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  • · Fachbeitrag · Werbungskosten/Betriebsausgaben

    Aktuelle Entwicklungen beim (außerhäuslichen) Arbeitszimmer

    von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    | Wie Aufwendungen für ein Arbeitszimmer einkommensteuerlich zu behandeln sind, beschäftigt immer wieder die Finanzgerichte. Im Mittelpunkt steht dabei oft die Streitfrage, ob es sich um Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer handelt oder ob ein unbeschränkter Kostenabzug aufgrund der außerhäuslichen Sphäre des Zimmers möglich ist. Der Beitrag widmet sich u.a. dieser Abgrenzungsproblematik und zeigt darüber hinaus auch aktuelle Entwicklungen beim häuslichen Arbeitszimmer auf. |

    1. Häuslichkeit eines Arbeitszimmers

    Der Erwerbsaufwand ist auch beim häuslichen Arbeitszimmer in vollem Umfang abzugsfähig, wenn dieses Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit darstellt. Sofern für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, können die Aufwendungen zumindest bis zu 1.250 EUR steuermindernd abgesetzt werden; anderenfalls scheidet ein Kostenabzug aus (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG, § 9 Abs. 5 S. 1 EStG).

     

    Insoweit ist jedoch zu beachten, dass nicht jeder Arbeitsraum im örtlichen Zusammenhang mit der selbst genutzten Wohnung des Steuerpflichtigen ein häusliches Arbeitszimmer darstellt. Ein häusliches Arbeitszimmer ist nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder organisatorischer Arbeiten dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zu betrieblichen und/oder beruflichen Zwecken genutzt wird (BMF 2.3.11, IV C 6 - S 2145/07/10002, Rz. 3).

     

    Nicht als häusliches Arbeitszimmer gelten grundsätzlich zusätzlich angemietete Räume sowie typische Betriebsräume, Lagerräume und Ausstellungsräume. Z.B. hat der BFH (5.12.02, IV R 7/01) entschieden, dass eine Notfallpraxis kein häusliches Arbeitszimmer ist, selbst wenn sie mit Wohnräumen des Arztes räumlich verbunden ist. Als Notfallpraxis sind dabei Räume zu verstehen, die erkennbar besonders für die Behandlung von Patienten eingerichtet und für jene leicht zugänglich sind. Demgegenüber liegt ein häusliches Arbeitszimmer regelmäßig dann vor, wenn das zentrale Möbelstück des jeweiligen Raumes der Schreibtisch ist und der Raum im Übrigen mit Bücher- und Aktenschränken bzw. -regalen und ähnlichen „Büromöbeln“ sowie mit Büchern, Aktenordnern, Computer und ähnlichen Arbeitsmitteln ausgestattet ist.

     

    Hinweis | Ist z.B. der „Kreativraum“ eines Künstlers für ein Arbeitszimmer atypisch eingerichtet und dient er nicht vorwiegend der Arbeitsnutzung durch den Steuerpflichtigen selbst, können die Kosten hierfür in voller Höhe abgezogen werden (FG Niedersachsen 31.5.12, 1 K 272/10).

     

    Im Zuge der jüngsten Rechtsprechung sind im Kontext der Häuslichkeit insbesondere zwei Konstellationen praxisrelevant und somit erwähnenswert:

     

    1.1 Einbindung in die häusliche Sphäre bei einem Mehrfamilienhaus

    In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein Arbeitszimmer regelmäßig nur dann, wenn es sich in einem Raum befindet, der unmittelbar zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört. Dabei gehört ein Raum nicht nur dann zur Wohnung, wenn er Teil der eigentlichen Wohnräume ist; vielmehr kann er sich auch in den Zubehörräumen (Abstell-, Keller- und Speicherräume) befinden (vgl. u.a. BFH 20.6.12, IX R 56/10).

