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  • · Fachbeitrag · Untermiete

    Wenn der Untervermieter schuldhaft das Ende des Hauptmietverhältnisses herbeiführt: Schadenersatz?

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Kündigt der (Haupt-)Vermieter wirksam das Mietverhältnis über eine vom Mieter ‒ mit oder ohne Erlaubnis ‒ untervermietete Wohnung, kann er vom Untermieter nach § 546 Abs. 2 BGB die Herausgabe der Mietsache „ohne Wenn und Aber“ verlangen. Das ist insbesondere „bitter“, wenn das Hauptmietverhältnis wegen der Verletzung von Pflichten gekündigt werden kann, die der Untermieter seinerseits gegenüber seinem Untervermieter erfüllt hat. Der BGH hat nun über die Frage entschieden, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang dem Untermieter Schadenersatzansprüche wegen der nicht mehr möglichen Gewährung des Gebrauchs der Mietsache gegen den Untervermieter zustehen können. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin gewährt als gemeinsame Einrichtung zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 44b Abs. 1 SGB II) Leistungen nach dem SGB II. Sie macht aus übergegangenem Recht Ansprüche des ehemaligen Untermieters der Beklagten auf Ersatz von Unterbringungskosten sowie auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen geltend.

     

    Die Beklagte vermietete an T. eine Wohnung, die sie ihrerseits gemietet hatte. Die Nettokaltmiete betrug zu Mietbeginn mtl. 615 EUR zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen von mtl. 307 EUR. Die Miete nebst Betriebs- und Heizkosten zahlte die Klägerin als Unterkunftskosten (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II) für T. und dessen vierköpfige Familie direkt an die Beklagte.

     

    Der Hauptvermieter kündigte das Mietverhältnis mit der Beklagten in 2/18 wegen aus seiner Sicht unerlaubter Untervermietung und in 6/18 erneut wegen Zahlungsrückständen. In 8/18 schlossen die Beklagte und der Hauptvermieter einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, die untervermietete Wohnung an den Hauptvermieter herauszugeben.

     

    Daraufhin erklärte die Beklagte gegenüber T. die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Untermietverhältnisses und forderte diesen zum Auszug auf. Auch der Hauptvermieter machte unter Hinweis auf die Beendigung des Hauptmietverhältnisses die Herausgabe der Wohnung gegenüber T. geltend. T. gab die Wohnung heraus. Er wurde mit seiner Familie in einer Unterkunft der Gemeinde („fördern und wohnen“) untergebracht. Die Klägerin übernahm (auch) die für diese „Notunterbringung“ anfallenden Kosten (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II) und zahlte an „fördern und wohnen“ auf Grundlage von an T. gerichteten „Kostenfestsetzungsbescheiden“ insgesamt über 53.000 EUR.

     

    Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Ersatz dieser Unterbringungskosten und die Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen für den gesamten Zeitraum des Untermietverhältnisses in Höhe von knapp 5.000 EUR.

     

    Die Klage hatte vor dem AG überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Verurteilung zur Rückzahlung der Betriebskostenvorauszahlungen aufrechterhalten, die Klage i. Ü. mangels Entstehung eines ersatzfähigen Schadens abgewiesen. Der Haftung der Beklagten stehe die Begrenzung der Schadenersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm entgegen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das LG-Urteil insoweit aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, als das LG in Höhe von 37.423,60 EUR zum Nachteil der Klägerin entschieden hat. Die Anschlussrevision der Beklagten hat er als unzulässig verworfen (BGH 21.6.23, VIII ZR 303/21, Abruf-Nr. 236511).

     

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH bejaht einen Schadenersatzanspruch des ehemaligen Untermieters gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten der Unterbringung bei „fördern und wohnen“ aus § 536a Abs. 1, § 536 Abs. 3 BGB, der gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II auf die Klägerin übergegangen sei. Die Belastung mit den Mehrkosten für eine anderweitige Unterkunft sei als Schaden dem Grunde nach ‒ so der BGH ‒ vom Schutzzweck der seitens der Beklagten als (Unter-)Vermieterin schuldhaft verletzten Vertragspflicht zur Gebrauchsüberlassung umfasst.

