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  • · Fachbeitrag · Eigenbedarf

    BVerfG erleichtert Kündigung von Zweitwohnung

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Der Vermieter kann eine Zweitwohnung wegen Eigenbedarfs auch kündigen, wenn er diese nur zeitlich begrenzt im Jahr nutzen will (BVerfG 23.4.14, 1 BvR 2851/13, Abruf-Nr. 141520).

     

    Sachverhalt

    Die Beschwerdeführerin mietete 87 eine 57,48 m2 große Wohnung in Berlin, deren Eigentümer seit 97 der Kläger des Ausgangsverfahrens ist. Er lebte bis 08 ebenfalls in Berlin, verzog dann aber mit Ehefrau und vier gemeinsamen Kindern in eine andere Stadt. Der Kläger kündigte das mit der Beschwerdeführerin bestehende Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Grund: Er sei berufsbedingt umgezogen, habe in Berlin aber eine uneheliche Tochter, für die er gemeinsam mit der Kindesmutter das Umgangs- und Sorgerecht habe. Um dieses auszuüben, sei es erforderlich, dass er sich regelmäßig über mehrere Tage in Berlin aufhalte. Hierfür benötige er die Wohnung. Die Beschwerdeführerin wird in zweiter Instanz zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Das LG lässt die Revision nicht zu. Das BVerfG nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Berufungsgericht hat die Nichtzulassung der Revision nicht mit einer auf den Einzelfall bezogenen Begründung versehen. Dies führt jedoch nicht zu einer Verfassungsverletzung. Selbst nach den Darlegungen der Verfassungsbeschwerde ergibt sich weder eine

    • grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO),
    • noch dass die Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 1. Alt. ZPO) oder
    • zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 2. Alt. ZPO).

     

    Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGHZ 151, 221). Als in diesem Sinne klärungsbedürftig käme vorliegend allenfalls die Frage in Betracht, ob der bloße Wunsch des Eigentümers nach einer Zweitwohnung die Voraussetzungen des Eigenbedarfs i.S. des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfüllen kann. Oder umgekehrt, ob die Annahme eines Eigenbedarfs bereits ausgeschlossen ist, wenn er schon eine andere Wohnung besitzt und diese nicht aufgeben, sondern weiterhin nutzen will. Die Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt erscheint allerdings nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung der Fachgerichte nicht naheliegend. Denn die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen einer Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) sind höchstrichterlich geklärt, wobei die Rechtsprechung des BGH in Einklang mit den Vorgaben des BVerfG steht. Dass Fachgerichte diese Rechtsprechung in Einzelfällen nicht beachtet haben oder von ihr abgewichen sind, schafft für sich genommen noch keinen neuerlichen Klärungsbedarf.

     

    Zwar reicht allein der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personen dort wohnen zu lassen, für die Annahme von Eigenbedarf nicht aus (grundlegend BGH NJW 88, 904). Ausreichend sind danach jedoch vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Vorschrift sei - so der BGH - zu entnehmen, dass dem Vermieter ein Kündigungsrecht nur zustehe, wenn er oder eine begünstigte Person einen Mangel an Wohnraum habe oder der Vermieter sich in einer wohnbedarfstypischen Lage befinde.

     

    Eine weitere grundsätzliche Beschränkung der Eigenbedarfskündigung - etwa die Forderung nach der Begründung des Lebensmittelpunkts - lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der BGH - auch wenn die Formulierung eines entsprechenden Rechtssatzes mangels Entscheidungserheblichkeit unterblieben ist - davon ausgeht, dass auch ein zeitlich begrenzter Bedarf einer Wohnung die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung erfüllen kann (BGH ZMR 05, 843).

     

    Vor diesem Hintergrund ist weder ersichtlich, dass die in Rede stehende Rechtsfrage nach wie vor klärungsbedürftig ist, noch dass diese einer abstrakten Beurteilung und allgemeinen Klärung überhaupt zugänglich ist. Soweit ersichtlich wurde der Wunsch nach einer Zweitwohnung lediglich vereinzelt in erstinstanzlichen Entscheidungen generell als unzureichend zur Begründung eines Eigenbedarfs bewertet (Nachweise Entscheidungsgründe Rn. 32). Solche Einzelfälle, in denen entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden wird, führen nicht zu einer erneuten Klärungsbedürftigkeit einer bereits geklärten Rechtsfrage.

     

    Praxishinweis

    Letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen, eingeschlossen solche über die Nichtzulassung der Revision, bedürfen grundsätzlich auch von Verfassungs wegen keiner Begründung (BVerfGE 50, 287). Liegt die Zulassung des Rechtsmittels aber nahe, verlangt eine die Zulassung dennoch ablehnende Entscheidung eine nachvollziehbare Begründung, die erkennen lässt, dass die Rechtsauffassung des Gerichts auf sachgerechten Erwägungen beruht (BVerfGK 2, 202; 19, 364). Die Begründungsobliegenheit folgt im Zivilprozess aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie, wenn die Nichteröffnung der weiteren Instanz als Entzug des gesetzlichen Richters gerügt wird, aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.

     

    Wird in einem Urteil von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Zulassung der Revision kein Gebrauch gemacht, verstößt dies grundsätzlich gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, wenn sich die Entscheidung insoweit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (BVerfGE 42, 237; 67, 90; 87, 282). Dabei steht es der Annahme einer willkürlichen Entscheidung entgegen, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grunds entbehrt. Umgekehrt kann es für eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG genügen, wenn die Entscheidung des Gerichts über die Nichtzulassung nicht näher begründet ist, obwohl die Zulassung des Rechtsmittels nahegelegen hätte.

     

    Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Zwar hat das LG die Nichtzulassung der Revision nur formelhaft begründet. Gleichwohl verneint das BVerfG eine Verfassungsverletzung. Grund: Die Zulassung der Revision hat nicht im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung nahegelegen. Keine der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegt vor.

     

    Das BVerfG sieht die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen einer Eigenbedarfskündigung vielmehr durch die in Einklang mit den Vorgaben des BVerfG (BVerfGE 68, 361) stehende Rechtsprechung des BGH geklärt. Das gilt auch für die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob der bloße Wunsch des Eigentümers nach einer Zweitwohnung die Voraussetzungen des Eigenbedarfs i.S. des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfüllen kann, oder ob die Annahme eines Eigenbedarfs bereits ausgeschlossen ist, wenn er bereits eine andere Wohnung besitzt und diese weiterhin nutzen will.

     

    Beachten Sie | Der kündigende Vermieter muss - wie hier - auch weiterhin vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine begünstigte Person haben. Liegen diese vor, kann auch eine allenfalls seltene Nutzung und ein hieraus resultierender überwiegender Leerstand eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigen.

     

    Auch wenn das BVerfG keinen Freibrief ausstellt, so deutlich hat auch der BGH bisher nicht konkretisiert, dass die Eigenbedarfskündigung nicht voraussetzt, dass der Vermieter in der gekündigten Wohnung seinen Lebensmittelpunkt begründen will, sondern dass hierfür auch eine zeitlich begrenzte, geringfügige Nutzung ausreichen kann. Ob die Eigenbedarfskündigung der Zweitwohnung bei dieser Konstellation berechtigt ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und ist einer verallgemeinernden, die Revisionszulassung rechtfertigenden Betrachtungsweise nicht zugänglich.

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 94 | ID 42688848