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  • 03.01.2008 | Vermieterinsolvenz

    Keine Anwendung des § 108 InsO vor Überlassung der Mietsache

    In der Insolvenz des Vermieters besteht das Mietverhältnis nur mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Mieter bereits überlassen worden ist (BGH 5.7.07, IX ZR 185/06, Abruf-Nr. 073228).

     

    Sachverhalt

    Der Schuldner vermietete der Klägerin noch zu errichtende Gewerberäume auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück. Das Mietverhältnis sollte nach Übergabe des fertigen Objekts, spätestens aber am 30.6.05 beginnen und erstmals nach Ablauf von 10 Jahren kündbar sein. Die Klägerin war berechtigt, insgesamt fünf Mal eine Verlängerung des Vertrags um je vier Jahre zu verlangen. In 1/04 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte er weder das Grundstück erworben noch mit den Bauarbeiten begonnen. Die Klägerin wies den beklagten Insolvenzverwalter auf den Vertrag sowie darauf hin, dass ihr ein Erfüllungsanspruch gegen die Masse zustehe. Der Beklagte kündigte daraufhin den Mietvertrag zum 31.3.05. In einem Folgeschreiben erklärte er, die Kündigung sei „auch als Nichterfüllung im Sinne von § 103 InsO zu verstehen“. Die Klage auf Feststellung, dass das Mietverhältnis über den 31.3.05 hinaus fortbestehe, hatte keinen Erfolg.  

     

    Praxishinweis

    Lehnt der Verwalter – wie hier – die Erfüllung eines noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrags ab, kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung gemäß § 103 Abs. 2 InsO nur als Insolvenzforderung geltend machen. Handelt es sich bei dem gegenseitigen Vertrag um einen Miet- oder Pachtvertrag des Schuldners über unbewegliche Gegenstände, besteht der Vertrag dagegen gemäß § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. § 108 InsO verdrängt in seinem Anwendungsbereich die Regelung des § 103 Abs. 1 InsO. Folge: Der Mietvertrag ist durch den Insolvenzverwalter zu erfüllen und kann grundsätzlich nur durch ordentliche Kündigung, die im Streitfall ausgeschlossen war, beendet werden (Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, § 108, Rn. 14). In der Mieter- oder Pächterinsolvenz hat der Verwalter das Sonderkündigungsrecht nach § 109 InsO.  

     

    Der BGH stuft den Vertrag als Mietvertrag ein. Enthält ein Vertrag verschiedene Leistungselemente (hier: mietvertragliche und bauvertragliche Leistungen), ist zu prüfen, welche Leistungen nach dem erklärten Parteiwillen die Hauptleistung darstellen und welche von untergeordneter Bedeutung oder als Nebenleistung nur der Erleichterung oder Ermöglichung der Hauptleistung dienen. Maßgebend ist, welche Leistung dem Vertrag seinen prägenden Charakter gibt. Das war hier das mietvertragliche Element. Der Vertrag enthielt zwar auch Regelungen, die die Errichtung des Objektes sowie die Eigentümerstellung des Schuldners betreffen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um selbstständig durchsetzbare Verpflichtungen. Auch wenn es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gekommen wäre, hätte die Klägerin aus dem Vertrag nicht die Errichtung des Bauwerks oder den Erwerb des Grundstücks durch den Schuldner, sondern nur die Überlassung der Mietsache verlangen können. Die Bauleistungen, auf die es dem Schuldner – einem Bauunternehmer – angekommen sein mag, dienten also nur der Ermöglichung der Hauptleistung, stellten selbst aber keine Hauptleistung dar und prägten den Charakter des Vertrags nicht. Handelte es sich danach um einen Mietvertrag, konnte die zulässige Feststellungsklage nur Erfolg haben, wenn § 108 Abs. 1 InsO auch den Fall erfasst, dass das Mietobjekt – wie hier – der Klägerin bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht überlassen war.