     

    Mietmangel: Gebrauch entzogen

    Nach § 536a Abs. 1 BGB kann der Mieter Schadenersatz verlangen, wenn ein Mangel der Mietsache bei Vertragsschluss vorhanden war oder später wegen eines Umstands entsteht, den der Vermieter vertreten muss. Ein Mangel der Mietsache liegt nach § 536 Abs. 3 BGB auch vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ‒ wie hier ‒ ganz oder zum Teil entzogen wird.

     

    Der Gerichtsvergleich zwischen Hauptvermieter und Hauptmieter bewirkte die Beendigung des Hauptmietverhältnisses. Der dadurch begründete Herausgabeanspruch des Hauptvermieters gegen den Untermieter (§ 546 Abs. 2, § 985 BGB) ist das Recht eines Dritten i. S. v. § 536 Abs. 3 BGB.

     

    Beachten Sie | Der BGH stellt unter Hinweis auf seine (ältere) Rechtsprechung klar, dass das bloße Bestehen eines solchen Rechts zwar nicht genügt, um Schadenersatzansprüche des (Unter-)Mieters (hier nach § 536a Abs. 1 BGB) auszulösen. Erforderlich sei vielmehr, dass der Dritte seine Rechte geltend macht und dem Mieter dadurch der vertragsgemäße Gebrauch der gemieteten Sache ganz oder teilweise entzogen wird.

     

    Diese Voraussetzung lag hier jedoch vor. Der Hauptvermieter hat nach dem Ausspruch der Kündigungen ‒ wegen unerlaubter Untervermietung und wegen eines Zahlungsverzugs der Beklagten ‒ und dem in der Folge mit der Beklagten geschlossenen Räumungsvergleich ‒ gegenüber dem Untermieter T. seinen Herausgabeanspruch geltend gemacht. Infolgedessen war die Beklagte ‒ deren zuvor erklärte Kündigung gegenüber dem Untermieter das Untermietverhältnis nicht beendet hatte ‒ ihrerseits (schuldhaft) nicht mehr in der Lage, dem Untermieter den vertragsgemäßen Gebrauch des Mietobjekts zu gewähren.

     

    Beachten Sie | Im Untermietverhältnis zwischen Hauptmieter und Untermieter gelten ‒ wie im Hauptmietverhältnis ‒ die Vorschriften des sozialen Wohnraummietrechts, die das Kündigungsrecht des Vermieters regeln und von einem wichtigen Grund (bei fristloser Kündigung) oder einem berechtigten Interesse (bei fristgemäßer Kündigung) abhängig machen.

     

    Hier relevante Einschränkungen des Mieterschutzes ergeben sich allenfalls, wenn es sich um Wohnraum handelt, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit einer Einrichtung auszustatten hat, § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Unabhängig davon, dass in dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt nichts darauf hindeutet, dass die Beklagte die Wohnung gemeinsam mit der vierköpfigen Familie bewohnte, käme die Regelung hier deshalb nicht zum Tragen, weil sie in einer Konstellation wie dieser gerade nicht gilt: Der Wohnraum war dem Untermieter zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie überlassen, § 549 Abs. 2 HS 2 BGB.

