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  • 01.07.2007 | Mietprozess

    Darf die Berufung allein auf neue Angriffsmittel gestützt werden?

    Wird die Räumungsklage abgewiesen, ist es zulässig, die Berufung ausschließlich mit neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln zu begründen, soweit diese in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sind (BGH 27.3.07, VIII ZB 123/06, n.v., Abruf-Nr. 071515).

     

    Sachverhalt

    Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen. Das Mietverhältnis sei nicht durch die fristlose Kündigung, sondern erst durch die (hilfsweise) ordentliche Kündigung beendet worden. Dieser Räumungsanspruch des Klägers sei aber „derzeit noch nicht fällig“. Der Kläger hat sich die ihm günstigen Ausführungen zur Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung zu eigen gemacht und seine Berufung im Übrigen allein damit begründet, sein Räumungsanspruch sei (wegen des zwischenzeitlichen Mietendes) nun fällig. Das LG hat seine Berufung als unzulässig verworfen, weil er das erstinstanzliche Urteil nicht mit Gründen angefochten habe. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.  

     

    Praxishinweis

    Die Berufung ist nach st. Rspr. des BGH nur zulässig, wenn der Berufungskläger mit ihr die Beseitigung einer im angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Dies ist nicht der Fall, wenn er mittels Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt, ohne den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterzuverfolgen (29.6.06, III ZB 36/06; NJW-RR 91, 1279; NJW 94, 2896; NJW-RR 94, 1404). An einem solchen Angriff der Berufung gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung fehlt es. Der Kläger hat die den Räumungsanspruch verneinende Auffassung des AG in allen Punkten hingenommen. Dies steht der Zulässigkeit der Berufung aber nicht entgegen, wenn die mit der Berufung erstrebte Abänderung des erstinstanzlichen Urteils mit neuen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln begründet wird. Dann bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils (BGH NJW 97, 859 zu § 519 ZPO a.F.). Hieran hält der VIII. Zivilsenat unter Hinweis auf § 513 Abs. 1 Alt. 2, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4, § 529 Abs. 1 ZPO auch unter der Geltung der reformierten ZPO fest (Goebel, PA 07, 111). Er postuliert aber eine Einschränkung: Die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur unter den engen Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen. Das heißt: Sind sie nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert, ist die Berufung unzulässig. Der Berufungskläger sollte daher bereits in der Berufungsbegründung darlegen, dass einer der Fälle des § 531 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO vorliegt bzw. dass das Unterlassen des Vortrags in erster Instanz nicht auf Nachlässigkeit beruht.  

     

    Im Streitfall stand § 531 Abs. 2 ZPO der Berücksichtigung des neuen Vorbringens nicht entgegen, da die Fälligkeit des Räumungsanspruchs erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetreten ist und folglich vorher nicht geltend gemacht werden konnte.