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  • 05.07.2018 · IWW-Abrufnummer 202136

    Landgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 17.05.2018 – 2-13 S 91/16

    Soll für die nach der Wohnfläche umzulegenden Betriebskosten statt den Flächenangaben in der Teilungserklärung die nach der Wohnflächenverordnung ermittelten Flächen angesetzt werden, bedarf dies einer gesonderten Beschlussfassung. Zum Ansatz der Wohnfläche in einem derartigen Fall bei den verbrauchsunabhängigen Heizkosten.


    Landgericht Frankfurt am Main

    Urt. v. 17.05.2018


    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bensheim vom 02.06.2016 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 15.02.2016 zu Tagesordnungspunkt 2 (Jahresabrechnung 2008) werden hinsichtlich der Einzelabrechnungen bezüglich der Positionen Instandsetzungsrücklage nach Fläche und Heizung/Warmwasser und der Abrechnungsspitze für ungültig erklärt.

    Die Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 3 der Versammlung vom 15.02.2016 werden hinsichtlich der Beschlussfassungen über die Jahresabrechnungen in den jeweiligen Einzelabrechnungen wie folgt für ungültig erklärt:

    bezüglich der Jahresabrechnung 2009 die Positionen Oberflächenwasser, Allgemeinstrom, Rücklagenzuführung Instandhaltung, Heizkosten sowie die Abrechnungsspitzen,
    bezüglich der Jahresabrechnung 2010 die Positionen Oberflächenwasser, Allgemeinstrom, Rücklagenzuführung, Instandhaltung, Heizung sowie die Abrechnungsspitzen,
    bezüglich der Jahresabrechnung 2011 die Positionen Strom allgemein, Niederschlagswasser, Instandhaltung, sonstige Verwaltungskosten und die Position "Heizkosten qm" sowie die Abrechnungsspitzen,
    bezüglich der Jahresabrechnung 2012 sind die Positionen Strom allgemein, Niederschlagswasser, Instandhaltung und "Heizkosten qm" sowie die Abrechnungsspitzen,
    bezüglich der Jahresabrechnung 2013 sind die Positionen Strom allgemein, Abwassergebühren, Instandhaltung und "Heizkosten qm" sowie die Abrechnungsspitzen,
    bezüglich der Jahresabrechnung 2014 sind die Positionen Strom allgemein, Abwassergebühren, Instandhaltung und "Heizkosten qm" - sowie die Abrechnungsspitzen.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagten zu 40 %.

    Das Urteil und das angefochtene Urteil - im Umfang der Berufungszurückweisung - sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleitung von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Der Streitwert wird für beide Instanzen auf die Gebühren bis 45.000,- Euro festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten um Beschlüsse auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.02.2016, auf welcher Beschlüsse über die Jahresabrechnungen 2008 bis 2014 gefasst worden sind.

    In der Teilungserklärung (Bl. 7 d.A.) sind mit handschriftlichen Eintragungen jeweils bei der Angabe der Aufteilungen nach dem vorgedruckten Text mit einer Wohnfläche von "circa" handschriftliche Angaben der Wohnungsgrößen angegeben ….

    Am 24.05.2013 wurden die Wohnungen aufgrund einer vorangegangenen Beauftragung durch die WEG von einer Sachverständigen neu vermessen.. . Dieses Gutachten kam zu folgenden Größen…. Die Differenzen zu den Angaben in der Teilungserklärung rühren unter anderem daher, dass die Sachverständige den beheizbaren Hobbyraum im Untergeschoss nicht als Wohnfläche qualifiziert, welches bei der Wohnung … zu einem Abzug führt, demgegenüber bei der Wohnung … die Dachterrasse und die Terrasse im Erdgeschoss berücksichtigt.

    Die Jahresabrechnungen verwenden teilweise den neuen Verteilungsschlüssel. Die Klägerin erhebt allerdings auch weitere Einwendungen gegen die Jahresabrechnungen und hat beantragt, die Beschlüsse über die Jahresabrechnungen für ungültig zu erklären. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Jahresabrechnung insgesamt für ungültig erklärt, insoweit wird wegen der Begründung auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

    Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

    Die Klägerin verteidigt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag das angefochtene Urteil.

    II.

    Die Berufung ist zulässig und hat teilweise Erfolg.


