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  • 11.01.2022 · IWW-Abrufnummer 226812

    Amtsgericht Konstanz: Urteil vom 21.10.2021 – 4 C 163/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Aktenzeichen: 4 C 163/21
             
    Amtsgericht Konstanz

    Im Namen des Volkes    

    Urteil

    In dem Rechtsstreit

    - Kläger -

    gegen

    1)    
    2)    
    - Beklagte -

    wegen Duldung

    hat das Amtsgericht Konstanz durch den Richter am Amtsgericht xxx am 21.10.2021 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2021 für Recht erkannt:

    1. Die Beklagten werden verurteilt, die Installation von neuen Funk-Heizverteilern und Funk-Wasseruhren der XX von ihnen bewohnten Doppelhaushälfte zu dulden.
    2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 159,94 € an den Kläger zu zahlen.
    3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch den Kläger gegen sie als Leistung i.H.v. 700,00 € abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

    Tatbestand

    In diesen Prozess wird darüber gestritten, ob der Vermieter in der an die Beklagten vermieteten Wohnung zwecks Messung nun Funk-Erfassungsgeräte installieren darf.

    Zwischen den Parteien besteht seit Herbst 2016 ein Wohnraummietvertrag. Die Beheizung und Warmwasserversorgung erfolgt in dem aus zwei Doppelhaushälften bestehenden Haus über eine Zentralheizung. Bislang erfolgte die Verbrauchserfassung über elektronische Heizkostenverteiler, Wärmemengenzähler und Wasserzähler, die in regelmäßigen Abständen abzulesen sind. Der Kläger will nun auf das Funkmessverfahren umstellen.

    Bislang gelang es mehrfach nicht Mitarbeitern der Ablese-Firma Zugang zu den Messeinrichtungen im Mietshaus zwecks Austausch der Messeinrichtungen zu erhalten. Wiederholt wurden von Beklagtenseite hiergegen Einwendungen vorgebracht, so mit E-Mails vom 20.07.2020 (AS 37), 21.07.2020 (AS 39) und 23.07.2020 (AS 41). In der E-Mail vom 21.07.2020 heißt es unter anderem: „Es bleibt also dabei, zum Ablesen kann ISTA natürlich kommen, ansonsten wird aber nichts gemacht.“

    Hierauf schaltete der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten ein, der mit Schreiben vom 05.03.2021 unter Fristsetzung bis zum 21.03.2021 vergeblich aufforderte, Zutritt zu gewähren (AS 45). Für die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit werden nach einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 1.000,00 € brutto 159,94 € geltend gemacht.

    Von Klägerseite werden rechtlichen Ausführungen zu einer Richtlinie des europäischen Parlaments gemacht und zu § 37 des Gesetzes über den Messstellenbetrieb. Außerdem zitiert man eine BGH-Entscheidung von 2011 zu diesem Thema. Schließlich erfolgten Ausführung dazu, weshalb man die rechtlichen Ausführungen der Beklagtenseite für unzutreffend hält.

    Der Kläger beantragt:
    Wie entschieden wurde.

    Die Beklagten beantragen:
    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Beklagten behaupten, dass die Funkwellen, wie sie in modernen Funkanwendungen zum Einsatz kämen, zu gesundheitlichen Problemen ggfs. auch mit schweren Symptomen führen könnten.

    Die Beklagten machen unter anderem rechtliche Ausführungen zu einer EED Richtlinie, die in Deutschland noch keine Rechtsgültigkeit habe. Sie führen auch aus, dass die bisherige HeizkostenV keine Regelungen hinsichtlich der Fernablesung vorsehe. Weiter sind die Beklagten der Meinung, dass die Verweigerung des Austausches deshalb habe erfolgen dürfen, weil diese nicht rechtzeitig vorher angekündigt worden sei. Hier sei die 1-Monatsfrist von § 4 Abs. 2 der HeizkostenV zu beachten. Weiter werden Ausführungen zu § 37 Messstellenbetriebsgesetz gemacht, was unter anderem auch bedeute, dass der Betrieb funkbasierter Wärmezähler bislang im rechtsfreien Raum stattfinde. Weiter sei das Selbstbestimmungsrecht von Art. 2 Abs. 1 und auch Art. 2 Abs. 2 (vermutlich wird das Grundgesetz gemeint) zu beachten sowie Art. 34 Abs. 1 des Einigungsvertrages. Hinzu kämen Probleme des Datenschutzes und sei hierbei die Datenschutzgrundverordnung mit Art. 5 und die Charta der digitalen Grundrechte der Europäischen Union Art. 11 zu beachten.

    Der von Beklagtenseite gestellte Befangenheitsantrag gegen den Richter wurde von zwei Instanzen negativ verbeschieden. Im Übrigen wird zum weiteren Vorbringen der Parteien auf die wechselseitigen Schreiben nebst Anlagen so wie auf das Sitzungsprotokoll vom 15.07.2021 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagten sind auch bei einer nachträglichen Änderung der Geräte zur Verbrauchserfassung nach der Heizkostenverordnung bzw. nach § 555d Abs. 1 BGB verpflichtet, dies zu dulden. Indem sie dies klar und deutlich ablehnten, befanden Sie sich im Verzug und ist die vorgerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit als Verzugsschaden zu ersetzen, §§ 280 Abs. 1, 286, 288 BGB.

    Hinsichtlich eines Anspruchs des Vermieters auf nachträgliche Änderung der Verbrauchserfassung nun durch ein Funksystem schließt sich der hier zuständige Richter vollumfänglich der einschlägigen BGH-Entscheidung an (BGH NJW 2011, 3514):

    Die Mieter trifft durch § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HeizkostenVO eine Duldungspflicht nicht nur beim erstmaligen Einbau von Messgeräten zur Erfassung des Verbrauchs von Wärme und Warmwasser, sondern eine solche auch dann, wenn funktionsfähige Messgeräte durch ein anderes (modernes) Ablesesystem ersetzt werden sollen.

    Die Reichweite dieser in § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 HeizkostenVO normierten Duldungspflicht ist daher im Zusammenspiel mit den übrigen Regelungen in § 4 Abs. 1, 2 HeizkostenVO zu bestimmen.

    Schon nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HeizkostenVO ist die Duldungspflicht des Mieters nicht auf die Fälle der erstmaligen Installation einer Messeinrichtung (und des Austauschs defekter Geräte) beschränkt. Insbesondere ergibt sich aus der Bezugnahme auf die in § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 HeizkostenVO geregelte Ausstattungspflicht des Gebäudeeigentümers/Vermieters ("dies zu dulden") keine entsprechende Begrenzung der den Mieter treffenden Duldungsverpflichtung.

    Bestätigt wird dies durch die mit den Regelungen in § 4 HeizkostenVO verfolgte Intention des Verordnungsgebers. Mit der Einführung der "Pflicht zur Verbrauchserfassung" (so die amtliche Überschrift von § 4 HeizkostenVO) sollte im Interesse der Energieeinsparung das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig beeinflusst werden (BR-Drucks. 632/80, S. 1 f., 13, 15 f.). Mit diesem Anliegen ist es nicht vereinbar, den Gebäudeeigentümer/Vermieter durch eine Begrenzung der Duldungspflicht des Nutzers daran zu hindern, ältere, aber noch funktionsfähige Messeinrichtungen durch moderne Geräte zu ersetzen, die regelmäßig infolge ihrer fortentwickelten Ablesetechnik eine zuverlässigere Verbrauchserfassung ermöglichen. Zudem hat der Verordnungsgeber kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des § 4 HeizkostenVO in der erklärten Absicht, Anstöße zur Verwendung verbesserter Ausstattungen zu geben und dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen, die Möglichkeit zugelassen, Erfassungsgeräte durch Anmietung oder durch eine sonstige (vorübergehende) Gebrauchsüberlassung zu beschaffen (BR-Drucks. 483/83, S. 33), und hat damit eine Verkürzung der Austauschintervalle gebilligt.

    Die aus § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HeizkostenVO folgende Duldungspflicht der Beklagten würde selbst dadurch nicht berührt, wenn der Kläger die für die beabsichtigte Anmietung des Funksystems vorgeschriebenen Mitteilungspflichten (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HeizkostenVO) nicht erfüllt hätte. Die Nichteinhaltung dieses Verfahrens führt nur dazu, dass der betroffene Mieter die hierdurch anfallenden Kosten nicht nach § 7 Abs. 2 HeizkostenVO zu tragen hat.

