OLG Frankfurt
2. Zivilsenat
10.05.2019
2 U 39/19Urteil
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 1.3.2019 (Az.:
2-13 O 50/19) abgeändert.
Die einstweilige Verfügung gemäß Beschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 5.2.2019 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Anordnung in der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von 57.678,66 € abhängt.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren sowie für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung der Streitwertfestsetzung im Urteil des Landgerichts vom 1.3.2019 auf 24.225,39 € festgesetzt.
Gründe
I. §
540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
Der Kläger mietete von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gemäß Vertrag vom 16.9.1998 (Blatt 6 ff. der Akte) Räume im Keller- und Erdgeschoß des Anwesens Straße1 in Stadt1 zum Betrieb einer Arztpraxis an. Gemäß Ergänzung vom 16./29.3.2000 (Blatt 56 der Akte) wurde die neugegründete Gemeinschaftspraxis B und C Mieterin der Praxisräume. Im Jahre 2002 wurden Räume der Praxis an A untervermietet. In der Folgezeit erwarb die Beklagte das Eigentum an der Liegenschaft und wurde am XX.XX.2016 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im Jahre 2018 war der Kläger längerfristig erkrankt. C teilte der Beklagten mit, der Kläger habe sich aus dem Betrieb der Gemeinschaftspraxis zurückgezogen, er trage die Kosten daher allein.
Mit Anwaltsschreiben vom 27.6.2018 (Blatt 29 ff. der Akte) ließ C die außerordentliche fristlose Kündigung des Gesellschaftsvertrages mit dem Kläger vom 1.4.2000 wegen behaupteter Pflichtverletzungen kündigen. Beide führen inzwischen über die Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Stadt1 unter dem Az. ……/18.
Die Mieten einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen für die Monate November und Dezember 2018 sowie Januar 2019 wurden nicht gezahlt.
Mit Schreiben vom 28.1.2019 (Blatt 27 f. der Akte) wies die Beklagte den Kläger und C auf das Bestehen dieser Zahlungsrückstände sowie hinsichtlich der Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2016 in Höhe von insgesamt 29.024,34 € hin, sprach die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietvertrages aus und forderte sie auf, die Mietsache unverzüglich, spätestens bis zum 31.1.2019 zu räumen und an sie herauszugeben. Am selben Tage unterzeichneten die Beklagte und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts „Y1“, vormals firmierend als „Y2“, dessen Gesellschafter unter anderem D ist, einen neuen Mietvertrag über die Praxisräume. Der Kläger fand das Kündigungsschreiben im Briefkasten der Praxis vor.
Als der Kläger sich am 26.1.2019 in den Praxisräumen aufhielt, versuchte Herr D, die Eingangstür zur Praxis aufzuschließen. Der Kläger hatte jedoch inzwischen das Schloss dieser Tür ausgewechselt. D erklärte dem Kläger, er verfüge über einen Mietvertrag und sei deshalb berechtigt, die Praxisräume zu betreten und zu nutzen. Mit E-Mail vom 29.1.2019 (Blatt 38 f. der Akte) beanstandete der Untermieter A den Austausch des Schlosses gegenüber C und verlangte Zugang zu den Räumen, der ihm auch gewährt wurde. Mit E-Mail vom 30.1.2019 um 14:07 Uhr (Blatt 37 der Akte) beanstandeten die Bevollmächtigten des C den Austausch des Türschlosses gegenüber dem Klägervertreter und teilten ihm mit, dass für den Folgetag um 9:00 Uhr in den Praxisräumen ein Treffen zur Übergabe der Räumlichkeiten an die Beklagte vereinbart sei. Ferner wiesen sie auf den Beginn des Nachfolgemietvertrages bereits am 1.2.2019 hin. Mit Anwaltsschreiben vom 30.1.2019 (Blatt 36 der Akte) wies der Kläger Herrn C nochmals darauf hin, dass er an einer Übernahme der Praxis interessiert sei und diese in den Praxisräumen fortführen möchte.
