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  • 15.10.2019 · IWW-Abrufnummer 211681

    Kammergericht Berlin: Urteil vom 20.08.2019 – 21 W 17/19

    1. Auch im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Antrag auf einstweilige Verfügung kann das Beschwerdegericht gemäß §§ 922 Abs. 1 S. 1, 936 ZPO einen Verhandlungstermin anberaumen und anschließend durch Urteil entscheiden.

    2. Es besteht ein Grund zum Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Bauträger, die bezugsfertig hergestellte Wohneinheit dem Erwerber zu übergeben, wenn auch unter den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zuverlässig erkennbar ist, dass nach dem materiellen Recht ein dahingehender Anspruch des Erwerbers einredefrei besteht und der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert hat (Senat, Urteile vom 4. Oktober 2017, 21 U 79/17 und vom 5. Dezember 2017, 21 U 109/17).

    3. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber die Wohneinheit nicht selbst bewohnen, sondern vermieten will. Denn der Verfügungsgrund resultiert nicht aus der beabsichtigten Eigennutzung des Erwerbers, sondern aus der finanziellen Belastung, die ein Bauträgervertrag und eine eventuelle Ersatzbeschaffung für den Erwerber mit sich bringen.

    4. Die Bestimmung in den von einem Bauträger gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgervertrages, wonach die Schlussrate bereits vor vollständiger Fertigstellung des Vertragsgegenstands auf das Anderkonto eines Notars zu zahlen ist, verstößt gegen § 309 Nr. 2.a) BGB und ist unwirksam.


    KG Berlin
    21. Zivilsenat

    20.08.2019


    Tenor

    1. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22.05.2019, 32 O 100/19, abgeändert und die Verfügungsbeklagte einstweilen verpflichtet, dem Kläger die folgende Eigentumswohnung und die dazugehörigen Schlüssel (Haus-, Wohnungs-, Briefkasten und Kellerschlüssel) Zug um Zug gegen Abnahme des Sondereigentums an dieser Wohnung zu übergeben:

    Gartenhaus 1, 3. OG des Bauvorhabens R... ... ..., W... ..., ... bis ... in ... Berlin, bezeichnet als Wohnung Nr. 92, bestehend aus 2 Zimmern, Nebengelass und Balkon, eingetragen im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts ... von Berlin, Blatt ..., mit 323/100.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flur 718, Flurstück 305, Gebäude- und Freifläche R... W... mit einer grundbuchlichen Größe von 6.911 m².

    Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

    2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

    Gründe

    I.

    1

    Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) kaufte mit notariellem Vertrag vom 12.09.2014 (Anlage AST 1) von der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) ein 323/100.000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit der Nr. 92 bezeichneten Wohnung in der R... /... in Berlin zum Zwecke der Vermietung. Die Wohnung hat eine Größe von 59,79 m².

    2

    Der Kaufpreis beträgt 310.000,00 €. Seine Fälligkeit in Teilbeträgen nach dem jeweiligen Baufortschritt regelt § 4 des Notarvertrages (fortan: Bauträgervertrag).

    3

    Die Verfügungsbeklagte verpflichtete sich in § 2 Ziff. 8 des Bauträgervertrages zur bezugsfertigen Herstellung des Sondereigentums durch Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen bis zum 31.01.2017.

    4

    Die Parteien vereinbarten außerdem für den Fall der schuldhaften Überschreitung des Fertigstellungstermins der Wohnräume ab dem 01.03.2017 einen Schadensersatz in Höhe von 10,00 €/m² pro angefangenem Kalendermonat, maximal jedoch in Höhe von 5 % des Kaufpreises, ohne Ausschluss eines darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruches.

    5

    Unter § 7 Ziff. 1 des Bauträgervertrages vereinbarten die Parteien eine getrennte Abnahme von Sonder- und Gemeinschaftseigentum.

    6

    Die Abnahmetermine am 01.11.2018 und 01.02.2019 endeten jeweils ohne Abnahme des Sondereigentums durch den Kläger, da dieser sich weigerte, das ihm vorgelegte Abnahmeprotokoll (Anlage AST 4) zu unterzeichnen. Darin ist eine unwiderrufliche Abnahmeverpflichtung betreffend das Gemeinschaftseigentum nach Feststellung der Abnahmereife durch den TÜV ... sowie eine endgültige Abgeltungsregelung für Ansprüche wegen verzögerter Fertigstellung enthalten.

