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  • 01.02.2007 | Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

    Das sind die Folgen eines Verstoßes

    von RA Frank Georg Pfeifer, Düsseldorf

    In MK 07, 3, haben wir erläutert, was Vermieter über die gesetzlichen Neuregelungen des AGG wissen müssen. Die folgende Checkliste fasst zusammen, welche Folgen ein Verstoß gegen das AGG nach sich zieht.  

     

    Checkliste: Die Folgen eines Verstoßes gegen das AGG

    1. Was passiert, wenn eine Vertragsklausel gegen das AGG verstößt? 

    Kommt es durch eine Vertragsklausel zu einer unzulässigen Benachteiligung i.S.d. AGG, ist eine solche individuell vereinbarte Klausel nach § 138 BGBnichtig, eine Formularklausel nach § 307 BGBunwirksam. Der Vertrag weist dann eine planwidrige Regelungslücke auf. Diese ist entweder nach den einschlägigen „passenden“ Gesetzesbestimmungen oder nach §§ 315 ff. BGB zu schließen.  

     

    2. Welche Folgen hat eine Kündigung, die nicht AGG-konform ist? 

    Bei einseitigen Rechtsgeschäften, die gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot verstoßen, wird nicht die i.S.d. AGG benachteiligende Kündigung im Nachhinein per Klage für unwirksam erklärt. Eine solche (Willkür-) Kündigung ist vielmehr nach § 134 BGB grundsätzlich nichtig (BR-Drucksache 329/06, S. 50 zu Abs. 4).  

     

    3. Kann der Betroffene die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen? 

    Ja. Wenn es zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung gekommen ist, kann der Benachteiligte nach § 21 Abs. 1 AGG unbeschadet weiterer Ansprüche verlangen, dass die Beeinträchtigung beseitigt wird. Hierbei kommt es auf die objektive Beeinträchtigung an. Ob der Benachteiligende die Beeinträchtigung zu vertreten hat, also schuldhaft gehandelt hat, spielt keine Rolle (BR-Drucksache 329/06, S. 49). § 21 Abs. 1 gewährt einen Folgenbeseitigungsanspruch, ähnlich § 1004 BGB. Aber: Damit ist keine volle Parallele zum BGB geschaffen. Denn während dort bei Unmöglichkeit der Beseitigung  

    § 906 BGB eingreift, bleibt bei § 21 Abs. 1 AGG nur Folgenbeseitigung bzw. Unterlassung. Das heißt:  

     

    • Ist zu Unrecht der Abschluss eines Mietvertrags verweigert worden, kann der Benachteiligte nachträglich den Mietabschluss verlangen, sofern die Wohnung noch frei ist. So gesehen ergibt sich aus dem AGG indirekt ein Kontrahierungszwang (Hinz, ZMR 06, 831). Es stellt sich dann die Frage, ob ein reiner BGB-Mietvertrag mit der ortsüblichen Vergleichsmiete zustande kommt, und welche Regelungen für Betriebskosten, Schönheitsreparaturen etc. gelten (Börstinghaus, MietPrax-Aktuell, 1/06, G.II).

     

    • Wurde die Wohnung inzwischen vermietet, bleibt der andere Mietvertrag wirksam, es sei denn, der andere Mieter und der Vermieter hätten gemeinsam in Benachteiligungsabsicht gehandelt.

     

    Praxishinweis: Falls künftig weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, kann der Benachteiligte auf Unterlassung klagen.  

     

    Darüber hinaus ist der Benachteiligende nach § 21 Abs. 2 AGG verpflichtet, den – durch die Benachteiligung – entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen. Hier können Fragen der Kausalität, des Schadens oder des Folgeschadens bedeutsam werden. Verlangt der Benachteiligte Schadenersatz wegen Verzögerung der Leistung oder Schadenersatz statt der Leistung, kommen die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung (§ 280 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 281 ff. BGB). Die Ersatzpflicht nach § 21 Abs. 2 AGG tritt nicht ein, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 21 Abs. 2 S. 2 AGG). Kurzum: Im Fall des § 21 Abs. 2 AGG tritt die Ersatzpflicht nur bei Verschulden ein. Allerdings ist das Vertretenmüssen gegenüber dem Verschulden der weitere Begriff.  

     

    Praxishinweis: Die Höhe dieses Schadenersatzes ist im Gesetz nicht geregelt. Es ist aber zu erwarten, dass sich die Rechtsprechung, etwa für den Fall der Vertragsverweigerung, an § 15 Abs. 2 S. 2 AGG orientiert. Auf die Miete übertragen, würde dies zu drei Monatsmieten führen (Börstinghaus, MietPrax-Aktuell, 1/06, G.III). Da keine Betriebskosten anfallen, käme es auf die Nettokaltmiete an.  

     

    Des Weiteren kann der Benachteiligte nach § 21 Abs. 2 S. 3 AGG wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld, sprich Schmerzensgeld, verlangen. Dieses bemisst sich nach dem, was die Rechtsprechung zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herausgearbeitet hat, wobei der Gesichtspunkt der Genugtuung regelmäßig im Vordergrund steht. Es ist aber zu berücksichtigen, dass insoweit nur „schwerwiegende und anderweitig nicht auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ in Betracht kommen. Ein nur symbolischer Schadenersatz kommt nicht in Betracht, da „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verlangt“ sind (BR-Drucksache 329/06, S. 50).  

     

    Für die Geltendmachung seiner Ansprüche aus § 21 Abs. 1und 2 AGG hat der Benachteiligte nach § 21 Abs. 5 AGGzwei Monate Zeit. Dies ist für das Geltendmachen, nicht für die Klageerhebung, eine Ausschlussfrist (BR-Drucksache 329/06, S. 51), es sei denn, er war ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert. Beim zustande gekommenen Mietverhältnis sind Ansprüche aus dem AGG vor dem nach § 29a ZPO zuständigen AG zu erheben. Bei Vertragsverweigerung sind die Anspruchsgrundlagen nicht im BGB, sondern im AGG angesiedelt. Daher ist in diesen Fällen das AGG dem BGB vorgelagert. § 29a ZPO dürfte dann nicht gelten (ähnlich LG Frankenthal NJW-RR 97, 334.) Wegen dieser noch offenen Frage empfiehlt sich vorsorglich ein Verweisungsantrag nach § 281 ZPO.  

     

    Schließlich bleiben nach § 21 Abs. 3 AGG Ansprüche aus unerlaubter Handlung unberührt, etwa wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, Beleidigung u.Ä., §§ 185 StGB und 823 Abs. 2 BGB.  

     

    4. Was ist bei der Beweislast zu berücksichtigen? 

    Der Benachteiligte muss nach § 22 AGG „Indizien beweisen“, die die Benachteiligung vermuten lassen. Dieser Beweis kann dann vom Benachteiligenden zu Fall gebracht werden, indem er beweist, dass kein Gesetzesverstoß vorgelegen hat. Der benachteiligte Kläger kann sich aber nicht mit ins Blaue gemachten Behauptungen begnügen. Er muss nach den allgemeinen Grundsätzen den Vollbeweis führen, dass er gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist.  

     

    Weiter muss er sog. Vermutungstatsachen vortragen, aus denen sich schließen lässt, dass diese unterschiedliche Behandlung auf einem nach § 1 AGG unzulässigen Grund beruht. Welche Anforderungen daran im Einzelfall zu stellen sind, muss bei der Anwendung des Gesetzes durch die Gerichte unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 138 ZPO entwickelt werden. Die zum aufgehobenen § 611a Abs. 1 S. 3 BGB von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können – je nach Fall – bei der Auslegung der o.g. Beweislastregeln eine Hilfe sein. So käme als Vermutungstatsache etwa in Betracht, dass in einer bestimmten Wohnanlage über eine gewisse Zeit immer wieder Mietbewerber aus Afrika abgelehnt, während solche aus dem ehemaligen Jugoslawien bevorzugt werden.  

     

    Praxishinweis: Die Beweiserleichterung des § 22 AGG kommt dem Benachteiligten nicht zu Gute, wenn er gemäß § 21 Abs. 3 AGG Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend macht (BR-Drucksache 329/06, S. 50 zu Abs. 3), denn diese Ansprüche bleiben „unberührt.“  

     

    5. Welche Funktion hat die sog. Antidiskriminierungsstelle? 

    Der Benachteiligte kann sich zwecks Unterstützung nach § 27 AGG an die nach §§ 25 ff. AGG einzurichtende Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Die Antidiskriminierungsstelle hilft bei der Durchsetzung von Ansprüchen, vermittelt Beratung durch andere Stellen und strebt eine gütliche Beilegung an. Die Anrufung der Antidiskriminierungsstelle kann formlos, mündlich, telefonisch, schriftlich oder auf elektronischem Weg erfolgen. Sie ist an keine Frist gebunden.  

