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  • 02.12.2021 · IWW-Abrufnummer 226185

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 21.09.2021 – 24 U 155/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Düsseldorf


    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. 01.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg mit Maßgabe des von der Klägerin erklärten Teilverzichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin EUR 53.158,19 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus EUR 4,53 seit dem 13. April 2016, in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus jeweils EUR 59,90 seit dem 4. September 2014 und seit dem 7. Januar 2015, aus EUR 732,91 seit dem 7. Januar 2015 aus EUR 2.902,54 seit dem 5. Februar 2015, dem 5. März 2015, dem 6. April 2015, dem 6. Mai 2015, dem 4. Juni 2015, dem 4. Juli 2015, dem 5. August 2015, dem 4. September 2015, dem 5. Oktober 2015, dem 5. November 2015, dem 4. Dezember 2015 und seit dem 7. Januar 2016, aus EUR 2.918,51 seit dem 4. Februar 2016 aus jeweils EUR 2.910,51 seit dem 4. März 2016, dem 4. April 2016, dem 5. Mai 2016, dem 6. Juni 2016 und dem 6. Juli 2016 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    1
    G r ü n d e

    2
    I.

    3
    Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Miete und Nutzungsentschädigung aus einem zwischenzeitlich beendeten Gewerbemietverhältnis über ein Ladenlokal in dem Einkaufszentrum geltend.

    4
    Mit Mietvertrag vom 30. März/4. April 2001 mietete die Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein 32,27 m² großes Ladenlokal in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch zu errichtenden Objekt. Auf den Mietvertrag (Anl. K1, GA 38-64; im Folgenden: MV) wird verwiesen. Seit der Eröffnung im Herbst 2001 betrieb die Beklagte dort den Verkauf von Silber- und anderem Schmuck. Des Weiteren mietete die Beklagte von der Klägerin eine Vitrine für monatlich EUR 59,50, in welcher sie Schmuckwaren präsentierte.

    5
    Das Objekt war mit einer Anlage ausgestattet, welche das Ladenlokal während der Nutzungszeit der Beklagten mit einer Zulufttemperatur von 20 °C versorgte.

    6
    Der Bereich, in dem das Ladenlokal der Beklagten lag, ist im Mietvertrag als „Young Fashion Mall“ bezeichnet worden. Die dort gelegenen Geschäfte sollten eine jüngere Zielgruppe ansprechen. In den Jahren 2008 und 2009 eröffneten gegenüber dem Ladenlokal die Gastronomiebetriebe „B.“ und „C.“. Im Laufe der Jahre kam es im Einkaufszentrum zu Betreiberwechseln und Leerständen. Im Jahr 2013 richtete die Klägerin im Einkaufszentrum in unmittelbarer Nähe zum Lokal der Beklagten eine „Food Lounge“ ein.

    7
    Die monatliche Miete war als Indexmiete ausgestaltet (§ 6 MV) und betrug ab Januar 2015 EUR 3.019,76 (brutto, Warmmiete; zuzüglich der Vitrinenmiete EUR 3.079,26). Ab Januar 2016 erhöhte sie sich auf EUR 3.027,76 (brutto, Warmmiete; zuzüglich der Vitrinenmiete EUR 3.087,26). Auf die monatlich vorauszuzahlenden Nebenkosten entfielen EUR 176,72 (EUR 115,50 Vorauszahlung Nebenkosten; EUR 33,00 Vorauszahlung Heizkosten; zzgl. Umsatzsteuer von 19 %).

    8
    Im September 2014 und ab Januar 2015 zahlte die Beklagte die Vitrinenmiete nicht mehr. Im Januar 2015 zahlte sie eine um EUR 909,66 geminderte Miete, nachfolgend leistete sie keine Zahlungen mehr.

    9
    Vom 14. August 2015 bis 9. September 2015 nahm die Beklagte im Ladenlokal Temperaturmessungen vor (GA 211).

    10
    Mit Schreiben vom 18. November 2015 kündigte die für die Klägerin tätige Verwalterin namens und mit Vollmacht der Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos (Anl. K 12, GA 176-179), die Beklagte gab das Objekt am 1. August 2016 zurück.