    7

    Mit Schreiben vom 05.03.2019 berief sich die Beklagte auf § 4 Ziff. 6 des Bauträgervertrages und verlangte die Hinterlegung der Fertigstellungsrate Zug um Zug gegen Besitzübergabe des Sondereigentums auf ein Notaranderkonto.

    8

    Im Hinblick auf die Überschreitung des Fertigstellungstermins rechnete der Kläger mit dem sich aus § 4 Ziff. 2 Abs. 2 des Bauträgervertrages ergebenden pauschalierten Schadensersatzbetrag in Höhe von 15.500,00 € gegen die restliche Kaufpreisforderung auf. Daneben sind die fälligen Kaufpreisraten bis auf die Fertigstellungsrate (10.850,00 €) sowie den Sicherheitseinbehalt nach § 3 Ziff. 4 des Bauträgervertrages (15.500,00 €) gezahlt.

    9

    Den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagten, gerichtet auf Übergabe der bezugsfertigen Wohnung, hat das Landgericht mit Beschluss vom 22.05.2019 zurückgewiesen. Es fehle an dem im einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsgrund. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, den Anspruch im Hauptsacheverfahren zu betreiben. Da die Eigentumswohnung zum Zwecke der Vermietung gekauft worden sei, sei er – anders als bei beabsichtigter Eigennutzung – nicht auf die sofortige Übergabe dringend angewiesen.

    10

    Der Kläger hat gegen den Beschluss vom 22.05.2019 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluss vom 13.06.2019 nicht abgeholfen hat.

    11

    Der Senat hat in dem Beschwerdeverfahren einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt.

    12

    Im Termin hat der Kläger beantragt, die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts zur Übergabe der Wohneinheit im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten. Die Beklagte hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen, hilfsweise die einstweilige Verpflichtung zur Übergabe der Wohneinheit nur Zug um Zug gegen Erklärung der Abnahme des Sondereigentums auszusprechen.

    13

    Von der weiteren Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

    II.

    14

    Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 Abs. 1 und 2, 571 Abs. 1 ZPO zulässige sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg.

    15

    1. Der Senat entscheidet, obwohl die Sache aufgrund der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 22.05.2019 im Beschwerdeverfahren angefallen ist, gemäß §§ 922 Abs. 1, 936 ZPO nach mündlicher Verhandlung durch Urteil. Der Übergang in das Urteilsverfahren ist auch noch in der Beschwerdeinstanz möglich. Zwar gilt grundsätzlich, dass die Abhilfeentscheidung in derselben Entscheidungsart wie die angefochtene ergeht. Dieser auf Beschwerdeverfahren im Allgemeinen zutreffende Befund gilt jedoch nicht einschränkungslos für das Verfahren der einstweiligen Verfügung, das dem Erkenntnisverfahren nahe steht und deshalb gem. § 937 Abs. 2 ZPO die Entscheidung durch Urteil sogar als das generell vorrangige Prozedere vorsieht (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 27.02.2013, 8 U 10/13, BeckRS 2013, 6722; KG, Beschluss vom 19.08.2003, 2 W 154/03, BeckRS 2013, 22209; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Auflage 2018, § 922 Rn. 14 mwN). Fehlt es an einer besonderen Dringlichkeit gem. § 937 Abs. 2 ZPO und verlangt auch der Zweck der beantragten Eilentscheidung keinen Überraschungseffekt, ist zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs regelmäßig eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung geboten.

    16

    2. Der Kläger kann von der Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übergabe der vertragsgegenständlichen Wohnung Zug um Zug gegen Abnahme des Sondereigentums verlangen. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht ein Grund zum Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Bauträger, die bezugsfertig hergestellte Wohneinheit dem Erwerber zu übergeben, wenn auch unter den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zuverlässig erkennbar ist, dass nach dem materiellen Recht ein dahingehender Anspruch des Erwerbers einredefrei besteht und der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert hat (Senat, Urteile vom 04.10.2017, 21 U 79/17, NJW 2018, 311, 312, und vom 05.12.2017, 21 U 109/17, NZBau 2018, 350, 351).