     

    Nutzt ein Steuerpflichtiger in einem Mehrfamilienhaus z.B. einen Kellerraum als Arbeitszimmer, der auch bei räumlicher Trennung von der Wohnung dieser zuzuordnen ist, kann ein häusliches Arbeitszimmer selbst dann vorliegen, wenn das Arbeitszimmer nur über ein auch von fremden Dritten benutztes gemeinsames Treppenhaus zugänglich ist (FG Berlin-Brandenburg 17.10.12, 12 K 12095/09; ähnlich FG Nürnberg 9.10.12, 1 K 164/11). Fehlt bei einem Mehrfamilienhaus hingegen eine solche innere Verbindung zur privat genutzten Wohnung, handelt es sich regelmäßig um ein außerhäusliches Arbeitszimmer. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Kellerraum in einem Mehrfamilienhaus separat angemietet wird (BFH 26.2.03, VI R 160/99).

     

    Beachten Sie | Muss der Steuerpflichtige, um von seinem Wohnbereich in die Büroräume zu gelangen, zunächst das Haus verlassen und eine straßenseitig gelegene und insoweit auch der Allgemeinheit zugänglich gemachte Verkehrsfläche durchqueren, um über einen eigenen Treppenaufgang in die Büroräume zu gelangen, handelt es sich um ein außerhäusliches Arbeitszimmer (BFH 20.6.12, IX R 56/10).

     

    MERKE | Ob ein Arbeitszimmer in die häusliche Sphäre eingebunden ist, ist regelmäßig anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

    1.2 Keine Häuslichkeit beim Telearbeitsplatz

    Eine interessante Gestaltungsvariante eröffnet ein Urteil des FG Rheinland-Pfalz (19.1.12, 4 K 1270/09, Rev. BFH VI R 40/12), wonach die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Beurteilung der steuerlichen Abzugsfähigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers bei einem Telearbeitsplatz nicht anwendbar sind.

     

    • Beispiel

    Arbeitnehmer A ist aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung gehalten, an zwei Tagen in der Woche zu Hause zu arbeiten und dafür einen Raum vorzuhalten. Die EDV-Einrichtung hierzu wurde vom Arbeitgeber gestellt, der auch die Kosten der Kommunikationsverbindung übernahm und ein Kontrollrecht hatte.

    Lösung: Die mit der Nutzung des Raumes zusammenhängenden Aufwendungen sind in vollem Umfang als Werbungskosten abzugsfähig.

    Selbst wenn es A nicht untersagt ist, seinen Arbeitsplatz in der Dienststelle an den Tagen zu nutzen, an denen er nach der Dienstvereinbarung seine „häuslichen Arbeitstage“ hat, wurde die Verfügungsmöglichkeit des A hinsichtlich seines Arbeitsplatzes in der Dienststelle eingeschränkt. Sinn und Zweck der Dienstvereinbarung ist es nämlich, die Tätigkeit so weit wie möglich aus dem Dienststellengebäude heraus in den häuslichen Bereich des Klägers zu verlagern.

    Der von A genutzte Raum ist damit nach Ansicht des FG Rheinland-Pfalz nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers gleichzustellen, der dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG unterliegt. Ob eine Teilnutzung des Raums als Durchgangszimmer zum benachbarten Raum einer steuerlichen Anerkennung entgegenstehen könnte, ist insoweit nicht relevant.

    2. Aktuelle Rechtsprechung zum häuslichen Arbeitszimmer

    Aus dem Sinnzusammenhang der Regelung zum häuslichen Arbeitszimmer ergibt sich, dass ein Aufwendungsabzug nur dann erfolgen darf, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich erforderlich ist. Tätigkeiten für die Verwaltung einer Fotovoltaikanlage machen ein häusliches Arbeitszimmer nicht erforderlich, soweit die zeitliche Inanspruchnahme des Raumes von untergeordneter Bedeutung ist (FG Nürnberg 19.3.12, 3 K 308/11).

     

    2.1 Zulässigkeit eines unbeschränkten Abzugs

    Ein uneingeschränkter Kostenabzug ist beim häuslichen Arbeitszimmer nur dann möglich, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit darstellt. Nach Meinung des BMF (2.3.11, a.a.O., Rz. 9 ff.), die der BFH-Rechtsprechung folgt, ist hier eine qualitative Betrachtungsweise anzustellen. Dies bedeutet, dass dort diejenigen Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht werden müssen, die für die konkret ausgeübte betriebliche oder berufliche Tätigkeit wesentlich und prägend sind. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Würdigung lediglich eine indizielle Bedeutung zu.

