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  • · Fachbeitrag · Kautionsrückzahlungsanspruch

    Ohne eindeutige Ausschlussvereinbarung bleibt die subsidiäre Vermieterhaftung bestehen

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Der Veräußerer eines vermieteten Grundstücks haftet dem Mieter für die Rückzahlung der Kaution für den Fall, dass der Mieter die Kaution vom Erwerber nicht zurückbekommen kann. Ein eventueller Ausschluss dieser Haftung muss eindeutig vereinbart werden (BGH 23.1.13, VIII ZR 143/12, Abruf-Nr. 131252).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger leistete bei Mietbeginn an den Beklagten eine Barkaution. Dieser veräußerte das Grundstück. Die Eigentumsumschreibung erfolgte am 24.6.08. Das Grundstück unterlag vom 7.10.05 bis 13.5.08 der Zwangsverwaltung. Am 26.5.08 forderte der Zwangsverwalter den Kläger unter Übersendung eines Formularvordrucks „Einverständniserklärung zur Kautionsübertragung“ auf, der Weiterreichung der Kaution an die neue Eigentümerin und seiner Entlassung aus der „bürgenähnlichen“ Haftung zuzustimmen, andernfalls werde der Kautionsbetrag an ihn ausbezahlt und er müsse eine neue Mietsicherheit gegenüber der neuen Vermieterin erbringen. Der Kläger war einverstanden und die Kaution wurde an die neue Vermieterin weitergeleitet. Das Mietverhältnis endete zum 7.9.09. Laut Wohnungsübergabeprotokoll konnte die Kaution im Hinblick auf den Zustand der Wohnung unter Berücksichtigung der Mietzahlung zur Auszahlung gelangen. Am 18.3.10 wurde erneut die Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet. Die Hausverwaltung teilte dem Kläger mit, das Kautionskonto sei aufgelöst und das Kautionsguthaben dem Mietenkonto gutgeschrieben. Auszahlungen seien wegen Kontopfändungen zu keiner Zeit möglich gewesen. Der Kläger hat behauptet, er habe die neue Vermieterin erfolglos zur Kautionsrückzahlung aufgefordert. Seine Klage aus § 566a S. 2 BGB auf Zahlung des Kautionsguthabens hat in zweiter Instanz Erfolg. Der BGH weist die Revision des Beklagten zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Beklagte ist dem Kläger zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet. Seine dem Zwangsverwalter gegenüber abgegebene Einverständniserklärung hat nicht zu einer Entlassung des Beklagten aus der Haftung nach § 566a S. 2 BGB geführt. Danach ist der bisherige Vermieter dem Mieter weiterhin zur Rückgewähr der geleisteten Mietkaution verpflichtet, wenn dieser bei Beendigung des Mietverhältnisses die Sicherheit von dem neuen Erwerber und Vermieter nicht erlangen kann.

     

    Zwar kann der Mieter auf die Haftung des Vermieters nach dieser Vorschrift durch Individualvereinbarung verzichten. Bei der von dem Kläger gegenüber dem Zwangsverwalter auf dessen Aufforderung abgegebenen Erklärung über die „Weiterleitung der Kaution und der Entlassung des Zwangsverwalters aus der bürgenähnlichen Haftung“ handelt es sich indes nicht um eine Individualvereinbarung, sondern um eine AGB. Diese führt schon deshalb nicht zu einer Entlassung des Beklagten aus der Haftung nach § 566a S. 2 BGB, weil ihr jedenfalls nach der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ein solcher Inhalt nicht beigelegt werden kann:

     

    • Zum einen betrifft die Erklärung nach ihrem Wortlaut nur die Haftung des Zwangsverwalters, der zum damaligen Zeitpunkt nach § 152 Abs. 2 ZVG die Rechte und Pflichten des Vermieters wahrnehmen musste.

     

    • Zum anderen ist nicht die Rede von der subsidiären Vermieterhaftung nach § 566a S. 2 BGB, sondern von einer im Gesetz nicht vorgesehenen „bürgenähnlichen Haftung“.