    17

    Diese Voraussetzungen sind auch hier erfüllt:

    18

    a) Der Kläger kann seinen Verfügungsanspruch gegen die Beklagte auf Übergabe der Wohnung und Herausgabe der für die Wohnung bestimmten Schlüssel auf § 7 Abs. 1 des Bauträgervertrages stützen. Die Wohnung ist jedenfalls seit 01.02.2019 bezugsfertig, denn die Beklagte bot sie dem Kläger an diesem Tag erneut zur Abnahme an. Die von dem Kläger gerügten Mängel stellen die Bezugsfertigkeit nicht infrage, denn sie sind nur geringfügig und stehen einer Wohnnutzung nicht entgegen. Der Kläger war auch zur Abnahme des Sondereigentums unter Vorbehalt von Rechten wegen Mängeln und Restleistungen bereit. Dazu kam es am 01.11.2018 und 01.02.2019 nur deshalb nicht, weil der Kläger – worauf die Beklagte auch keinen Anspruch hat – nicht zu einem weitergehenden Verzicht auf Schadensersatz wegen verspäteter Fertigstellung und zu einer unwiderruflichen Verpflichtung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums nach Feststellung der Abnahmereife durch einen Sachverständigen bereit war.

    19

    b) Es besteht auch ein Grund, die Beklagte zur Übergabe der Wohnung durch einstweilige Verfügung zu verpflichten. Für den Erwerber einer Wohnung aufgrund eines Bauträgervertrages stellt es eine erhebliche Beeinträchtigung dar, wenn ihm die bezugsfertig hergestellte Wohnung nicht übergeben wird.

    20

    aa) Der Senat hat in seinen oben zitierten Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz Bauträger zur Übergabe der bezugsfertig hergestellten Wohneinheiten verpflichtet, die jeweils der eigenen Wohnnutzung durch den Erwerber dienen sollten. In diesen Fällen hat der Erwerber seine Lebensplanung regelmäßig darauf eingerichtet, die Wohnung zum vereinbarten Zeitpunkt nutzen zu können. Natürlich könnte er vorübergehend auch in eine andere Wohnung, eine Pension oder ein Hotel ziehen. Dadurch entstehen aber zusätzliche Kosten, die mit zunehmendem Zeitablauf beträchtlich werden können, die finanziert werden müssen und für die der Erwerber am Ende der Streitigkeit mit dem Bauträger je nach dessen finanzieller Leistungsfähigkeit möglicherweise keinen Ersatz erhält. Auch die bei unberechtigter Verweigerung des Bauträgers vielleicht bestehende Möglichkeit, den Vertrag mit ihm zu kündigen oder von ihm zurückzutreten, ist aufgrund der finanziellen Auswirkungen eines solchen Schritts und des Aufwands, der durch die Beschaffung einer anderen (Eigentums-) Wohnung verursacht wird, kein adäquater Ausgleich für den Erwerber.

    21

    bb) Es gilt im Ergebnis nichts anderes, wenn der Erwerber die vertragsgegenständliche Wohnung nicht selbst bewohnen, sondern diese vermieten will, die Wohnung also letztlich als Kapitalanlage dienen soll. Auch in diesem Fall fehlt es an der zumutbaren Substituierbarkeit des betroffenen Wirtschaftsguts. Anders als bei vertraglichen Leistungen, für die sich der Gläubiger im Verzugsfall unschwer und ohne großes finanzielles Risiko Ersatz verschaffen kann, bindet der Bauträgervertrag aufgrund der bis zur Bezugsfertigkeit gezahlten Kaufpreisraten erhebliche Mittel des Erwerbers, die er möglicherweise fremdfinanziert hat und die sich aufgrund der unberechtigten Verweigerung der Übergabe durch den Bauträger einstweilen nicht amortisieren. Im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten erheblichen Mietausfallschaden sind an deren Glaubhaftmachung jedenfalls in Städten mit starker Wohnraumnachfrage wie Berlin nur geringe Anforderungen zu stellen. Es ist dem Erwerber nicht zumutbar, den Übergabeanspruch im Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Wegen der Dauer eines solchen Rechtsstreits selbst bei zügiger Verfahrensführung kann für ihn auf diesem Weg leicht eine zusätzliche Belastung in fünfstelliger Höhe entstehen, die zusätzlich finanziert werden muss und deren Einbringlichkeit als Schadensersatz umso problematischer wird, je mehr Erwerber den Bauträger am Ende auf Zahlung in Anspruch nehmen. Dies zeigt, dass sich der Verfügungsgrund in der vorliegenden Fallkonstellation nicht aus der beabsichtigten Eigennutzung, sondern aus der besonderen finanziellen Belastung ergibt, die ein Bauträgervertrag für den Erwerber mit sich bringt, und die nicht bei jeder beliebigen Verzugssituation besteht.