Am 31.1.2019 wurden anlässlich des Übergabetermins in Abwesenheit des Klägers die Praxisräume durch einen Schlüsseldienst geöffnet, das Schloss wurde ausgetauscht. Dem Kläger wurde kein Schlüssel überlassen. Die Beklagte und die neue Mieterin erstellten an diesem Tage das aus Blatt 93 ff. der Akte ersichtliche Übergabe-/ Abnahmeprotokoll über die Praxisräume. Mit Anwaltsschreiben vom 1.2.2019 berief sich die Beklagte auf die von ihr angenommene Vertretungsmacht des C zur Rückgabe des Mietobjekts.
Seine tatsächlichen Behauptungen hat der Kläger mit eidesstattlicher Versicherung vom 4.2.2019 (Blatt 35 der Akte) glaubhaft gemacht.
Das Landgericht hat der Beklagten durch Beschluss vom 5.2.2019 antragsgemäß aufgegeben, dem Kläger Zugang zu den Praxisräumen in der Liegenschaft Straße1 in Stadt1, Erdgeschoß und Kellergeschoß, zu gewähren, und ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiergegen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für deren Geschäftsführer angedroht.
Mit Anwaltsschreiben vom 13.2.2019 (Blatt 75 f. der Akte) ließ die Gesellschaft bürgerlichen Rechts „Y1“ den Kläger auffordern, die Praxisräume bis zum 20.2.2019 übergabefähig zu räumen. Für den Fall des Fristablaufs wurde die Entsorgung der noch vorhandenen Gegenstände gemäß der aus Blatt 81 f. der Akte ersichtlichen Bestandsliste vom 8.2.2019 im Einverständnis mit C - mit Ausnahme der Dokumente mit Aufbewahrungspflicht - angekündigt. Ferner solle zeitnah der Ausbau der Großgeräte (zwei MRT, ein CT) geplant und mitgeteilt werden. Die Beklagte ließ den Kläger mit Anwaltsschreiben vom 15.2.2019 (Blatt 73 f. der Akte) unter Fristsetzung zum 22.2.2019 zur Zahlung rückständiger 30.166,24 € sowie zur vollständigen Räumung der Praxisräume auffordern.
Auf den am 14.2.2019 eingelegten Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht durch Beschluss vom 15.2.2019 (Blatt 63 der Akte) die Vollziehung der einstweiligen Verfügung vom 5.2.2019 ausgesetzt und nach Vernehmung des Zeugen E (Protokoll vom 27.2.2019, Blatt 90 ff. der Akte) durch Urteil vom 1.3.2019, dem Kläger zugestellt am 11.3.2019, die einstweilige Verfügung vom 5.2.2019 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der grundsätzlich nach verbotener Eigenmacht vorliegende Verfügungsgrund fehle, da die Beklagte nicht mehr im Besitz der Praxisräume sei. Dies habe neben dem Übergabeprotokoll vom 31.1.2019 auch die Beweisaufnahme ergeben. Damit könne die Beklagte den Herausgabeanspruch nur noch durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die Nachmieter erfüllen. Da die Nachmieterin einem solchen Herausgabeanspruch ihr Besitzrecht aufgrund des mit ihr abgeschlossenen Mietvertrages entgegenhalten könne, fehle es an der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Eilbedürftigkeit. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts verwiesen.
Mit seiner am 9.4.2019 eingelegten und zugleich begründeten Berufung verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter. Er ist der Ansicht, er sei als Mieter mittelbarer Besitzer und Mitbesitzer und daher anspruchsberechtigt. Da der Mitgesellschafter C seinen Mitbesitz aufgegeben habe, könne er nunmehr die Besitzeinräumung an sich allein verlangen. Auch ein etwaiger den neuen Mietern bereits eingeräumter Besitz sei fehlerhaft, da die weitere Vermietung allein dazu gedient habe, zu seinen Lasten vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Beklagte hätte auch mit ihm Rücksprache nehmen müssen. Die Umstände sprächen dafür, dass die Beklagte Kenntnis von seinen Streitigkeiten mit Herrn C gehabt habe. Er ist der Ansicht, der vom Landgericht angeführte Herausgabeanspruch der Beklagten an die neuen Mieter bestehe nach dessen Ausführungen aufgrund des abgeschlossenen Mietvertrages nicht. Tatsächlich könne die Beklagte aber von den neuen Mietern Herausgabe des fehlerhaft erlangten Besitzes fordern. Ergänzend bezieht der Kläger sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag gemäß Schriftsätzen vom 4.2. und 20.2.2019 (Blatt 2 ff., 70 ff. der Akte). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 2.4. und 6.5.2019 (Blatt 112 ff., 168 f. der Akte) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 1.3.2019 (Az.