     

    Der BFH (27.10.11, VI R 71/10; 8.12.11, VI R 13/11) hat diese zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze erstmals für die neue Rechtslage (in der Fassung des JStG 2010) bestätigt und geurteilt, dass weder bei einem Hochschullehrer mit Lehrverpflichtung noch bei einer Richterin am Amtsgericht der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegt.

     

    2.2 Beschränkter Abzug (1.250 EUR)

    Ein auf 1.250 EUR beschränkter Abzug ist möglich, soweit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. „Anderer Arbeitsplatz” i.S. der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist (BMF 2.3.11, a.a.O., Rz. 14).

     

    Bei der Nutzung durch mehrere Steuerpflichtige soll der Abzug auf das Objekt (das Arbeitszimmer) bezogen sein (BMF 2.3.11, a.a.O., Rz. 21; ebenso FG Baden-Württemberg 12.7.12, 3 K 447/12, Rev. BFH VI R 53/12).

     

    • Beispiel

    Die Aufwendungen für ein von A und B jeweils zu 50 % genutztes Arbeitszimmer betragen 3.500 EUR. A und B steht für die im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeiten kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Wegen der objektbezogenen Sichtweise können sie jeweils 625 EUR (50 % von 1.250 EUR) als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen.

     

    Hinweis | Demgegenüber wird der Höchstbetrag von 1.250 EUR auch bei nicht ganzjähriger Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in voller Höhe gewährt (BMF 2.3.11, a.a.O., Rz. 22).

     

    2.3 Aufteilung bei privater Mitbenutzung

    Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer setzte nach bisheriger Auffassung voraus, dass das Arbeitszimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Die Rechtfertigung für ein Aufteilungsverbot ist jedoch durch den Beschluss des Großen Senats des BFH (21.9.09, GrS 1/06) entfallen, sodass nach der - m.E. überzeugenden - Ansicht des FG Niedersachsen (24.4.12, 8 K 254/11, Rev. BFH IX R 23/12) jedenfalls dann eine Aufteilung geboten ist, wenn der Charakter als Arbeitszimmer trotz der privaten Mitbenutzung zu bejahen ist.

     

    Abweichend von dieser Entscheidung hat das FG Baden-Württemberg (2.2.11, 7 K 2005/08) in einem zwischenzeitlich rechtskräftigen Urteil die Verwaltungsauffassung bestätigt, wonach die Aufwendungen nur dann abgezogen werden können, wenn das Zimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird (ebenso FG Sachsen 11.1.12, 2 K 1854/11). Demgegenüber hat das FG Köln (19.5.11, 10 K 4126/09, Rev. BFH X R 32/11) bei teils privater, teils betrieblicher Raumnutzung eine schätzungsweise 50/50-Aufteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände vorgenommen.

     

    PRAXISHINWEIS | Infolge der anhängigen Verfahren bleibt die abschließende Entscheidung des BFH mit Spannung abzuwarten. Bis dato hat der BFH (2.7.12, III B 243/11) „nur“ in einem NZB-Verfahren Stellung bezogen. Hier kam ein (anteiliger) Abzug jedoch von vornherein nicht in Betracht, da der Umfang der betrieblichen Nutzung des Wohnzimmers weder in räumlicher noch in zeitlicher Hinsicht festzustellen war.

    3. Geplante Gesetzesänderung

    Nach einem vom Bundesrat aktuell eingebrachten Entwurf für ein Steuervereinfachungsgesetz 2013 (14.12.12, BR-Drs. (B) 684/12) soll der typischerweise entstehende Aufwand eines durchschnittlichen häuslichen Arbeitszimmers ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ohne Einzelnachweis berücksichtigt werden. Vorgesehen ist ein Pauschbetrag i.H. von 100 EUR je Monat.

     

    Der Pauschbetrag soll gelten, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht oder die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellt, diesen Pauschbetrag unterschreiten.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 26 | ID 37473820

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