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  • 01.06.2006 | Erste OLG-Entscheidung

    „Starre-Fristen-Rechtsprechung“ gilt auch für gewerbliche Mietverträge

    von RA Michael Bach, Nordkirchen
    Wie im Wohnraummietrecht enthält auch die Formularklausel in einem gewerblichen Mietvertrag „Schönheitsreparaturen sind mindestens in der Zeitfolge von drei Jahren in Küche, Bad und Toilette sowie von fünf Jahren in allen übrigen Räumen auszuführen“ einen starren Fristenplan, der den Mieter i.S.d. § 307 BGB unangemessen benachteiligt und zur Unwirksamkeit der Renovierungsklausel führt (OLG Düsseldorf 4.5.06, I-10 U 174/05, n.v., Abruf-Nr. 061455).

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte war Mieterin eines Ladenlokals des Klägers. Der Mietvertrag enthält hinsichtlich der Schönheitsreparaturen die im Ls. genannte Klausel. Das LG hat die auf die Ausführung von Schönheitsreparaturen gerichtete Feststellungsklage abgewiesen. Begründung: Die Schönheitsreparaturklausel enthalte eine starre Fristenregelung, die in Übertragung der zum Wohnraummietrecht ergangenen Rechtsprechung des BGH auf gewerbliche Mietverträge zur Unwirksamkeit der Renovierungspflicht führe. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Der Senat hat die Revision zugelassen.  

     

    Praxishinweis

    Die im Ls. genannte Klausel enthält eine den Mieter unangemessen benachteiligende starre Fristenregelung, die in Wohnraummietverträgen gemäß § 307 BGB zur Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel führt (zuletzt BGH, MK 06, 98, Abruf-Nr. 061292). Ob Gleiches auch für gewerbliche Mietverträge gilt, war bisher nicht entschieden. Im Schrifttum spricht sich vor allem Eckert (ZfIR 05, 673) dagegen aus (im Ergebnis ebenso Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl., Rn. 225; Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 535, Rn. 47; a.A. Ahlt, DWW 05, 96; Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 2. Aufl., Rn. 773). Grund: Der Zustand der Mieträume bei gewerblicher Nutzung sei nicht Privatsache des Mieters, denn dem Vermieter sei daran gelegen, dass der Zustand des Mietobjekts, der auf die Umgebung ausstrahle, während der gesamten Laufzeit ansehnlich sei. Sofern die ausbedungenen Renovierungsfristen angemessen seien, sei nicht zu befürchten, dass der Mieter durch starre Fristen stärker belastet werde als der Vermieter. Das OLG Düsseldorf ist dem nicht gefolgt, sondern überträgt die „Starre-Fristen-Rechtsprechung“ des VIII. Zivilsenats mit folgenden Argumenten als erstes Obergericht auf einen gewerblichen Mietvertrag:  

     

    Checkliste: Die Argumente des OLG Düsseldorf
    • Der gewerbliche Mieter ist bei vergleichbarer Vertragsgestaltung nicht weniger schutzbedürftig als ein Wohnraummieter.

     

    • Die vereinbarte Fristenregelung ist bei der Prüfung ihrer Angemessenheit nach einem generalisierenden objektiven Maßstab auch im Bereich der gewerblichen Miete mit der gesetzlichen

     

    Regelung nicht vereinbar, weil sie den Mieter mit Renovierungsverpflichtungen belastet, die über den tatsächlichen Renovierungsbedarf hinausgehen, der ebenso wie im Wohnraummietrecht an den Fristen des Mustermietvertrags (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 22/76, abgedruckt bei Gelhaar in BGB RGRK, 12. Aufl., Vor § 535 Rn. 87) gemessen werden kann (KG GuT 04, 172). Diese sehen die Ausführung von Schönheitsreparaturen im Allgemeinen in Küchen, Bädern und Duschen alle drei Jahre, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle fünf Jahre und in anderen Nebenräumen alle sieben Jahre vor. Die streitgegenständliche Fristenregelung weicht hiervon zum einen hinsichtlich der Frist für die Nebenräume zum Nachteil des Mieters ab, zum anderen dadurch, dass der Fristenplan nicht nur für den Regelfall des „im Allgemeinen“ entstehenden Renovierungsbedarfs gelten soll, sondern die Renovierung ausnahmslos nach Ablauf der jeweiligen Frist vorschreibt. Damit wird auch dem gewerblichen Mieter ein Übermaß an Instandhaltungspflichten auferlegt, weil keine Anhaltspunkte erkennbar sind, dass ein – hier – zum Betrieb einer Änderungsschneiderei vermietetes Ladenlokal zwangsläufig nach Ablauf der genannten Fristen renovierungsbedürftig sein muss.

     

    • Die hierin liegende unbillige Benachteiligung des Mieters wird nicht dadurch ausgeräumt, dass auch der (gewerbliche) Vermieter aus Werterhaltungsgesichtspunkten heraus ein legitimes Interesse an einer ansehnlichen Dekoration des Mietobjekts während der gesamten Vertragsdauer hat. Den Interessen des gewerblichen Vermieters kann ausreichend auch mit einer Klausel ohne starren Fristenplan (z.B. mit der Formulierung „in der Regel“ oder „im Allgemeinen“) Rechnung getragen werden.

     

    • Es fehlt auch nach der Mietrechtsreform für den Bereich der Schönheitsreparaturen an einer Besserstellung des Wohnraummieters gegenüber dem gewerblichen Mieter. Nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB schuldet der Vermieter von Geschäftsräumen die Durchführung der Schönheitsreparaturen ebenso wie der Wohnraumvermieter. Das Gesetz behandelt die Vermieter in beiden Fällen gleich.

     

    • Aus der vereinzelten Besserstellung des Wohnraummieters kann nicht der Schluss gezogen werden, das Gesetz habe den Geschäftsraummieter generell weniger vor belastenden AGB schützen wollen.

     

    • Die Überwälzung der Schönheitsreparaturen ist an § 307 BGB zu messen, einer Bestimmung, die für Unternehmer und Verbraucher gleichermaßen gilt.

     

    • Geschäftsräume werden regelmäßig langfristig vermietet.

     

    • Der Mieter, vor allem wenn er zum ersten Mal Geschäftsräume mietet, geht meist nicht davon aus, dass er – unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparatur – stets renovieren muss. Selbst, wenn er die Problematik erkennt, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass ihm die Marktsituation die Abwehr einer solchen, seine gesetzlichen Rechte beschneidenden Klausel ermöglicht.

     

    • Der Einwand, die Schönheitsreparaturverpflichtung sei Teil der Gegenleistung zur Gebrauchsgewährung und die Überwälzung daher in die Mietkalkulation eingegangen, berücksichtigt nicht ausreichend, dass dem Mieter mit dem starren Fristenplan – abweichend von der gesetzlichen Regelung – ein Übermaß an Renovierungspflichten auferlegt wird. Er muss die Geschäftsräume unabhängig von ihrem tatsächlichen Zustand renovieren.

     

    • Dass die vertragliche Äquivalenz einscheidend gestört werden kann, wenn dem Vermieter zur Abgeltung der Gebrauchsgewährung nur die Mietzahlung verbleibt, hat sich der Vermieter selbst zuzuschreiben. Wenn er dem Mieter ein Übermaß an Renovierungspflichten auferlegt, trägt er das Risiko der Gesamtunwirksamkeit und kann sich nicht darauf berufen, dass dadurch das vertragliche Gleichgewicht gestört wird (BGH MK 05, 114, Abruf-Nr. 051468).
    Das bedeutet die Entscheidung für Vermieter: Die Unangemessenheit der Fristenregelung führt insgesamt gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel. Eine sprachliche Abtrennung des Fristenplans unter Aufrechterhaltung der Klausel im Übrigen lehnt das OLG als unzulässige geltungserhaltende Reduktion ab.