     

    Das heißt: Es ist zumindest auch die Auslegung möglich, dass sich die gegenüber dem Zwangsverwalter auf dessen Wunsch abgegebene Erklärung auf dessen eigene Haftung beschränkte, ohne die Vermieterhaftung nach § 566a S. 2 BGB generell abzubedingen. Folge: Da mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB diese für den Mieter günstigere Deutung zugrunde zu legen.

     

    Zwar ist der Mieter gemäß § 566a S. 2 BGB grundsätzlich gehalten, zunächst den Erwerber als den gegenwärtigen Sicherungsnehmer und Mietvertragspartner in Anspruch zu nehmen, solange dies nicht aussichtslos erscheint (BGHZ 141, 160; BT-Drucksache 14/4553, 63). Letzteres ist hier schon deshalb der Fall, weil zwischenzeitlich erneut die Zwangsverwaltung über das Grundstück angeordnet worden ist und eine Auszahlung des Kautionsbetrags wegen der Kontopfändung zu keinem Zeitpunkt möglich war.

     

    Praxishinweis

    Der BGH bestätigt, dass die subsidiäre Haftung des Vermieters individualvertraglich abbedungen werden kann. Dies entspricht allgemeiner Meinung. Höchstrichterlich ungeklärt ist weiterhin, ob ein formularvertraglicher Haftungsausschluss einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält. Der BGH konnte dies wegen der gegen § 305c Abs. 2 BGB verstoßenden unklaren Formulierungen der Erklärung des Zwangsverwalters offen lassen. Im Schrifttum wird hierzu aus Gründen des Mieterschutzes mit Recht überwiegend angenommen, dass ein formularvertraglicher Haftungsausschluss auch unwirksam ist, wenn die Kaution insolvenzfest angelegt und der Erwerber Inhaber der ungeschmälerten Kaution geworden ist (Fischer-Dieskau/Geldmacher, Stand 4/12, § 566a BGB Anm. 13; MüKo/Häublein, BGB, 6. Aufl., § 566a Rn. 18; a.A. Derleder, WuM 02, 239). Die subsidiäre Haftung des Veräußerers entfällt, wenn er mit dem Mieter vor dem Eigentumswechsel die Freigabe der Sicherheit vereinbart (Praxishinweis 2 zu BGH MK 12, 45, Abruf-Nr. 120113).

     

    Beachten Sie | Hier liegt keine Vertragsbedingung vor, sondern eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung des Mieters. Dies ändert nach BGH nichts an ihrem Charakter als AGB. Grund: Die §§ 305 ff. BGB gelten wegen ihres Schutzzwecks auch für eine vom Verwender vorformulierte einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung des anderen Teils, die im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis steht (BGH NJW 00, 2677). Dass die vom Zwangsverwalter vorbereitete Erklärung den Mietern eine Wahlmöglichkeit aufzeigt, ist ohne Belang.

     

    Macht der Veräußerer - wie hier - gegenüber seiner Inanspruchnahme geltend, die Kaution sei auf offene Mietforderungen des Erwerbers verrechnet worden, erhebt er den Einwand der Erfüllung (§ 362 BGB). Hierfür trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast.

     

    Die subsidiäre Haftung des Veräußerers greift in Anlehnung an § 773 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 BGB - über die hier vorliegende Variante der offensichtlichen Aussichtslosigkeit einer Inanspruchnahme des Erwerbers hinaus - in den aus der Checkliste ersichtlichen Fällen ein (Fischer-Dieskau/Geldmacher, a.a.O., Anm. 8/4.):

     

    Checkliste / In diesen Fällen haftet der Veräußerer subsidiär

    Der Veräußerer haftet subsidiär, wenn

    • eine Klage gegen den Erwerber offensichtlich keinen Erfolg verspricht oder unzumutbar ist (z.B. bei unbekanntem Aufenthalt des Erwerbers),
    • über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist,
    • wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anzunehmen ist, dass eine Zwangsvollstreckung fruchtlos bleiben wird oder
    • der Erwerber erkennbar zahlungsunwillig ist.
     

    Weiterführender Hinweis

    • Ausnahmsweise hat der Erwerber einen Anspruch auf nochmalige Kautionszahlung, BGH MK 12, 45, Abruf-Nr. 120113
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 80 | ID 38963970