    11
    Die Klägerin hatte in erster Instanz noch Nachzahlungen für Nebenkostenabrechnungen aus 2012 und 2013 iHv insgesamt EUR 1.641,19 geltend gemacht, die Klage aber mit Schriftsatz vom 5. Juli 2017 mit Zustimmung der Beklagten teilweise zurückgenommen.

    12
    Die Klägerin hat vor dem Landgericht zuletzt beantragt,

    13
    die Beklagte zu verurteilen an sie EUR 56.515,87 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten auf EUR 4,53 seit Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins auf jeweils

    14
    EUR 59,90 seit dem 04. September 2014,

    15
    EUR 59,90 seit dem 07. Januar 2015,

    16
    EUR 909,66 seit dem 07. Januar.2015,

    17
    EUR 3.079,26 seit dem 05. Februar 2015,

    18
    EUR 3.079,26 seit dem 05. März 2015,

    19
    EUR 3.079,26 seit dem 06. April 2015,

    20
    EUR 3.079,26 seit dem 06. Mai 2015,

    21
    EUR 3.079,26 seit dem 04. Juni 2015,

    22
    EUR 3.079,26 seit dem 04. Juli 2015,

    23
    EUR 3.079,26 seit dem 05. August 2015,

    24
    EUR 3.079,26 seit dem 04. September 2015,

    25
    EUR 3.079,26 seit dem 05. Oktober 2015,

    26
    EUR 3.079,26 seit dem 05. November 2015,

    27
    EUR 3.079,26 seit dem 04. Dezember 2015,

    28
    EUR 3.079,26 seit dem 07. Januar 2016,

    29
    EUR 3.095,26 seit dem 04. Februar 2016,

    30
    EUR 3.087,26 seit dem 04. März 2016,

    31
    EUR 3.087,26 seit dem 04. April 2016,

    32
    EUR 3.087,26 seit dem 05. Mai 2016,

    33
    EUR 3.087,26 seit dem 06. Juni 2016 und auf

    34
    EUR 3.087,26 seit dem 06. Juli 2016 zu zahlen.

    35
    Die Beklagte hat beantragt,

    36
    die Klage abzuweisen.

    37
    Widerklagend hat sie beantragt,

    38
    die Klägerin zu verurteilen, an sie EUR 34.122,01 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    39
    Die Beklagte hat behauptet, das Umfeld des Einkaufszentrums mit Geschäften für jüngeres Publikum sei für sie von wesentlicher Bedeutung gewesen, da sie in ihrem Ladenlokal vorwiegend Schmuck für junge Leute vertrieben habe. Dies habe sie während der Vertragsverhandlungen mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Der im Mietvertrag als „Young Fashion Mall“ bezeichnete Bereich enthalte eine Beschaffenheitsvereinbarung. Die von der Klägerin einseitig vollzogene Konzeptänderung stelle einen Mangel dar, der eine Minderung der Miete nach sich ziehe. Die Leerstände in der Nähe ihres Geschäfts seien von der Klägerin bewusst provoziert worden, denn Hintergrund seien Unstimmigkeiten zwischen ihren Gesellschaftern gewesen. Durch die nahegelegenen Gastronomiebetriebe sei eine unerträgliche Geruchsbelästigung entstanden, über die sich Kunden bei ihr und ihren Mitarbeiterinnen beschwert hätten. Das benachbarte Geschäft sei nach dem Auszug der D. mit einer Staubschutzwand versehen worden, welche die Sichtbarkeit ihres Ladenlokals deutlich beeinträchtigt habe.

    40
    Aufgrund der Mängel sei eine Minderung von mindestens 30 % der Miethöhe eingetreten. Sie habe im Vergleich zu dem Jahr 2012 aufgrund der Mängel erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen, die sie mit netto EUR 73.198 beziffert hat. Unter Abzug der verbleibenden Klageforderung ergebe sich der widerklagend geltend gemachte Betrag.

    41
    Die Klägerin hat beantragt,

    42
    die Widerklage abzuweisen.

    43
    Das Landgericht hat nach der Durchführung einer Beweisaufnahme (Ortstermin; Zeugenvernehmung) der Klage mit seinem am einen 30. Januar 2020 verkündeten Urteil iHv EUR 56.515,87 nebst Zinsen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

    44
    Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen (GA 658-676). Das Urteil wurde der Beklagten am 4. Februar 2020 zugestellt (GA 698). Hiergegen hat sie mit einem am 10. Februar 2020 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (GA 701-702). Diese hat sie nach Verlängerungen der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Mai 2020 (GA 716), zum 3. Juni 2020 (GA 721) und zuletzt bis zum 1. Juli 2020 (GA 726) mit einem am Tag des letzten Fristablaufs eingegangenen Schriftsatz begründet (GA 728ff.).

    45
    Sie wendet sich gegen das angefochtene Urteil und meint, sie habe sich während der gesamten Vertragslaufzeit darauf verlassen dürfen, dass das ursprünglich geplante Konzept durchgehalten werde. Der Mietvertrag sei im Hinblick auf eine Vielzahl unwirksamer Klauseln, welche die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu Lasten der Mieter verwendet habe, gemäß § 138 BGB aufgrund Sittenwidrigkeit nichtig. Hierzu führt sie in der Berufungsbegründung näher aus (GA 732-753). Spätestens seit 2011 habe der Mietwert des von ihr gemieteten Ladenlokals maximal noch 50 % der vereinbarten Miete betragen, weil auch die jahrelangen Leerstände in den Verantwortungsbereich der Klägerin fielen. Im Übrigen lasse sich daraus schließen, dass die Flächen praktisch unvermietbar gewesen seien und der verlangte Mietzins deutlich zu hoch gewesen sei. Des Weiteren hätten gravierende Geruchsbelästigungen der benachbarten Gastronomiebetriebe sowie im Sommer vorherrschende hohe Temperaturen im Ladenlokal zu den Gebrauchsbeeinträchtigungen und der dadurch herbeigeführten Minderung beigetragen. Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruchs habe das Landgericht übersehen, dass die Klage insoweit unschlüssig gewesen sei. Der Mietvertrag sehe lediglich Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vor, weshalb höhere Zinsen nicht hätten ausgeurteilt werden dürfen. Zudem habe das Landgericht übersehen, dass hinsichtlich der geltend gemachten Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für die Jahre 2015 und 2016 Abrechnungsreife eingetreten sei.

    46
    Die Beklagte beantragt,

    47
    das angefochtene Urteil abzuändern, die Klage abzuweisen und die Klägerin auf ihre Widerklage zu verurteilen, an sie EUR 34.122,01 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    48
    Die Klägerin beantragt,

    49
    die Berufung zurückzuweisen.

    50
    Sie ist dem Vorbringen der Beklagten entgegengetreten. Sie macht geltend, sie habe auf die Vertragslaufzeiten der Mitmieter keinen Einfluss. So könne ein Mieterwechsel bzw. ein Leerstand auch durch Insolvenzen bedingt sein. Das zunächst angestrebte Konzept, ein jüngeres Publikum anzuziehen, stelle keine zugesicherte Eigenschaft dar. Im Übrigen würden die vorhandenen Geschäfte nach wie vor auch ein jüngeres Publikum anziehen. Eine Nichtigkeit des Mietvertrages läge nicht vor, zumal ihre Ansprüche ohne die von der Beklagten beanstandeten Klauseln bereits auf gesetzlicher Grundlage bestünden.

    51
    Im Hinblick auf die eingetretene Abrechnungsreife der Nebenkostenvorauszahlungen für 2015 und 2016 hat die Klägerin hinsichtlich der Klage iHv EUR 3.357,68 (19 x EUR 176,72) und eines Teils des Zinsanspruchs einen teilweisen Klageverzicht erklärt (GA 851ff.).

    52
    Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

    53
    II.

    54
    Die zulässige Berufung hat ‒ soweit die Klägerin nicht auf die Klageforderung iHv EUR 3.357,68 gem. § 306 ZPO verzichtet hat ‒ keinen Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht insoweit der Klage zu Recht stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

    55
    1.

    56
    Aufgrund des von der Klägerin erklärten Teilklageverzichts hinsichtlich der Restbeträge aus den Nebenkostenabrechnungen für 2015 und 2016 muss der Senat weder die Schlüssigkeit des Klägervorbringens noch dessen Richtigkeit (Wahrheit) prüfen. Vielmehr ist die Klägerin auf Grund des Verzichts mit dem Anspruch insoweit abzuweisen, da die Beklagte die Abweisung beantragt hat (vgl. BeckOK/ZPO/Elzer, Stand: 1. März 2021, § 306 Rn. 14). Eines besonderen Sachantrags bedarf es nicht. Denn die Beklagte hat kein schutzwürdiges Interesse daran, trotz des Verzichts ein streitiges Sachurteil zu erzielen (BeckOK/ZPO/Elzer, aaO, § 306 Rn. 20).

    57
    2.

    58
    Im Übrigen hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

    59
    a.

    60
    Mit der Beklagten kann indes davon ausgegangen werden, dass es sich bei den verwendeten Klauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihr bei Vertragsschluss gestellt hat. Denn AGB sind prima facie anzunehmen, wenn ein gedruckter oder sonst vervielfältigter Text des anderen Teils verwendet wurde (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 ‒ VII ZR 204/90, Rn. 31, jetzt und im Folgenden zitiert nach juris; Beschluss vom 23. Juni 2005 ‒ VII ZR 277/04, Rn. 8; Urteil vom 27. November 2003 ‒ VII ZR 53/03; Senat, Urteil vom 30. Juli 2019 ‒ I-24 U 104/18, Rn. 72 mwN). Zudem ergibt sich aus der Vertragsgestaltung und den gewählten Bezeichnungen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Formularvertrag erstellt und mehrfach verwendet hat.

    61
    Ginge man mit der Beklagten davon aus, dass die im Mietvertrag verwendeten Klauseln unwirksam sind, so gilt gemäß § 306 Abs. 1 BGB, dass der Vertrag im Übrigen wirksam ist. Dies gilt selbst dann, wenn einzelne Klauseln gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen (BeckOK/BGB/H. Schmidt, Stand: 1. Mai 2021 § 306 Rn. 8). An der Stelle der unwirksamen Klauseln tritt nach § 306 Abs. 2 BGB das dispositive Gesetzesrecht. Hier ließen sich sämtliche Klauseln hinweg denken, ohne dass sich an den geltend gemachten Ansprüchen etwas ändern würde. Der Mietzinsanspruch der Klägerin folgt aus § 535 Abs. 2 BGB. Eine etwaig eingetretene Minderung würde auf § 536 BGB beruhen und Schadensersatzansprüche der Beklagten als Mieterin wären auf § 536a Abs. 1 BGB zu stützen.

    62
    Die in den Klauseln geregelten Lebenssachverhalte nehmen demgegenüber auf diese Ansprüche keinen Einfluss, denn dahingehendes steht zwischen den Parteien nicht (mehr) im Streit. Soweit dort Regelungen betreffend die Betriebskosten getroffen wurden, sind auch diese nicht mehr Streitgegenstand, da die Klägerin im Hinblick auf die eingetretene Abrechnungsreife die insoweit allein noch maßgeblichen Ansprüche für die Jahre 2015 und 2016 dem Streit der Parteien aufgrund des Teilverzichts entzogen hat.

    63
    Soweit das Gesetz keine passende Regelung aufweisen würde und die weggefallene Klausel auch nicht ersatzlos bleiben kann, kommt außerdem die Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BeckOK/BGB/H. Schmidt, aaO, § 306 Rn. 15). Unwirksam ist der Vertrag nach § 306 Abs. 3 BGB nur, wenn das Festhalten an ihm eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. Hierzu hat die Beklagte indes nichts vorgetragen.

    64
    b.

    65
    Unwirksame AGB können allerdings auch bedeutsam werden, wenn zu entscheiden ist, ob ein Vertrag sittenwidrig iSv § 138 Abs. 1 BGB ist. Denn der durch das BGB bezweckte Schutz vor unangemessenen AGB würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn die Unwirksamkeit einzelner Klauseln nach dem AGB-Recht dem Verwender dadurch zugutekäme, dass damit gleichzeitig die Sittenwidrigkeit des Vertrages entfiele (MüKo/BGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 306 Rn. 12). Die Entscheidung, ob ein Rechtsgeschäft die Grenzen der durch die Privatautonomie gewährten Freiheit der Vertragsgestaltung überschreitet und deshalb gegen § 138 BGB verstößt, hat aber aufgrund einer Gesamtwürdigung der getroffenen Vereinbarungen, unter Berücksichtigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck der Regelung sowie aller Umstände des Einzelfalles, zu erfolgen (BGH, Urteil vom 18. September 1997 ‒ IX ZR 283/96, Rn. 24, jetzt und im Folgenden zitiert nach juris). Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung sind alle Abreden zu berücksichtigten, unabhängig davon, ob sie aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen keine Wirksamkeit erlangen können. Daher sind auch unwirksame Klauseln in die Prüfung, ob der Vertrag mit den guten Sitten unvereinbar ist, einzubeziehen (BGH, Urteil vom 18. September 1997 ‒ IX ZR 283/96, Rn. 25). Isoliert betrachtet vermögen sie aber den Vorwurf der Sittenwidrigkeit kaum zu rechtfertigen. Als weiteren Gesichtspunkt, der die Sittenwidrigkeit mitbegründen soll, führt die Beklagte indes nur an, dass die Marktmiete für den Laden der Beklagten spätestens seit 2011 nur noch max. 50 % der vereinbarten Miete betragen soll (Berufungsbegründung vom 1. Juli 2020, S. 4,  GA 764). Daraus kann sich die Sittenwidrigkeit jedoch auch zusammen mit den unwirksamen Klauseln nicht ergeben, da die Vertragsparteien die negative Entwicklung des Mietwertes bei Vertragsschluss schwerlich vorhersehen konnten. Dass die Miete für das Ladenlokal auch damals schon ‒ im Jahr 2001 - deutlich überhöht war, macht die Beklagte nicht substantiiert geltend. Schließlich darf nicht außer Betracht bleiben, dass die Beklagte sich zur Begründung der Unwirksamkeit der einzelnen Klauseln auch auf neuere Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur beruft, mit denen die Klägerin bei Vertragsschluss noch nicht rechnen müsste.

    66
    c.

    67
    Die von der Klägerin - bis auf einen geringfügigen Rechenfehler (vgl. Verfügung vom 28. Juni 2021, GA 860-861) - zutreffend errechnete Mietforderung ist von der Beklagten ungemindert geschuldet. Weder lagen von der Klägerin zu vertretende Mängel gem. § 536 Abs. 1 BGB vor, noch haben die Parteien in dem Mietvertrag aus 2001 ein bestimmtes Konzept sowie eine Vollvermietung als zugesicherte Eigenschaften gem. § 536 Abs. 2 BGB vereinbart, welches der Beklagten einen Anspruch darauf verschafft hätte, dass diese bis zum Vertragsende vorliegen.

    68
    aa.

    69
    Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angaben in den Überschriften lediglich den Bereich und das Konzept beschreiben sollten. Soweit sich die Beklagte in erster Instanz auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Präambeln berufen hat, in welchen auch verbindliche Zusicherungen abgegeben werden können (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 26. Mai 2004 ‒ XII ZR 142/02; vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03, Rn. 23), kommt es hierauf nicht an. Der Vertrag enthält keine Präambel, in welcher die Parteien Angaben welcher Art auch immer gemacht hätten. Zu beurteilen ist deshalb allein die im Mietvertrag mehrfach genannte Bezeichnung „Young Fashion Mall“. Aus dieser kann jedoch weder eine Zusicherung noch eine Beschaffenheitsvereinbarung abgeleitet werden. Der Mietvertrag stellt auf der ersten Seite den Begriff „Einkaufszentrum“ (Anl. K1, GA 38) und dies entsprechend auch in der Objektbeschreibung in § 1 Nr. 1 MV (S. 3 MV, GA 40) in den Vordergrund. Von einer Zusicherung kann indes nur ausgegangen werden, wenn der Zusichernde über die allgemeine Anpreisung und Beschreibung der Mietsache hinaus bindend erklären wollte, die Gewähr für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zu übernehmen und für alle Folgen ihres Fehlens eintreten zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2005, aaO, Rn. 26). Hierfür ist indes nichts ersichtlich. Der weitere Inhalt des Mietvertrags gibt keine Anhaltspunkte dafür her, dass sich das Sortiment ausschließlich oder jedenfalls überwiegend auf ein junges Publikum ausrichten sollte oder durchgehend oder nahezu durchgehend eine Vollvermietung von der Klägerin sichergestellt werden musste. Im Übrigen handelt es sich weder bei der Mieterstruktur noch bei der Vollvermietung um zusicherungsfähige Eigenschaften. Denn als Eigenschaften im Sinne von § 536 Abs. 2 BGB kommen neben der physischen Beschaffenheit die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen des Mietgegenstands zu seiner Umwelt in Betracht, die für die Brauchbarkeit und den Wert des Mietobjekts von Bedeutung sein. Diese Beziehungen müssen jedoch ihren Grund in der Beschaffenheit des Mietobjekts selbst haben, von ihm ausgehen, ihm auch für eine gewisse Dauer anhaften und nicht lediglich durch Heranziehung von Umständen in Erscheinung treten, die außerhalb der Mietsache liegen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Februar 2000 ‒ XII ZR 279/97; vom 21. September 2005, aaO, Rn. 27f). Hiervon kann bei der Mieterstruktur nicht ausgegangen werden (BGH, Urteil vom 21. September 2005, aaO, Rn. 28). Entsprechendes gilt für die von der Beklagten verlangte Vollvermietung (vgl. BGH, Urteile vom 16. Februar 2000 ‒ XII ZR 279/97; vom 26. Mai 2004, aaO, Rn. 14 und vom 21. September 2005, aaO; Bieber/Eupen, aaO, B. IV. Rn. 14). Erst recht kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin eine Garantiehaftung dafür treffen würde, ein einmal vorgesehenes Konzept und eine Vollvermietung dauerhaft zu gewährleisten. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass ein derartiges Verständnis dazu führte, dass stark in die Dispositionsbefugnis der Klägerin als Vermieter eingegriffen würde. Solches wäre unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.

    70
    bb.

    71
    Soweit die Beklagte zur Begründung einer Minderung auf eine eingeschränkte Sichtbarkeit ihres Ladenlokals wegen der in der Nachbarschaft aufgestellten Staubschutzwand verwiesen hat, konnte das Landgericht dies beim Ortstermin am 23. Februar 2017 (GA 339) nicht feststellen. Hierauf weist das Urteil unter 3. d) der Entscheidungsgründe (S. 14 der Leseabschrift, GA 691 ff.) zutreffend hin. Für den Senat besteht keine Veranlassung, von diesen Feststellungen abzuweichen.

    72
    cc.

    73
    Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg auf zu hohe Raumtemperaturen im Laden-lokal verweisen. Solche hat sie bereits nicht schlüssig dargelegt. Die von ihr über-reichte Aufstellung (GA 211) lässt lediglich die Aufzeichnung von Innentemperaturen erkennen. Wird jedoch bei hohen Außentemperaturen eine zu hohe Temperatur der Innenräume festgestellt, dann erfordert die substantiierte Darlegung des Mangels der Mieträume nicht nur die genaue Angabe der Raumtemperaturen, sondern auch der damit korrespondierenden Außentemperaturen. Die Innentemperaturen sind für sich genommen nicht aussagekräftig. Ansonsten würde im Hinblick auf die Klimaerwärmung und dem damit einhergehend prognostizierten Temperaturanstieg das Risiko der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit allein dem Vermieter überbürdet, der allgemein herrschende Umweltbedingungen naturgemäß nicht beeinflussen kann (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. September 2019 ‒ I-24 U 197/19, Rn. 36f. mwN).

    74
    Zudem hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine bestimmte Raumtemperatur, sondern lediglich eine Zulufttemperatur von 20 °C schuldete. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass diese Temperatur nicht eingehalten worden sei. Es ist deshalb insgesamt nicht der Klägerin anzulasten, dass die Temperaturen in dem Objekt nicht den Wünschen der Beklagten entsprachen, zu-mal sie bei Vertragsschluss auf den Einbau zusätzlicher Kühlregister zu Gunsten einer geringeren Miete bewusst verzichtet hatte.