2-13 O 50/19) abzuändern und die einstweilige Verfügung gemäß Beschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 5.2.2019 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
eine Sicherheitsleistung in Höhe von zwei Jahresmieten anzuordnen.
Sie beruft sich auf die Begründung des Landgerichts sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen gemäß Schriftsätzen vom 13.2. und 26.2.2019 (Blatt 52 ff., 86 ff. der Akte). Sie behauptet, das Schloss zu den Praxisräumen habe nicht sie, sondern Herr C am Vormittag des 31.1.2019 austauschen lassen; er habe am selben Tage die Räume an sie zurückgegeben. Danach habe sie die Räume am Nachmittag des 31.1.2019 an den Nachmieter D übergeben. Sie ist der Ansicht, der Kläger sei nicht anspruchsberechtigt, da er weder alleiniger Besitzer noch überhaupt Mieter der Liegenschaft sei, sondern vielmehr allein die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Kläger könne daher keinesfalls Herausgabe der Räume an sich alleine verlange, da nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts - gegebenenfalls als Liquidationsgesellschaft mit dem gemeinschaftlichen Zweck der Auflösung - zum Alleinbesitz vertraglich berechtigt gewesen sei. Ansprüche wegen verbotener Eigenmacht könne der Kläger schon deshalb nicht ausüben, weil er sich selbst ohne ihr Einverständnis und das des Herrn C und des Herrn A eigenmächtig durch Austausch der Schlösser eigenen Besitz an den Räumen verschafft habe. Der Besitz des Klägers sei damit selbst fehlerhaft.
Im Übrigen sei sie nicht der richtige Anspruchsgegner, weil nicht sie, sondern Herr C die nach Ansicht des Klägers besitzstörenden Handlungen vorgenommen habe, indem er ohne ihre Mitwirkung und ihre Veranlassung den Austausch der Schlösser veranlasst habe. Er habe damit lediglich die zuvor von dem Kläger begangene verbotene Eigenmacht rückgängig gemacht. Die Rückgabe der Mieträume an sie durch Herrn C stelle eine Notgeschäftsführungsmaßnahme analog §
744 Abs. 2 BGB dar, da nur so weitere Schadenersatzansprüche gegen die Gemeinschaftspraxis-Gesellschaft bürgerlichen Rechts abzuwenden gewesen seien. Da die Übergabe an die Nachfolgemieter bereits erfolgt sei, habe sie selbst keinen Besitz mehr an den Räumen. Demzufolge fehlt es ihrer Ansicht nach an der erforderlichen Eilbedürftigkeit. Sie ist der Ansicht, die Durchsetzung eines Herausgabeanspruchs durch den Kläger sei treuwidrig, weil er die Räume aufgrund der wirksamen Kündigung des Mietvertrages ohnehin wieder an sie herausgeben müsste. Im Übrigen müsse er sich mit seinem Mitgesellschafter C auseinandersetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 2.5. und 7.5.2019 (Blatt 157 ff., 177 ff. der Akte) Bezug genommen.
II. §
540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden (§§
511,
517,
519 f. ZPO). Sie hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg.
Der Kläger kann von der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung Herausgabe der Praxisräume in dem Anwesen Straße1 in Stadt1. verlangen, da die Beklagte der von dem Kläger und C zum Betrieb der Gemeinschaftspraxis gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts den Besitz an den Praxisräumen durch verbotene Eigenmacht entzogen hat und die Beklagte dieser gegenüber fehlerhaft besitzt (§