     

    Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang

    Anders als das LG bejaht der BGH auch die Entstehung eines ersatzfähigen Schadens, insbesondere den erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen den Unterkunftskosten bei „fördern und wohnen“ und der Pflichtverletzung der Beklagten. Die „Notunterbringung“ der Familie T. in einer öffentlichen Unterkunft sei eine adäquat kausale Folge des durch die Pflichtwidrigkeit der Beklagten bedingten Wohnungsverlusts. Das LG hatte unangegriffen festgestellt, dass es dem vormaligen Untermieter nach dem Verlust der von der Beklagten angemieteten Wohnung nicht gelungen war, für sich und seine Familie in Hamburg eine Wohnung zu finden. Die hierdurch ausgelösten Kosten unterfielen ‒ so der BGH ‒ auch dem Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht der Beklagten (§ 536a Abs. 1, § 536 Abs. 3 BGB). Obgleich der ehemalige Untermieter nicht selbst neue Räume angemietet habe, sondern ihm eine Notunterkunft der Stadt Hamburg zugewiesen wurde, seien die hierfür angefallenen Kosten dem Grunde nach ein ersatzfähiger Schaden.

     

    In der BGH-Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Schadenersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird, unabhängig davon, auf welche Bestimmung die Haftung gestützt wird. Eine Ersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte (vor)vertragliche Pflicht übernommen worden ist. Bei wertender Betrachtung muss sich ergeben, dass der Schaden in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage steht; ein „äußerlicher“, also „zufälliger“, Zusammenhang genügt nicht.

     

    MERKE | Bei der Vertragsverletzung hängt die Ersatzpflicht des Schädigers davon ab, dass die verletzte Vertragspflicht das Entstehen von Schäden der eingetretenen Art verhindern sollte. Er muss nur für die Einbußen einstehen, die die durch den Vertrag geschützten Interessen betreffen. Maßgebend ist somit die vertragliche Interessenlage der Parteien und der damit korrespondierende Vertragszweck.

     

    Hier wirkt die schuldhafte Vertragspflichtverletzung der Beklagten in der Belastung mit den Kosten der Unterbringung in einer öffentlichen Einrichtung zur Vermeidung sonst drohender Obdachlosigkeit als haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang fort. Der Schaden stammt aus dem Bereich der Gefahren, zu deren Abwendung diese verletzte Vertragspflicht besteht.

     

    Die Beklagte war infolge des vom Hauptvermieter geltend gemachten Herausgabeanspruchs nicht mehr in der Lage, dem Untermieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung zu gewähren (§ 536a Abs. 1, § 536 Abs. 3 BGB). Diese Situation steht in einem inneren Zusammenhang mit den in der Folge angefallenen Unterbringungskosten. Im Zeitpunkt der Unterbringung des vormaligen Untermieters wirkte die seitens der Beklagten geschaffene Gefahrenlage noch fort. Durch die Unterbringung in der „Notunterkunft“ wurde der Besitzverlust des bisherigen Mieters ausgeglichen.

     

    An dem inneren Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten und dem Schaden aufseiten des Untermieters T. fehlt es auch nicht deshalb, weil T. infolge seiner „Notunterbringung“ nicht (mehr) die Rechte und Pflichten eines Mieters im Sinne der §§ 535 ff. BGB hatte. Die veränderte (Rechts-)Stellung war Folge des Umstands, dass die Familie T. nach den ‒ nicht angegriffenen ‒ Feststellungen des LG als SGB II-Leistungsempfänger auf dem freien Wohnungsmarkt in Hamburg keine Wohnung finden konnte.

     

    Beachten Sie | Nachfolgend grenzt der BGH die hier gegebene Fallkonstellation von der über die (fehlende) Ersatzfähigkeit von Maklerkosten für den Eigentumserwerb von Ersatzwohnraum ab (BGH 9.12.10, VIII ZR 238/18; VIII ZR 371/18). In den letztgenannten Fällen hatte der Mieter den Verlust der Wohnung zum Anlass genommen, den künftigen Wohnbedarf über Wohneigentum zu verwirklichen und damit andere Interessen verfolgt als bisher. Vermögenseinbußen, mittels derer der Mieter sich in die Lage versetzen will, (auf Dauer angelegtes) Eigentum zu erwerben, fallen nach der BGH-Rechtsprechung nicht mehr unter den Schutzzweck der Vertragspflicht des Vermieters zur (vorübergehenden) Gebrauchserhaltung. Anders verhält es sich hingegen bei Maklerkosten, die der Mieter im Zusammenhang mit dem Mieten von Ersatzwohnraum aufwenden muss (BGH 16.12.09, VIII ZR 313/08). Im hier entschiedenen Fall hatte der Mieter ‒ so der BGH ‒ schon keine (Aus-)Wahlmöglichkeit; er war mangels Alternativen auf die „Notunterbringung“ angewiesen.

     

    Der BGH setzt sich im Folgenden mit einer in Sozialleistungsfällen oft anzutreffenden Argumentation auseinander: Danach soll es an einem Schaden des Sozialleistungsempfängers ‒ hier des Untermieters ‒ fehlen, weil ‒ mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ‒ nicht er, sondern die öffentliche Stelle ‒ hier die Klägerin ‒ die Unterkunftskosten übernommen und gemäß § 22 Abs. 7 SGB II direkt an „fördern und wohnen“ gezahlt hat. Der BGH verweist auf den allgemeinen Rechtsgedanken in § 843 Abs. 4 BGB, nach dem der Schädiger nicht schon deshalb von seiner Schadenersatzpflicht frei wird, weil Dritte oder ‒ wie hier ‒ die Gemeinschaft dafür Sorge tragen, dass sich die Beeinträchtigung für den Betroffenen nicht nachhaltig auswirkt.

     

    Umfangreiche Hinweise an das Landgericht

    Ein ‒ vom LG offengelassenes ‒ Problemfeld betrifft die Höhe des gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II auf die Klägerin übergegangenen Anspruchs. Die Klägerin hatte Aufwendungen im Sinne der Regelung, unter die auch Leistungen für eine Obdachlosen- oder eine sonstige Notunterkunft fallen. Der BGH gibt für das weitere Verfahren zur Feststellung der Höhe des Anspruchs sodann umfangreiche Hinweise. Das LG werde zu den Umständen der „Notunterbringung“, zur Berechnung der Unterkunftskosten sowie zum Bemühen des ehemaligen Untermieters, eine andere Wohnung zu finden, im Rahmen einer tatrichterlichen Schätzung (§ 287 Abs. 1 S. 1 ZPO) die angemessenen Unterkunftskosten und den Zeitraum zu ermitteln haben, für welchen die Beklagte die Mehrkosten zu tragen hat. Da einer „Notunterkunft“ ein höherer Wohnwert im Vergleich zu einer angemieteten Wohnung von vornherein nicht zukomme, sei die im Rahmen der Beurteilung eines Mietdifferenzschadens sonst regelmäßig gebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. BGH 29.3.17, VIII ZR 44/16) hier entbehrlich.

     

    Der BGH verweist aber auf mögliche Anspruchskürzungen wegen eines etwaigen Mitverschuldens des Untermieters (§ 254 BGB) und wegen der zeitlichen Begrenzung der Haftung der Beklagten. Der Mieter könne einen Schadenersatz wegen des entgangenen Gebrauchs der Mietsache zum einen generell nur für den Zeitraum verlangen, in dem der Vermieter auch gegen seinen Willen am Mietvertrag hätte festgehalten werden können. Die Ansprüche auf Erstattung der Mietdifferenz wegen der Mehrkosten einer Ersatzwohnung seien daher auf den Zeitraum bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder bis zur Wirksamkeit der ersten möglichen Kündigung durch den Vermieter beschränkt.

     

    Der BGH hält es für möglich, dass die Mehrkosten für die Unterbringung in einer öffentlichen Notunterkunft für einen gewissen (begrenzten) Zeitraum als erforderliche Kosten anzusehen sind, weil es sich bei dem Untermieter um einen ‒ zum damaligen Zeitpunkt ‒ arbeitslosen Flüchtling gehandelt habe, der mit seiner Familie auf dem freien Wohnungsmarkt (zunächst) keine Wohnung finden konnte. Nach den Grundsätzen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung habe ein Geschädigter den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage, das heißt angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten, als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen.

     

    Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Kosten ankommen sollte, die im Falle des Mietens einer anderen Wohnung angefallen wären, sei zu berücksichtigen, dass der Mieter, der infolge pflichtwidrigen Handelns des Vermieters die Wohnung aufgibt bzw. aufgeben muss, nach ständiger BGH-Rechtsprechung die Mietdifferenz für eine teurere Wohnung nur insoweit verlangen kann, als diese neue Wohnung angemessen ist (vgl. BGH 16.12.09, VIII ZR 313/08); in Zeiten allgemein steigender Mieten würden die sogenannten Neuvertragsmieten jedoch regelmäßig deutlich höher liegen als die Bestandsmieten (vgl. BGH 29.3.17, VIII ZR 44/16).

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist eine „Ansage“ an eine bestimmte Gruppe untervermietender Mieter! Sie bewohnen die Mietwohnung regelmäßig nicht selbst, sondern vermieten sie auf unbestimmte Zeit komplett unter. Sie sind dafür verantwortlich, dass auf vielen angespannten Wohnungsmärkten eine Art „zweiter Wohnungsmarkt“ existiert, auf dem formal betrachtet zwar auch das soziale Wohnraummietrecht gilt, faktisch aber ‒ wegen § 546 Abs. 2 BGB ‒ mit erheblichen Einschränkungen. Der Untermieter ist auch dann dem Risiko des Wohnungsverlustes ausgesetzt, wenn er sich selbst ‒ anders als sein Untervermieter ‒ vertragstreu verhält; der Untervermieter meint, den Untermieter mit Hinweis auf § 546 Abs. 2 BGB unter Druck setzen zu können.

     

    Die Entscheidung skizziert nun zu Recht erhebliche Haftungsrisiken für den Untervermieter, der sich am Wohnungsmarkt so verhält, wie es die Rechtsordnung keinem Hauptvermieter „durchgehen“ lassen würde. Dem Untervermieter sollte spätestens jetzt auch klar sein, dass er sich des Untermietverhältnisses ‒ außerhalb des Anwendungsbereichs des § 549 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB ‒ auch nicht etwa einfacher entledigen kann, als es seinem Hauptvermieter rechtlich möglich ist (so schon: BGH 3.8.21, VIII ZR 329/19).

     

    Ein äußerst praxisrelevanter Aspekt der Entscheidung ist daneben ihr „Aufhänger“. Nicht der Untermieter klagt, sondern der Sozialleistungsträger aus übergegangenem Recht. Der Anspruchsübergang ‒ hier nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II ‒ beschränkt sich nicht auf Schadenersatzansprüche, sondern erstreckt sich etwa auf bereicherungsrechtliche Rückforderungen wegen ‒ aus unterschiedlichen Rechtsgründen ‒ überzahlter Miete (§ 536 Abs. 1, 556d ff. BGB, wegen einer [teil-]unwirksamen Modernisierungsmieterhöhung). Entsprechende Rückforderungsansprüche werden von Sozialleistungsträgern bislang selten (gerichtlich) geltend gemacht (vgl. näher: Knickrehm/Flatow, WuM 18, 465; LG Hamburg 31.3.22, 333 S 17/21; 31.5.16, 316 S 81/15; AG Nürnberg 22.3.17, 16 C 127/16).

     

    Beachten Sie | Das LG Berlin (ZK 64) hat in einer Entscheidung vom 19.4.23 (64 S 190/21) die Frage aufgeworfen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter, dessen Mietzahlungspflichten vollständig vom Jobcenter erfüllt wurden, (überhaupt) berechtigt ist, rechtsgrundlos geleistete Miete zurückzufordern. Auch diese Frage wird (bisher) selten gestellt. Die zugelassene Revision ist beim BGH anhängig (Gewährung von Prozesskostenhilfe, BGH 20.6.23, VIII ZA 5/23).

    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 188 | ID 49687490