23.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061504
Bundesgerichtshof: Urteil vom 05.04.2006 – VIII ZR 163/05
Ein zur Unwirksamkeit einer Formularklausel führender sogenannter Summierungseffekt auf Grund des Zusammentreffens zweier - jeweils für sich genommen - unbedenklicher Klauseln kann auch dann vorliegen, wenn nur eine der beiden Klauseln formularmäßig, die andere dagegen individuell vereinbart worden ist (Bestätigung von VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532).
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 163/05
Verkündet am:
5. April 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2006 durch den Richter Dr. Beyer als Vorsitzenden und die Richter Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterin Hermanns
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 9. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen nicht bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeführter Schönheitsreparaturen nach Beendigung eines Mietverhältnisses.
Mit Vertrag vom 28. September 1998 hatte der Beklagte von der Klägerin eine Wohnung in dem Anwesen M. -Straße in D. gemietet. Das Mietverhältnis begann am 1. November 1998 und endete nach vorausgegangener fristloser Kündigung der Klägerin am 31. Oktober 2002.
Über die Instandhaltung und Instandsetzung der Mieträume enthält der Mietvertrag in § 8 Nr. 2 u.a. folgende vorgedruckte Klausel:
"Der Mieter hat insbesondere die Verpflichtung, auf seine Kosten alle Schönheitsreparaturen ... auszuführen bzw. ausführen zu lassen...
Schönheitsreparaturen umfassen das Tapezieren, Streichen der Wände und Decken, das Streichen der Heizkörper ...
Diese Arbeiten sind ab Mietbeginn in der Regel in Küchen, Bädern und Toiletten spätestens nach drei Jahren, in Wohnräumen, Schlafräumen, Dielen... spätestens nach fünf Jahren und in sonstigen Räumlichkeiten... spätestens nach sieben Jahren zu tätigen."
§ 12 des Mietvertrages ("Beendigung der Mietzeit") enthält in Nr. 1 folgende weitere Regelung:
"Die Mieträume sind zum Vertragsablauf geräumt, sauber zu verlassen. Außerdem sind die Tapeten zu entfernen und die Decken "wände" zu streichen."
Im ersten Satz dieser Klausel sind die Worte "zu verlassen" in ein freies Textfeld als Fortsetzung des vorangegangenen vorgedruckten Satzteils handschriftlich eingetragen. Der zweite Satz ist insgesamt handschriftlich angefügt; der Begriff "Decken wände" ist in zwei Worten geschrieben.
Im Zusammenhang mit einer von der Klägerin bereits im Juli 2002 ausgesprochenen Kündigung erstellten die Parteien am 15. August 2002 ein sieben Seiten umfassendes, von beiden Parteien unterschriebenes "Abnahmeprotokoll", in dem die durchzuführenden Renovierungsarbeiten im einzelnen bezeichnet sind und das mit dem Satz endet: "Der Mieter verpflichtet sich, nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung ordnungsgemäß und mangelfrei an den Vermieter zu übergeben."
Am 31. Oktober 2002 räumte der Beklagte die Wohnung. Mit Anwaltsschreiben vom 4. November 2002 forderte die Klägerin unter ausdrücklichem Hinweis auf die §§ 8 und 12 des Mietvertrages sowie unter Bezugnahme auf das Protokoll vom 15. August 2002 und die dort aufgeführten Arbeiten den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 27. November 2002 und mit Ablehnungsandrohung auf, die Schönheitsreparaturen durchzuführen. Weiter heißt es in diesem Schreiben:
"Wenn auch Ihre Partei sich im Protokoll vom 15.08.2002 (zur) Durchführung der oben stehenden... Maßnahmen verpflichtet hat, kommt unsere Mandantschaft Ihnen insofern entgegen, als dass Ihre Partei wahlweise die im Protokoll vom 15.08.2002 übernommenen Verpflichtungen erfüllen kann oder aber die Verpflichtung, so wie sie sich aus dem Mietvertrag ergeben, vornehmen kann.
Will Ihre Partei Schönheitsreparaturen nach den Bestimmungen des Mietvertrages vornehmen, wären sämtliche Tapeten zu entfernen und im Übrigen die Schönheitsrenovierungen entsprechend den eingangs zitierten Bestimmungen des Mietvertrages vorzunehmen."
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe bei seinem Auszug die erforderlichen Schönheitsreparaturen - trotz Setzung der Nachfrist - nicht bzw. nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Nach dem Kostenvoranschlag eines Malergeschäftes seien für die Durchführung der geschuldeten Arbeiten 4.140,93 ¤ aufzuwenden. Diesen Betrag hat die Klägerin in den Vorinstanzen als Schadensersatz geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren noch in Höhe von 3.498,64 ¤ weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen gegen den Beklagten nicht zu. Das Abnahmeprotokoll vom 15. August 2002 enthalte entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine eigenständige Renovierungsverpflichtung, weil es nicht erkennen lasse, dass die Parteien eine neue, vom Mietvertrag unabhängige Anspruchsgrundlage hätten schaffen wollen. Dies habe auch die Klägerin selbst, wie sich ihrem Schreiben vom 4. November 2002 entnehmen lasse, nicht angenommen.