    22

    cc) Auch das ”Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache” steht einer Besitzeinräumung durch einstweilige Verfügung nicht entgegen. Die vorrangige Aufgabe der Gerichte ist es nicht, Entscheidungen zurückzustellen, sondern genau umgekehrt, effektiven, also schnellen Rechtsschutz zu gewährleisten. Die einzige Rechtfertigung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache liegt in der Verhinderung irreversibler Fakten durch die Vollziehung einer unrichtigen Eilentscheidung. Denn noch wichtiger als die Schnelligkeit einer gerichtlichen Entscheidung ist ihre Richtigkeit. Deshalb wird die Hauptsache aber dann nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen, sobald auch unter den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zuverlässig feststellbar ist, dass nach dem materiellen Recht der geltend gemachte Anspruch einredefrei besteht und die Erfüllung unberechtigt verweigert wird. Selbst wenn die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ”irreversible Fakten” schaffen sollte, entsprechen diese jedenfalls der Rechtslage. Folglich muss unter dieser Bedingung das verfassungsmäßige Gebot effektiven Rechtsschutzes den Vorrang gegenüber dem Interesse eines säumigen Schuldners haben, gerichtliche Prozesse zu entschleunigen, zumal dieses Interesse keineswegs Verfassungsrang genießt.

    23

    Soweit das Landgericht in dem Nichtabhilfebeschluss vom 13.06.2019 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 07.07.2014, 12 W 79/14, ausführt, auch ein Vermieter von Gewerberäumen könne einen Mietausfallschaden durch einen säumigen Mieter nicht mithilfe des einstweiligen Rechtsschutzes abwenden, ergibt sich aus der dort relevanten gesetzlichen Regelung in § 940a ZPO zunächst, dass erhebliche finanzielle Interessen des Vermieters von Wohnraum die Räumung durch einstweiligen Rechtsschutz rechtfertigen können. Anders als das Landgericht meint, wäre der hiesige Kläger als Erwerber einer Eigentumswohnung zur privaten Vermögensbildung auch eher mit dem vom Gesetz privilegierten (Wohnraum-)Vermieter zu vergleichen. Ein wesentlicher Unterschied besteht vorliegend aber auch darin, dass die auf Besitzeinräumung gerichtete Leistungsverfügung gegen den Bauträger – anders als die Räumungsverfügung gegen den Mieter – nicht zu einem endgültigen Verlust seiner Rechtsposition führt. Der Bauträger bleibt weiterhin Eigentümer und ist zur Übertragung des Eigentums an dem Vertragsgegenstand erst mit vollständiger Zahlung des geschuldeten Kaufpreises verpflichtet.

    24

    dd) Der Kläger hat jedoch nur Anspruch auf Übergabe der Wohnung Zug um Zug gegen Erklärung der Abnahme des Sondereigentums. Auf weitergehende Leistungsverweigerungsrechte kann sich die Beklagte nicht berufen.