861 Abs. 1 BGB).
Die Erlangung des Besitzes der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an den Mieträumen durch die Beklagte aufgrund der Übergabe allein durch den Mitgesellschafter des Klägers C erfolgte nicht mit Willen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und war darum ihr gegenüber widerrechtlich (§
858 Abs. 1 BGB). Denn der Wille zur Besitzaufgabe allein des Herrn C war hierfür nicht ausreichend. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts übte ihren Besitz durch den Kläger und Herrn C als ihre Organe gemeinschaftlich aus. Dieser Besitz konnte demzufolge grundsätzlich nicht durch Aufgabe der tatsächlichen Gewalt allein durch Erklärung des Herrn C erfolgen (§
856 Abs. 1 BGB). Denn die Aufgabe der tatsächlichen Gewalt erfordert nicht nur ein entsprechendes Handeln, sondern auch den Willen, die Sachherrschaft aufzugeben (vgl. Palandt/Herrler, BGB 78. Aufl. 2019, § 856, Rdnr. 2 m.w.N.). Zu dieser Willensbildung für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts war aber Herr C allein nicht berechtigt, da er lediglich gemeinsam mit dem Kläger als Mitgesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt war (vgl. auch OLG Düsseldorf,
NZM 2002, 192). Dies galt insbesondere deshalb, weil sich die Gesellschaft jedenfalls nach der Kündigung seitens des C in Auflösung befand (§
709 Abs. 1, §§
714,
730 Abs. 2 S. 2 BGB). Der Kläger hatte allein dadurch, dass er längere Zeit seine Tätigkeit in der gemeinsamen Praxis nicht mehr ausgeübt hatte, weder seine Stellung als Organ der Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch das hiermit verbundene Halten des Besitzes der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an den Praxisräumen verloren (vgl. §
856 Abs. 2 BGB). Irgendwelche Erklärungen des Klägers, dass er künftig nicht mehr an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, gegebenenfalls während deren Abwicklung, beteiligt sein wollte und darum bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden wäre, sind nicht erfolgt.
Der Mitgesellschafter C war auch nicht deshalb allein zur Rückgabe der Mietsache an die Beklagte berechtigt, weil es sich hierbei um eine Notgeschäftsführungsmaßnahme analog §
744 Abs. 2 BGB gehandelt hätte, da nur so weitere Schadenersatzansprüche gegen die Gemeinschaftspraxis-Gesellschaft bürgerlichen Rechts abzuwenden gewesen seien (vgl. hierzu BGH,
NJW 2018, 3014 ff.; Palandt/Sprau, a.a.O., Vorb v §§ 709-715, Rdnr. 6; § 714, Rdnr. 2 m.w.N.). Zwar drohen der Gesellschaft durchaus Schadenersatzansprüche der Beklagten, wenn sie dieser die Mieträume nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses durch die ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung vom 28.1.2019 nicht wie gefordert am 31.1.2019 zurückgab. Ein solches alleiniges Geschäftsführungsrecht des C war aber dennoch nicht zur Abwendung einer akuten Gefahr für die Gesellschaft erforderlich, da Herr C den Kläger ohne weiteres rechtzeitig hätte kontaktieren und in den Entscheidungsprozeß hätte einbeziehen können. Er selbst hatte die Situation herbeigeführt, dass allein er bei dem Übergabetermin anwesend war, da er den Kläger erst einen Tag zuvor über diesen Termin informierte. Die Gespräche mit der Beklagten zur Abstimmung der Rückgabe der Mietsache mussten jedoch bereits geraume Zeit zuvor erfolgt sein, da die Beklagte nur so - vermeintlich - sicher sein konnte, die Praxisräume fristgerecht zum 1.2.2019 an die Nachfolgemieterin übergeben zu können, so dass sie mit dieser einen entsprechenden Mietvertrag vereinbaren konnte.
Die Erlangung des Besitzes durch die Beklagte ist auch nicht deshalb mit Willen des Besitzers und darum nicht widerrechtlich erfolgt, weil sich zunächst Herr C den Besitz, welchen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst innehatte, widerrechtlich ohne Einverständnis des Klägers selbst verschafft (§
858 Abs. 1 BGB) und sodann allein seinen hiermit neu begründeten Besitz auf die Beklagte übertragen hätte. Herr C hat die Praxisräume für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Mieterin an die Beklagte als Vermieterin zurückgegeben, nicht für sich persönlich. Durch den erneuten Austausch des Schlosses der Eingangstür zur Praxis - sofern diesen Austausch entsprechend dem Vortrag der Beklagten nicht sie, sondern Herr C vorgenommen hat - und die hierdurch bewirkte Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Praxisräume hatte Herr C nicht eigenen Besitz begründet, sondern lediglich den zuvor bestehenden und durch den Kläger entzogenen Besitz der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wiederhergestellt (§
854 Abs. 1 BGB). Sein für die Erlangung der tatsächlichen Gewalt erforderlicher Sachherrschaftswille war mangels anderer Anhaltspunkte als Wiedererlangung des Besitzes durch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen, zu dessen Begründung er als Organ der Gesellschaft aufgrund der zuvor seitens des Klägers gegen die Gesellschaft verübten verbotenen Eigenmacht berechtigt war (§ 861 Abs. 1, § 858 Abs. 1, 2 S. 1, § 863, entsprechend §
133 BGB), nicht als Erlangung des Besitzes nun durch ihn persönlich.
Die Beklagte war auch nicht ihrerseits berechtigt, sich den Besitz an der Mietsache ohne wirksame Zustimmung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und darum ohne Zustimmung auch des Klägers zu verschaffen. Ihr Herausgabeanspruch nach Beendigung des Mietverhältnisses mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgrund wirksamer außerordentlicher fristloser Kündigung mit Schreiben vom 28.1.2019 reicht hierfür nicht aus (§
546 Abs. 1, §
542 Abs. 2 Nr. 2, §
543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB), da sie diesen Anspruch nicht selbst durchsetzen durfte.
Vielmehr ist sie mangels freiwilliger Erfüllung durch ihre Schuldnerin darauf verwiesen, ihren Anspruch gerichtliche durchzusetzen und einen entsprechenden Vollstreckungstitel zu erwirken (§§
704 ff. ZPO). Die Beklagte war auch nicht aufgrund der zuvor seitens des Klägers verübten verbotenen Eigenmacht ihrerseits berechtigt, sich den Besitz an der Mietsache wiederzuverschaffen (§§
863,
861 Abs. 1, §
858 Abs. 1, 2 S. 1 BGB). Zwar wirkte die von dem Kläger seinerseits ohne Einwilligung des Mitgesellschafters C verübte verbotene Eigenmacht durch den Austausch der Schlösser der Praxisräume, mit der er sich widerrechtlich den Alleinbesitz an den Räumen verschaffte, auch gegenüber der Beklagten, welche als Vermieterin mittelbare Besitzerin war (§
861 Abs. 1, §§
868,
869 S. 1 BGB) und war ihr gegenüber widerrechtlich. Die Beklagte war als mittelbare Besitzerin aber nur berechtigt, die Wiedereinräumung des Besitzes an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als die bisherige Besitzerin zu verlangen (§
869 S. 2 BGB). Allein die Besitzaufgabe durch den Mitgesellschafter C führte aus den genannten Gründen nicht dazu, dass die Gesellschaft insgesamt den Besitz nicht wieder hätte übernehmen wollen (§
869 S. 2, 2. Hs. BGB).
Ein Verschulden auf Seiten der Beklagten ist nicht erforderlich. Abgesehen davon war der Beklagten bekannt, dass ihr Vertragspartner nicht Herr C persönlich, sondern die aus C und dem Kläger bestehende Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts war. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass C mit Einverständnis des Klägers handelte, bestanden für sie nicht, selbst wenn ihr tatsächlich noch nicht bekannt gewesen sein sollte, dass der Kläger an einer Weiterführung seiner Tätigkeit in den angemieteten Räumen interessiert war und diese deshalb nicht herausgeben wollte.
Der Besitz der Beklagten an den Praxisräumen ist der Gesellschaft gegenüber fehlerhaft, auch wenn die Beklagte den ihr durch Herrn C eingeräumten unmittelbaren Besitz auf die Nachmieterin weiterübertragen hat, wie das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen E festgestellt hat (§
858 Abs. 2 S. 1 BGB). Denn die Beklagte hat auch im Falle der Weitervermietung der Räume weiterhin mittelbaren Besitz an diesen (§
868 BGB; vgl. OLG Celle,
ZMR 2008, 288; Palandt/Herrler, a.a.O., § 861, Rdnr. 7).