Die Klägerin könne ihren Schadensersatzanspruch auch nicht aus § 8 des Mietvertrages herleiten. Die in § 8 Nr. 2 enthaltene formularmäßige Fälligkeitsregel sei nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unwirksam, weil sie den Mieter unangemessen benachteilige (§ 307 BGB). Aus der Sicht eines verständigen Mieters könne die Formulierung "in der Regel ... spätestens" nur die Bedeutung haben, dass er zur Ausführung der Renovierungsarbeiten spätestens nach Ablauf der genannten Fristen verpflichtet sei, und zwar auch dann, wenn ein Renovierungsbedarf tatsächlich noch nicht bestehe. Die Formulierung "in der Regel" lasse nicht hinreichend deutlich erkennen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter den Nachweis erbringen könne, dass die Räume noch nicht renovierungsbedürftig seien und er daher die Fristen nicht einhalten müsse. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass selbst bei wirksamer Überbürdung der Schönheitsreparaturen bei Beendigung des Mietverhältnisses lediglich die Fristen für die Renovierung der Küche, des Bades und der Toilette verstrichen gewesen seien.
Schließlich könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf § 12 des Mietvertrages stützen. Zwar handele es sich hierbei um eine (wirksame) Individualabrede; der Erfüllungsanspruch sei jedoch nicht wirksam in einen Schadensersatzanspruch übergeleitet worden. Die Aufforderung der Klägerin in ihrem Schreiben vom 4. November 2002 sei unklar. Sie ermögliche es dem Beklagten nicht, zu beurteilen, inwieweit die Klägerin den Vertrag als nicht erfüllt ansehe; denn es sei ihm die Wahl überlassen worden, entweder die Maßnahmen aus der unwirksamen Regelung des § 8 oder diejenigen aus § 12 des Mietvertrages durchzuführen. Ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhaften Anstrichs stehe der Klägerin u.a. deshalb nicht zu, weil sie dessen Voraussetzungen nicht nachvollziehbar dargetan habe. Gleiches gelte für die geltend gemachten Reinigungskosten.
II.
Die Revision ist insgesamt zulässig. Das angefochtene Urteil unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Zwar hat das Landgericht die Revision nur "insoweit zugelassen, als die Kammer die Regelung des § 8 Nr. 2 des Mietvertrages für unwirksam hält". Die hierin liegende Beschränkung der Zulassung auf eine (unselbständige) Rechtsfrage ist jedoch unwirksam. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer - grundsätzlich zulässigen - Beschränkung der Revisionszulassung ist, dass sie sich auf einen rechtlich und tatsächlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht. Fehlt es hieran, dann ist die Beschränkung unwirksam, die Revision also unbeschränkt zulässig (Senatsurteil vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02, ZIP 2003, 1399 = NJW-RR 2003, 1192 = WM 2003, 2139 unter II vor 1 m.w.Nachw.; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 543 Rdnr. 10, 11 und 16). Das ist hier der Fall.
III.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verpflichtung aus § 8 Nr. 2 oder § 12 Nr. 1 des Mietvertrages nicht zu.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die Klageforderung nicht bereits an der Formulierung der Schönheitsreparaturenklausel in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages. Wie der Senat in seiner nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung vom 13. Juli 2005 (VIII ZR 351/04, WuM 2005, 716 = NJW 2005, 3416 = BGHReport 2006, 18) für eine mit der vorliegenden Klausel identische formularmäßige Bestimmung klargestellt hat, enthält diese keinen starren Fristenplan; vielmehr lässt sie - für den verständigen Mieter erkennbar - durch die den Fristen vorangestellten Worte "in der Regel" genügend Raum für die Beurteilung im Einzelfall, um eine Anpassung der tatsächlichen Renovierungsintervalle an das objektiv Erforderliche zu ermöglichen.
2. Die Unwirksamkeit der vorformulierten Klausel des § 8 Nr. 2 des Mietvertrages ergibt sich jedoch aus dem sog. Summierungseffekt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 2. Dezember 1992 - VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532 unter II 2; Urteil vom 14. Mai 2003 - VIII ZR 308/02, NJW 2003, 2234 = Grundeigentum 2003, 944 = ZMR 2003, 653 unter II 2) liegt ein derartiger Summierungseffekt vor, wenn jeweils für sich unbedenkliche, aber inhaltlich zusammengehörige Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen. Das gilt auch dann, wenn die zu prüfende Formularklausel mit einer Individualvereinbarung zusammentrifft; denn bei der Prüfung einer Klausel nach § 307 BGB (früher: § 9 AGBG) ist der gesamte Vertragsinhalt einschließlich seiner Individualteile zu würdigen (Beschluss vom 2. Dezember 1992 aaO unter II 2 m.w.Nachw.; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 2. Aufl., S. 55 Rdnr. 83).
