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  • · Fachbeitrag · Betagte Mieter

    Schwerwiegende persönliche Härtegründe müssen bereits bei der Kündigung berücksichtigt werden

    | Der BGH stellt klar: Gerichte müssen schwerwiegende persönliche Härtegründe aufseiten des Mieters auch bei fristloser Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB berücksichtigen. |

     

    Die 97-jährige Beklagte zu 1 hat 1955 von der Klägerin eine Dreizimmerwohnung und 1963 zusätzlich eine im selben Gebäude und Stockwerk gelegene Einzimmerwohnung angemietet. Die bettlägerige und demenzkranke Beklagte zu 1 bewohnt die Dreizimmerwohnung, der Beklagte zu 2 die Einzimmerwohnung. Er ist seit Jahren Betreuer der Beklagten zu 1 und pflegt sie ganztägig. 2015 beleidigte der Beklagte zu 2 die Klägerin grob. Diese kündigte daraufhin das Mietverhältnis fristlos gemäß § 543 Abs. 1 BGB.

     

    Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen. Das LG sah dies anders. Bei derart groben Beleidigungen liege die Unzumutbarkeit den Mietvertrag fortzusetzen für die Klägerin auf der Hand. Persönliche Härtegründe könnten erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung im Wege eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO geprüft werden. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg (BGH 9.11.16, VIII ZR 73/16, Abruf-Nr. 190304).

     

    § 543 Abs. 1 S. 2 BGB schreibt ausdrücklich eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien und eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vor. Diese auf bestimmte Gesichtspunkte zu beschränken und deren Berücksichtigung - wie das Berufungsgericht - auf das Vollstreckungsverfahren zu verschieben, verbietet sich bereits aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung. Das Berufungsgericht hätte insoweit dem Vortrag der Beklagten nachgehen müssen, wonach sie auf die Betreuung durch den Beklagten zu 2 in ihrer bisherigen häuslichen Umgebung angewiesen und ansonsten schwerstwiegende Gesundheitsschäden zu besorgen seien.

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2017 | Seite 19 | ID 44383662