14.09.2011 · IWW-Abrufnummer 114114
BGH: Urteil vom 17.08.2011 – VIII ZR 20/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
im schriftlichen Verfahren
gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
mit Schriftsatzfrist bis zum 9. August 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie
den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2010 aufgehoben, soweit hinsichtlich der Auswechselung des Gasherdes gegen einen Elektroherd zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.
Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 22. Juni 2009 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen ist.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
1
Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in B: . Die Klägerin verlangte mit der im Jahr 2008 erhobenen Klage Duldung umfangreicher Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten. Hierbei ging es unter anderem um den Austausch des Gasherdes gegen einen Elektroherd, den die Klägerin im Zuge der vorgesehenen Beseitigung des Gasanschlusses des Gebäudes vornehmen wollte. Der Beklagte erhob wegen der Ausführung verschiedener Reparaturen Widerklage. Das Amtsgericht wies die Duldungsklage mit rechtskräftigem Teilurteil vom 12. Januar 2009 ab, weil es sich bei dem Austausch des Herdes nicht um eine Modernisierungsmaßnahme handele und der Klägerin deshalb kein Duldungsanspruch zustehe.
2
Im weiteren Verfahren über die vom Beklagten erhobene Widerklage hat die Klägerin "Widerwiderklage" erhoben, unter anderem mit dem (erneuten) Antrag, den Beklagten zur Duldung der Auswechselung des Gasherdes gegen einen Elektroherd zu verurteilen. Zur Begründung hat die Klägerin wiederum geltend gemacht, dass sie die Gasversorgung im gesamten Haus entfernen wolle und der Beklagte deshalb den Austausch des Herdes als Instandhaltungsoder Instandsetzungsmaßnahme dulden müsse.
3
Das Amtsgericht hat die "Widerwiderklage" bezüglich der Duldung des Herdaustausches im Schlussurteil vom 22. Juni 2009 abgewiesen, weil die Ankündigung der zu duldenden Arbeiten in der Modernisierungsankündigung vom 20. April 2009 zu kurzfristig erfolgt sei und der Beklagte keine ausreichende Überlegungsfrist gehabt habe.
4
Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Schlussurteil des Amtsgerichts abgeändert und den Beklagten - unter anderem - zur Duldung des Herdaustausches verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht hinsichtlich dieses Anspruchs zugelassenen Revision begehrt der Beklagte insoweit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Schlussurteils.
Entscheidungsgründe
5
Die Revision hat Erfolg.
I.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
7
Der Beklagte habe den Herdaustausch nach § 554 Abs. 1, § 242 BGB als Instandhaltungsmaßnahme zu dulden. Ein besonderes Interesse des Beklagten an der Beibehaltung eines Gasherdes sei nicht ersichtlich, weil die Abweichung von dem vertraglich vorgegebenen Zustand nach der Fortentwicklung der Ceranplattenkochtechnik nicht mehr erheblich sei. Zugunsten der Klägerin falle insoweit auch ins Gewicht, dass sie die Hausversorgung im Rahmen der Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten umstellen und keinen Gasanschluss mehr vorhalten wolle. Es könne ihr daher nicht verwehrt werden, die Wohnung nunmehr mit einem Elektroherd mit Ceranfeld als im Wesentlichen gleichwertiger Alternative auszustatten.
II.
8
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die als "Widerwiderklage" erneut erhobene Klage auf Duldung des Herdaustausches ist unzulässig, weil ihr der Einwand der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) entgegensteht. Denn dieser erhobene Anspruch ist der Klägerin bereits durch das Teilurteil des Amtsgerichts vom 12. Januar 2009 rechtskräftig aberkannt worden.
9
1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbietet die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung - als negative Prozessvoraussetzung - eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand; unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines rechtskräftig entschiedenen Prozesses identisch ist (BGH, Urteile vom 18. Januar 1985 - V ZR 233/83, BGHZ 93, 287, 288 f.; vom 19. November 2003, BGHZ 157, 47, 50).
10
2.
Eine solche Identität des Streitgegenstandes liegt hier vor, denn die Klägerin macht mit der "Widerwiderklage" erneut einen Anspruch auf Duldung des Herdaustauschs geltend, den sie aus demselben Lebenssachverhalt herleitet, nämlich wiederum daraus, dass im Rahmen von Instandsetzungsarbeiten die Gasversorgung des Gebäudes entfallen soll, in dem sich die Wohnung des Beklagten befindet.
11
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist es unerheblich, dass der Umfang der Rechtskraft des Teilurteils vom 12. Januar 2009 anders zu beurteilen wäre, wenn die Duldungsklage nur wegen eines Formfehlers in der Modernisierungsankündigung abgewiesen worden wäre; denn im Teilurteil vom 12. Januar 2009 wurde die Klage hinsichtlich des Herdaustausches nicht wegen eines unzureichenden Modernisierungsverlangens als (lediglich) "zur Zeit unbegründet" abgewiesen, sondern weil das Amtsgericht mit seiner in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung einen Duldungsanspruch der Klägerin aus materiellen Gründen verneint hat.
12
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich daraus, dass die Klägerin nach dem Erlass des Teilurteils vom 12. Januar 2009 mit Schreiben vom 5. Mai 2009 ein neues Modernisierungsverlangen ausgesprochen hat, kein neuer Streitgegenstand bezüglich des erneut geltend gemachten Duldungsanspruchs, denn eine Änderung des dem materiellen Anspruch zugrunde liegenden Lebenssachverhalts ist damit nicht verbunden.
III.
13
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts im angefochtenen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Schlussurteils bezüglich des Herdaustausches.
Ball
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Von Rechts wegen
Verkündet am: 17. August 2011