Im vorliegenden Fall enthalten die §§ 8 Nr. 2 und 12 Nr. 1 des Mietvertrages eine Gesamtregelung, die neben der Überwälzung der laufenden Schön-heitsreparaturen nach Fristenplan auch die Renovierungspflicht bei Beendigung des Mietverhältnisses umfasst. Dass die Endrenovierungsbestimmung in § 12 Nr. 1 individuell vereinbart war und deshalb, für sich allein betrachtet, unbedenklich - weil nicht am Maßstab des § 307 BGB zu messen - ist, beseitigt den Summierungseffekt, wie ausgeführt, nicht. Ebenso unerheblich ist insoweit der Umstand, dass jene Klausel nicht eine vollständige, sondern - wenn auch sprachlich missglückt - lediglich eine teilweise Endrenovierung vorschreibt ("Außerdem sind die Tapeten zu entfernen und die Decken wände zu streichen"). Insbesondere führt dies nicht dazu, dass die Regelung in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages wenigstens teilweise - soweit sie sich nicht inhaltlich mit § 12 Nr. 1 Satz 2 überschneidet - aufrechterhalten werden könnte; darin läge eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Klausel.
3. In den Vorinstanzen hat die Klägerin geltend gemacht, das "Abnahmeprotokoll" vom 15. August 2002 enthalte ein konstitutives Schuldanerkennt-nis; dies hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht. Sie meint allerdings, die Parteien hätten in dem Protokoll hinsichtlich der nach § 8 Nr. 2 und § 12 des Mietvertrages geschuldeten Schönheitsreparaturen eine konkretisierende Vereinbarung getroffen, an die der Beklagte - unabhängig vom Ablauf der im Mietvertrag genannten Fristen - nun gebunden sei. Dies trifft nicht zu.
Die Regelung in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages ist, wie ausgeführt, wegen des Summierungseffekts unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie kann nicht durch eine nachfolgende "konkretisierende" Vereinbarung, die nach der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien auf eben jener - unwirksamen - Bestimmung beruht, geheilt werden. Auch die Annahme einer Bestätigung i.S.d. § 141 BGB scheidet aus; denn eine Bestätigung setzt einen Bestätigungswillen und damit das Bewusstsein von der Unverbindlichkeit des früheren Geschäfts voraus (BGH, Urteile vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98, NJW 1999, 3704 = WM 1999, 2513 unter III 2 b aa, und vom 11. Februar 2003 - XI ZR 130/02, WM 2003, 676 = NJW-RR 2003, 769 unter II 3 b aa). Daran fehlt es hier.
4. Dem Berufungsgericht ist schließlich auch insoweit zuzustimmen, als es einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Nichterfüllung der individuell vereinbarten Endrenovierungsverpflichtung in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages mit der Begründung verneint, der Erfüllungsanspruch sei nicht wirksam in einen Schadensersatzanspruch übergeleitet worden. Gegen die Wirksamkeit der Individualvereinbarung über die teilweise Endrenovierung bestehen bei isolierter Betrachtung, wie erwähnt, keine Bedenken. Die Bestimmung ist auch nicht dergestalt von der formularmäßigen Schönheitsreparaturklausel in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages abhängig, dass deren Unwirksamkeit zwangsläufig die Unwirksamkeit der Regelung in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages zur Folge hätte. Davon geht ersichtlich auch das Landgericht aus. Denkbar ist allerdings, dass die beiden Klauseln wegen ihres sachlichen Zusammenhangs ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 BGB darstellen, das bei Nichtigkeit eines Teils im Zweifel insgesamt nichtig ist. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Einer Zurückverweisung an das Landgericht zur Nachholung entsprechender Feststellungen bedarf es jedoch nicht, weil es auf die Frage der Gesamtnichtigkeit nicht ankommt. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass die Unwirksamkeit der Bestimmung des § 8 Nr. 2 sich nicht auf § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages erstreckt, kann die Klägerin aus der letztgenannten Klausel keinen Schadensersatzanspruch herleiten.
Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht erbrachter Leistung (§§ 280, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) setzt voraus, dass der Gläubiger in seinem mit der Fristsetzung verbundenen Verlangen auf Erbringung der geschuldeten Leistung diese Leistung eindeutig bezeichnet. Das schließt es zwar nicht von vornherein aus, dass der Gläubiger dem Schuldner eine Wahlmöglichkeit einräumt, zumal dann, wenn die alternativ geforderte Leistung den Schuldner weniger belastet als die primär geschuldete. Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Klägerin vom 4. November 2002 jedoch dahin ausgelegt, dass angesichts der drei von der Klägerin geltend gemachten Renovierungsverpflichtungen - aus § 8 Nr. 2 und § 12 Nr. 1 des Mietvertrages sowie aus dem "Abnahmeprotokoll" vom 15. August 2002 - für den Beklagten nicht erkennbar war, zu welchen Leistungen er nach Auffassung der Klägerin verpflichtet sein sollte. Diese Auslegung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
5. Soweit die Revision schließlich die Kosten der Reinigung der Fenster und der Heizkörper weiterverfolgt, hat der Senat ihre Verfahrensrüge geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
IV.
Nach alledem erweist sich die Revision als unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen.