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  • 01.10.2008 | Schriftform

    Immer Ärger mit Nachtragsvereinbarungen

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Ein Nachtragsvertrag wahrt die Schriftform eines Mietvertrags nur, wenn er eine Bezugnahme auf die Schriftstücke enthält, aus denen sich sämtliche wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen ergeben (BGH 9.4.08, XII ZR 89/06, Abruf-Nr. 081735).

     

    Sachverhalt

    Auf Vermieterseite ist der Mietvertrag mit dem Zusatz unterzeichnet: „Unterschrift gilt in Verbindung mit unserem Schreiben vom 19.12.95“. Darin behielt sich die Vermieterin eine Prüfung der noch zu vereinbarenden Baubeschreibung und des Übergabetermins vor. Mit Schreiben vom 16.1.96 ließ sie den Vorbehalt fallen und erklärte den Mietvertrag für verbindlich. Eine spätere, undatierte Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag beinhaltet einen Mieterwechsel auf die Beklagte und sieht als Übergabetermin den 31.5.96 vor. Die Parteien streiten, ob der Mietvertrag der Schriftform genügt und damit wie vereinbart bis zum 31.12.11 besteht oder ob er durch ordentliche Kündigung der beklagten Mieterin zum 31.12.04 beendet worden ist.  

     

    Praxishinweis

    Die grundlegenden Anforderungen an die Schriftform sind nicht eingehalten (BGH MK 08, 155, Abruf-Nr. 081734). Der Ausgangsvertrag enthält wegen des Vorbehalts der Vermieterin keine Einigung über die schriftlich niedergelegten Vertragsbedingungen. Die Zusatzvereinbarung nimmt zwar auf den Mietvertrag, nicht aber auf das Schreiben vom 16.1.96 Bezug. Damit fehlt es an der für die Wahrung der Schriftform erforderlichen lückenlosen Bezugnahme auf alle Schriftstücke, aus denen sich die wesentlichen Vereinbarungen der Parteien ergeben. Insoweit genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss. Einer zusätzlichen körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke bedarf es nicht. Nur wenn eine Nachtragsvereinbarung diese Voraussetzung erfüllt, wird eine bisher fehlende Schriftform geheilt.  

     

    Der BGH bestätigt: Eine auf den Schriftformmangel gestützte Kündigung ist nicht treuwidrig, weil der Mietvertrag – wie hier – jahrelang unbeanstandet durchgeführt worden ist (BGH MK 04, 21, Abruf-Nr. 032847; MK 06, 217, Abruf-Nr. 062434). Auf die fehlende Schriftform darf sich jede Partei berufen. Sind die Parteien ihren Pflichten aus dem Mietvertrag über einen längeren Zeitraum nachgekommen, lässt sich hieraus nicht herleiten, sie hätten darauf vertrauen können, der Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen, die das Gesetz vorsieht, wenn die Schriftform nicht eingehalten ist. Ausnahme: Würde die Unwirksamkeit der vereinbarten langfristigen Vertragsdauer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen, kann es nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, sich auf den Formmangel zu berufen. Das kann vor allem der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat (BGH MK 07, 193, Abruf-Nr. 072891; MK 04, 21).