    Die Beklagten haben auch die Ersetzung der bisherigen Kaltwasserzähler durch ein funkbasiertes Ablesesystem gemäß als Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache zu dulden.
    Zu den vom Mieter zu duldenden Maßnahmen zählt jede Veränderung der Mietsache, die den objektiven Gebrauchs- oder Substanzwert der Räume oder Gebäudeteile im Rahmen ihres Zwecks erhöht und eine bessere Benutzung ermöglicht (vgl. BGH, NJW 2008, 1218 Rn. 21 mwN). Ob eine solche Wohnwertverbesserung vorliegt, ist nicht nach der Wertung des derzeitigen Mieters, sondern nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen; entscheidend ist, ob allgemein in den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen der Maßnahme eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird, so dass der Vermieter damit rechnen kann, dass die Wohnung nach Durchführung der Maßnahme von künftigen Mietinteressenten - bei im Übrigen gleichen Konditionen - eher angemietet würde als eine vergleichbare Wohnung, bei der diese Maßnahme nicht durchgeführt worden. Der Vorteil für einen Mieter, der Funkwellen nicht so kritisch sieht wie die Beklagten, besteht darin, dass künftig keine Ablese-Termine mehr eingehalten oder vereinbart werden müssen, somit Unannehmlichkeiten wegfallen.

    Eine auf einer verbesserten Ablesetechnik beruhenden Erleichterungen kann nach der Verkehrsanschauung den Wert einer Wohnung erhöhen. Aufgrund der Gesetzesänderung ergibt sich diese Verpflichtung nunmehr aus §§ 555b Nr. 4 und Nr. 5, 555c Abs. 4, 555d Abs. 1, BGB.

    § 555d Abs. 2 BGB mit seiner Härteregelung kann hier schon deshalb nicht greifen, da die Vorschrift nur auf eine nicht zumutbare Mieterhöhung abstellt, die hier kein Thema ist.

    Dass vorliegend eine andere Beurteilung geboten wäre, ist nicht ersichtlich. Die von der Beklagten vermuteten gesundheitsschädlichen Wirkungen der Funktechnik sind wissenschaftlich nicht belegt und daher aus Sicht eines objektiven Mieters nicht geeignet, die mit Funkablesesystemen verbundenen Nutzungsvorteile zu entwerten. Hinzu kommt, dass die Beklagten den Einbau eines funkbasierten Ablesesystems zur Erfassung des Wärme- und Warmwasserverbrauchs ohnehin nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HeizkostenVO zu dulden haben, so dass sich nur noch die Frage stellt, ob die mit dem Austausch des Kaltwasserzählers verbundene Vervollständigung des Funksystems den Wohnwert der Mieträume verbessert. Dies ist zu bejahen, denn bei Belassung des bisherigen Kaltwasserzählers würden zwei getrennte Erfassungssysteme (mit unterschiedlichen technischen Anforderungen) nebeneinander betrieben und die mit dem Einbau von funkbasierten Messgeräten für den Wärme- und Warmwasserverbrauch verbundenen Nutzungserleichterungen unterlaufen.

    Auch stellen die Beklagten irrtümlich auf eine längere Vorankündigungsfrist ab, die hier nicht einschlägig ist, weder nach der Heizkostenverordnung noch nach dem BGB. Nicht nur das der BGH in der zitierten Entscheidung keine Kritik daran fand, dass die Vorinstanz, d.h. eine Kammer beim Landgericht Heidelberg, eine einwöchige Duldungsfrist in dem Urteil für ausreichend ansah, ist hier aufgrund der Geringfügigkeit des Eingriffs gemäß § 555c Abs. 4 BGB kein entsprechender Vorlauf erforderlich. Außerdem würde es sich insoweit um eine bloße Förmelei handeln, wo Beklagten außergerichtlichen und gerichtlich klar und deutlich zum Ausdruck brachten, dass ihnen zwar an einem guten Verhältnis zum Vermieter gelegen sei, sie aber keinesfalls mit dem Austausch der Verbrauchserfassung wie vom Kläger gewollt, einverstanden sind.

    Soweit die Beklagten auf Vorschriften abstellen, die entweder noch gar nicht in Kraft getreten sind oder gerade keine Regelung beinhalten, so ist aus diesem Grunde nicht auf diese Vorschriften einzugehen.

    Auch ergibt sich nicht aus dem Grundgesetz oder anderen nationalen oder internationalen Vorschriften, dass der Vermieter den Wohnwert der Immobilie nicht verbessern darf.
    Datenschutzrechtliche Argumente wurden von Beklagtenseite so vage vorgebracht, dass hierauf nicht weiter einzugehen ist.

    Da sich die Beklagten durch die E-Mail vom 21.07.2020 gemäß § 286 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB selbst in Verzug setzten, stellt die nachfolgende Anwaltstätigkeit einen Verzugsschaden dar. Die Gebühren wurden zutreffend berechnet und sind als Schaden zu ersetzen, §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 4 BGB.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

    Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

    Landgericht Konstanz
    Untere Laube 27
    78462 Konstanz

    einzulegen.

    Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

    Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

    Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

    Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de beschrieben.

    RechtsgebietHeizkostenVorschriften§ 4 HeizkostenV