     

    6. Wie können Vermieter vorsorgen? 

    Um belegen zu können, dass keine unzulässige Ungleichbehandlung vorgelegen hat, empfiehlt es sich für Vermieter, die Daten von Selbstauskunftsbögen (Pfeifer, MK 04, 120) bzw. die Bögen selbst, die von später abgelehnten Mietinteressenten ausgefüllt wurden, nicht wie bisher unmittelbar nach Abvermietung der Wohnung zu vernichten. Denn nach § 21 Abs. 5 AGG kann der – vermeintlich – Benachteiligte Ersatzansprüche „innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend machen, es sei denn, er war ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert.“ Es ist folglich offen, wie lange eine solche Verhinderung dauern kann. Eine Frist von zwei Monaten dürfte zwar zulässig sein, nach den Einzelumständen jedoch auch mehr. Dies gilt vor allem, weil sich eine mögliche, bei Mietabschluss erfolgte Benachteiligung erst nach Jahren, ggf. nach Mietende im Abwicklungsstadium zeigt.  

     

    Praxishinweis: Um mit den Datenschutzbestimmungen nicht in Konflikt zu geraten, sollte daher überlegt werden, jeden Mietabschluss knapp zu dokumentieren und diese Dokumentation bis zur endgültigen Beendigung bzw. Abwicklung des Mietverhältnisses aufzubewahren, also gemäß § 548 Abs. 2 BGB bis sechs Monate nach Mietende.  

     

    Es ist sinnvoll, sich beim Gespräch mit dem Mietbewerber nur auf rein sachliche Aussagen zu beschränken. Leutselige Fragen werden im Zweifel gegen den Vermieter ausgelegt. Daher ist es hilfreich, zu jedem Gespräch mit einem Mietbewerber einen nichtfamiliären Zeugen hinzuzuziehen. Die Ablehnung eines Mietbewerbers ist so knapp wie möglich zu formulieren und gegenüber dem Abgelehnten nicht zu begründen. Zwecks raschen Ablaufs der Zweimonatsfrist des § 21 Abs. 5 ist die Ablehnung möglichst frühzeitig – bei absehbaren Problemen per Einwurfeinschreiben – zu übersenden.  

     

    Praxishinweis: Soweit ein Vermieter im Falle eines Verstoßes gegen das AGG in Anspruch genommen wird, ist dies nicht versicherbar. Denn nach Nummer 7.17 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (Stand: Juni 04) gelten für den Umfang des Versicherungsschutzes u.a. als Ausschluss: „7.17 -Haftpflichtansprüche wegen Schäden aus Anfeindung, Schikane, Belästigung, Ungleichbehandlung oder sonstigen Diskriminierungen“.  

     

    7. Sind Übergangsbestimmungen zu berücksichtigen? 

    Ja. § 33 Abs. 2und 3 AGG verleiten auf den ersten Blick zur Annahme, dass vor dem 18.8.06/1.12.06 begründete Mietverhältnisse nicht unter das AGG fallen. Das ist nur zum Teil richtig. Denn dies gilt nicht „für spätere Änderungen von Dauerschuldverhältnissen“, sprich Mietverhältnisse. Der gesetzgeberische Wille dahinter: Man will sicherstellen, dass Dauerschuldverhältnisse nicht auf unabsehbare Zeit von der Anwendung der neuen Bestimmungen zum Schutz gegen Benachteiligung ausgenommen bleiben. Die Vorschriften des AGG sind deshalb ab dessen Inkrafttreten auch auf die Änderung von bereits bestehenden Dauerschuldverhältnissen anwendbar, z.B. bei Anpassungen des Entgelts für die Leistung bei langfristigen Verträgen, also bei Mieterhöhungen (BR-Drucksache 329/06, S. 58). Ob die Betriebskostenanhebung nach § 560 BGB hierzu gehört, könnte fraglich sein, dürfte aber zu verneinen sein. Denn genau besehen sind die Betriebskosten kein Entgelt, sondern reine Durchlaufposten. Gleiches gilt bei einer Vertragsfortsetzung gemäß § 545 BGB nach zuvoriger Kündigung.  

     

    Da sich mit Auslaufen der Kündigungsfrist das Dauerschuldverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis mit Rechten und Pflichten umwandelt, greifen infolge der Übergangsbestimmungen die Regelungen des AGG insoweit auch bei Altverträgen ein. Es wäre also unzulässig, einem Mieter wegen seiner ethnischen Herkunft die Kaution später auszuzahlen als sonst üblich. Damit ist festzuhalten:  

     

    • Bei Mieterhöhung und Kündigung greift das AGG auch bei Altverträgen ein und
    • ebenso bei sonstigen Änderungen, z.B. bei Hinzumieten eines weiteren Raumes oder der Überlassung einer Garage.
     

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2007 | Seite 19 | ID 88532