    25

    (1) Ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der nach dem Bauträgervertrag fälligen Kaufpreisraten steht der Beklagten nicht zu. Unstreitig beträgt der Zahlungsstand gegenwärtig 268.150,00 €. Auf den Sicherheitseinbehalt gem. § 632a Abs. 3 BGB a. F. (vgl. auch § 4 Ziff. 4 des Bauträgervertrages) in Höhe von 5 % des Kaufpreises hat die Beklagte keinen Anspruch, da eine Sicherheitsbürgschaft gem. § 632a Abs. 4 BGB a. F. bisher nicht bei dem beurkundenden Notar hinterlegt worden ist (§ 4 Ziff. 4 Buchst. a) Bauträgervertrag). Auch die Schlusszahlung gem. § 4 Ziff. 1 Buchst. m) des Bauträgervertrages in Höhe von 3,5 % des Kaufpreises ist gegenwärtig mangels Gesamtfertigstellung nicht fällig. Es ist ferner zuverlässig feststellbar, dass der Kläger daneben berechtigt ist, gegen die Kaufpreisforderung der Beklagten mit einer Schadensersatzforderung wegen Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins Betrag in Höhe von 5 % des Kaufpreises, also mit einem Betrag von 15.500,00 €, aufzurechnen. Der Kläger beschränkt sich auf den in § 2 Ziff. 8 Abs. 2 des Bauträgervertrages geregelten pauschalen Schadensersatz in Höhe von 10,00 €/m² pro angefangenem Kalendermonat, gedeckelt auf 5 % des Kaufpreises, ab dem 01.03.2017.

    26

    (2) Die Beklagte darf die Übergabe der Wohnung nicht von der Hinterlegung noch nicht fälliger Kaufpreisraten (z. B. Fertigstellungsrate gem. § 4 Abs. 1 Buchst. m) des Bauträgervertrages auf ein einzurichtendes Notaranderkonto abhängig machen. Das sieht zwar § 4 Ziff. 6 des Bauträgervertrages vor, wenn der Verkäufer die Abnahme des Sondereigentums vor der Abnahme des Gemeinschaftseigentums verlangt. Diese Klausel ist allerdings unwirksam.

    27

    (a) Zwar verstößt der vereinbarte Zahlungsplan unter Einschluss der fraglichen Regelung nicht gegen § 3 Abs. 2 MaBV, denn sie führt aufgrund der Einzahlung auf das Notaranderkonto nicht dazu, dass der Bauträger bereits bei Bezugsfertigkeit über die Schlussrate verfügen könnte (vgl. Senat, Urteil vom 07.05.2019, 21 U 139/18, juris).

    28

    (b) Die Regelung, die im Zweifel eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1992, VII ZR 204/90; KG, Urteil vom 27. Juni 2019, 21 U 144/18, Rz. 44), erweist sich aber als Verstoß gegen das Klauselverbot nach § 309 Nr. 2 Buchst. a) BGB. Die Regelung führt dazu, dass der Erwerber im Streitfall gezwungen ist, zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen (insb. Minderung und Ersatzvornahme) auf Freigabe der hinterlegten Schlussrate zu klagen, anstatt sich gegenüber dem Vergütungsanspruch des Bauträgers auf Minderungs- und Leistungsverweigerungsrechte berufen zu können. Die Klausel läuft darauf hinaus, das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zumindest einzuschränken und das Recht auf Minderung bis zu einer endgültigen Einigung oder Streitentscheidung “auszusetzen”. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt darin jedoch eine unzulässige Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechts, die nach § 309 Nr. 2 Buchst. a) BGB zur Unwirksamkeit der betreffenden Klausel führt (BGH, Urteil vom 11.10.1984, VII ZR 248/83, NJW 1985, 852; LG Duisburg, Urteil vom 18.10.2012, 8 O 227/10, NJW-RR 2013, 595; Basty, Bauträgervertrag, 9. Auflage 2018, Rn. 96; Pause, Bauträgerkauf, 6. Auflage 2018, Rn. 422). Die Hinterlegung der Schlussrate soll zwar dem verständlichen Sicherungsbedürfnis des Bauträgers dienen, der sich vor ungerechtfertigter Zahlungsverweigerung schützen möchte. Sie wahrt demgegenüber jedoch die Interessen des Erwerbers nur unzureichend, weil der Zweck des Leistungsverweigerungsrechts sich nicht in der Sicherung des Gegenanspruchs erschöpft, weshalb es auch nicht gem. § 320 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 273 Abs. 3 BGB durch Sicherheitsleistung abgewendet werden kann. Um den Schutzzweck des Klauselverbots nach § 309 Nr. 2 Buchst. a) BGB zu gewährleisten, kann die Zahlungsabrede gem. § 306a BGB auch nicht als zulässige Vorleistungspflicht des Erwerbers ausgelegt werden (BGH a. a. O.; BeckOGK/Weiler, BGB, § 309 Nr. 2 Rn. 78). Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des BGH vom 17.02.1994 und 20.11.1997 (Schriftsatz vom 05.08.2019, Seite 13) stehen dem nicht entgegen. Diese Entscheidungen treffen zu einem Verstoß gegen das Klauselverbot nach § 309 Nr. 2 Buchst. a) BGB keine Aussage. Der vom Senat im vorliegenden Fall angenommenen Verstoß gegen das Klauselverbot gem. 309 Nr. 2 Buchst. a) BGB gerät auch nicht in Konflikt mit einer Entscheidung des Kammergerichts (Urteil vom 11.07.2013, 8 U 243/12, BeckRS 2013, 18788) zur Zulässigkeit einer Hinterlegungsklausel für Minderungsbeträge in Gewerbemietverträgen. Der wesentliche Unterschied zum hiesigen Verfahren liegt darin, dass es sich im Fall des 8. Zivilsenates um eine gewerbemietvertragliche Klausel handelte. Insoweit kann das Minderungsrechtes formularvertraglich eingeschränkt werden, da die Minderung nicht zu den Grundprinzipien des Mietrechts gehört, § 307 Abs. 2 BGB. Hier gelangt jedoch das speziellere Klauselverbot gem. § 309 Nr. 2 Buchst. a) BGB zur Anwendung, da es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher handelt. Dies rechtfertigt aus der Sicht des Senats die strengeren Anforderungen an eine zulässige Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechts des Erwerbers aus den vom BGH in der Entscheidung vom 11.10.1984 (VII ZR 248/83, NJW 1985, 852) erwähnten Gründen. Der Senat stellt hiermit den Leitsatz Ziff. 1 in seinem Urteil vom 7. Mai 2019 (21 U 139/18) entsprechend richtig.