    2. Zu Unrecht hat das Amtsgericht allerdings die gesamten Beschlüsse über die Jahresabrechnungen für ungültig erklärt, denn der Beschluss über die Jahresabrechnung ist im Sinne von § 139 BGB teilbar. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist § 139 BGB bei Wohnungseigentumsbeschlüssen jedenfalls dann entsprechend anwendbar, wenn diese - wie hier - nicht lediglich interne Wirkung entfalten, sondern auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung rechtlicher Befugnisse oder Pflichten gerichtet sind (BGH V ZR 193/11, Rn. 12 - zitiert nach juris; BGHZ 139, 289, 298) und es sich bei den beanstandeten Teilregelungen - ebenfalls wie hier - um rechnerisch selbstständige und abgrenzbare Teile (BGH V ZR 193/11, Rn. 12 - zitiert nach juris, BGH Urteil vom 4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 Rn. 6; Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339 Rn. 12) handelt. Denn Sinn und Zweck von § 139 BGB ist es, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit im Übrigen aufrechtzuerhalten, wenn dies dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspricht (BGH V ZR 193/11, Rn. 13 - zitiert nach juris; BGH - V ZR 14/08, NJW 2009, 1135, 1136 Rn. 12). Dies führt dazu, dass eine Jahresabrechnung, soweit kein durchgreifender Fehler vorliegt, hinsichtlich der Positionen, die nicht fehlerhaft sind, aufrechterhalten bleibt (vgl. nur Kammer ZWE 2015, 409).

    a) Gegen die jeweiligen Gesamtabrechnungen wendet sich die Klägerin jedoch entgegen der Ansicht des Amtsgerichts im Ergebnis ohne Erfolg.

    Soweit die Klägerin in der Jahresabrechnung 2008 bemängelt, dass unter Ziffer 4 Reparaturkosten für eine Balkonverkleidung … in die Abrechnung eingestellt worden sind, obwohl ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft hierzu nicht gefasst worden ist, so führt dieses nicht zum Erfolg der Klage, denn die Jahresabrechnung ist eine reine Einnahmen- und Ausgabenabrechnung, in welche der Verwalter sämtliche Einnahmen und Ausgaben im Abrechnungszeitraum einzustellen hat.

    Die Frage der Berechtigung ist allenfalls für einen Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter - oder die Entlastung - relevant, nicht jedoch für die Genehmigung der Jahresabrechnung. Sind diese Ausgaben - was die Klägerin nicht bestritten hat - getätigt worden, sind sie einzustellen und zu verteilen.

    Gleiches gilt für die Gerichtskosten im Jahre 2008 in Höhe von 291,- Euro. Insoweit gilt, dass wenn diese im Jahr 2008 angefallen sind, diese in die Jahresabrechnung einzustellen sind. Soweit sich die Klägerin insoweit auf Zahlungen, welche sie geleistet haben will, beruft, ist nicht ersichtlich, inwieweit diese an die Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlt worden sind. Ausweislich des vorgelegten Kostenfestsetzungsbeschlusses war Gläubigerin des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft sondern die übrigen Beklagten, Zahlungen an diese haben allerdings in einer Jahresabrechnung nichts verloren.


    b) Die übrigen Rügen der Klägerin betreffend lediglich die Einzelabrechnung.

    Insoweit ist voranzustellen, dass die Kammer die Auffassung des Amtsgerichtes zur Änderung des Verteilerschlüssels teilt, dieser hätte einer gesonderten Beschlussfassung bedurft. Nach der gebotenen objektiv-normativen Auslegung der Teilungserklärung kommt den dort angegebenen Wohnungsgrößen entgegen der Ansicht der Beklagten insoweit rechtliche Relevanz zu, als die dort angegebenen Wohnungsgrößen als Verteilermaßstab vereinbart worden sind und daher soweit in § 8 der Teilungserklärung der Verteilermaßstab Wohnfläche angegeben ist oder die Wohnungseigentümer dies beschlossen haben, die in der Teilungserklärung enthaltenen Angaben maßgeblich sind (vgl. nur Greiner, Wohnungseigentumsrecht Rdnr. 984; Jennißen § 16 Rdnr. 111 a).

    Wenn und insoweit die Wohnungseigentümer hiervon abweichen wollen, bedarf dieses - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat und worauf Bezug genommen werden kann - einer gesonderten Beschlussfassung (§ 16 Abs. 3 WEG) und kann nicht - konkludent - in der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung erfolgen.

    aa) Allerdings betrifft dies von Vorneherein nur die nach Wohnfläche verteilten Kostenpositionen, dieses ist zunächst für die Jahresabrechnung 2008 allerdings nur die Position Instandhaltungsrücklage nach Fläche.