Der Kläger kann die Übertragung des Besitzes auf sich persönlich verlangen, da der Mitgesellschafter C ersichtlich den Besitz weder für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch etwa für sich selbst zurückerhalten will. Er ist demzufolge erkennbar nicht bereit, an der für die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs der Gesellschaft erforderlichen Erlangung der tatsächlichen Gewalt für diese (§
854 Abs. 1 BGB) mitzuwirken (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf,
NZM 2002, 192; auch OLG Saarbrücken,
MDR 2007, 510 f.; Palandt/Herrler, a.a.O., § 866, Rdnr. 4).
Jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist der Kläger aufgrund der bestehenden Eilbedürftigkeit nicht gehindert, den an sich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst zustehenden Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes persönlich im Wege der Prozeßstandschaft für die Gesellschaft geltend zu machen, ohne zuvor den Mitgesellschafter C gerichtlich auf Mitwirkung hieran in Anspruch zu nehmen (vgl. grundsätzlich Palandt/Sprau, a.a.O., § 714, Rdnr. 8 m.w.N.). Der Kläger hat ein eigenes berechtigtes Interesse an der sofortigen Durchsetzung des Besitzschutzanspruchs für die Gesellschaft (§
861 Abs. 1 BGB). Dem steht nicht entgegen, dass die Gesellschaft nach wirksamer Kündigung des Mietverhältnisses nicht mehr zum Besitz an den Mieträumen berechtigt ist, da die Frage dieser Berechtigung für das Bestehen eines solchen Anspruchs auf Wiedereinräumung des widerrechtlich entzogenen Besitzes gerade ohne Bedeutung ist. Die gesetzlichen Vorschriften haben den Zweck, solch eigenmächtiges Vorgehen zu untersagen und zu verhindern. Dies gilt auch, wenn das eigenmächtige Verhalten in der Besitzübertragung eines Mitbesitzers oder eines sonst nur gemeinsam zur Verfügung über den Besitz Berechtigten liegt. Demzufolge ist schon die widerrechtliche Übertragung des Besitzes der Gesellschaft seitens des Herrn C unabhängig von der Fortdauer des Mietverhältnisses als gesellschaftswidrig anzusehen, was Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger allein ist (vgl. hierzu BGH,
NJW-RR 2008, 1484 ff.;
NJW 1988, 558 ff.; Palandt/Sprau, a.a.O., § 714, Rdnr. 8). Die Beklagte ist auch an dem gesellschaftswidrigen Verhalten des Herrn C in diesem Sinne beteiligt, da sie wie oben dargelegt wusste, dass ihr Vertragspartner nicht allein Herr C persönlich war, sondern die aus C und dem Kläger bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Beklagte ging nach ihren eigenen Angaben davon aus, dass der Kläger bereits geraume Zeit nicht mehr in der Praxis tätig war. Aus diesem Umstand in Verbindung mit der erkennbaren Bereitschaft des Herrn C, die gemeinsamen Praxisräume aufzugeben, war für sie erkennbar, dass der Kläger und C die Gemeinschaftspraxis nicht fortführen würden und der gemeinsame Gesellschaftszweck demzufolge entfallen war mit der Folge der Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Auch wenn sie Herrn C jedenfalls zu diesem Zeitpunkt als ihren alleinigen Ansprechpartner betrachtete, so bestanden doch für sie wie oben dargelegt keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass C tatsächlich mit Einverständnis des in gleicher Weise berechtigten Klägers handelte. Demzufolge hätte sie sich vergewissern müssen, dass auch der Kläger als mitberechtigter Gesellschafter mit Herrn C mit einer Rückgabe der Mietsache und damit mit der Aufgabe des Besitzes an den Praxisräumen einverstanden war.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch der Gesellschaft ist durch die beantragte einstweilige Verfügung zu sichern (§§
935,
940 ZPO).
Für den erforderlichen Verfügungsgrund der besonderen Eilbedürftigkeit reicht die erfolgte verbotene Eigenmacht aus; eine besondere Dringlichkeit ist darüber hinaus nicht erforderlich (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 940, Rdnr. 8 „Herausgabe und Sequestration, Räumung und Besitzschutz“ m.w.N.).
Der Annahme der Eilbedürftigkeit steht nicht ausnahmsweise entgegen, dass die Beklagte ihren durch verbotene Eigenmacht erlangten unmittelbaren Besitz bereits der Nachfolgemieterin überlassen hat, welche ihrerseits aufgrund des mit ihr abgeschlossenen Mietvertrages den Besitz berechtigt ausübt und die nicht zur Herausgabe bereit zu sein scheint (vgl. hierzu KG Berlin,
MDR 1999, 927 f.). Zum einen ist dennoch nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte aufgrund von Verhandlungen erreichen könnte, dass die Nachfolgemieterin, die ihren Praxisbetrieb jedenfalls noch nicht begonnen hat, da sich noch diverse eingebaute Gegenstände der Gesellschaft des Klägers und des Herrn C in den Räumen befinden, den Besitz zumindest vorübergehend wieder an die Beklagte zurückgibt. Der für eine einstweilige Verfügung erforderliche Verfügungsgrund fehlt zum anderen aber schon aus dem Grunde nicht ausnahmsweise, weil auch den Vertretern der Nachfolgemieterin bekannt war, dass die bisherige Mieterin, jedenfalls soweit sie durch den Kläger als gleichberechtigten Mitgesellschafter mitvertreten wurde, den Besitz an den Mieträumen zum damaligen Zeitpunkt nicht freiwillig aufgeben würde. D hatte bei seinem Versuch, die Mieträume Ende Januar 2019, also vor Beginn des Mietverhältnisses mit der Nachfolgemieterin, zu betreten, den Kläger angetroffen und Kenntnis davon erlangt, dass dieser das Schloss der Eingangstür zur Praxis hatte austauschen lassen. Hierdurch wurde deutlich, dass jedenfalls der Kläger, der sich erkennbar als Mitgesellschafter und berechtigter Mitnutzer in den Räumen aufhielt, mit einer Rückgabe an die Beklagte und einer Übergabe der Räume an die Nachfolgemieterin nicht einverstanden war. Selbst wenn die Übergabe an die Nachfolgemieterin erst am Nachmittag des 31.1.2019 nach Rückgabe der Räume durch Herrn C am Vormittag erfolgt sein sollte, wie die Beklagte vorträgt, so bestand doch auch für D als Mitgesellschafter und Vertreter der Nachfolgemieterin keinerlei Veranlassung anzunehmen, auch der Kläger, der gerade erst das Schloss an der Eingangstür der Praxis hatte auswechseln lassen und ihm dies auch persönlich mitgeteilt hatte, nunmehr doch mit einer Rückgabe der Praxisräume einverstanden gewesen wäre (vgl. hierzu OLG Celle,
ZMR 2008, 288 ff.). Vielmehr ist von einem einverständlichen Zusammenwirken der Nachfolgemieterin mit der Beklagten auszugehen. Dass dies von Seiten der Nachfolgemieterin möglicherweise im Vertrauen auf die - tatsächlich erfolgte -Beendigung des Mietverhältnisses mit der bisherigen Mieterin und auf die - bestehende - Wirksamkeit des Nachfolgemietvertrages geschah, ist in gleicher Weise und aus den gleichen Gründen für das Vorliegen von verbotener Eigenmacht gegenüber der Gesellschaft bürgerlichen Rechts des Klägers und der Herrn C als der bisherigen Mieterin und für die hieraus resultierenden Rechtsfolgen ohne Bedeutung.
Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Klägers auf Antrag der Beklagten erschien im Hinblick darauf als erforderlich, dass die Mieterin seit November 2018 keine Miete mehr für die Räume gezahlt hat §§
936,
921 S. 2 ZPO). Die Sicherheitsleistung war im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer der Erlangung eines Räumungstitels gegen die Mieterin durch die Beklagte auf den Betrag von sechs Monatsmieten einschließlich Betriebskostenvorauszahlung (9.613,11 €) und somit auf 57.678,66 € zu bemessen.
Die Beklagte hat als im Wesentlichen unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§
92 Abs. 2 ZPO).
Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach dem Wert der Nutzung für ein Jahr (8.075,13 € x 12 = 96.901,56 €), der angemessen herabgesetzt wurde, da es sich lediglich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt (§
3 ZPO, §
53 Abs. 1 Nr. 1, §
41 Abs. 2 S. 2, §
63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG).