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  • 05.10.2020 · IWW-Abrufnummer 218137

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 24.06.2020 – 5 U 653/20

    Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse können Mängel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB sein, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruhen und nicht in den persönlichen und betrieblichen Umständen des Mieters ihr Ursache haben. Danach ist im Falle der Vereinbarung des Betriebs einer Spielhalle als Mietzweck im Mietvertrag die Nutzungsuntersagung für den Betrieb einer Spielhalle durch die zuständige Behörde ein Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, wenn sie auf der Unterschreitung des landesrechtlich geregelten Mindestabstandes zwischen Spielhallen und geschützten Einrichtungen für Minderjährige (hier allgemeinbildenden Schulen nach § 18a Abs. 4 Satz 1 SächsGlüStVAG) in Bezug auf das Mietobjekt beruht.




    Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 5 U 653/20 am 24.06.2020
    für Recht erkannt:
    Tenor:

        I.

        Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24.02.2020 (5 O 724/19) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
            1.

            Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.633,95 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus

            1.933,75 € vom 04.10.2018 bis zum 04.11.2018,

            3.867,50 € vom 05.11.2018 bis zum 05.12.2018,

            5.801,25 € vom 06.12.2018 bis zum 03.01.2019,

            8.084,56 € vom 04.01.2019 bis zum 04.02.2019 und aus

            9.633,95 € seit dem 05.02.2019

            zu zahlen.
            2.

            Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche hälftige Anwaltskosten in Höhe von 443,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 09.08.2019 zu zahlen.
            3.

            Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
        II.

        Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
        III.

        Von den Kosten des Rechtsstreites tragen in I. Instanz die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6 sowie in II. Instanz die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.
        IV.

        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

        Beide Parteien können jeweils die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
        V.

        Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin, die Eigentümerin des Grundstückes K........... S........... in D..........., nimmt die Beklagte auf Zahlung von Miete für Gewerberäume auf diesem Grundstück für den Zeitraum von Oktober 2018 bis März 2019 in Anspruch.

    Mit Erwerb des Grundstückes am 29.03.2007 ist die Klägerin als Vermieterin in den mit der Beklagten bereits bestehenden Mietvertrag eingetreten. Der Mietvertrag mit der Beklagten wurde durch die damalige Grundstückseigentümerin bereits am 11.06.1990 geschlossen und durch den als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag vom 21.07./01.08.1995 ergänzt. Zum Mietvertrag wurden Nachträge geschlossen vom 24.05./06.04.2000 (Anlage K 2), vom 27./22.07.2005 (Anlage K 3), vom 25./26.09.2007 (Anlage K 4) und vom 06./10.05.2011 (Anlage K 5).

    Ab dem 01.09.2014 war eine monatliche Bruttogesamtmiete von 9.133,25 € vereinbart, die sich aus einer Grundmiete von 6.500,00 € netto und Nebenkostenvorauszahlungen von 1.175,00 € netto zuzüglich Mehrwertsteuer zusammensetzte. Als Mietzweck war in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages bestimmt: "Zum Betriebe einer bauaufsichtlich bereits genehmigten bzw. noch zu genehmigenden Spielstätte mit Gaststätten- und Bistrobereich im vorderen Bereich". Unter § 1 Nr. 4 des Mietvertrages war vereinbart: "Der Vermieter leistet keine Gewähr dafür, dass die gemieteten Räume den in Frage kommenden technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen. Der Mieter hat behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen. Die Räume dürfen nur für die nach den jeweiligen behördlichen Bestimmungen zulässigen Zwecke benutzt werden." Ziffer 10 der Anlage 1 zum Mietvertrag enthielt folgende Regelung: "Für Auflagen von Behörden, die die Mieträume betreffen, hat der Mieter selbst einzustehen und diesen auf eigene Kosten nachzukommen." Mit dem Nachtrag vom 06./10.05.2011 legten die Parteien die Vertragslaufzeit auf 10 Jahre ab dem 01.01.2011 fest.

    Die Beklagte erhielt eine personen- und raumbezogene Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Aufstellung von Spielgeräten im Mietobjekt. Am 15.12.2011 schlossen eine Vielzahl von Bundesländern, zu denen auch der Freistaat Sachsen gehörte, einen neuen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), der als Nachfolgeregelung des zum 01.01.2012 außer Kraft tretenden Glücksspielstaatsvertrages vom 30.01.2007 am 01.07.2012 in Kraft trat. Auf der Grundlage des neuen Glücksspielstaatsvertrages wurde das Sächsische Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag (SächsGlüStVAG) vom 14.12.2007 durch Art. 3 des Gesetzes vom 14.06.2012 (SächsGVBl. S. 270) geändert und dadurch mit Wirkung vom 01.07.2012 § 18a Abs. 4 S. 1 SächsGlüStVAG eingefügt, nach welchem der Abstand einer Spielhalle zu einer weiteren Spielhalle oder zu einer allgemeinbildenden Schule 250 m Luftlinie nicht unterschreiten soll.

    Das Mietobjekt befindet sich in einem Abstand von 138 m Luftlinie zu einer allgemeinbildenden Schule, nämlich der S......-Oberschule in der J........... x in D............ Gleichwohl war der Betrieb der Spielhalle durch die Beklagte im Mietobjekt noch für eine Übergangszeit von 5 Jahren bis zum 30.06.2017 gemäß § 29 Abs. 4 S. 2 GlüStV zulässig, weil die Beklagte eine entsprechende, vor dem 28.10.2011 erteilte Erlaubnis besaß. Mit ihrem Schreiben vom 10.12.2015 beantragte die Beklagte bei der zuständigen Landesdirektion Sachsen die Befreiung vom Mindestabstandsgebot für einen Zeitraum von 6 Jahren ab dem 01.07.2017 gemäß § 29 Abs. 4 S. 4 GlüStV i.V.m. § 18a Abs. 4 S. 2 SächsGlüStVAG unter Berufung auf das Vorliegen einer unbilligen Härte. Diesen Antrag wies die Landesdirektion Sachsen mit Bescheid vom 15.05.2017 (Anlage B 1) zurück. Anträge der Beklagten im Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO beim VG Dresden und beim OVG Bautzen zur Ermöglichung der weiteren Duldung des Spielhallenbetriebes wurden endgültig abgelehnt, und die Landesdirektion Sachsen kündigte der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 07.06.2018 (Anlage B 2) an, sie werde ab dem 01.07.2018 den Betrieb der Spielhalle im Mietobjekt untersagen und die Schließung ggf. im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen, wenn nicht die Beklagte zuvor den Spielbetrieb einstelle.

    Mit dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.07.2018 (Anlage K 7), welches bei der Klägerin am 04.07.2018 einging, erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses, vorsorglich auch die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Zur Begründung erklärte sie, nach den neuen Regeln des Glücksspielstaatsvertrages sei der Betrieb einer Spielhalle im Mietobjekt nicht mehr möglich. Dies habe die Landesdirektion Sachsen angeordnet, und der Rechtsschutz der Beklagten dagegen sei erfolglos geblieben. Aus der Unmöglichkeit der Fortsetzung des Spielbetriebes folge ein Recht der Beklagten zur außerordentlichen Kündigung. Die Klägerin widersprach der außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 17.07.2018 (Anlage K 8) und bestätigte die ordentliche Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2020. Ab dem Monat Oktober 2018 zahlte die Beklagte keine Miete mehr für das streitgegenständliche Mietobjekt. Im Januar 2019 teilte die Beklagte mit, sie wolle das Objekt zum Ende des Monats an die Klägerin zurückgeben. Die Klägerin reagierte darauf mit dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2019 (Anlage K 11), in welchem sie einen Übergabetermin am 11. bzw. 13.02.2019 vorschlug. Die Beklagte nahm die vorgeschlagenen Übergabetermine nicht wahr, brachte aber die Schlüssel des Mietobjektes am 19.02.2019 zur Hausverwaltung der Klägerin.

    Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte schulde die Zahlung der geforderten Miete, weil das Mietverhältnis infolge der Kündigung vom 02.07.2018 nicht mit sofortiger Wirkung, sondern ordentlich zum 31.12.2020 beendet worden sei. Ein Grund für die außerordentliche Beendigung des Mietvertrages mit sofortiger Wirkung habe nicht vorgelegen, weil die Beklagte als Mieterin ausweislich der Regelungen in § 1 Nr. 4 des Mietvertrages sowie in Ziffer 10 der Anlage 1 zum Mietvertrag das Verwendungsrisiko übernommen habe, es der Klägerin also nicht oblegen habe, ein für den Mietzweck geeignetes Objekt zur Verfügung zu stellen. Zumindest aber schulde die Beklagte eine Nutzungsentschädigung für das Mietobjekt bis zur Rückgabe der Schlüssel an die Klägerin im Februar 2019. Wer das Formular des Mietvertrages im Jahre 1995 vorgelegt habe, wisse die Klägerin nicht, weil sie seinerzeit noch nicht Vertragspartei gewesen sei.

    Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei nicht zur Zahlung der geforderten Miete verpflichtet, weil die Kündigung vom 02.07.2018 das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet habe. Der Kündigungsgrund aus § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB habe vorgelegen, weil ihr als Mieterin der vertragsgemäße Gebrauch, nämlich die Nutzung des Mietobjektes als Spielhalle, infolge des Wegfalles der glücksspielrechtlichen Erlaubnis entzogen worden sei. Soweit die von der Klägerin angeführten Vereinbarungen in § 1 Nr. 4 und in Ziffer 10 der Anlage 1 des Mietvertrages überhaupt zu einer abweichenden Risikoverteilung zu Lasten der Beklagten geführt hätten, handele es sich jedenfalls um von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam wären.

    Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in I. Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

    Das Landgericht hat die Parteien angehört und mit dem Urteil vom 24.02.2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 50.604,75 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche hälftige Anwaltskosten i.H.v. 678,45 € nebst Zinsen zu bezahlen und die weitergehende Klage abgewiesen.

    Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung der geforderten Miete für den Zeitraum von Oktober 2018 bis März 2019 aus dem Mietvertrag gemäß § 535 Abs. 2 BGB, weil der Mietvertrag durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.07.2018 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden sei. Durch die Regelungen in § 1 Nr. 4 und Ziffer 10 der Anlage 1 des Mietvertrages habe die Beklagte das Verwendungsrisiko übernommen, welches sich im Wegfall der Erlaubnis für die Beklagte zum Betrieb einer Spielhalle verwirklicht habe. Das Landgericht nehme zwar an, dass derartige Klauseln unwirksam wären, wenn sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen vom Vermieter gestellt worden wären. Es könne aber nicht feststellen, dass die Klauseln im vorliegenden Falle von der Vermieterseite gestellt worden wären. Auch unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Regelungen des Vertragswerkes sei angesichts von § 1 Nr. 4 und Ziffer 10 der Anlage 1 des Mietvertrages von der Übernahme des Verwendungsrisikos durch die Beklagte als Mieterin auszugehen. Der Höhe nach könnten der Klägerin aber nicht die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten für die Monate Oktober bis Dezember 2018 zugesprochen werden, weil insofern zum 31.12.2019 und damit vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 20.01.2020 Abrechnungsreife eingetreten sei.

    Gegen das ihr am 02.03.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.03.2020 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - am 11.05.2020 begründet.

    Sie trägt vor, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass mit den Regelungen in § 1 Nr. 4 und Ziffer 10 der Anlage 1 des Mietvertrages der Beklagten wirksam das Verwendungsrisiko für das Mietobjekt auferlegt worden sei. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, die Klägerin könne sich zur Frage des Stellens der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Nichtwissen erklären. Die Beweislast für die Wirksamkeit der von ihr geltend gemachten Klauseln des Mietvertrages treffe die Klägerin. Im Übrigen sei das Landgericht der Kernrechtsfrage des vorliegenden Rechtsstreites ausgewichen, welche Partei das Risiko einer nachträglichen behördlichen Schließungsanordnung in Bezug auf die Spielhalle trage. Im vorliegend zu beurteilenden Fall sei diese Frage dahin zu beantworten, dass das Risiko die Klägerin als Vermieterin treffe. Im Ergebnis habe deshalb die Beklagte das Mietverhältnis mit der außerordentlichen Kündigung vom 02.07.2018 mit sofortiger Wirkung beenden können.

    Die Beklagte beantragt,

    unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dresden vom 24.02.2020 (Az. 5 O 724/19) die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt die Auffassung des Landgerichtes, wonach die Regelungen in § 1 Nr. 4 und Ziffer 10 der Anlage 1 zum Mietvertrag wirksam das Verwendungsrisiko auf die Beklagte als Mieterin übertragen hätten. Es komme hinzu, dass sich aus dem von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Bescheid der Landesdirektion Sachsen vom 15.05.2017 ergebe, dass die Beklagte eine Spielhallenerlaubnis vom 02.02.2009 besaß, welche einen Befreiungszeitraum (nur) bis zum 30.06.2017 beinhaltete. Insofern habe der Beklagten klar sein müssen, dass sie ab dem 01.07.2017 wiederum einer neuen Befreiung bzw. Verlängerung der Konzessionierung bedürfe, weswegen sie ein bewusstes Risiko eingegangen sei, wenn sie mit dem Nachtrag zum Mietvertrag vom Mai 2011 eine 10-jährige Laufzeit ab dem 01.01.2011 festgelegt habe. Insgesamt enthalte die mietvertragliche Regelung der Parteien eine ausgewogene Risikoverteilung.

    II.

    Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg.

    Die Klägerin kann von der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2018 bis März 2019 nicht die Zahlung von Miete verlangen, weil der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag vorher, nämlich durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zum 04.07.2018 beendet wurde (dazu 1.).

    Die Klägerin hat aber gemäß § 546a Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.633,95 €, weil die Beklagte das Mietobjekt nicht am 04.07.2018, sondern erst am 19.02.2019 an die Klägerin zurückgegeben hat (dazu 2).

    1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten aus dem Schreiben vom 02.07.2018 hat das Mietverhältnis gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB mit Zugang bei der Klägerin am 04.07.2018 mit sofortiger Wirkung beendet, weil der Beklagten der Kündigungsgrund aus § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zur Seite stand.

    Wichtigster Anwendungsbereich des genannten Kündigungsgrundes ist das Bestehen eines Mangels gemäß § 536 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2005, XII ZR 254/01, NJW 2005, 2152; Alberts in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 543 BGB Rn. 25). Zum Kündigungszeitpunkt war das Mietobjekt mangelhaft, weil die Beklagte es auf der Grundlage der Bescheide der Landesdirektion Sachsen vom 15.05.2017 und vom 07.06.2018 nicht zu dem zentralen Mietzweck des Betriebs einer Spielhalle nutzen konnte (dazu a). Eine unerhebliche Beeinträchtigung der Beklagten, welche nicht zur Kündigung berechtigten würde (vgl. Alberts, a.a.O., Rn. 24, 28) scheidet schon wegen des in Bezug auf den zentralen Mietzweck bestehenden Gebrauchshindernisses aus. Eine Frist zur Abhilfe brauchte nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB von der Beklagten nicht gesetzt zu werden, weil der Mangel nicht behebbar war. Die Lage des Mietobjektes kann vom Vermieter nicht verändert werden. Das Kündigungsrecht der Beklagten ist nicht gemäß § 543 Abs. 4 S. 1 BGB i.V.m. § 536b BGB ausgeschlossen (dazu b).

    a) Nach den gesetzlichen Vorschriften des Mietrechts liegt in der in den Bescheiden der Landesdirektion Sachsen vom 15.05.2017 und vom 07.06.2018 enthaltenen Untersagung der Nutzung des Mietobjektes als Spielhalle wegen der Verletzung des Mindestabstandsgebots aus § 18a Abs. 4 S. 1 SächsGlüStVAG ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB (dazu aa).

    Eine abweichende Vereinbarung enthält der zwischen den Parteien zustande gekommene Mietvertrag nicht, insbesondere nicht in § 1 Nr. 4 und in Ziffer 10 der Anlage 1 (dazu bb).

    aa) Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse - wie die Untersagung des Betriebs einer Spielhalle - stellen einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB dar, wenn sie die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit oder Lage der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden. Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjektes durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat; allerdings kann ein möglicher Sachmangel im Einzelfall auch darin gesehen werden, dass eine lange währende Unsicherheit über die Zulässigkeit der behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2013, XII ZR 77/12, NZM 2014, 165; Urteil vom 02.11.2016, XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104; Senatsbeschluss vom 01.06.2017, 5 U 477/17, ZMR 2017, 880; Günter NZM 2016, 569).

    Nach diesen Kriterien ist die Nutzungsuntersagung der Landesdirektion Sachsen für den Betrieb einer Spielhalle im Mietobjekt gegenüber der Beklagten ein Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, weil sie unmittelbar mit der konkreten Lage des Mietobjektes in der Nähe einer allgemeinbildenden Schule in Zusammenhang steht (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.1991, XII ZR 63/90, NJW-RR 1992, 267; Urteil vom 13.07.2011, XII ZR 189/09, NJW 2011, 3151 Rn. 9; KG, Urteil vom 14.07.2014, 8 U 140/13, NJOZ 2014, 1688, 1689; Senatsurteil vom 04.11.2015, 5 U 521/15; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 22.07.2016, 2 U 144/15, BeckRS 2016, 122570 Rn. 17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.2017, 24 U 216/16, BeckRS 2017, 153098 Rn. 12, 13; OLG Hamm, Urteil vom 08.04.2020, 30 U 107/19, BeckRS 2020, 8424 Rn. 47).

    Durch gesetzgeberische Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen führen zwar nicht zu einem Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, wenn sie in den Risikobereich des Mieters fallen, der das Verwendungsrisiko bezüglich des Mietobjektes trägt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.09.2005, XII ZR 66/03, NJW 2006, 899), wenn sie also ihre Ursache in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben. Das Verwendungsrisiko des Mieters ist aber nicht betroffen, wenn die infolge gesetzgeberischer Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkung - wie hier - unmittelbar an die Lage des Mietobjektes anknüpft.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beklagte an der Nutzung des Mietobjekts als Spielhalle auch tatsächlich gehindert, denn im Bescheid der Landesdirektion Sachsen vom 07.06.2018 wurde ihr konkret die Betriebsuntersagung ab dem 01.07.2018 und deren Durchsetzung im Wege der Verwaltungsvollstreckung angedroht. In dieser Situation war der Beklagten nicht zuzumuten, gleichwohl den - rechtswidrigen - Betrieb der Spielhalle aufrechtzuerhalten (idS auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.2017, a.a.O. Rn. 18), zumal die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels eine Straftat nach § 284 StGB ist und sich die Beklagte im vorläufigen Rechtsschutz vor dem VG Dresden und dem OVG Bautzen erfolglos um die Verlängerung der notwendigen Erlaubnis bemüht hat.

    bb) Es kommt nicht entscheidend auf die vom Landgericht problematisierte Frage der Wirksamkeit der Regelungen in § 1 Nr. 4 und in Ziffer 10 der Anlage 1 des Mietvertrages an, weil mit ihnen, sofern man ihre Wirksamkeit zugunsten der Klägerin unterstellte, das nach den Ausführungen oben unter 1.a) aa) die Klägerin als Vermieterin treffende Risiko der Tauglichkeit des Mietobjektes aufgrund seiner Lage zur Durchführung des Mietzweckes des Betriebs einer Spielhalle nicht auf die Beklagte als Mieterin übertragen würde.

    Dies ergibt sich aus einer Auslegung der betroffenen Regelungen nach §§ 133, 157 BGB. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013, XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519; Senatsurteil vom 19.09.2018, 5 U 423/18, BeckRS 2018, 49269). Gleichzeitig gilt zwar auch, dass ein übereinstimmender Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keine oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2014, VIII ZR 302/13, NJW 2015, 409). Soweit sich eine Partei allerdings auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände beruft, trifft sie unter dem Gesichtspunkt der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde die Beweislast (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2014, a.a.O.). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Haftungsmilderungen bzw. -begrenzungen im Zweifel eng auszulegen sind (vgl. Günter in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 423; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 08.04.2020, a.a.O., Rn. 58).

    Nach diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass das hier in Rede stehende Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes bereits nicht unter den Wortlaut der genannten Regelungen des Mietvertrages fällt.

    Am Deutlichsten ist dies in Bezug auf die Regelung in Nr. 10 der Anlage 1 zum Mietvertrag, in der es heißt, für Auflagen von Behörden, die die Mieträume beträfen, habe der Mieter selbst einzustehen und diesen auf eigene Kosten nachzukommen. Die Auslegung des Begriffs der Auflage einer Behörde hat sich an der einschlägigen gesetzlichen Regelung aus § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG zu orientieren (vgl. BGH, Urteil vom 08.04.2020, XII ZR 120/18, NZM 2020, 507 Rn. 20; Senatsbeschluss vom 15.07.2014, 5 U 52/14, ZMR 2015, 120), in welcher der Begriff der Auflage als Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt dahin definiert wird, dass es sich um eine Bestimmung handelt, welche dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreibt. Es liegt auf der Hand, dass die Ablehnung der Betriebserlaubnis für eine Spielstätte bzw. die Nutzungsuntersagungsverfügung keine Auflage einer Behörde sein kann. Es fehlt hier schon an einem Begünstigten und die Versagung der Erlaubnis bzw. die Nutzungsuntersagung ist die Haupt- und nicht die Nebenbestimmung des Verwaltungsaktes. Eine Auflage könnte allenfalls dann bestehen, wenn mit einer Erlaubnis eine bestimmte Einschränkung verbunden ist, worum es hier aber erkennbar nicht geht.

    Auch mit der Regelung unter § 1 Nr. 4 des Mietvertrages wird das hier in Rede stehende Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietvertrages nicht auf den Mieter übertragen. Von den 3 Sätzen dieser Regelung kann von vornherein nur Satz 1 betroffen sein, weil der zweite Satz wiederum mit behördlichen Auflagen zu tun hat und demzufolge der Ziffer 10 der Anlage 1 entspricht und der Satz 3 nur eine Selbstverständlichkeit enthält, wenn er bestimmt, dass die Räume nur für die nach den jeweiligen behördlichen Bestimmungen zulässigen Zwecke benutzt werden können. Wer das Risiko trägt, wenn die Räume nicht für den Mietzweck verwendet werden können, wird damit jedenfalls nicht geregelt.

    Satz 1 des § 1 Nr. 4 enthält die Regelung, dass der Vermieter keine Gewähr dafür leistet, dass die gemieteten Räume den in Frage kommenden technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen. Auch mit dieser Regelung wird nicht die Frage erfasst, was gilt, wenn die Räume als solche zwar den technischen und behördlichen Vorschriften entsprechen, aber an einem Ort liegen, der sozusagen ein Sperrgebiet für Spielhallen ist, so dass der Mieter trotz zum Glücksspiel sonst geeigneter Räume dieses tatsächlich nicht durchführen kann, weil dort keine Spielhalle betrieben werden darf.

    Insofern enthält die Regelung in § 1 Nr. 4 des Mietvertrages einen wesentlich anderen Inhalt als diejenige Regelung, welche dem Urteil des OLG Frankfurt/M. vom 22.07.2016 (a.a.O. Rn. 21) zugrunde lag, wonach der Vermieter keinerlei Gewähr für die Erteilung oder den Fortbestand von Genehmigung oder Konzessionen, die zum Betrieb oder zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebes benötigt werden, übernimmt. Eine solche Regelung enthält eine konkrete Anknüpfung an die Erlaubnis zur Durchführung des Spielbetriebes, während die im vorliegenden Fall auszulegende Bestimmung die bauliche Beschaffenheit von Räumen in den Mittelpunkt stellt. Es kommt hinzu, dass die der Entscheidung des OLG Frankfurt/M. (a.a.O. Rn. 20) zugrunde liegende Regelung infolge von Vertragsverhandlungen im Jahre 2011 geschlossen wurde, bei welchen die Änderung des Glücksspielstaatsvertrages bevorstand und gerade in Bezug auf die Einschränkung der Erlaubniserteilung für das Glücksspiel noch unklar war, an welchen Kriterien sich die Bundesländer orientieren würden. Abweichend davon wurde die vom Senat auszulegende Klausel im Jahre 1995 geschlossen, als von Abstandsregelungen noch keine Rede sein konnte und die Erlaubnispflicht im Wesentlichen dann zu versagen war, wenn dem Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit für die gewerbsmäßige Aufstellung von Spielgeräten fehlte (vgl. §§ 33c, 33i der Gewerbeordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 01.01.1987). Die Zuverlässigkeit des Automatenaufstellers aber ist ein klassisches personenbezogenes Merkmal, welches in den Bereich des Verwendungsrisikos fällt, das der Mieter ohnehin zu tragen hat (vgl. Günter NZM 2016, 569, 571).

    Schließlich ist auch das von der Klägerin in der Berufungserwiderung vom 08.06.2020 aufgeworfene Argument, eine Risikoverteilung zu Lasten der Klägerin als Vermieterin würde zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass zwar der Mieter den langfristig geschlossenen Mietvertrag außerordentlich kündigen könnte, der Vermieter aber in jedem Falle gebunden wäre, inhaltlich nicht zutreffend. Richtig ist zwar, dass der Kündigungsgrund aus § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB nach seinem Wortlaut nur dem Mieter zugute kommen kann. Allerdings kann auch der Vermieter in der vorliegenden Konstellation ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen Störung bzw. Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 3 BGB haben (i.d.S. KG, Urteil vom 14.07.2014, a.a.O.).

    Im Ergebnis ergibt deshalb die Auslegung der von der Klägerin für ihren Standpunkt herangezogenen Bestimmungen des Mietvertrages nach §§ 133, 157 BGB, dass diese den hier zu beurteilenden Fall einer Tauglichkeitsbeeinträchtigung aufgrund der Lage des Mietobjektes nicht betreffen. Eine von den gesetzlichen Vorschriften des Mietrechtes abweichende Risikoverteilung zwischen den Parteien des Mietvertrages besteht deshalb nicht.

    Nähme man mit dem Landgericht und abweichend von der Auffassung des Senates an, durch die Regelung in § 1 Nr. 4 des Mietvertrages, bei welcher es sich dem äußeren Anschein nach um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt, werde das hier in Rede stehende Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietvertrages auf den Mieter übertragen, könnte man entgegen der Auffassung des Landgerichts schon deshalb keine Beweislastentscheidung gegen die Beklagte in Bezug auf deren Behauptung, die Vermieterseite habe die Klausel gestellt, machen, weil eine tatsächliche Vermutung für das Stellen der Klausel durch die Vermieterseite spricht, welche mit der Regelung allein begünstigt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 06.03.2019, 5 U 1613/18, BeckRS 2019, 4671 Rn. 27). Diese Vermutung hätte die Klägerin mit ihrer Erklärung mit Nichtwissen, welche zudem wegen des fehlenden Vortrages zu zumutbaren und erfolglosen Erkundigungen bei ihrem Rechtsvorgänger als Vermieter und Verkäufer des Grundstückes (vgl. dazu OLG Dresden, Beschluss vom 01.12.2003, 8 U 454/03, BeckRS 2003, 30334581; OLG Celle, Urteil vom 19.09.2008, 8 U 63/08, BeckRS 2008, 20880; Greger in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 138 Rn. 16) mit der Rechtsfolge aus § 138 Abs. 3 ZPO unzulässig gewesen sein dürfte, nicht in Frage stellen können.

    b) Die Klägerin beruft sich auf § 536b BGB bzw. auf die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn sie in der Berufungserwiderung vom 08.06.2020 ausführt, die Beklagte könne nicht "sehenden Auges" im Nachtrag vom Mai 2011 eine feste Laufzeit von 10 Jahren ab dem 01.01.2011 vereinbaren, wenn sie - wie sich aus dem Inhalt des Bescheides der Landesdirektion Sachsen vom 15.05.2017 ergebe - selbst aufgrund ihrer Spielhallenerlaubnis vom 02.02.2009 gewusst habe, dass der Befreiungszeitraum lediglich bis zum 30.06.2017 gehe.

    Dieser Einwand der Klägerin ist aber schon deshalb nicht berechtigt, weil sie den Inhalt des Bescheides der Landesdirektion Sachsen vom 15.05.2017 missversteht.

    Dort wird nicht ausgeführt, dass die Beklagte am 02.02.2009 eine bis zum 30.06.2017 befristete Spielhallenerlaubnis erhalten habe. Vielmehr wird unter II.1. auf Seite 3 des Bescheides vom 15.05.2017 ausgeführt, weil am 02.02.2009 eine Spielhallenerlaubnis gemäß § 33i GewO erteilt worden sei, bedürfe es nach Ablauf des zunächst geltenden Befreiungszeitraumes bis einschließlich 30.06.2017 aus § 29 Abs. 4 S. 2 GlüStV für den darüber hinausgehenden Betrieb von Geld- oder Warenspielgeräten in der Spielhalle ab dem 01.07.2017 unabhängig sonstiger Genehmigungserfordernisse einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages. Der Befreiungszeitraum nach § 29 Abs. 4 S. 2 GlüStV bestand aber nicht schon am 02.02.2009, weil der betreffende Glücksspielstaatsvertrag erst am 15.12.2011 geschlossen wurde. Die Landesdirektion Sachsen bezieht sich allein darauf, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrages vom 15.12.2011 am 01.07.2012 zugunsten der Beklagten der 5-jährige Befreiungszeitraum bis zum 30.06.2017 aus § 29 Abs. 4 S. 2 des Glücksspielstaatsvertrages begann, weil die Beklagte schon vor dem 28.10.2011 eine entsprechende Erlaubnis besaß. Dieser Befreiungszeitraum war aber keineswegs bereits in der Erlaubnis vom 02.02.2009 enthalten.

    Vergegenwärtigt man sich diesen Zusammenhang, dann wird deutlich, dass die Beklagte nicht "sehenden Auges" im Mai 2011 einen Befreiungszeitraum erblicken konnte, welcher erst am 15.12.2011 beschlossen wurde und zum 01.07.2012 in Kraft trat (idS schon Senatsurteil vom 04.11.2015, 5 U 521/15). Es kommt noch hinzu, dass im Glücksspielstaatsvertrag am 15.12.2011 lediglich das Mindestabstandsgebot als solches geregelt wurde, nicht aber die konkrete Regelung, wie groß dieser Abstand mindestens zu sein hat. Dies haben die einzelnen Bundesländer in ihren Ausführungsgesetzen (unterschiedlich) geregelt, der Freistaat Sachsen erst durch Artikel des Gesetzes vom 14.06.2012.

    Im Ergebnis ist das Verhalten der Beklagten damit nicht treuwidrig. Die Anwendung von § 536b S. 1 BGB kommt ohnehin nicht in Betracht, weil dieser auf Kenntnis bei Vertragsschluss abstellt, während die Vertragsparteien im Mai 2011 lediglich einen bestehenden Vertrag verlängert haben (vgl. zu dieser Problematik BGH, Urteil vom 05.11.2014, XI ZR 15/12, NJW 2015, 402 [BGH 05.11.2014 - XII ZR 15/12]). Auch § 536b S. 3 BGB kann im vorliegenden Fall nicht angewendet werden, weil der hier in Rede stehende (nachträgliche) Mangel zum Zeitpunkt der Entgegennahme des Mietobjektes durch die Beklagte - bereits im Jahre 1990 - noch nicht bestand.

    2. Die Klägerin kann von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.10.2018 bis zum 19.02.2019 aus § 546a Abs. 1 BGB dem Grunde nach eine Nutzungsentschädigung verlangen, weil der Mietvertrag zuvor, nämlich zum 04.07.2018, beendet wurde (dazu oben II. 1.) und die Beklagte das Mietobjekt erst am 19.02.2019 entsprechend ihrer Verpflichtung aus § 546 Abs. 1 BGB an die Klägerin zurückgegeben hat. Der Höhe nach kann die Klägerin allerdings nur eine Nutzungsentschädigung verlangen, die sich an der Betrag der geminderten Miete orientiert, was bei einer angemessenen Minderung in Höhe von 75 % einen Gesamtbetrag von 9.633,95 € ergibt.

    Die Höhe der angemessenen Nutzungsentschädigung orientiert sich an der zuletzt geschuldeten Miete (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2009, XII ZR 114/06, NJW 2009, 1488), welche wegen der starken Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit zu Lasten der Beklagten um 75 % gemindert ist. Aufgrund der Mangelhaftigkeit des Mietobjektes (dazu oben II. 1.a) ist die Beklagte gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB nur zur Zahlung einer angemessen herabgesetzten Miete verpflichtet gewesen, weil sich die Höhe der Herabsetzung nach der Schwere des Mangels und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der vermieteten Sache richtet (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2012, XII ZR 97/09, NJW 2012, 3173).

    Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegend zu beurteilenden Einzelfalls hält der Senat eine Minderung um 75 % für angemessen. Zwar könnte die Miete um 100 % gemindert sein, wenn nach den Regelungen des Mietvertrages nur die Nutzung der gemieteten Räume als Spielhalle in Betracht käme (vgl. KG, Urteil vom 14.07.2014, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.2017, a.a.O.). Im vorliegend zu beurteilenden Falle gehört zum Mietzweck aber auch, wenn auch untergeordnet, der Betrieb eines Gaststätten- und Bistrobereiches im vorderen Bereich des Mietobjektes, für den kein Betriebshindernis vorgetragen wurde. Der Senat verkennt dabei nicht, dass das "Kerngeschäft" der Beklagten das Betreiben von Spielhallen, nicht aber von Gaststätten ist. Gleichwohl war der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Nutzungsuntersagung für den Betrieb einer Spielhalle die Nutzung des Mietobjektes als Gaststätte möglich. Angesichts dessen erachtet der Senat eine Minderung der Miete um 75 % als angemessen, zumal der Betrieb einer Gaststätte nach der vertraglichen Vereinbarung eine untergeordnete Funktion haben sollte. Maßgebend für die Gebrauchsminderung ist die Bedeutung der Spielhallennutzung für den vertragsgemäßen Gebrauch, nicht aber die vorgesehene Aufteilung der Fläche für Automaten und Gaststättenbereich.

    Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 wäre demnach eine Nutzungsentschädigung ohne Nebenkostenvorauszahlungen i.H.v. 5.801,25 € zu zahlen, für den Monat Januar 2019 eine geminderte Nutzungsentschädigung mit Nebenkostenvorauszahlungen i.H.v. 2.283,31 € und für den Monat Februar 2019 (taggenau bis zum 19. des Monats, vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2005, VIII ZR 57/05, NZM 2006, 52 Rn. 7) eine geminderte Nutzungsentschädigung mit Nebenkostenvorauszahlungen i.H.v. 1.549,39 €, so dass sich ein Gesamtbetrag von 9.633,95 € ergibt.

    III.

    Die Nebenforderung ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges in Höhe einer 0,65 fachen Geschäftsgebühr zzgl. Pauschale und Umsatzsteuer zu einem Gegenstandswert von 9.133,25 € begründet, der den am 31.01.2019 geschuldeten 4 um 75 % geminderten Monatsmieten entspricht.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.

    VorschriftenMietmangel