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  • 24.01.2008 | Beratungspraxis

    Feuchtigkeitsschäden: Vermieter und Mieter systematisch und effizient beraten

    von Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, geschäftsführender Vorstand und Vorsitzender Haus & Grund Niedersachsen e.V.

    Bei Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbildungen ist es typisch, dass der Mieter auf bautechnische und bauphysikalische Mängel verweist, während der Vermieter mit dem Einwand eines falschen Heiz-, Wohn- und Lüftungsverhaltens des Mieters kontert. Bei der Beratung der Parteien in solchen Fällen gilt es, systematisch vorzugehen, um keine Ansprüche zu übersehen.  

     

    Checkliste 1: Ansprüche des Mieters
    • Erfüllungsanspruch: Der Mieter hat Anspruch auf eine mangelfreie Wohnung während der gesamten Mietzeit (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Er kann verlangen, dass die aufgetretenen Mängel innerhalb einer Frist beseitigt werden, deren Länge sich einerseits an dem Schadensbild und andererseits an eventuell davon ausgehenden Gefahren orientiert. Der Erfüllungsanspruch besteht unabhängig vom Verschulden des Vermieters ab Eintritt des Mangels. Er erlischt nur, wenn für den Vermieter die wirtschaftliche „Opfergrenze“ überschritten ist. Dies ist der Fall, wenn der nötige Aufwand unverhältnismäßig hoch ist (BGH 22.7.05, VIII ZR 342/03). Der Erfüllungsanspruch besteht auch, wenn Gewährleistungsrechte, z.B. Mietminderungen, ausgeschlossen sind (BGH 18.4.07, XII ZR 139/05, n.v.). Ein Anspruch auf Mangelbeseitigung aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist nur ausgeschlossen, wenn

     

    • die Mietvertragsparteien einen bestimmten, bei Überlassung vorhandenen (schlechten) Zustand der Mietsache konkret als vertragsgemäß vereinbart haben, so dass von einer Mangellage nicht auszugehen ist (BGH 18.4.07, XII ZR 139/05, n.v.; NJW-RR 93, 522; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 536b BGB, Rn. 10),

     

    • der Mieter oder ihm zurechenbare Dritte den Mangel selbst verursacht haben oder

     

    • der vertragsgemäße Zustand ohne ausdrückliche Vereinbarung eines „schlechten“ Bauzustands aus dem Alter und der erkennbaren Beschaffenheit der Mietsache ersichtlich ist. Aber: Eine Wohnung entspricht nur dem Vertragszweck, wenn sie nicht gesundheitsgefährdend ist (BVerfG WuM 98, 657).

     

    • Mietminderung: Wegen eines eingetretenen Sachmangels kann der Mieter gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB die Miete in angemessener Höhe mindern, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mehr als nur unerheblich eingeschränkt ist (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB). Das Minderungsrecht tritt automatisch kraft Gesetzes ein, kann auch rückwirkend ausgeübt werden, und bewirkt, dass die Miete sich endgültig um den Minderungsbetrag reduziert.

     

    • Zurückbehaltungsrecht: Neben der Minderung kann der Mieter für die Zeit des eingeschränkten vertragsgemäßen Gebrauchs ein zusätzliches Zurückbehaltungsrecht aus §§ 320, 273 BGB an noch unverbrauchten Teilen der Mietforderung geltend machen (BGH NZM 03, 437). Leistungsverweigerungs- (§ 320 BGB) und Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) werden dem Mieter als Druckmittel zur Seite gestellt, um die Mängelbeseitigung temporär und qualitativ zu forcieren. Ist der Mangel beseitigt, sind die einbehaltenen Mietanteile nachzuzahlen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Minderung. Die Minderung ist überdies vom Gericht von Amts wegen zu beachten, die Zurückbehaltungsrechte als Einrede aber nur, wenn der Mieter sie geltend macht (BGH NJW 99, 53). Streit besteht über die Höhe des ausübbaren Zurückbehaltungsrechts. Die h.M. geht vom Drei- bis Fünffachen des Minderungsbetrags aus (BGH NZM 03, 437).

     

    • Ersatzvornahme: Gemäß § 536a Abs. 2 BGB kann der Mieter den Mangel selbst beseitigen, wenn der Vermieter mit dessen Beseitigung in Verzug ist oder die umgehende Beseitigung zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist (Notgeschäftsführung).

     

    • Vorschussanspruch und Aufwendungsersatz: In diesen Fällen kann der Mieter Ersatz der erforderlichen Aufwendungen oder einen Vorschuss verlangen (§ 536a Abs. 2 BGB).

     

    • Fristlose Kündigung wegen fehlender Gebrauchsgewährung: Dieser Anspruch besteht nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn der Vermieter trotz Abmahnung keine Abhilfe des mangelhaften Zustands schafft. Dies kann im Zusammenhang mit verlangtem Schadenersatz für den Vermieter teuer werden. Denn mit der fristlosen Kündigung kann der Mieter z.B. Ersatz der Umzugskosten oder Ausgleich der Aufwendungen für feuchtigkeitsgeschädigte Möbel verlangen. Sie sind jeweils auf der Basis des Anschaffungspreises abzüglich eines Abzugs „neu für alt“ vom Gericht zu schätzen (LG Mannheim NJW 07, 2499). Als ersatzfähige Schadensposten kommen weiter in Betracht: Aufwandsersatz für unnütze Dekoration der geschädigten Wohnung (Gardinen u.a.), Ersatz der Mietdifferenz für eine teurere Wohnung, Maklerkosten, Hotelkosten für eine vorläufige Unterbringung bis zum Finden einer Ersatzwohnung, höhere Fahrtkosten für diese Übergangszeit, Gutachterkosten für diverse Sachverständige (Bau, Umwelthygiene, Arzt), Anwalts- und Prozesskosten einschließlich weiterer Beweisaufnahmekosten sowie Schmerzensgeld.

     

    • Fristlose Kündigung wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung/-beeinträchtigung: Ebenfalls nach erfolgloser Abmahnung sowie fruchtlos gesetzter Abhilfefrist steht dem Mieter dieses Recht zu, § 569 Abs. 1 BGB (BGH NZM 07, 439).

     

    • Schadenersatz: Die Pflicht zur Erhaltung eines vertragsgemäßen und mangelfreien Gebrauchs der Mietsache aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB stellt eine Hauptleistungspflicht dar. Sie wird im Falle eines Sachmangeleintritts verletzt. Trifft den Vermieter hieran ein Verschuldensvorwurf oder gerät der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug, gewinnt der Mieter Schadenersatzansprüche aus § 536a Abs. 1 BGB sowie aus Delikt (§ 823 Abs. 1 BGB). Auch Schadenersatzansprüche auf vertraglicher Grundlage beinhalten seit der Schuldrechtsreform mit Wirkung zum 1.1.02 Schmerzensgeldforderungen (§ 253 Abs. 2 BGB).
     

    Alle genannten Rechte und Ansprüche gelten nur, wenn der Mieter die aufgetretene Feuchtigkeit nicht selbst zu vertreten hat. Gerade dies wird dem Mieter aber häufig vom Vermieter vorgeworfen. Insbesondere wird geltend gemacht, der Mieter habe falsch geheizt und gelüftet oder/und die Wohnung falsch möbliert.  

     

    Für das Wohnungsmietrecht sind zudem § 536 Abs. 4, § 556b Abs. 2 BGB zu beachten. Danach ist jede Beschränkung der Minderung zu Lasten des Mieters unzulässig.