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  • 22.02.2019 · IWW-Abrufnummer 207358

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 10.12.2010 – 20 U 73/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. April 2010 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    1

    Gründe (§ 540 ZPO):

    2

    A.

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    Der Kläger nimmt die Beklagte nach einem am 17.01.2009 eingetretenen Brandschaden auf Entschädigung aus einer bei ihr genommenen verbundenen Wohngebäudeversicherung in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen“ (VGB 99 EURO) zugrunde.

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    Der Brand war dadurch entstanden, dass der Kläger am frühen Morgen des 17.01.2009 die abends zuvor abgebrannte Kaminasche in die vor seinem Haus stehende Plastikmülltonne entsorgt hatte und dabei nicht erkannte, dass sich in der Asche noch Glut befand. Innerhalb der Mülltonne entwickelte sich ein Brandherd, der sich ausbreitete und im weiteren Verlauf das Gebäude in Mitleidenschaft zog und einen Schaden in Höhe von 113.600 € verursachte.

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    Die Beklagte hat den Schaden zur Hälfte ersetzt und die Versicherungsleistung im Übrigen wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Kläger gekürzt.

    6

    Mit der Klage fordert der Kläger die zweite Hälfte der Versicherungsleistung. Er hat beantragt,

    7

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 56.800 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.05.2009 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.237,56 € zu zahlen.

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    Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, dem Kläger falle keine grobe Fahrlässigkeit zu Last, da er nach der langen Zeit zwischen 23.00 Uhr abends und 7.30 Uhr morgens nicht mehr damit habe rechnen müssen, dass sich noch Glut in der Asche befinden konnte. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

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    Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter, während der Kläger das landgerichtliche Urteil verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Im Senatstermin hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung erklärt, dass seiner Erinnerung nach keine Scheite mehr später als 20.00 Uhr am Vorabend in den Ofen nachgelegt wurden.

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    Die Berufung der Beklagten ist begründet.

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    Dem Kläger steht über die bereits ausgezahlte hälftige Versicherungsleistung hinaus kein weiterer Anspruch zu.

    12

    1.

    13

    Der Senat legt diejenigen Angaben des Klägers zugrunde, die dieser in der mündlichen Verhandlungen vor dem Senat gemacht hat. Danach kam er am Freitagabend von der Arbeit nach Hause, während seine Ehefrau bereits den Kaminofen befeuert hatte. Nach seiner Rückkehr gegen 20.00 Uhr wurden seiner Erinnerung nach keine Scheite mehr nachgelegt. Am frühen Morgen schob er die im Ofen verbliebenen Aschereste mittels eines mit einem Querschild versehenen Eisenstabes durch den Rost in die darunter befindliche Schublade, brachte diese nach draußen und warf deren Inhalt in die Mülltonne. Dabei war ihm nicht bewusst, dass sich unter den verbliebenen Resten noch Glut befinden konnte.

    14

    2.

    15

    Durch dieses Verhalten hat der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei geführt. Das berechtigte die Beklagte dazu, ihre Leistung gemäß § 81 Abs. 2 VVG um die Hälfte zu kürzen.

    16

    a)

    17

    Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, im hohen Grade, außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen.

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    Dabei sind die konkreten Sorgfaltsanforderungen, die jedermann einleuchten müssen, auch von der Art und der Schwere der abzuwendenden Gefahr mitbestimmt.

    19

    In dem hier vorliegenden Fall geht es um Feuersgefahr. Das Feuer gehört, wie jedermann weiß, zu den Elementargefahren, welches große Schäden anzurichten imstande ist, wenn es außer Kontrolle gerät. Daher ist beim Umgang mit Feuer stets besondere Vorsicht geboten. Die Feuersgefahr lässt keinen Raum für individuelle Sorglosigkeit.

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    In der Asche eines ausgebrannten Kaminofens kann sich Glut über einen vollen Tag hinweg bis maximal 48 Stunden nach dem Erlöschen des Feuers halten. Deshalb gehört es zu den Sicherheitsstandards, nicht vollständig erkaltete Kaminasche niemals direkt in eine Plastikmülltonne zu entsorgen, sondern sie im Freien in einem Blecheimer zwischenzulagern und/oder mit Wasser abzulöschen. Die Einhaltung dieser Sicherheitsvorkehrung ist zur Verhütung einer unkontrollierten Brandentstehung jedermann zwingend geboten.

    21

    Dass der Kläger subjektiv nicht damit gerechnet hat, dass sich in der Asche noch Glut befinden könnte, entlastet ihn nicht. Denn der Kläger hätte sich vor dem Ausleeren der Asche vergewissern müssen, dass keine Glut mehr vorhanden war.

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    Gemäß § 81 Abs. 2 VVG war daher der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechendem Verhältnis zu kürzen. Im Hinblick auf die besonders hohen Sorgfaltsanforderungen beim Umgang mit Feuerstellen hält der Senat eine Kürzung der Versicherungsleistung um 50% für verschuldensgerecht.

    23

    III.

    24

    Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

    RechtsgebietVVGVorschriften§ 81 Abs. 2 VVG