    75
    dd.

    76
    Zu den von der Beklagten neben den erhöhten Temperaturen in der ersten Instanz vertieft beanstandeten Geruchsbelästigungen durch die nahegelegene Gastronomie hat sie keine Berufungsangriffe erhoben, denn sie verweist insoweit lediglich auf ihren Vortrag in der ersten Instanz (Berufungsbegründung vom 1. Juli 2020, S. 26, GA 754). Dies genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht (vgl. hierzu Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 520 Rn. 40 mwN) und veranlasst den Senat demgemäß nicht, hierzu weiter auszuführen.

    77
    d.

    78
    Die Beklagte schuldet des Weiteren die offenen Mieten für die Vitrine. Hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Nichtigkeit gem. § 138 BGB wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Mängel der Vitrine hat sie nicht dargetan, weshalb auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Minderung keine Bedenken gegen diese Mietforderung bestehen.

    79
    e.

    80
    Die Klägerin hat mit dem Teilklageverzicht die Klage auf die Verzugszinsen gem. § 7 Nr. 2 S. 1 MV beschränkt, weshalb es keiner Ausführungen dazu bedarf, ob der Klägerin auch ein höherer Verzugszins zugestanden hätte.

    81
    Allerdings verlangt die Klägerin mit dem neu formulierten Antrag nach dem Teilklageverzicht hinsichtlich der offenen Mieten für die Vitrine, welche das Landgericht für September 2014 und ab Januar 2015 zugesprochen hat, nun eine Verzinsung ab dem 7. Mai 2014, was möglicherweise auf einem Übertragungsfehler beruht. Sollte es sich demgegenüber um eine ‒ auch nicht näher begründete - Klageerweiterung handeln, stellte dies eine Anschlussberufung dar, welche (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) verfristet wäre. Denn mit dem am 8. Dezember 2020 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz konnte die am 28. September 2020 ablaufende Frist zur Berufungserwiderung nicht gewahrt werden.

    82
    3.

    83
    Die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit den Forderungen aus vermeintlich über-zahlten Nebenkosten der Jahre 2013 und 2014 hat keinen Erfolg, denn dahingehende Ansprüche hat sie schon in erster Instanz nicht schlüssig vorgetragen. Dort hat die Klägerin auf die von der Beklagten behauptete Überzahlung von Nebenkosten für 2013 und 2014, welche die Beklagte mit insgesamt EUR 4.368,52 angegeben hatte (vgl. Schriftsatz vom 10. Mai 2016, S. 9f., GA 112f.) repliziert, die Beklagte habe die Nebenkostenabrechnungen missverstanden. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte entgegen ihrem Vorbringen nicht mit den genannten Kosten belastet worden ist. Damit einhergehend hat die Klägerin vorgerechnet (Schriftsatz vom 20. Juni 2016, S. 11-13, GA 162f.), dass auch unter Berücksichtigung der Auffassung der Beklagten Nachforderungen von ihr iHv EUR 359,00 für 2012 und EUR 1.223,29 für 2013 bestünden. Mit diesem Vorbringen der Klägerin hat sich die Beklagte schon in erster Instanz dann nicht mehr auseinandergesetzt.

    84
    Im Übrigen verweist die Beklagte auch hier lediglich auf ihr erstinstanzliches Vor-bringen, was den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht genügt (siehe oben).

    85
    4..

    86
    Im Hinblick auf die obigen Ausführungen stehen der Beklagten die widerklagend geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu. Auf die zutreffenden Aus-führungen des Landgerichts kann verwiesen werden.

    87
    III.

    88
    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.

    89
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    90
    Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

    91
    Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 151.522,27 (EUR 147.153,75, vgl. Urteil des Landgerichts, S. 18, GA 695, zzgl. der Hilfsaufrechnung gem. § 45 Abs. 3 GKG iHv EUR 4.368,52, vgl. Schriftsatz vom 10. Mai 2016, S. 9f., GA 112f.)

    RechtsgebietGewerberaumiete