    29

    (3) Der Kläger hat jedoch nur Zug um Zug gegen Erklärung der Abnahme des Sondereigentums Anspruch auf Übergabe der Wohnung. Eine Abnahme des Sondereigentums hat unstreitig nicht stattgefunden, da sich der Kläger bislang zu Recht geweigert hat, das nach § 7 Ziff. 1 Buchst. a) des Bauträgervertrages vorgesehene gemeinsame Abnahmeprotokoll aufgrund darin enthaltener Verzichtserklärungen zu unterzeichnen. Allerdings hat die Beklagte gem. § 7 Ziff. 1 des Bauträgervertrages und nach § 640 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Abnahme des Sondereigentums durch den Kläger, sofern Bezugsfertigkeit besteht. Die Bezugsfertigkeit der Wohnung macht der Kläger jedenfalls im Anschluss an den gescheiterten Abnahmetermin vom 01.02.2019 selbst geltend, was sich auch aus seinem Begehren im einstweiligen Verfügungsverfahren ergibt. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Wohnung an den Kläger herauszugeben, ohne dass dieser zugleich – ggf. unter Vorbehalt von Mängeln – auch das Sondereigentum abnimmt. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Beklagte in diesem Zusammenhang weder Verzichtserklärungen zu etwaigen weiteren Schadensersatzansprüchen verlangen kann noch Anspruch auf Erklärung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums besteht, sofern nicht die vertraglichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

    30

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Eine Kostenquotelung findet nicht statt, obwohl die Beklagte nur Zug um Zug gegen Abnahmeerklärung betreffend das Sondereigentum verpflichtet worden ist. Unter Wertungsgesichtspunkten unterliegt der Kläger nur geringfügig i. S. d. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: Die Abnahme durch Unterzeichnung des gemeinsamen Abnahmeprotokolls ist bei erkennbarem Abnahmewillen des Klägers bislang nur deshalb gescheitert, weil die Beklagte (unberechtigt) auf einem Verzicht von Rechten durch den Kläger beharrte. Eine teilweise Kostenbelastung des abnahmewilligen Klägers bei Verweigerung der vertraglich definierten Mitwirkungspflicht der Beklagten erscheint deshalb nicht gerechtfertigt.

    31

    Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt. Die Entscheidung ist mit Verkündung rechtskräftig, §§ 704, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO.

    RechtsgebietWohnungsübergabeVorschriften§ 309 Nr. 2 Buchst. a BGB, § 320 Abs. 1 BGB, § 632a Abs. 3 BGB, § 922 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 936 ZPO