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  • 07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238169

    Landgericht Lübeck: Urteil vom 24.06.2022 – 7 T 214/22

    § 45 Abs. 1 S. 3 GKG findet keine Anwendung, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen (hier: Mietkautionsrückforderung und Vermieteransprüche unter Abzug der Mietkaution) betreffen.


    7 T 214/22
    33 C 314/20 AG Oldenburg in Holstein

    Landgericht Lübeck

    Beschluss

    In dem Rechtsstreit


    - Kläger und Beschwerdegegner -

    Prozessbevollmächtigte:


    gegen


    - Beklagte und Beschwerdegegnerin -

    Prozessbevollmächtigte:

    - Beschwerdeführerin -

    hier: Streitwertbeschwerde

    hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx als Einzelrichter am 24.06.2022 beschlossen:


    Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.05.2022 wird die Streitwertfestsetzung des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein im Beschluss vom 21.04.2022 abgeändert und der Streitwert auf EUR 1.275,95 festgesetzt.

    Gründe

    I.)
    Die Prozessbevollmächtigen der Beklagten wenden sich mit ihrer Streitwertbeschwerde vom 12.05.2022 gegen die Streitwertfestsetzung des Amtsgerichts vom 21.04.2022.

    Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Rückzahlung einer Mietkaution über EUR 801,50 erhoben. Die Beklagten haben gegen den Kläger Widerklage auf Zahlung von EUR 474,45 erhoben. Die Gegenforderung haben die Beklagten folgendermaßen berechnet: Restliche Ansprüche aus Mietverhältnis (Mieten und Nebenkostennachforderungen abzüglich Nebenkostenguthaben) über zusammen EUR 1.275,95 abzüglich der Mietkaution über EUR 801,50 ergeben die Widerklageforderung über EUR 474,45.

    Die Parteien haben sich in dem Rechtsstreit verglichen. Das Amtsgericht hat den Streitwert im Beschluss vom 21.04.2022 auf EUR 801,50 festgesetzt.

    Hiergegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit ihrer Streitwertbeschwerde vom 12.05.2022. Sie begehren die Addition der Werte aus den Klageanträgen von EUR 801,50 und 474,45.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Lübeck zur Entscheidung vorgelegt. Eine Addition nach § 45 GKG sei abzulehnen. Die mit Klage und Widerklage verfolgten Ansprüche beträfen denselben Gegenstand, weil das Gericht nicht beiden stattgeben könne.


    II.)
    Die nach § 68 Abs. 1 S. 1 GKG statthafte und im übrigen zulässige Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten führt zur Abänderung der Streitwertfestsetzung.

    Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG sind die in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachten Ansprüche grundsätzlich zusammenzurechnen. Allerdings ist nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, wenn die einander gegenüberstehenden Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Letzteres ist unabhängig vom zivilprozessualen Streitgegenstand bei wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage der Fall. Diese Identität ist dann gegeben, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass beiden stattgegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (BGH, NJW-RR 2005, 506). Das ist hier an sich zwar der Fall.

    Der genannte Identitätsgrundsatz greift jedoch dann nicht ein, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen (BGH NJW 2014, 1456). Dementsprechend ist vom Erfordernis einer Werteaddition nach Maßgabe von § 45 Abs. 1 S. 1 GKG etwa in den Fällen auszugehen, in denen der Kläger aus einem streitigen Rechtsverhältnis einen über geleistete Zahlungen hinausgehenden Rest- oder Mehrbetrag beansprucht, während der Beklagte widerklagend die geleisteten Zahlungen als nicht geschuldet zurückverlangt, da hierbei wirtschaftlich die aus dem Rechtsverhältnis geschuldete Gesamtvergütung den Gegenstand des Streits der Parteien bildet (vgl. BGH NJW 2014, 1456; OLG Düsseldorf, NJW 2009, 1515; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2009, 864).

    So verhält es sich auch hier.

    Die Widerklage betrifft lediglich behauptete restliche Zahlungsansprüche (Mietansprüche, Nebenkostennachzahlungsforderungen) der Beklagten von EUR 474,45. Die weitergehenden Mietansprüche und Nebenkostennachzahlungsforderungen von EUR 801,50 sind mit der Widerklage nicht streitgegenständlich gemacht worden, weil die Beklagte mit der Mietkaution aufrechnete.

    Die Klage hingegen betrifft die Mietkaution von EUR 801,50. Dieser Forderung hat die Beklagte nicht die rechtshängige Widerklageforderung entgegengestellt, sondern lediglich bei dem nicht-rechtshängigen Teil ihrer Gesamtforderung über EUR 1.275,95 berücksichtigt.

    Insofern betreffen die Klage und die Widerklage unterschiedliche Vermögenspositionen. Der Streit der Parteien bezog sich also - auch wirtschaftlich gesehen - auf die gesamte Forderung der Beklagten über EUR 1.275,95, verteilt auf die Mietkautionsrückforderungsklage und die Widerklage auf Zahlung restlicher Mieten und Nebenkostennachforderungen.

    Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 68 Abs. 2 GKG). Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen.

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 45 Abs. 1 S. 1 und 3 GKG