pfälzischen Landesministeriums bestätigt diese Einschätzung. Demnach werden in den nächsten zehn Jahren Nachwuchstherapeuten fehlen, um die wachsende Zahl an älteren Fachkräften ersetzen zu können, die aus dem Beruf ausscheiden. Schon jetzt haben es Praxisinhaber schwerer als früher, geeignetes Personal zu finden. Aktuell stehen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit circa 3.400 offenen Stellen ungefähr 2.300 arbeitssuchende Physiotherapeuten gegenüber. Der IFK, aber auch die meisten anderen Heilmittelverbände erwarten, dass sich dieses Ungleichgewicht weiter verschärfen wird. Der Bedarf an Heilmittelbehandlungen wird weiter zunehmen, weil die Multimorbiditätsraten steigen.

    Sind die Therapieberufe attraktiv genug?

    Für den Fachkräftemangel ist nicht nur der vielbeschworene allgemeine demografische Wandel verantwortlich, der auch vor den Gesundheitsberufen nicht Halt machen wird. Vermutlich hat die mangelnde Attraktivität der Therapieberufe einen noch größeren Anteil an der Entwicklung. Für diese Vermutung spricht, dass sich viele Therapeuten öffentlich darüber äußern, dass sie die Diskrepanz zwischen Leistung und Bezahlung als zu hoch empfinden. Therapeuten, die ihren eigenen Kindern nicht empfehlen würden, den gleichen Beruf zu ergreifen, sind keine Exoten, sondern in guter Gesellschaft. Und das, obwohl sie gleichzeitig ihren Beruf schätzen und die Aufgaben, die damit zusammenhängen, gerne erledigen.

     

    Wie kommt es also, dass die Frustration so groß ist? Hängt wirklich alles nur von der Bezahlung ab? Schaut man sich an, wie hoch das durchschnittliche Einkommen von angestellten Physiotherapeuten ist, so stellt man fest, dass es in manchen Regionen unter 2.168 Euro brutto liegt. Das ist der Betrag, den laut Statistischem Bundesamt Privathaushalte benötigen, um den normalen Konsum wie Essen, Kleidung, Mobilität und Wohnung zu bezahlen.

     

     

    Therapeuten kommen nur mit Mühe zu ihrem Geld. (© VRD - Fotolia.com)

     

    Der durchschnittliche Verdienst von Physiotherapeuten liegt laut den Angaben des Internetportals www.gehaltsvergleich.com bei 1.733 Euro brutto. Das heißt, wenn Therapeuten über ein für die Berufsgruppe durchschnittliches Einkommen verfügen, haben sie dennoch das Gefühl, nicht angemessen vergütet zu werden. Sie spüren tagtäglich, dass es oft schwer ist, die nötigen Anschaffungen zu bezahlen. Doch weit mehr als der mit den Bedingungen einhergehende Sparzwang sorgt der seit Jahren anhaltende Stillstand in der Lohnentwicklung für Frust. Honorarerhöhungen, die noch nicht einmal die Inflation ausgleichen, sind die Regel. Manche sprechen sogar von einer schleichenden Enteignung.

    Der Kampf gegen die Windmühle „Grundlohnsummenbindung“

    Die Verhandlungen mit den Krankenkassen sind äußerst schwierig, wie Vertreter aller Verbände immer wieder betonen. Das liegt vor allem daran, dass die Grundlohnsummenbindung fest im Sattel sitzt. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat zurzeit auch nicht vor, daran zu rütteln. Die Anbindung der Honorarsteigerungen an die Grundlohnsumme, also an die durchschnittliche Lohnentwicklung aller krankenkassenbeitragspflichtigen Gehälter in Deutschland, lässt den Kampf um eine angemessene Bezahlung wie einen Kampf gegen Windmühlen erscheinen.

     

    Der Unmut vieler Therapeuten richtet sich allerdings häufig gegen ihre Verbände. Denn oberflächlich betrachtet liegt es an deren Verhandlungsgeschick, dass die Löhne de facto sinken. Sie wünschen sich, dass die Verbände mehr daran arbeiten, den Druck auf die politischen Entscheidungsträger zu erhöhen. Um die Grundlohnsumme zu kippen, wird ein Kraftakt nötig sein. Vielleicht könnte am Ende sogar der Fachkräftemangel das entscheidende Zünglein an der Waage sein. Doch darauf zu warten, hilft in der jetzigen Situation nicht weiter. Besser ist es, sich zu überlegen, wie man unabhängiger von den Krankenkassen werden kann, um bessere Gehälter anbieten zu können und damit die Zukunftsaussichten für die eigene Praxis zu verbessern.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 3 | ID 42212038