    Demgegenüber kann die Position Heizung/Warmwasser nicht von Vorneherein aus dem gleichen Grund für ungültig erklärt werden. Gleichwohl erweist sich auch insoweit der Beschluss als nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend. Dabei kommt es allerdings nicht auf die von dem Amtsgericht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellte Problematik der Rückwirkung der Änderung des Verteilungsschlüssels an, denn vorliegend ist der Abrechnungsmaßstab nach § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkV nicht geändert worden. Geändert worden ist lediglich die der Abrechnung zugrunde gelegte Fläche, dieses ist jedoch von § 6 Abs. 4 HeizkV nicht erfasst. Gleichwohl konnte auch dies in dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall nicht nach der angesetzten neuberechneten Fläche erfolgen. Denn die Heizkostenverordnung sieht in § 7 HeizkV die Grundlagen für die Berechnung der verbrauchsunabhängigen Heizkosten vor. Für die Kosten mit der Versorgung mit Wärme sieht § 7 Abs. 1 Satz 5 HeizkV vor, dass die übrigen Kosten nach der Wohn- oder Nutzfläche oder nach dem umbauten Raum zu verteilen sind, daneben kann auch die Wohn- oder Nutzfläche oder der umbaute Raum der beheizten Räume zugrunde gelegt werden. Insoweit kann zwar grundsätzlich für die verbrauchsunabhängigen Kosten eine Umlegung nach dem Flächenverhältnis erfolgen. Nach überwiegender Ansicht ist eine Anlegung dieses Verteilungsmaßstabes aber nicht möglich, wenn - wie hier - zum einen bei den Wohnungseigentümern in unterschiedlichen Größen Terrassen oder sonstige Freiflächen vorhanden sind, welche in die Wohnflächenberechnung nach der Wohnflächenverordnung Eingang finden und andererseits beheizbare Räume vorhanden sind, welche in der Wohnflächenverordnung keine Berücksichtigung finden. Insoweit entspricht es allgemeiner Auffassung, dass in derartigen Fällen nur der Maßstab "beheizte Räume" der Billigkeit entspricht (vgl. KG WuM 2006, 35; Riecke/Schmid § 7 Heizkostenverordnung Rdnr. 13; Schmidt-Futterer/Lammel § 7 Heizkostenverordnung Rdnr. 17 ff.; Jennißen § 16 Rn. 111a; jew. mwN).

    Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob insoweit von Vorneherein nur der Maßstab "beheizte Räume" anzuwenden ist (so Riecke/Schmid a.a.O.) oder im Rahmen der Berechnung der Wohnfläche die Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen von der Berechnung auszunehmen sind (so Schmidt-Futterer/Lammel a.a.O.; vgl. auch LG Karlsruhe NZM 2016, 558; Jennißen, § 16 Rdnr. 111 a).

    Demzufolge ist der hier - ohne eine Beschlussfassung und in Abweichung von der bisherigen anderweitigen Praxis - vorgenommene Ansatz des Verteilerschlüssels der Wohnfläche nach den Flächenberechnungen der Sachverständigen nach der Wohnflächenverordnung in jedem Fall nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend, so dass es auf die Frage, welche Flächenberechnung anzuwenden wäre und ob dies einer gesonderten Beschlussfassung bedürfte, nicht ankommt.

    Da insoweit eine einheitliche Abrechnung für Heizungs- und Warmwasserkosten vorgenommen worden ist und sich auch aus der Anlage nicht mit der für den Wohnungseigentümer erkennbaren Eindeutigkeit eine Aufteilung der Heizkosten und der Warmwasserkosten ergibt, ist insoweit diese gesamte Position für ungültig zu erklären (§ 139 BGB).

    Keinen Erfolg haben kann die Klage jedoch insoweit, als die Klägerin bemängelt, dass in der Jahresabrechnung weitere Zahlungen von ihr nicht berücksichtigt worden sind. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2014, 145) ist ein Vermögensstatus nicht Gegenstand der Beschlussfassung in der einzelnen Abrechnung. Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass zwar sowohl die Einzel- als auch die Gesamtabrechnung den Zustand des Hausgeldkontos informatorisch aufzeigen kann. Ein solcher Nachweis ist jedoch weder Bestandteil der Jahresabrechnung noch des Genehmigungsbeschlusses, die daraus ersichtlichen Informationen können lediglich Indizien gegen die Schlüssigkeit der Abrechnung liefern (BGH a.a.O.). Denn auf die Abrechnungsspitze (Überschuss der Jahresabrechnung über den Wirtschaftsplan), welche alleine Gegenstand des Beschlusses über die Jahresabrechnung ist (Kammer ZMR 2016, 559), haben die tatsächlichen Zahlungen keinen Einfluss, so dass diese insoweit auch nicht Gegenstand der Jahresabrechnung werden, daher insoweit auch nicht angefochten werden können und müssen. Die Frage, ob die Vorauszahlungen zutreffend erfasst worden sind, bleibt daher vielmehr dem Zahlungsprozess vorbehalten.

    Da im Ergebnis lediglich die Position Heizkostenabrechnung und Instandsetzungsrücklage nach Fläche jeweils in den Einzelabrechnungen 2008 nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, ist auch nur insoweit die Jahresabrechnung für ungültig zu erklären. Ebenfalls sind die Abrechnungen bezüglich der sich daraus ergebenden Abrechnungsspitzen (Kammer ZWE 2015, 409; ZWE 2017, 321) für ungültig zu erklären.

    bb) Hinsichtlich der Jahresabrechnungen 2009 bis 2014 gelten die obigen Ausführungen entsprechend, auch insoweit sind die entsprechenden Beschlüsse lediglich teilweise für ungültig zu erklären.